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Philologenverband ruft zur Entspannung auf

LBV-Versorgungsauskunft: Baden-Württembergs Lehrer in Panik 01.10.2012, 01:18

Schokolade für die Ersteller der Versorgungsauskunft
Bild: flickr-User John Loo [CC by]

In Baden-Württemberg hat ein Schreiben des LBV die Lehrerschaft in Aufruhr versetzt: Seit dem Schulabschluss müssen alle Tätigkeiten lückenlos und tagesgenau nachgewiesen werden - eine fast unlösbare Aufgabe. Fast unlösbar auch für das LBV, das mehr als 15 Tonnen Papier in mehreren Zehntausend Arbeitsstunden auswerten muss. Der Philologenverband BW fordert auf, die Ruhe zu bewahren und erst mal gar nichts abzugeben.

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  • (geändert: )

Update 2 (03.10.2012)
Der Philologenverband hat einen zweiten Newsletter zur Versorgungsauskunft herumgeschickt. Die zentrale Aussage:

"Der Philologenverband setzt sich aber weiterhin dafür ein, dass das LBV die Abfrage zurückzieht und stattdessen eine Art "Kontenklärung" durchführt, bei der die Betroffenen eine Liste der vorhandenen Daten zur Ergänzung bzw. Korrektur zugeschickt bekommen!
[...]
Es gilt daher weiterhin die Empfehlung an die betroffenen Lehrkräfte, mit der Beantwortung der LBV-Abfrage vorläufig abzuwarten, da hierfür auch keine Frist gesetzt ist!"

Update 2 (02.10.2012, 22.15)
Auch das Regierungspräsidium Freiburg hat ein Schreiben in gleichem Wortlaut an alle Schulen im Regierungsbezirk versandt.

Update 1 (02.10.2012, 21.30)
Nicht nur die Lehrer/innen sind in Panik, sondern auch die Regierungspräsidien. Offensichtlich hat das LBV die Anforderung auf eigene Faust verschickt, einige Regierungspräsidien legen nach und informieren alle Schulen in ihren Bezirken. Beispiel aus dem Regierungspräsidium Karlsruhe: "Für den vorgesehenen Zweck werden ausschließlich Angaben und Nachweise über Zeiten benötigt, die zwischen dem allgemeinen Schulabschluss und  der ersten Einstellung in den Schuldienst des Landes ggf. nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes liegen. Unterlagen über nach diesem Zeitpunkt liegende Tätigkeiten sind bereits bei den Personalakten der Beschäftigten bzw. elektronisch erfasst und werden daher nicht benötigt."

Es wird weiterhin darauf hingewiesen, dass alle Anfragen ausschließich an das LBV zu richten seien. Das könnte die süße Rache sein dafür, dass seit dem Rundschreiben des LBV bei allen Regierungspräsidien die Telefondrähte heißlaufen: "Wir bedauern die durch die Aufforderung des LBV entstandenen Irritationen und den möglicherweise bereits entstandenen Zeitaufwand für die Erledigung."

 

Stellen Sie sich vor, Sie sind 60 Jahre alt und kommen 2012 nach einem anstrengenden Tag zur Haustüre herein. Dort finden Sie einen Brief vom LBV (Landesamt für Besoldung und Versorgung), der mit den Worten beginnt "BETRIFFT IHRE PENSION - BITTE BEILIEGENDEN VORDRUCK LÜCKENLOS AUSFÜLLEN". Sie werden darin aufgefordert, an der Erstellung Ihrer Versorgungsauskunft nach §77 Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW) mitzuwirken. Denn ab 2016 erhalten Beamte/Richter auf Lebenszeit im Abstand von fünf Jahren eine Auskunft über die Höhe ihrer Versorgungsbezüge, das ist die "Versorgungsauskunft".

Darauf bereitet sich die Personalverwaltung des Landes Baden-Württemberg, namentlich das LBV, jetzt vor. Alle Beamten/Richter, die nach dem 31.12.1950 geboren sind, haben eine Erklärung Ihrer Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten abzugeben.

Diese Aufstellung muss lückenlos und tagesgenau sein. Nachweise für die einzelnen Tätigkeiten sind als Kopien beizufügen. 

Nur wer die Aufstellung abgibt, könne sich darauf verlassen, dass "die Berechnung Ihres späteren Versorgungsanspruchs lückenlos sichergestellt ist."

Stellen Sie sich vor, Sie sind 1951 geboren und haben 1970 Abitur gemacht. 42 Jahre tagesgenau und lückenlos mit Nachweisen zu belegen ist ein Werk, das mehrere Monate und einen anschließenden Kuraufenthalt beanspruchen dürfte. Wahrscheinlich ist es sogar schlichtweg unmöglich, alle notwendigen Nachweise zu erbringen - denken Sie allein an die Situation, als Sie einmal für ein halbes Schuljahr für 4 Stunden an eine andere Schule abgeordnet waren. Hatte man jemals ein offizielles Dokument bekommen, dass man 1982 nur zu 80% beschäftigt war? Mit welchem Dokument wurde das Ende des Referendariats tagesgenau angezeigt? Da müsste man mal die genauen Schulferien des Jahres 1977 recherchieren ...

