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Millionen von Adressen gesammelt

Bertelsmann: Mit Duden-Gutscheinen an die Daten minderjähriger Schüler 28.02.2013, 08:34

Duden-Gutschein (Ausschnitt)
Bild: gutjahr.biz [CC by]

Der Bertelsmann-Konzern (bzw. seine Tochter inmediaONE) sammelt gezielt Daten von Minderjährigen, indem Gutscheine (z.B. Duden) in Schulen verteilt werden; der Kinder-Brockhaus wird ebenfalls gezielt beworben. Die persönlichen Daten der Kinder werden anschließend systematisiert und weiterverwertet.

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  • (geändert: )

Kennen Sie das, wenn im Lehrerzimmer mal wieder so ein frustrierter Typ rumhängt und irgendwelche billigen Restauflagen-Kochbücher verkauft? Man fragt sich immer, wer den reingelassen hat. Warum sind da immer nur Leute, die Bücher verkaufen? Es könnte doch auch jemand mal Sonnenbrillen anbieten. Oder Handtücher.

Es geht aber auch ohne Präsenz in der Schule. Einen wahren Sumpf legt der Blogger Richard Gutjahr (gutjahrs blog) frei:

Mitte letzter Woche erreicht mich die E-Mail eines Bloglesers aus Bayern. Der Familienvater berichtet von Bücher-Gutscheinen, die an der Schule seiner Kinder von der Klassenleitung verteilt wurden. Die Karten sind gezielt an die Schule adressiert, sogar die jeweilige Klassenkennung (hier „8c“) ist bereits maschinell ausgefüllt. Absender: inmediaONE, eine hundertprozentige Bertelsmann-Tochter (einst beim Adresshändler arvato/Bertelsmann angesiedelt, heute bei der Bertelsmann Direktmarketing Gruppe). [...]

Es folgen Anrufe und Hausbesuche von Handelsvertretern im Auftrag von Bertelsmann. In Internet-Foren berichten betroffene Eltern von der immer gleichen Masche: Jetzt, wo das Kind doch das erste Buch habe, sei es ganz besonders wichtig, auch die anderen Bücher zu kaufen. „Sie möchten doch nicht, dass Ihr Sohn Probleme in der Schule bekommt?“

gutjahrs blog 24.02.2013: LobbyPlag: Die Datenfänger von Gütersloh (CC BY-SA 3.0 DE)

Und es kommt noch schlimmer:

Das Sammeln der Daten erfolge in Wellen, berichtet ein Mitarbeiter [von Bertelsmann beauftragte WKV Direktvertriebs GmbH, die bis Ende 2012 für die Beschaffung der Kinder-Adressen zuständig war]. Ein- bis zweimal im Jahr käme ein neuer Auftrag von der inmediaONE, dann heißt es, man brauche wieder 300.000 bis 400.000 Adressen.

32.000 Schulen in ganz Deutschland sowie in Österreich werden mit jeder Sammelaktion angeschrieben. Die Akzeptanz sei hoch, heißt es. Nur eine von 5 Bildungseinrichtungen lehne das Angebot für Gratisbücher ab.

In mindestens 2 Erhebungswellen habe man dabei auch Kindergärten “angetestet”.

gutjahrs blog 26.02.2013: Bertelsmann: “Kindergärten angetestet” (CC BY-SA 3.0 DE)

Den Ablauf zeigt dieses Schaubild (von Richard Gutjahr, CC BY-SA 3.0 DE):

Schaubild: Wie Adresshändler an die Daten von Kindern kommen - Bertelsmann

In beiden Artikel von Richard Gutjahr sind zahlreiche weitere Details enthalten:
gutjahrs blog 24.02.2013: LobbyPlag: Die Datenfänger von Gütersloh
gutjahrs blog 26.02.2013: Bertelsmann: “Kindergärten angetestet”

Die inmediaONE wurde unter anderem vom bayerischen Kultusministerium aus den Schulen ausgesperrt:

[Bei der Duden-Gutscheinaktion] handelt es sich um unzulässige Werbung an Schulen gem. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayEUG. [...]

Zum einen zielen die beteiligten Direktvertriebsunternehmen nach hiesiger Einschätzung darauf ab, die Privatadressen der Schülerinnen und Schüler - gegen Abgabe von Duden-Freiexemplaren - zu erhalten, um sie dann für Werbezwecke zu nutzen (d.h. eventuell auch zu verkaufen). Zum anderen sprechen datenschutzrechtliche Gründe gegen die [...] Beteiligung an der Gutscheinaktion [...] Demgemäß ist es den Schulen [...] untersagt, Schüler- oder Lehrerdaten zu Werbezwecken weiterzugeben.

Eine Teilnahme an der genannten Aktion hat daher zu unterbleiben.

Rundschreiben des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 30.04.2009 (PDF)

Ausschnitt: Schreiben des bayerischen Kultusministeriums wg. Duden-Gutscheinen

Es sind nicht nur Duden-Gutscheine; auch mit "Lockangeboten der Marke 'Brockhaus'" geht es "in unverminderter Schlagzahl" weiter (Guerilla Richard Gutjahr auf der Facebook-Wall des Kinderbrockhaus).

