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Bruce Lee als Vorbild für Lehrer - Das Konzept “Classroom Discipline 101” 07.07.2010, 18:33

Bruce-Lee-Statue
Bild: J McFarlane: Bruce Lee [CC by]

Craig Seganti, Lehrer-"Veteran" an den "härtesten" Schulen in Los Angeles, bietet im Internet den Kurs "Classroom Discipline 101" an. Er verspricht Lehrer/innen zu zeigen, wie sie ihren Unterricht völlig unter Kontrolle bekommen und jegliche Disziplinprobleme für immer beseitigen können - indem die Saat der Unruhe unbarmherzig an der Wurzel ausgerupft wird. Die Pädagogik des Bruce Lee.

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“Classroom Discipline 101”

(Virtuelles) Cover des E-Books 'Classroom-Discipline 101' Unter classroomdiscipline101.com bietet Craig Seganti ein E-Book (127 Seiten, pdf) mit dem gleichnamigen Titel an: “Classroom Discipline 101 - How To Get Control Of Any Classroom” (Wie man jede Klasse unter Kontrolle bekommt), zugeschnitten auf die Sekundarstufe I (Klassen 5-10). Craig Seganti war nach eigenen Angaben mehr als 20 Jahre lang in den “toughest” (härtesten) Schulen Los Angeles’ beschäftigt, u.a. auch in Erziehungslagern für straffällige Jugendliche:

Ich habe die härtesten Klassen in Los Angeles unterrichtet - vielleicht die härtesten Klassen der Welt. Ich habe praktisch alle Unterrichtsstörungen ausgeräumt und mir in allen Situationen Respekt verschafft.

Das kann jetzt auch Ihnen gelingen

Immer noch arbeite ich im Stadtgebiet Los Angeles als Lehrer. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, bin ich aufgeräumt und entspannt. Sie verdienen das gleiche - man braucht dafür kein Zauberer zu sein.

classroomdiscipline101.com, Übersetzung Lehrerfreund

Bevor man die 39.95 US-Dollar für das PDF-File ausgibt, kann man sich in einem fünftägigen E-Mail-Kurs “Die 5 wichtigsten disziplinarischen Fehler von Lehrer/innen” mit den zentralen Aussagen Segantis vertraut machen. Diese sind:

Die 5 wichtigsten disziplinarischen Fehler von Lehrer/innen

Disziplin-Fehler 1: Die ganze Klasse disziplinieren wollen

Wer vor seiner Klasse steht und “Ruhe” brüllt, wird immer nur kurze Ruhe erhalten. Craig Seganti rät uns, sich “wie Bruce Lee” die größten Störenfriede einen nach dem anderen vorzuknöpfen - und diese sofort herbe Konsequenzen fühlen zu lassen, was der Abschreckung der restlichen Schüler/innen diene.

Disziplin-Fehler 2: Fragen stellen statt Aussagen treffen

Rhetorische Fragen wie “Jane, warum sprichst du? Habe ich dir nicht gesagt, dass du jetzt arbeiten sollst?” seien zu vermeiden. Direkte Ansprache sei vorzuziehen: “Jane, in meinem Unterricht wird nicht geredet. Sei sofort still und konzentriere dich auf deine Arbeit.”

Disziplin-Fehler 3: Warnen und drohen

Wenn jede/r Schüler/in zwei Verwarnungen frei hat, bevor eine Sanktion verhängt wird, käme die Lehrer/in aus dem Verwarnen gar nicht mehr raus. Die Schüler/innen wüssten, wie sie sich verhalten sollen - deshalb rät Craig Seganti dazu, KEINE Warnungen auszusprechen, sondern Vergehen umgehend zu sanktionieren. Falsch: “Johnny, sei still. Wenn du noch einmal blablabla.” Richtig: “Johnny, du störst den Unterricht. Heute mittag kommst du 15 Minuten nach Schulschulss zum Nachsitzen.”

Disziplin-Fehler 4: Non-verbale Kommunikation ignorieren

Wenn sich Schüler/innen respektlos oder unhöflich verhalten, müsse das in jedem Fall angesprochen werden - auch wenn es sich dabei nicht um verbales Verhalten handelt (Körpersprache, Stimmlage, Augenbwegungen usw.). Es sei nicht wichtig, was ein/e Schüler/in sagt, sondern was er/sie kommuniziert. Wenn ein/e Schüler/in die Augen verdreht und genervt ausatmet, wird als Reaktion empfohlen: “Ich verbitte mir diese Art der nonverbalen Respektlosigkeit. Entweder verhältst du dich mir und der Klassensituation gegenüber respektvoll oder du kommst nach der Schule zum Nachsitzen.” Oder: “Du warst respektlos. Komm 15 Minuten nach Schulschluss zum Nachsitzen.”

