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Generationenkonflikt

Warum alle Lehrer glauben, dass die Schüler »immer schlimmer« werden 08.02.2014, 16:03

Schülerin zeigt disziplinlos den Stinkefinger
Bild: Shutterstock

Es ist seit Jahrtausenden das immer Gleiche: Lehrer/innen sind davon überzeugt, dass die Schüler/innen in den letzten Jahren "immer schlimmer" geworden sind und beschwören den Untergang der Zivilisation.

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  • (geändert: )

Eines der zentralen Ergebnisse der Studie  "Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik" (Vodafone-Stiftung/Allensbach-Institut; 2096 Befragte) ist dieses:

Gleichzeitig sehen sich große Teile der Lehrerschaft aber zunehmenden Belastungen ausgesetzt. Fast jeder zweite Lehrer ist der Ansicht, dass der Unterricht und der Umgang mit den Schülern in den letzten Jahren anstrengender geworden sind. Die Lehrer verweisen vor allem auf die nachlassende Disziplin und Konzentrationsfähigkeit der Schüler. [...]

39 Prozent beklagen, dass sich das Verhalten der Eltern gegenüber den Lehrern verschlechtert hat [...] Jeder zweite Lehrer berichtet von zunehmenden Disziplinschwierigkeiten.

Allensbach-Studie "Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik" (PDF), S. 6f

Ein Diagramm zeigt das Grundproblem:

Diagramm: Zunehmende Belastung der Lehrer (Allensbach-Studie 2012)

Man mag über Lehrer/innen sagen, was man will - eines stimmt fast immer: Die überwiegende Mehrzahl aller Lehrer/innen, die länger als 10 Jahre im Lehrberuf arbeiten, ist davon überzeugt, dass die Schüler/innen und das Unterrichten schwieriger geworden sind. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Eines der häufigsten Zitate: "Diese Klassenarbeit benutze ich seit 20 Jahren - so schlecht wie dieses Jahr ist sie noch nie ausgefallen!"

Eigentlich müssten Lehrer/innen es doch am besten wissen. Sie messen den Puls der Jugend, haben die Kinder und Jugendlichen täglich stundenlang um sich herum, beschäftigen sich intensiv mit ihnen und betrachten differenziert kognitive und soziale Entwicklung (denn sie müssen diese Entwicklung schließlich bewerten/benoten).

Dennoch fällt es schwer, dieser Diagnose zu glauben, die sich hartnäckig durch die Epochen zieht. Dem Voksmund nach haben bereits Aristoteles und Sokrates sich entsprechend geäußert. Dem Aristoteles (384-322 v.Chr.) wird dieses Zitat zugeschrieben:

Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere heutige Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.

Ob das Zitat nun wirklich von Aristoteles ist (daran gibt es erhebliche Zweifel; mehr: Verlotterte Jugend) oder nicht, spielt keine Rolle. Fragen Sie eine Lehrer/in im Jahr 1970, im Jahr 1990 oder im Jahr 2020 - sie wird Ihnen mit einer ganz ähnlichen Formulierung antworten. Prof. Watzlawick zitiert in einem Vortrag die Aufschrift auf einer mindestens 3.000 Jahre alten babylonischen Tontafel:

Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben. Sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Werte zu erhalten.

Paul Watzlawick: Wenn die Lösung das Problem ist (YouTube)

Haben die Lehrer/innen Recht und die Jugend wird durch Dauermedienbestrahlung, Werteverfall und Einwirkung von (Birne-)Weichmachern im Spielzeug immer unkonzentrierter, schwieriger, verrohter, unaufmerksamer, unmotivierter, respektloser ...?

Wer verändert sich mehr - Lehrer/innen oder Schüler/innen?

Je länger man Lehrer/in ist, desto älter wird man - und desto weiter entfernt man sich in seinen Vorstellungen von dem, was wichtig sei, von den Schüler/innen. Jedes Jahr vergisst man ein bisschen mehr, was man selbst für schwachsinnige Vorstellungen hatte, als man "jung" war. Wären Sie als 16-Jähriger nicht auch rund um die Uhr vor Ihrem Smartphone gehängt und hätten sinnlose Kurznachrichten geschrieben? (Lesenswert: Schulpause: Smartphone, sitzen, schweigen)

Nur Wenige besitzen die pädagogische Abstraktionsfähigkeit, "anders" nicht mit "schlimmer" zu verwechseln. Das ist der Generationenkonflikt. Es gibt ihn vielleicht schon immer, seit Menschen denken können. Und die Welt ist immer noch nicht untergegangen.