Sofort die Schulleitung informieren

Die Gutscheinaktionen sind überaus verbreitet, millionenfach werden sie unters Volk gebracht. Die meisten Eltern von Kindern in der Grundschule oder in der Sekundarstufe I werden diese Gutscheine kennen, die meisten Grundschullehrer/innen ebenfalls.

Was Sie tun können:

Sobald der nächste Gutschein auftaucht (egal, ob es Bertelsmann/Duden/Brockhaus oder eine sonstige Firma ist), sollten Sie (Eltern oder Lehrer/innen) sich umgehend bei der Schulleitung beschweren. Das oben verlinkte Schreiben des bayerischen Kultusministeriums könnte der Beschwerde Nachdruck verleihen.

Ganz klar: Privatwirtschaftliches Marketing hat in Schulen nichts verloren - vor allem nicht, wenn die Zielgruppe aus Kindern besteht.

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Kommentare

7

Zum Artikel "Bertelsmann: Mit Duden-Gutscheinen an die Daten minderjähriger Schüler".

  • #1

    Hallo Leseratte,

    ich arbeite als Journalisitin für die ARD und recherchiere gerade zu diesem Thema. Ich würde mich freuen, wenn wir einmal zu Ihren Erfahrungen als Call Center Agent telefonieren könnten.
    Wenn Sie mögen, nehmen Sie gerne Kontakt auf. (.(JavaScript must be enabled to view this email address))

    schrieb Journalistin NDR am

  • #2

    Was ist am Marketing an Schulen eigentlich so böse? SuS werden überall mit Werbung und Marketing konfrontiert. Wenn mir jemand etwas für meine Adresse schenken will: Soll er doch! Kein Mensch zwingt mich, den Kram, der dann beworben wird, auch zu kaufen. Die Generation Privatfernsehen kann sicher oft besser mit Merchandising umgehen, als wir alten Lehrer-Säcke. Ansonsten wären die Kärtchen willkommener Anlass, das mal im Unterricht zu thematisieren.
    Einerseits wird immer öfter Sponsoring von Schulen gefordert, um die - zumindest in NW unterirdisch schlechte - Ausstattung von Schulen zu beheben, andererseits ist Werbung im allgemeinen und besonders an Schulen böse.
    Also: Her mit dem Whiteboard, auch wenn da groß dransteht: “Finanziert von der XY-Gruppe”. Und her mit den kostenlosen Büchern, auch wenn mir hinterher Angebote unterbreitet werden, die ich nicht kaufen muss!

    schrieb Das DeuLe am

  • #3

    Hi,

    ich habe 2-erlei Erfahrung mit diesem Bertelsmann-Verein.
    1. als Mutter - ich habe die Gutscheine meinen Kindern immer ausgefüllt - aber nur mit Namen und Klasse bzw. KiTa Gruppe . Den Rest nur durchgestrichen und NICHTS unterschrieben.
    Die Kids ( 3 Kinder ) haben immer die Bücher bekommen ! ! !
    Eltern müssen nur richtig lesen und es hilft wenn man es so macht wie oben beschrieben

    2. als Insider ( Call_Center Agent dieser Gruppe ) - Jahre nach den Kids
    Die Agenten müssen Zahlen schreiben und da zählen nicht die versanden Gutscheine sondern die Rückläufer. Ferner werden die Klassenstufen aufgedruckt, dies geschieht aber nach Angabe der Schulleitung/Sekretariat. Da werden die Klassenstärken ermittelt.

    Lest also die Gutscheine gut durch und wenn schon geschehen - beantragt die Löschung der Daten.

    LG

    schrieb Leseratte am

  • #4

    Sofern manbei der Aktion mitmacht, kann man die Verwendung seiner Adresse im Prinzip nur noch durch einen Widerspruch unterbinden. “Durchstreichen” reicht dabei nicht. Die Nutzung der Adresse auch ohne die Einwilligung der Betroffenen folgt aus dem im Bundesdatenschutzgesetz festgeschriebenen Listenprivileg: http://de.wikipedia.org/wiki/Listenprivileg

    schrieb andreas schumann am

  • #5

    Nein, das funktioniert eben nicht. Man kann zwar streichen, aber es gibt eine weitere (!) Klausel. Gutjahr schreibt:

    Die mir vorliegende Gutschein-Karte (die Aktion lief über 10 Jahre – es gibt mehrere Versionen) gehört zu dem perfidesten, was mir jemals an Kleingedrucktem unter die Lupe gekommen ist: In einem ersten Feld (links unten) wird man darüber belehrt, dass die Daten des Kindes zu Werbezwecken gespeichert werden. So weit so schlecht. In einem zweiten 4-Punkt-Schrift großen Text rechts unterhalb des Adressfeldes heißt es, dass die Daten des Schülers in jedem Fall gespeichert und an Dritte weitergreicht werden können – auch ohne Einwilligung.

    Bild hier:

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #6

    Schon auf der Bestellkarte kann der Nutzung / Weitergabe von Daten widersprochen werden (durch Durchstreichen des entsprechenden Passus). Also alles in allem ein von Zeitschriftenabos, Preisausschreiben etc. her bekanntes Vorgehen.

    schrieb Monika am

  • #7

    Über die Plattform SAFE-ADDRESS - Meine Daten. Meine Entscheidung - können Sie aktiv werden und dem Handel mit ihren Daten durch Bertelsmann widersprechen, indem sie sie löschen lassen: http://ow.ly/ia98d

    schrieb andreas schumann am

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