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Abschalten und vergessen

Was haben Ritalin® und Aspirin® gemeinsam? 15.09.2012, 13:30

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Bild: Pixabay [CC0 (Public Domain)]

Wer Kopfschmerzen hat, wirft eine Kopfschmerztablette ein - die Symptome verschwinden, alles ist gut. Bei Aufmerksamkeitsstörungen wie ADS/ADHS ist dieses Konzept jedoch fatal: Die Symptome verschwinden - das Problem aber bleibt.

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Vorbemerkung: "Ritalin" und "Aspirin" als Deonyme
"Ritalin" und "Aspirin" stehen im Folgenden deonymisch für "ADHS-Medikament" (bzw.: Wirkstoff Methylphenidat) und "Kopfschmerzmittel" (so wie "Tempo" für "Papiertaschentuch").

Kopfschmerzen abschalten

Das bekannte Kopfschmerzmittel "Spalt" wirbt mit dem knackigen, bekannten Slogan: "Spalt schaltet den Schmerz ab. Schnell."

Genau das ist es, was man von einer Schmerztablette erwartet: Sie soll den Schmerz beenden - schnell, ohne weitere Umstände.

Ist das Symptom, also der (Kopf-)Schmerz, einmal abgestellt, werden Gedanken über Ursachen und mögliche Therapien hinfällig. Der Schmerz ist ja weg.

Aufmerksamkeitsstörungen abschalten

Bevor Eltern ihren Kindern eine medikamentöse Behandlung mit Methylphenidat zumuten, erleben sie in der Regel lang dauerndes Leid: Das Kind hat massive Probleme in der Schule, im sozialen Umfeld und in der Lebensorganisation ("Vergiss deine Jacke nicht."). Den Ausschlag für eine medikamentöse Behandlung geben meist die katastrophalen schulischen Leistungen; trotz ausreichender (oft: überdurchschnittlicher) Intelligenz versagt das Kind bei einfachsten Aufgaben - aus unterschiedlichen Gründen (z.B. Fokusverschiebung, Aufmerksamkeitsprobleme, Verweigerungshaltung, Uneinsichtigkeit gegenüber der Aufgabenstellung).

Sobald die Behandlung mit Ritalin & Co beginnt, erleben die Eltern häufig ein Wunder: Die schulischen Leistungen verbessern sich oft rapide, das Kind findet sich in seinem sozialen Umfeld viel besser zurecht und beginnt sein Leben ordentlich zu organisieren.

Ritalin schaltet die Aufmerksamkeitsstörung ab. Schnell.

Was Ritalin und Aspirin gemeinsam haben

In beiden Fällen tritt oft eine umgehende, massive Besserung des unerwünschten Zustands ein. Das ist sehr erfreulich.

In beiden Fällen versinkt jedoch die Frage nach Ursachen und möglichen Therapien im Nirgendwo. Wozu soll man sich über Kopfschmerzen Gedanken machen, die doch gar nicht mehr da sind?

Gerade bei einem umfänglichen, die Persönlichkeit betreffenden Problem ist dieser Effekt trotz seiner Erfreulichkeit jedoch außerordentlich gefährlich. Man stellt sich nicht mehr die Frage, welche Ursachen die ADS/ADHS hat. Man stellt sich nicht mehr die Frage, welche sinnvollen Therapieformen und Behandlungsmöglichkeiten es geben könnte - denn die Symptome sind einfach weg. Wer würde es den geknechteten Familien auch verdenken.

Die "Störung" ist jedoch noch da. Ritalin hat lediglich die Symptome beseitigt. Sobald die Pille abgesetzt wird, ist meist alles wie vorher, vielleicht schlimmer.

