Reibung in Gewinden 16.08.2012, 08:11

Gewinde, technische Zeichnung, Vorschaubild

Im tec.LEHRERFREUND-Beitrag »Einfache Maschinen« ist ein Abschnitt dem Gewinde gewidmet. In den Überlegungen dazu wurde die Reibung vernachlässigt. Weil sie bei Gewinden aber eine entscheidende Rolle spielt, wollen wir sie in diesem Beitrag besprechen.

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Reibung in Gewinden

Im tec.LEHRERFREUND-Beitrag »Einfache Maschinen« befasst sich ein Abschnitt mit dem Gewinde. In den Überlegungen dazu wurde die Reibung vernachlässigt. Weil sie bei Gewinden aber eine entscheidende Rolle spielt, wollen wir sie in diesem Beitrag besprechen. 

Das Anziehen oder Lösen einer Schraubenverbindung (zunächst mit Flachgewinde Bild oben) ist nichts anderes als das Hinaufschieben oder Herabziehen einer Last auf einer schiefen Ebene. Schiebende Kraft ist die waagrechte Umfangskraft FU. Vereinfachend lässt man dabei alle Kräfte an einem Punkt des Gewindegangs angreifen, der auf dem Flankendurchmesser d (Radius r) liegt. Dies ist zulässig, weil die Reibung von der Flächengröße unabhängig ist.

Im folgenden Text und in den Bildern sind 

FG = Schraubenlängskraft (in Schraubenverbindungen auch die »Vorspannkraft«);
FU = die am Flankenradius r angreifend Umfangskraft;
FR = Reibkraft im Gewinde;
FN = Normalkraft zwischen den Gewindegängen,
α = Steigungswinkel des Gewindegangs;
tan α = h : (2 • r • π);
h = Steigung der Schraubenlinie;
ρ (= rho) = Reibwinkel;
tan ρ = μ = Gewindereibwert (siehe Reibung auf der Schiefen Ebene).

Die Bilder unten zeigen die Kraftecke für das Anziehen und Lösen der Schraubenverbindung. Beim Lösen der Schraubenverbindung haben Umfangskraft FU und Reibkraft FR umgekehrte Richtungen. Der Reibwinkel ρ ist hier größer als der Steigungswinkel α angenommen (ρ > α), so dass  Selbsthemmung vorliegt. 

Arbeitsschritte:
- Zum Konstruieren der Kraftecke zuerst die Normalkraft FN zeichnen,
- senkrecht an FN die Reibkraft FR zeichnen,
- beide Kräfte zur Ersatzkraft FE zusammenfassen,
- FE in eine senkrechte und eine waagerechte Kraft (FG und FU) zerlegen. 

Aus den Kraftecken kann man die Berechnungsformeln ableiten: 
- Umfangskraft zum Anziehen der Schraubenverbindung  FU = FG • tan (α + ρ)
- Umfangskraft zum Lösen der Schraubenverbindung  FU = FG • tan (α – ρ)
Bei ρ < α (der Reibwinkel ist kleiner als Steigungswinkel) ist keine Selbsthemmung vorhanden. 
Formel für das Lösen der Schraubenverbindung: FU wird negativ, d.h. die Verbindung löst sich von selbst.

Beim Berechnen gibt es oft eine Schwierigkeit: Ist (ρ — α) oder (α — ρ) richtig? Keine der beiden Entscheidungen wäre ein Weltuntergang, denn es zählt das Ergebnis: Ist der Steigungswinkel α größer als der Reibwinkel ρ, heißt dies: Die Verbindung ist nicht selbsthemmend; sie löst sich mit FU selbst. Ist der Steigungswinkel α kleiner als der Reibwinkel ρ: Selbsthemmung; die Verbindung muss mit FU gelöst werden. 

Befestigungsschrauben sind wegen ihres kleinen Steigungswinkels selbsthemmend. Bewegungsschrauben (z. B. Trapezgewinde) können bei mehrgängiger Ausführung selbstlösend sein. 

Wir schreiben schließlich die Formeln in der üblichen Form: 
Umfangskraft FU = FG • tan (α ± ρ)        (+) für das Anziehen, (-) für das Lösen 

Die Umfangskraft FU erzeugt am Radius r ein Gewindereibmoment MG:
MG = FU • r 
MG = FU • r • tan (α +/- ρ) (+) gilt für das Anziehen, (-) für das Lösen.
____________

Aufgabe dazu: 

Eine Schraube mit Gewinde M 24, Steigung 3 mm, Flankendurchmesser 22,051 mm wird  mit FU = 300 N angezogen. μ = 0,3. Welche Anpresskraft  entsteht? 

Umfangskraft FU = FG • tan (α + ρ) ––> FG = FU : tan (α + ρ) = 

tan α = h : 2 • r • π = 3 mm : (2 • 22,051/2 • π) = 0,043 ––> α = 2° 28´ 

tan ρ = μ = Reibwert im Gewinde ––> μ = tan ρ = 0,3

FG = 300 N : tan (0,043 + 0,3) = 300 N : 0,343

FG = 874,6 N

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Kommentare

4

Zum Artikel "Reibung in Gewinden".

  • #1

    Der Artikel “Reibung im Gewinde” ist am Beispiel eines Flachgewindes aufgezogen. Der Schönheitsfehler dabei ist, daß Flachgewinde technisch unbedeutend sind, weil sie z.B. statische Nachteile haben, sich weder fräsen, schleifen oder walzen lassen und deshalb auch nicht genormt sind und auch nie waren. Gebräuchliche Gewinde haben Flankenwinkel größer null Grad, und dieser Flankenwinkel beeinflußt die Reibung beträchtlich. Er darf deshalb nicht vernachlässigt werden.

    schrieb Walter Barth am

  • #2

    da war wohl der Taschenrechner auf Bogenmaß eingestellt. Naja, geht ja auch…
    In der Tat gilt: tan(alpha) ist ungefähr alpha im Bogenmaß für sehr kleine Winkel. Und daher darf für kleine Winkel der Tangens durch den Winkel im Bogenmaß ersetzt werden. Und daher darf für diese kleinen Winkel auch der “weitere neue Lehrsatz” verwendet werden.
    Aber für große Winkel gilt das alles nicht….

    schrieb Dr. Bre am

  • #3

    FG = 300 N : tan (0,043 + 0,3) = 300 N : 0,343d.h.
    ... interessante These - tan einfach weglassen?

    ...oder weiterer neuer Lehrsatz:  tan (α + ρ) = tan α + tan ρ  ?

     

    schrieb K.Günther am

  • #4

    FG = 300 N : tan (0,043 + 0,3) = 300 N : 0,343

    d.h.
    ... interessante These - tan einfach weglassen?

    schrieb ich am

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zum Artikel "Reibung in Gewinden".



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