Viele Kolleg/innen haben einen großen Teil dieser Daten bereits bei ihrer Einstellung angegeben, z.B. in tagesgenauen Lebensläufen. Allerdings sind diese Daten "nicht (vollständig) elektronisch erfasst".

Unverständlich bleibt vielen Kolleg/innen hier, wieso diese Daten dann nicht für die Versorgungsauskunft herangezogen werden. Viele Lehrer/innen stellen sich die Frage, ob es mit den jetzt ein weiteres Mal mühevoll zusammengestellten Daten nicht ähnlich laufen wird. Sie befürchten, dass kurz vor der Pension ein Schreiben ankommen könnte, dass die Daten wegen einer Systeminkompatibilität leider nicht mehr vorlägen und man darum bäte, eine lückenlosen, tagesgenaue Aufstellung der letzten 40 Jahre abzugeben.

Dann gibt es gibt es natürlich viele Kolleg/innen, die ihrer Pflicht gerne nachkommen würden, aber aufgrund höherer Gewalt (Hausbrand o.ä.) die meisten Nachweise verloren haben. Sie müssen nun direkt bei den Regierungspräsidien um Einsicht in die Personalakte bitten, was den Regierungspräsidien natürlich zusätzliche Arbeit verursachen wird.

Philologenverband Baden-Württemberg beruhigt die Massen

Eine erste beruhigende Information kommt schon jetzt über den Newsletter des Philologenverbandes Baden-Württemberg (PhV BW). Dort ist zu lesen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

inzwischen dürfte jede(r) von Ihnen, der/die nach dem 31.12.1950 geboren wurde, per Post oder in seinem Kundenportal beim LBV die Aufforderung des LBV zur Mitwirkung bei der Versorgungsauskunft erhalten haben. Dem Schreiben des LBV zufolge müssen wir alle Beschäftigungszeiten, die für die Pensionsberechnung relevant sein könnten, taggenau auflisten und dem Regierungspräsidium senden.

Der Philologenverband Baden-Württemberg PhV BW empfiehlt Ihnen, damit vorerst noch zu warten!

Erstens setzt sich der PhV BW als Verband und im HPR, der übrigens über diese Aktion im Vorfeld nicht informiert wurde, dafür ein, dass das LBV seine Anfrage zurückzieht und stattdessen eine Liste der vorhandenen Daten verschickt, die dann gegebenenfalls korrigiert und/oder ergänzt werden können (Kontenklärung).

Zweitens werden laut dem Schreiben des LBV die Daten erst ab 2016 benötigt: Besondere Eile scheint also nicht geboten zu sein.

Drittens erscheint die Maßnahme einigermaßen unsinnig, denn die Regierungspräsidien müssen ja alle Daten auf Korrektheit überprüfen, was bedeutet, dass es die Daten ohnehin vorliegen hat (nämlich in der Personalakte). Für diese Überprüfung sollen jetzt ein paar Dutzend Sachbearbeiter die Formulare von weit über 100.000 Lehrerinnen und Lehrern bearbeiten! Damit wäre der Betrieb der Regierungspräsidien auf Monate, wenn nicht Jahre lahmgelegt.

Der Philologenverband wird Sie über die weiteren Entwicklungen in dieser Angelegenheit auf dem Laufenden halten.

Bitte leiten Sie diese Mail im Kollegenkreis weiter und weisen Sie auf die Möglichkeit hin, diesen Newsletter kostenlos und unverbindlich unter

www.phv-bw.de

zu abonnieren: Unter "News" (rechts oben auf der Seite) => "Newsletter".

Nur auf diesem Wege können wir wichtige, kurzfristige Informationen schnell verbreiten.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Mit kollegialem Gruß,

Cord Santelmann
Referate "Berufspolitik" und "IT / Medien"
Vorsitzender des PhV-Bezirksverbands Südwürttemberg
Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW)

PhV-Info zu LBV-Schreiben zur Versorgungsauskunft // PhV-Info vom 30.09.2012

Sie finden diesen Newsletter in ausdruckbarem Format hier als PDF. Leiten Sie also diesen Beitrag hier nicht nur weiter an alle, die Sie kennen, sondern drucken Sie den PhV-Newsletter aus und hängen Sie ihn ans Schwarze Brett Ihrer Schule. Alle (!) Kolleg/innen werden Ihnen dafür dankbar sein.

Hoffen wir, dass der PhV BW weiterhin verzögerungslos und druckvoll agiert, gerne auch mit Unterstützung anderer Gewerkschaften.

Von der Stirne heiß ...

Übrigens sind die zum Nachweis aufgeforderten Kolleg/innen nicht die Einzigen, die angesichts dieser Herausforderung ins Schwitzen geraten. Auch im LBV schwitzt man, wie es scheint:

Die Bewältigung dieser neuen gesetzlichen Aufgabe stellt für die gesamte Landesverwaltung eine enorme Herausforderung dar. [...]