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Kommentare

11

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  • #1

    Ihre Schilderung ist zu kurz gedacht. Medikinet wirkt den Problemen im Gehirnstoffwechsel entgegen, welches darin liegt, dass die Neurotransmitter (Dopamin, Noradrenalin (in geringem Umfang auch Serotonin) vorzeitig, z.T vor ihrer eigentlichen Aufgabe, zurück in den Kreislauf abgegeben werden. Das ist kein Symptom sondern mit die Ursache, die genetisch bedingt ist. Daher sind Ihre Ausführungen nicht ganz korrekt. Was anders sind die Verhaltenstörungen durch ADHS, die der Betroffene gelernt hat, wenn er nicht früh genug behandelt wurde. Dort ist eine Therapie dringend nötig und wichtig. Bevor entsprechendes aufkommt, nein ich bin nicht von der Pharmalobby sonder über 40 Jahre alter Betroffener und vor meiner Therapie, welche vor 6 Jahren begann und zu der auch heute noch Methylphenidat gehört war mein Leben ungleich schwerer, trauriger und sehr viel weniger Lebenswert. Die schweren Begleitkrankheiten von ADHS, z.B. Depressionen aufgrund der Schwierigkeiten, werden selten in solchen Artikeln betrachtet, sind aber gerade ein großes Problem . ADHS ist Lebensgefährlich, Sie verstehen, was ich meine. Danke, dass ich hier meine Meinung und Erfahrung offen vertreten kann. Besten Gruß

    schrieb Böttcher am

  • #2

    Ich kann meiner Vorrednerin nur Recht geben. Wer nicht direkt von ADHS betroffen ist, kann den Nutzen von Methylphenidat nicht richtig beurteilen.

    Glauben Sie, lieber Lehrerfreund, denn ernsthaft, wir Konsumenten/die Eltern der Konsumenten/ unsere Ärzte machen sich keine Gedanken über die Nebenwirkungen und die Langzeitfolgen? Glauben Sie etwa, wir suchen einfach nur den “leichten Weg”, weil wir einfach zu bequem sind uns stattdessen mal eben andere Verhaltensweisen anzugewöhnen? Nur weil “die Medien” behaupten Ritalin werden wie Bonbons verteilt, bedeutet dies nicht das oft ein monate-bis jahrelanger Weg hin zu dieser Medikation führt. (schwarze Schafe unter den Ärzten seien hier bitte außer Acht gelassen, doch dafür kann das Ritalin nichts)

    Glauben Sie ernsthaft wir schlucken freiwillig und für den Rest unseres Lebens einen so mit Nebenwirkungen behafteten Wirkstoff?

    Ich bin unglaublich dankbar für diese Medikament, auch wenn sie dies vermutlich anders beurteilen: es macht mich (mit richtiger Dosierung natürlich) nicht zum Zombie, ist aber eine unglaubliche Stütze .

    Und bitte behaupten Sie nun nicht, ich gehöre zur Pharmalobby, nur weil ihr Ihre Meinung nicht teile.

    schrieb Fusselfee am

  • #3

    Ihr habt doch alle recht !

    ich beginne gleich: ” Als betroffener Vater bin ich für mein Kind froh, dass es..:” Methylphenidat erhält. Die Tage ohne sind meistens sehr schwierig für alle - auch für meinen Sohn selbst, da er ja selbst merkt, daß es anderen schwer fällt mit ihm.
    Um es ganz banal runter zu brechen - es kommt immer auf den Fall (das Kind!) an. Mag sein, daß manche Ärzte zu schnell verschreiben, doch solche kenne ich nicht - es sind entsprechend begleitende Therapien erforderlich und wichtig.

    Die Diskussion finde ich etwas am Thema vorbei, da (wie auch zuvor schon geschrieben,
    - die Diskussion von Leuten angefacht wird, die oftmals keinen Kontaktmit solchen Kindern haben
    - die sich damit nicht wirklich beschäftigten
    - oder auch die ganz gegen Medikamente sind (auch gegen Aspririn, Spalt o.ä. bei Erwachsenen)

    Es ist genauso mit der These:
    Warum verbieten wir denn kein Wasser ?!
    Es sind schließlich schon genug drin ertrunken - ist also bewiesen, daß es gefährlich ist !

