Lehrermangel
Immer mehr Lehrer/innen ohne pädagogische Ausbildung 09.11.2009, 13:46
Immer häufiger werden offene Lehrerstellen mit Personen besetzt, die keine vollständige Lehrerausbildung (= Referendariat/ Vorbereitungsdienst) haben. Eine Umfrage des VBE zeigt die Situation beispielhaft für Rheinland-Pfalz, wo 32% aller Vertretungslehrer/innen keine didaktisch-pädagogische Ausbildung haben.
Im Herbst 2009 hat die Lehrer/innen-Gewerkschaft VBE (Verband Bildung und Erziehung) Rheinland-Pfalz die allgemein bildenden Schulen im Land nach der Beschäftigung von Lehrpersonen mit Vertretungsverträgen befragt. 533 Schulen haben an der Umfrage teilgenommen. Der VBE berichtet die Ergebnisse:
Ergebnisse
Die wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage sind:
- An 60% der Schulen werden zur Abdeckung der Unterrichtsversorgung Lehrpersonen mit Vertretungsverträgen beschäftigt.
- Ein Drittel (32,8%) der Lehrpersonen in Vertretungsverträgen sind Personen ohne vollständige Lehrerausbildung.
- Die Lehrpersonen ohne vollständige Lehrerausbildung sind zu 46% Hochschulabsolventen mit erstem Staatsexamen ohne zweite Ausbildungsphase (Seminar), zu 12% Lehrkräfte mit schulartfremdem Lehramt, stammen zu 11,6% aus lehramtsfremden Berufen (z.B. Handwerk) bzw. haben zu 30% andere berufliche Hintergründe.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen aus Sicht des VBE Rheinland-Pfalz, dass der Anteil der Lehrpersonen ohne vollständige Lehrerausbildung mittlerweile erheblich ist, um Engpässe in der Unterrichtsversorgung auszugleichen. Ein besonderes Problem stellen dabei “Spitzen” dar, indem an einzelnen Schulen bis zu 30% der Lehrkräfte keine vollständige Lehrerausbildung haben.
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Letztlich werfen die Umfrageergebnisse auch ein Licht auf die Situation am Lehrerarbeitsmarkt bzw. auf den immer deutlicher werdenden Lehrermangel. Ein unverkennbares Anzeichen für diesen zunehmenden Mangel ist auch, dass die Anzahl entsprechend qualifizierter Personen auf dem “Ersatzbedarfs-Markt” rapide abnimmt.
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VBE Rheinland-Pfalz: Unterrichtsversorgung / Vertretungsverträge an den Schulen - Pressemitteilung vom 07.11.2009, Hervorhebung Lehrerfreund
Bei der Beurteilung dieser Sachverhalte steht als zentraler Punkt die Frage, ob Personen ohne didaktisch-pädagogische Qualifikationen zwangsläufig einen schlechteren Unterricht machen als Personen, die eine gesamte Lehrer/innen-Ausbildung (mit Referendariat/Vorbereitungsdienst) durchlaufen haben. Eine interessante Diskussion zum Thema findet sich in den Reaktionen zum Lehrerfreund-Beitrag Quereinsteiger als Lehrer: Gar kein Unterricht ist besser als ein schlechter.
Natürlich machen Lehrer/innen mit einer didaktisch-pädagogischen Ausbildung den besseren Unterricht. Ansonsten könnte man sich das (für den Staat kostspielige und die Anwärter/innen stressige) Referendariat gründlich sparen. Tatsächlich bestätigen auch alle Lehrer/innen, dass sie im Referendariat eine Menge gelernt haben (ungeachtet der Tatsache, dass sie viel sinnlosen Stress erlebt haben). Natürlich wird damit nicht ausgeschlossen, dass es Ausnahmen gibt - sowohl in Form von vollständig ausgebildeten Lehrer/innen, die besonders schlechten Unterricht machen, als auch in Form von nicht ausgebildeten Quereinsteiger/innen, die einen brillianten Unterricht halten.
Die Bundesländer greifen zunehmend auf Lehrer/innen ohne entsprechende Qualifikationen zurück bzw. stampfen durch einen verkürzten Vorbereitungsdienst auf die Schnelle neue Lehrer/innen. Das zeigt nicht nur, wie dramatisch der Lehrermangel inzwischen geworden ist. Es zeigt vor allem, welchen Stellenwert die schulische Bildung in der BRD hat. Doch wie immer vergisst man diese Dinge schnell, und beim nächsten PISA-Desaster ist die Verwunderung wieder groß.
Mehr:
- Lehrerfreund 01.03.2009: Als Quereinsteiger/in im Lehramt - Erfahrungsbericht
- Lehrerfreund 24.11.2008: Schlechte Idee in NRW: Lehrer dürfen bald bis 70 unterrichten