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BITKOM-Studie

Lehrer/innen und Technik: Sie wollen, können aber nicht 03.06.2013, 22:11

Lehrerin mit Technik-Fragezeichen
Bild: Shutterstock (Montage)

Lehrer/innen sind neuen Technologien aufgeschlossen, erhalten aber von der statischen Schulbürokratie keine Unterstützung. Die interessante BITKOM-Studie "Schule 2.0" zeigt das, wobei sich die Frage stellt, ob die Studie wirklich repräsentativ für das deutsche Schulwesen ist.

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  • (geändert: )

Eine interessante Studie hat der BITKOM (= IT-Branchenverband) unter dem Titel "Schule 2.0 - Eine repräsentative Untersuchung zum Einsatz elektronischer Medien an Schulen aus Lehrersicht" (PDF) 2011 veröffentlicht. Schon das Vorwort ist interessant zu lesen:

Die Hoffnungen, die Lehrkräfte mit dem Einsatz von ITK im Unterricht verbinden, verblüffen geradezu. Die Pädagogen stimmen mehrheitlich Aussagen zu wie z.B. „Schüler lernen mit ITK schneller“ oder „ITK trägt zu einer besseren Konzentration der Schüler bei“ bis hin zu „ITK ermöglicht, auf Schüler individueller einzugehen“. Und die Einschätzung, dass Soziale Netzwerke für das schulische Lernen positiv sein können, teilen drei Viertel der Befragten.

[...D]ie Erwartungen der Lehrkräfte korrespondieren bei weitem nicht mit dem tatsächlichen Einsatz von ITK im Unterricht. Noch immer sind nicht alle Klassenräume an das Internet angeschlossen, interaktive elektronische Tafeln vielerorts noch bestaunte Ausnahmen im Schulalltag und veraltete Netzwerke weit verbreitet. ITK-Nutzung im Unterricht findet nur punktuell statt und geht meist auf die Initiative einzelner Lehrkräfte zurück. Standard sind immer noch das gute alte Schulbuch, der Atlas und die ausgerollte Landkarte. [...]

Nur wenige Bundesländer verfolgen eine konsequente e-School-Strategie. Ausstattung der Schulen, pädagogische Konzepte und die Lehrerweiterbildung stehen meist unverbunden nebeneinander. [...] Die Chance, die private Nutzung von ITK durch junge Menschen für deren Lernprozess nutzbar zu machen, wird verschenkt.

Länder und Schulträger sind gefordert. Das zentrale Ergebnis unserer Schul-Studie lautet: Die Bereitschaft der Lehrerschaft für einen umfassenden Übergang zur Nutzung von ITK-Technologien als Unterrichtsstandard ist vorhanden. Sie erwarten aber, hierbei gezielt und nachhaltig unterstützt zu werden. Ganzheitliche Konzepte müssen auf den Tisch.

BITKOM-Studie: "Schule 2.0 - Eine repräsentative Untersuchung zum Einsatz elektronischer Medien an Schulen aus Lehrersicht" (PDF), S. 5f

Kurz: Lehrer/innen würden gerne verstärkt neue Technologien in der Schule einsetzen - doch es fehlt sowohl technische Ausstattung als auch kompetenter Support. Gehen Sie auf eine vom Schulamt angebotene Fortbildung zu Themen wie "Schüler und Soziale Netzwerke" oder "YouTube & Co im Unterricht", dann wissen Sie, was gemeint ist.

Für die Studie befragt wurden 501 Lehrer/innen. Im Folgenden einige interessante Ausschnitte. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die PDF-Version der Studie.

Computereinsatz für die Unterrichtsvorbereitung

Gefragt war, wie oft Lehrer/innen den Computer für die Unterrichtsvorbereitung nutzen. Ein Diagramm dazu (Seite 11):

BITKOM-Studie: Computereinsatz von Lehrern bei der Unterrichtsvorbereitung

Da fliegt einem schon das erste Mal das Blech weg: 21% aller Lehrer/innen nutzen den Computer zur Unterrichtsvorbereitung seltener als einmal die Woche; bei den unter 40-Jährigen sind es noch 18%.