    schrieb stukki am

  • #4

    Als betroffener Vater bin ich für mein Kind froh, dass es Medikinet erhalten hat. Es erfolgte eine enge Kontrolle durch Ärzte und eine Psychologin. Ich vergleiche die Einnahme des Medikaments gerne mit einer Brille, die einem Fehlsichtigen verordnet wird. Nehmen wir diesem die Brille weg und sagen: “Streng dich mal ein bisschen an, geh doch dichter an den Text ran,...” Oder nehmen wir einen Diabetiker. Der ist bestimmt auch selber an seiner Krankheit schuld? Und die Zunahme der Verordnung von Insulin ist nach der Entdeckung der entsprechenden Zusammenhänge sicher auch angestiegen.
    Allerdings bin ich auch für eine Verordnung des Medikaments erst nach einer umfassenden Diagnose. Dies erwarte ich jedoch von einem verantwortungsvollen Arzt und auch von den Eltern entsprechendes Nachhaken.
    Zusammengefasst ärgert mich das aktuelle undifferenzierte Herumhacken auf Methylphenidat

    schrieb hatewe am

  • #5

    Ja, aber jetzt sind Sie dabei (sofern Sie das Häkchen “Benachrichtigung bei Antworten” gesetzt haben).

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #6

    Ich möchte die Diskussion verfolgen und eine Mail bei Antworten bekommen. Muss ich dazu unbedingt etwas in dem Beitrag schreiben?

    schrieb abohn am

  • #7

    Geil - die Pharmalobby ist auch hier :-)

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #8

    Die Tatsache, dass der Verbrauch von Methylphenidat steigt, liegt auch ganz einfach daran, dass die Diagnose AD(H)S viel zielgerichteter vorgenommen wird als früher, weil eine Sensibilisierung dafür vorhanden ist.
    Das ist so wie mit der rasanten Zunahme der diagnostizierten Borreliose-Erkrankungen. Die Erkrankungen haben drastischer zugenommen als die Anzahl der Zecken, die die Erreger tragen.
    Das liegt auch daran, dass die Ärzte mittlerweile sehr viel eher als früher ein eine borreliose überhaupt in Betracht ziehen. Vor 15 Jahren haben viele Borreliose-Erkrankte noch jahrelange Leidenswege mit Langzeitschäden auf sich nehmen müssen.
    Ebenso waren damals AD(H)S- Kinder und Erwachsene einfach unter der Kategorie “schräg” und/oder “unbeschulbar” eingeordnet. Bei verbesserter Diagonosefähigkeit wird auch die zahl der diagnostizierten Fälle steigen.

    schrieb mniemann am

  • #9

    Ich verstehe sowieso nicht, warum immerzu über das ach so schlimme Ritalin gesprochen wird.

    Nehmen Sie mal den Beipacktzettel aus Ihrer Packung und lesen Sie ihn, dann wissen Sie es. Oder: Zusammenfassung Beipackzettel Ritalin (Kommentar #75)

    Ich bin über die möglichen Nebenwirkungen im Bilde, wobei diese Beipackzettel sich immer noch auf die Verordnung als Stimmungsaufheller/ Antidepressiva beziehen. Da sich bei diesem Krankheitsbild durch die Einnahme von “Ritalin” euphorische Zustände einstellen können, wird vor dem Bedienen von Maschinen, Autofahren etc. gewarnt. Ebenso ist bei diesem Krankheitsbild eine Neigung zur Selbsttötung durchaus vorhanden, bei ADHS doch eher weniger. Bei ADHS ist man mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass unter Medikamenteneinnahme eine sicherere Verkehrsteilnahme ermöglicht wird: Weniger Risikofreudigkeit, weniger Agressionen, mehr Konzentration.
    Zudem: mit meiner Äußerung wollte ich darauf hinweisen,dass beispielsweise Kindern, die an Epilepsie leiden, viel mehr chemische Belastung zugemutet wird, wobei deren Medikamente teils ebenfalls als persönlichleitsverändernd eingestuft werden und unter das BTM fallen. Darüber wird nirgends diskutiert…

    Als Nachtrag: ich bin Lehrerin und nicht für die Pharmaindustrie tätig. Aus diesem Grund vermeide ich auch die Nennung der einzelnen Medikamentennamen. Ich möchte schließlich keine Schleichwerbung machen…

    schrieb Teechen am

  • #10

    Ich finde es immer wieder interessant, dass Menschen, die diese Krankheit nicht haben, glauben, beurteilen zu können, was das Medikament bei AD(H)S-lern bewirkt und wie es wirkt.