Disziplin-Fehler 5: Unvorbereitet im Unterricht

Während des Unterrichts dürfe es keinen Leerlauf geben, in dem die Lehrer/in sich überlegt, was als nächstes kommt und die Schüler/innen nichts zu tun haben.

Bewertung des Konzepts “Classroom Discipline 101”

Craig Seganti verspricht Lehrer/innen, die sein Buch kaufen, die Realisierung einer Utopie: vollständig disziplinierte, mitarbeitende Schüler/innen - auch in sehr schwierigen Klassen.

Die Tipps von Craig Seganti berücksichtigen verschiedene Aspekte der Unterrichtsinteraktion wie Kommunikationsebene-/stil, Lehrerverhalten oder Unterrichtsgestaltung. Das ist für ein solches Konzept notwendig und sinnvoll.

Dabei verfolgt das Konzept jedoch grundsätzlich eine Pädagogik der harten Hand - die Saat der Unruhe soll durch rigoroses Durchgreifen im Keim erstickt werden. Bezeichnenderweise wird Bruce Lee und das “Ausknocken” von Störenfrieden als Vergleich herangezogen. Gerade bei schwierigen Klassen ist es fraglich, ob eine auf Antagonismen aufgebaute Pädagogik (Lehrer gegen Schüler - wer gewinnt?) zum Erfolg führt. Ein alternativer Weg besteht in Stilrichtungen, die auf ein gemeinsames Miteinander und die Einsichtigkeit der Schüler/innen bauen (z.B. Gewaltfreie Kommunikation). Hier würde Craig Seganti wahrscheinlich abwinken und auf das eisenharte Klientel an Los Angeles’ Stadtschulen verweisen.

Ob man eher dem Weg des Dalai Lama oder dem des Craig Seganti folgt oder vielleicht eine erfolgreiche Mischform aus beidem findet, muss jede/r Lehrer/in selbst entscheiden. Der Weg des Craig Seganti hat ein entscheidendes Problem: Bruce Lee erledigt zwar Bösewichte mit harter Handkante - allerdings muss der Effekt nur für die Dauer von 90 Minuten vorhalten. Das entspricht zwei Schulstunden. Für ein/e Lehrer/in geht es danach wieder von vorne los. 40 Jahre lang.

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Kommentare

7

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  • #1

    Ich stimme meinen beiden Vorrednern zu. Ich selbst verfahre schon lange nach den von Seganti vorgestellten Tipps (ohne das Buch zu kennen) und habe die Erfahrung gemacht, dass Schüler sehr viel besser mit klaren Anweisungen inkl. ausgeführten Konsequenzen als mit ständigen pädagogisch korrekten Gesprächstherapien oder vagen Drohungen zurecht kommen. Im Gegenteil befürworten sie dieses von mir angewandte Verfahren, weil sie im Ergebnis endlich mal in einer ruhigen Arbeitsumgebung arbeiten können.
    Zur Person: Ich bin seit 20 Jahren Lehrer an einer Hauptschule.

    schrieb Hartmut Braun am

  • #2

    Alter Wein in neuen Schläuchen. Diesmal in einer etwas direkteren, kraftvolleren Sprache und unter Bemühung von B.Lee. Ohne das Buch gelesen zu haben, deuten die 5 wichtigsten Fehler darauf hin, dass hier genau das, was auch Hanspeter Nolting schon geschrieben hat, einmal mehr wiederholt wird.
    Tatsache ist, dass ein grosser Teil der disziplinarischen PROBLEME durch die Lehrer selber erzeugt, bzw. verstärkt wird. Entsprechend - und so verstehe ich auch diese Hinweise - muss es also darum gehen, dass sich die Lehrer in ihrem Verhalten verändern müssen, anstatt alle Energie darauf zu richten, die Schüler zu verändern.
    Ausserdem, und auch das ist ein alter Hut, kommt es nicht darauf an, wie, bzw. mit welcher Härte man auf ein Verhalten reagiert, sondern dass dies möglichst sofort und ohne zeitliche Verzögerung passiert.
    Und dass jemand sein Produkt mit markigen Worten verkaufen will, sollten wir inzwischen doch auch schon gewohnt sein. Sogar Schulleiter in /aus Deutschland scheuen sich nicht, ihre Bücher unter dem Titel “Lob der Disziplin” anzupreisen.