Nutzung elektronischer Medien: Beamer, Overheadprojektor, PC

Bei der Frage nach den "regelmäßig eingesetzten elektronischen Medien" geben 94% aller Befragten an, "regelmäßig" mit Beamer zu arbeiten; 62% arbeiten im Unterricht "regelmäßig" mit einem stationären PC (S. 16):

Nutzung elektronischer Medien im Unterricht

Das sind doch - vorsichtig gesagt - sehr verblüffende Ergebnisse: 20% der Lehrer/innen verwenden keinen PC zur Unterrichtsvorbereitung, aber 94% arbeiten im Unterricht regelmäßig mit dem Beamer, 62% arbeiten regelmäßig mit einem stationären PC im Unterricht?! Ebenfalls sehr verblüffend: 34% aller Lehrer/innen arbeiten regelmäßig mit interaktiven Whiteboards. Denken Sie an Ihre Schule und an die Schule Ihrer Kegelbrüder/innen - wie viele Personen des Kollegiums verwenden "regelmäßig" interaktive Whiteboards im Unterricht?

Möglicherweise muss man in Betracht ziehen, dass entweder die Lehrer/innen gelogen haben ("Beamer?" - "Äh, ja.", "Stationärer PC?" - "Mh, ja, auch" usw.) - oder dass methodisch unsauber gearbeitet wurde und die Studie in manchen Teilen nicht wirklich repräsentativ ist.

Warum setzen Lehrer/innen elektronische Medien im Unterricht ein?

Ganz vorne stehen Internetrecherche, Präsentation von Arbeitsergebnissen und Frontalvortrag (S. 22):

Einsatzzwecke elektronischer Medien im Unterricht - BITKOM-Studie

Und wieder geraten wir ins Stocken: ~20% der über 50-Jährigen bauen mit ihren Schüler/innen Websites? Fragen Sie in Ihrem Lehrerzimmer mal die 30-Jährigen, wer irgendwie eine Website gestalten kann. Ehrlich: Diese Zahl ist absolut nicht realistisch.

Nutzen von sozialen Netzwerken wie Facebook

Die Frage lautet: "Schüler nutzen das Web 2.0 im Sinne von Sozialen Online-Netzwerken wie SchülerVZ oder Facebook im privaten Bereich sehr intensiv. Können Ihrer Meinung nach Soziale Netzwerke den Unterricht unterstützen?" Hier sieht man einen deutlichen Unterschied in der Altersstruktur (S. 27):

Nutzen von sozialen Netzwerken für den Unterricht - Lehrerbefragung

Die jüngere Gruppe ist der Nutzung von sozialen Netzwerken gegenüber sehr positiv eingestellt, während knapp die Hälfte der Gruppe 51 Jahre+ keinen Vorteil darin sieht. Allerdings sieht man bei der Frage nach den Einsatzzwecken, dass nur 11% soziale Netzwerke im Unterricht nutzen.

Technische Ausstattung an den Schulen

Bei dieser Frage ("Wie schätzen Sie die technischen Voraussetzungen an Ihrer Schule hinsichtlich PC-Ausstattung und Internetzugang ein?", S. 30f) gibt es eine klare Tendenz zur Mitte ("mittelmäßig"):

Wie schätzen Lehrer die technische Ausstattung an ihrer Schule ein?

In der Studie wird hierzu angemerkt (S. 31):

Überraschend ist, dass die älteren Lehrer die Lage deutlich schlechter einschätzen als die Jüngeren, obwohl sie die digitalen Medien seltener nutzen. So sagen 38 Prozent der Lehrer über 50 Jahre, dass die technische Ausstattung ihrer Schule schlecht bis sehr schlecht sei. Dies behaupten hingegen nur halb so viele Lehrer unter 40 Jahren (20 Prozent). Vermutlich fließt hier die persönliche Einstellung und das Zurechtkommen mit den digitalen Medien wesentlich in die Beurteilung mit ein.

Forderungen der Lehrer/innen an Politik und Wirtschaft

Zum Schluss ein paar Fragen zu den Forderungen an Politik und Wirtschaft, S. 38:

Forderungen der Lehrer an Politik und Wirtschaft

Wie nicht anders zu erwarten, wollen alle Lehrer/innen, dass mehr Lehrer/innen eingestellt wird und dass mehr in technische Ausstattung investiert wird etc. In der Studie klingt das so (S. 38):

Fast alle befragten Lehrer (98 Prozent) sind der Meinung, dass mehr in elektronische Medien (Ausstattung und digitales Lehrmaterial) investiert werden sollte.

96 Prozent fordern, dass die Wirtschaft mehr Praktika für Schüler anbieten sollte.

Ebenso viele (96 Prozent) fordern, dass mehr Lehrer eingestellt werden sollten und dass stärker in die Lehrer- Weiterbildung investiert werden sollte.