Die personalverwaltenden Dienststellen werden die Werdegänge auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfen und anschließend an uns weiterleiten.

Uns [= dem LBV] obliegt ausschließlich die versorgungsrechtliche Aufbereitung dieser Daten für die Erteilung der Versorgungsauskunft.

Bitte sehen Sie von schriftlichen oder telefonischen Anfragen zu dem an Sie versandten Schreiben sowie der Erklärung bei uns ab. [...]

LBV Baden-Württemberg 28.09.2012: Schreiben der personalverwaltenden Stellen zur Mitwirkung zur Erstellung der Versorgungsauskunft nach § 77 LBeamtVGBW

Es gibt rund 120.000 Lehrer/innen in Baden-Württemberug (Quelle). Den lückenlosen Tätigkeitsnachweis erstellen müssen alle, die jünger als 61 Jahre sind, das dürften knapp 90% sein (siehe (Achtung! 20 MB!) Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2011: Bildung in Baden-Württemberg (PDF), S. 264).

Gehen wir davon aus, dass jede Lehrer/in 30 Seiten zum Nachweis der seit Schulabschluss ausgeführten Tätigkeiten hinschickt (und tatsächlich dürften es deutlich mehr sein; ein einziger Arbeitsvertrag kann durchaus 4, 5 Seiten umfassen), dann bekommen Regierungspräsidien und LBV in der nächsten Zeit 3 Millionen Blätter in 100.000 Umschlägen zugeschickt. Das entspricht 15.000 Kilogramm Papier (ein DIN A4-Blatt wiegt rund 5 Gramm) oder einem Stapel von 2.300 Bibeln (eine Bibel hat im Durchschnitt 1.300 Seiten, allerdings meist dünneres Papier).

Nehmen wir weiterhin an, dass die Überprüfung und Zuordnung jedes Blattes zu einem Posten 1 Minute in Anspruch nimmt und damit die seriöse, vollständige Bearbeitung eines Antrags 30 Minuten dauert (was ebenfalls optimistisch gerechnet ist: Formular auf Vollständigkeit überprüfen (und evtl. nachfragen), Nachweis zu den einzelnen Posten aus dem Stapel suchen und ordnen, Angaben auf Richtigkeit überprüfen, abheften, evtl. stempeln/Vermerk anbringen, Aufnahme in eine elektronische Statistik ..), dann sind in dem Schatz, der auf das LBV/Regierungspräsidium wartet, 50.000 Stunden Arbeit verborgen. Das entspricht 6.250 Arbeitstagen a 8 Stunden oder 25 Arbeitsjahren (angenommene 250 Arbeitstage pro Jahr als Grundlage). Wenn also 10 Personen ununterbrochen und in hoher Geschwindigkeit an der Auswertung der Daten arbeiten, dauert die Auswertung 2.5 Jahre.

Wenn Sie jedoch dem Vorschlag des Philologenverbandes nicht folgen und Ihre Auflistung mit Nachweisen abgeben, legen Sie noch ein Schokolädchen für die armen Angestellten im Regierungspräsidium und im LBV mit rein. Die können das wirklich brauchen.

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Kommentare

3

Zum Artikel "LBV-Versorgungsauskunft: Baden-Württembergs Lehrer in Panik".

  • #1

    Diesen Brief haben nicht nur Lehrer bekommen, sondern alle Beamte in BW. Aber wir Lehrer jammern von allen am lautesten. Muss das sein.

    Die Lehrer/innen sind die einzige Beamtengruppe, die öffentlich mit einer einigermaßen hörbaren Stimme organisiert ist.

    Das Ärgerliche ist doch: Die meisten Daten liegen den Regierungspräsidien vor. Offensichtlich ist man dort aber nicht bereit, die Daten herauszusuchen bzw. aufzubereiten, sondern lässt lieber hunderttausend Menschen das Rad zum hundertsten Mal neu erfinden. Das ist nicht nur unverschämt, sondern auch in höchstem Maße unprofessionell. Deshalb ist es ABSOLUT GERECHTFERTIGT sich aufzuregen, was das Zeug hält.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #2

    Ich habe auch so einen Brief bekommen und kann die ganze Aufregung nicht verstehen.

    1. Diesen Brief haben nicht nur Lehrer bekommen, sondern alle Beamte in BW. Aber wir Lehrer jammern von allen am lautesten. Muss das sein.

    2. Der Sinn hinter dieser Abfrage ist äußerst positiv und geht hinter dem Gejaule ganz verloren.

    3. Jeder nicht-Beamte musste und muss so etwas auch abgeben, warum ist bei uns Beamten nur immer alles gleich so schlimm

    schrieb Nun mal langsam am

  • #3

    Würde Neil Postman noch leben, wäre seine Meinung vermutlich: Wir verwalten uns zu Tode :)

    schrieb John am

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