    schrieb Thorsten am

  • #3

    Nicht vergessen: Deutschland ist DAS Land der endlosen Diskussionen.
    Das machen sich die Störefriede zu Nutze und bauen damit ihre Macht (erfolgreich) auf.
    Schon in unseren deutschsprachigen Nachbarländern wird viel weniger diskutiert bei mindestens gleich kooperativen Idealen. Der Erfolg ist in vielen Fällen deutlich sichtbar, die SchülerInnen sind oft mündiger.
    In einer Schule, die verwaltungsstrukturell von oben nach unten aufgebaut ist, muss dies bis zum Schüler so sein.
    Wenn der Lehrer sich mehr nach dem Schüler richten soll, muss die gesamte Struktur auch von unten nach oben funktionieren: Der Chef als echter Diener des “Frontmanns”.
    Ist das hier so? Bestimmt an einigen Schulen. Bei Euch?

    schrieb Lehrer am

  • #4

    Ich habe mir das Buch aus Interesse gekauft. Anders als meine Vorredner sehe ich den von Seganti vertretenen Ansatz weit weniger kritisch.

    Konzepte wie dich “Ich-Kann-Schule” mögen nette Ideen sein (und reflektieren möglicherweise auch das Selbstverständnis von Herrn Neffe) - lassen zuviele Aspekte der Arbeit mit pubertierenden Jugendlichen (im Gegensatz zur Grundschule) m.E. völlig außer Acht.

    Das Problem mit Segantis Buch ist in meinen Augen ein anderes: Seganti setzt in einem großen Maße auf die amerikanischen Schulgesetze und die Mitwirkung der Administration bei der Umsetzung seines Konzepts - bezieht dabei Dinge wie den selbstverständlich vorhandenen Schulpsychologen mit ein und macht auch von längerfristigem Ausschluss vom Unterricht (“suspension”) oder auch kurzem Nachsitzen ohne Benachrichtigung der Eltern Gebrauch.

    Zusammenfassend ließe sich das Konzeptin Deutschland - wenn überhaupt -  nur mit erheblichen Änderungen und wesentlich weniger wirkungsvoll umsetzen.

    schrieb Marius am

  • #5

    Natürlich kann man mit DRUCK manches DURCHDRÜCKEN. Erpressungsversuche sind aber immer ein Zeichen eigener Schwäche. Es ist weder in der Pädagogik noch im Leben sinnvoll, seine Möglichkeiten künstlich auf DRUCK und seine Steigerung zu begrenzen. Druck ist nicht die entscheidende Kraft im Leben. Das Leben wächst und wird gelenkt durch SOG. Sog ist das Grundprinzip der neuen Ich-kann-Schule. Mit SOG kann man Kräfte punktgenau lenken, Sog lässt wachsen. Und ein gewachsenes Ergebnis ist etwas anderes als ein erpresstes.
    Ich grüße freundlich.
    Franz Josef Neffe

    schrieb Franz Josef Neffe am

  • #6

    Also ganz von der Hand zu weisen ist dieser Ansatz nicht.
    Er funktioniert gut, wenn man eine Notsituation meistern muss und keine Zeit für irgend etwas anderes ist. Beispiele dafür wären ein Kriegseinsatz, oder wenn ein Feuer in der Schule ausbricht etc.

    Dieses Vorgehen bewirkt Aktion, nicht Verstehen.

    schrieb zum_bleistift am

  • #7

    Tja, immer hätte man gerne ein Zaubermittel gegen dieses und das. Gerade im Unterrichtsgeschehen braucht es gerne einer Wunderfee, die das Geschehen ordnet.

    Die Ratschläge von Craig berühren insbesondere Kommunikationstörungen. Ist dieser spezielle Aspekt des Unterrichts als wichtigstes und bestimmendes Element festgelegt, dann gut. Die Ratschläge gehen dann in Ordnung und mögen den Unterrichtenden erlösen.

    Aber so funktioniert es (hierzulande) nicht. Unterrichtsgeschehen ist komplex und deshalb auch so anzugehen. Ein Ansatz findet sich im »Fehler 5: Unvorbereitet im Unterricht«.

    Der eine Aspekt von Kampfsport, andere Menschen zu beherrschen, mag überwältigende Hilfe bei der Lösung entsprechender Problematiken in unserem Unterricht geben. Wir arbeiten aber langfristig und nachhaltig—deshalb mit anderer Zielsetzung.

    schrieb ConnyLo am

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