Nun kann man darüber streiten, ob jemand, der einer Aussage zustimmt, damit auch tatsächlich etwas "fordert".

Fazit

Die Ergebnisse der Studie sind interessant, aber wahrscheinlich mit großer Vorsicht zu genießen (siehe die Zweifeleien oben im Text). Dennoch dürfte der Grundtenor ernst zu nehmen sein: Lehrer/innen sind neuen Technologien aufgeschlossen - auch die älteren Semester. Dieses Potenzial kann sich nicht entfalten, da den Verantwortlichen in der Verwaltungshierarchie entweder das Geld und/oder der Wille zum Fortschritt fehlt.

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Kommentare

4

Zum Artikel "Lehrer/innen und Technik: Sie wollen, können aber nicht".

  • #1

    Wollen aber nicht können, dass gilt für alle, die jemals in der Schule mit Technik zu tun hatten.
    Die Technik muss installiert und gewartet werden. In einem Computerraum hat man ansonsten nach 1/4 Jahr auch 1/4 Ausfälle.
    Wer wartet die Geräte, wer installiert Programme neu. Jede kleinere Firma muss sich eine Strategie zu Netzwerken machen und rechnet die Kosten hoch und stellt dafür Arbeitnehmer ein.

    Nicht so in der Schule. Dort müssen Lehrer (also zuerst einmal Experten für Unterricht) gleichzeitig Systemtechniker, Administratoren, Webentwickler und ... Fehlerdiagnosetool bei rausgenommenen Tasten und vertauschten Kabeln sein.

    schrieb Northhorn am

  • #2

    Ich frage mich, wer das bezahlen will. Ca. alle 5-7 Jahre eine neue Ausstattung mit PCs? Bin gespannt.  Vor allem die Wartung der Gerätschaften ist ein Problem. Leute will man dafür nicht einstellen, natürlich wird erwartet, dass es Lehrer so nebenbei machen.

    schrieb GriasDi am

  • #3

    Leider muss ich mich noch immer selbst äußern, wenn ich die Diskussion in Zukunft verfolgen möchte.
    Von der Altersstruktur gehöre ich schon fast in den obersten hier erfragten Bereich. Ich verwende täglich sogenannte “Neue Medien” in meinem Unterricht. Die Schüler arbeiten bei mir (wie ich) mit Smartboard, Handy, Laptop, wenn es für den Unterricht gewinnbringend ist. Hemmungen, soziale Netzwerke für die Kommunikation mit Schülern und Kollegen zu nutzen, habe ich nicht.
    Das e-Education-Masterplan-Projekt der Berliner Schulverwaltung gewährt mir auch alles, was ich an Technik benötige. Immer wieder erstaunlich, dass das wirklich so gut klappt.
    Was mir aber völlig fehlt, ist die Zeit (und die Kompetenz) diese Technik zu pflegen, auf dem neuesten Softwarestand zu halten, Kleinigkeiten instand zu setzen. (Jeder weiß, wie viel Zeit es kosten kann, vertauschte Tasten wieder an Ort und Stelle zu platzieren.)
    Kompetenter technischer Support heißt für mich nicht “Fernwartung”, damit der Server läuft, sondern ein geschulter und pädagogisch vorgebildeter Ansprechpartner vor Ort, der in der Lage ist, mich bei der technischen Unterrichtsvorbereitung zu unterstützen und im Ernstfall in wenigen Minuten in meinem Unterricht ist. Es ist nicht meine Unterrichtsaufgabe abgestürzte Rechner wieder in Gang zu bringen.
    Ich werde dafür bezahlt, die Schüler unterrichten!

    schrieb abohn am

  • #4

    In einer deutschen großen Stadt (deren Namen ich hier nicht nennen möchte) ist das Problem unter anderem die Politik. Fachleute die sich wirklich auskennen sind nicht gewünscht, weil Entscheider entweder Angst haben man säge an ihren Stühlen oder es gibt Rahmenverträge mit großen Unternehmen die keine Ahnung davon haben, was vor Ort gebraucht wird. Die Bezahlung ist entsprechend für Leute die sich wirklich auskennen ebenfalls nicht vorhanden, oder will nicht aufgebracht werden. Umsetzung erfolgt dann nur halbherzig bzw. teilweise unvollständig und technisch nicht korrekt. Ausgetragen wird das auf dem Rücken der Schüler und Schülerinnen die NULL davon haben.

    schrieb Dirk Küpper am

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