Freud'scher Vertipper bei der KMK
Kommt der Schultrojaner - oder nicht? 04.01.2012, 09:39
Die Kultusministerkonferenz verschiebt den Start des Schultrojaners 'bis auf Weiteres'. Pikantes Detail: In der Stellungnahme der KMK findet sich ein freud'scher Vertipper, der genau das Gegenteil nahelegt.
Schultrojaner: Ereignisse Oktober/November 2011
Der "Schultrojaner" hat für eine Menge Aufregung gesorgt - woll(t)en die Schulbuchverlage im Schulterschluss mit den Kultusministerien doch an Schulen Rechner ausspionieren. Die Wogen schlugen hoch, im Netz vereinigten sich Lehrer/innen und diskutieren das Konzept Offener Bildungsmedien (OER - Open Educational Ressources). Zentrale Anlaufstelle ist das von Maik Riecken gehostete Etherpad OER-Diskussion. Lesenswert und Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte/Ereignisse:
- herrlarbig.de 08.11.2011: Offene Bildungsmedien: Ich will Taten sehen!
- herrlarbig.de 23.11.2011: Freie Bildungsmedien: Das Netzwerk entsteht!
Der Lehrerblogger Herr Rau ("Lehrerzimmer") formulierte umgehend eine Prognose:
Was geschehen wird: die KMK wird zurückrudern, war alles nicht so gemeint, und am Schluss kommt irgendetwas heraus, das dafür sorgt, dass keiner sein Gesicht verlieren wird und jeder weiterwurschteln darf.
KMK: "Bis auf Weiteres" (k)ein Schultrojaner
Vielleicht ist Herr Rau ja der heimliche Konzeptflüsterer der KMK, denn die KMK reagierte wie vorhergesagt und teilte zwei Wochen später mit:
Die in § 6 Absatz 4 des Vertrages beschriebene „Scansoftware“ wird nach Einschätzung der Vertragspartner bis auf Weiteres, jedenfalls nicht im Jahr 2012, zum Einsatz kommen. Die Vertragspartner verabredeten, im ersten Quartal 2012 ein weiteres Gespräch zu führen, um mögliche Alternativen zu diskutieren.
Die veranlasste Viele zu Jubel, man las Überschriften wie "Schultrojaner" steht vor dem Aus. Ganz anders äußert sich jedoch der taz-Bildungsredakteur Christian Füller - die Lehrer/innen seien mit dieser optimistischen Einstellung "naiv":
Sie meinen, ihr empörter Ruf "Lehrer sind keine Raubkopierer!" habe die Akteure zivilisiert. Unsinn. An dem Schultrojaner wird selbstverständlich weitergebaut.
Der Trojaner, genauer die Plagiatssoftware der Verleger, wird wohl erst 2013 auf Rechnern in deutschen Schulen installiert. Aber die Verzögerung hat nichts mit den Muskeln der Lehrerverbände zu tun. Es hängt an der Komplexität der Sache. Was die Plagiatssoftware ganz genau untersucht und herausleitet, das wissen nur ein paar Nerds. Die Schulbuchverleger selbst wissen es jedenfalls nicht. "Eine sehr komplexe Angelegenheit", so raunen sie und versichern: "Es ist vollkommen ungefährlich!"
Das Detail
Lesen wir die Meldung der KMK noch einmal ganz genau. Also ganz genau.
Wenn wir alles grammatikalisch Überflüssige weglassen, entsteht dieser Satz: "Die 'Scansoftware' wird bis auf Weiteres zum Einsatz kommen." Es muss natürlich heißen: "Die 'Scansoftware' wird bis auf Weiteres nicht zum Einsatz kommen." - sonst ergibt die ganze Stellungnahme der KMK keinen Sinn.
Selbstverständlich handelt es sich hier um einen Tippfehler. Aber um einen ganz besonders freud'schen, wo "ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers unwillkürlich zu Tage tritt" (Wikipedia: Freud'scher Versprecher). Und die Intention ist klar - um noch einmal Herr Raus Prognose zu zitieren: zurückrudern und dann doch weiterwurschteln.