    Es ist wahrscheinlich noch viel interessanter, dass Ärzte, die sich mit Krankheiten und Medikamenten auskennen sollten, in den letzten Jahren ohne Limit Ritalin verschrieben haben (und auch: ohne Verhaltenstherapie), die Zahlen sind regelrecht explodiert. In den letzten Jahren hat sich diese Verschreibungspraxis etwas verbessert (Stichwort begleitende Therapie). Siehe dazu: Methylphenidat - Verbrauch in Deutschland 1993-2011

    Nun gibt es Fälle, in denen es kaum Alternativen zu Ritalin/Methylphenidat gibt. Das ist aber ganz klar eine Minderzahl (siehe ebenfalls oben verlinkten Beitrag, DEA-Statement von 1996). Angesichts der massiven Nebenwirkungen und Langzeitfolgen sollte man sich deshalb genau überlegen, ob man im Einzelfall den Griff zur Ritalinpackung bagatellisiert. Darauf hebt der Aspirin-Ritalin-Artikel ab.

    Übrigens: Hier wurden schon oft Kommentare abgegeben, die angeblich von Betroffenen verfasst wurden, ganz offensichtlich aber nach Auftragsarbeiten der Pharmalobby stanken. Sie schreiben:

    Ich verstehe sowieso nicht, warum immerzu über das ach so schlimme Ritalin gesprochen wird.

    Nehmen Sie mal den Beipacktzettel aus Ihrer Packung und lesen Sie ihn, dann wissen Sie es. Oder: Zusammenfassung Beipackzettel Ritalin (Kommentar #75)

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #11

    Ich finde es immer wieder interessant, dass Menschen, die diese Krankheit nicht haben, glauben, beurteilen zu können, was das Medikament bei AD(H)S-lern bewirkt und wie es wirkt. Mittlerweile wird ADHS sogar als Behinderung anerkannt und in schweren Fällen sogar ein Integrationshelfer bewilligt, der trotz Medikation teilweise notwendig ist. Da man die Symptome auch nicht den ganzen Tag unterdrücken kann, ist die Erkrankung in all seinen Symptomen permanent präsent. Man kommt gar nicht umhin, Maßnahmen zur Verhaltensänderung zu trainieren, um auch den Rest des Tages halbwegs geregelt auf die Reihe zu bekommen. Und ich persönlich kenne auch keinen Arzt, der Medikamente verschreibt, ohne parallel dazu eine Verhaltenstherapie durchzuführen. Wird diese nicht eingehalten, werden keine Medikamente mehr verschrieben. Die Kontrollen erfolgen in der Regel sehr engmaschig. Zudem wird in regelmäßigen Abständen das Medikament abgesetzt, um zu überprüfen, ob die Gabe noch notwendig ist. Es gibt sogar ein Medikament, dass nicht unter das BTM fällt und eine ständige Symptomunterdrückung erwirkt. Dies wird von den meisten Betroffenen schnell als unangenehm empfunden und kann zu depressiven Zuständen führen. Ich verstehe sowieso nicht, warum immerzu über das ach so schlimme Ritalin gesprochen wird. Wenn man sich vor Augen führt, was für Medikamente beispielsweise ein Epileptiker zu sich nehmen muss, was deren Medikamente für Auswirkungen auf den Körper haben, sehe ich dort eine andere Relation. Man sollte vielleicht mal darüber nachdenken, ob eine Verwahrung in Ganztagsbetreuungen, reduzierte Auslaufflächen für Kinder in KiTas und der frühzeitige überbordende Konsum von Fernsehen und Spielkonsolen nicht viel eher zu einer Symptomverschlimmerung führt und man dort im Sinne des Kindes Umdenken sollte. Wohlgemerkt, hier schreibt eine betroffene Person, die eine lange Zeit ohne Medikamente ausgekommen ist.

    schrieb Teechen am

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