Noch nicht.

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Kommentare

23

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  • #1

    Hallo,
    dann müsste bei LehrerInnen unter 10 Dienstjahren ja alles im Lack sein oder?
    Ich bilde seit über 10 Jahren LehrerInnen aus und kann von außen betrachtet sagen, dass zum Beispiel die Anzahl der tätlichen Angriffe auf meine LehramtsanwärterInnen stetig zunimmt und es Sie zu Beginn meiner Tätigkeit kaum gab…
    Und nu…? ;-)

    schrieb Steve am

  • #2

    Man liest in der Zeitung häufiger, dass - offensichtlich statistisch relevant - der Respekt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor Uniformen nachgelassen und die Gewaltbereitschaft zugenommen habe. Darüber klagen Polizisten ebenso wie uniformierte Schaffner.
    Andererseits war meine Generation (ich habe 1985 Abitur gemacht) deutlich “subversiver”. Wir haben damals z.B. einen Riesentrubel um umweltschädiche “Pinkelsteine” in Urinalen gemacht. Bei der heutigen Jugend fällt mir immer eine Zeile aus dem Lied “Luxus” von Herbert Grönemeyer ein: “Hör auf, hier zu predigen! Hör auf mit der Laberei! Wir feiern hier ‘ne Party, und du bist nicht dabei!” Die Jugend früher war weder braver noch leistungsstärker, im Gegenteil! Aber heutige Menschen - also nicht nur Jugendliche - denken m.E. nur noch an sich selbst und/oder ihr direktes Umfeld. Von einigen wenigen werden diese unsäglichen “Mottowochen” organisiert und der Rest der Stufe lässt (!) sich dann bespaßen…

    schrieb Das DeuLe am

  • #3

    Es ist immer praktisch und seit Jahren erprobt, für alles eine Entschuldigung zu finden. Schade nur, dass so oft eine ernst zu nehmende Naturwissenschaft wie die Biologie dafür herhalten muss. Der Mensch unterscheidet sich gerade durch den gezielten Gebrauch seiner Intelligenz von den anderen Wirbeltieren und die Zielsicherheit wächst mit der Übung bei Bewältigung verschiedenster Aufgaben. Wer nichts tut, kommt nicht weiter und so schlaue Plattitüden wie “man muss die Kinder dort abholen, wo sie stehen” bedeuten im Umkehrschluss, dass sie auch nie einen Fortschritt machen müssen. Wenn die menschliche Intelligenz nur noch von elektronischen Kästchen abhängt, sollten wir dafür sorgen, dass es nie einen Stromausfall gibt. Solides Grundwissen fehlt heute in nahezu allen Bereichen, und dieses kann man eben nur durch solides Lernen erwerben, alles andere ist Augenwischerei.

    schrieb Praktiker am

  • #4

    Also Faulheit, die man bewusst einsetzt, die reflektiert ist? Dafür fände ich den Begriff “Widerstand” passender, weil er impliziert, dass man nicht einer (vielleicht sogar noch für unabänderlich gehaltenen) Charaktereigenschaft ausgesetzt ist, sondern aktiv handelt - wofür man dann natürlich auch die Verantwortung übernehmen sollte. Ausführlicher habe ich das in “Pfiffige Lernhilfen” zu meinem Farbschattenroman dargestellt:
    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/unterrichtsmaterial/projekte/lernhilfen/

    schrieb Gerd Haehnel am

  • #5

    Da mich immer wieder Anfragen erreichen folgender Hinweis: Die Aktion “Kostenloses Lehrerprüfexemplar” von meinem Roman “Viktor und die Macht der Farbschattenklänge” wurde bis auf Weiteres verlängert. Weitere Infos hier:
    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/unterrichtsmaterial/

    schrieb Gerd Haehnel am

  • #6

    Bäcker backen, Autofahrer fahren Auto, Schneider schneidern, Tischler tischlern, Gärtner gärtnern, .... und Lehrer unterrichten?
    Können sie nicht lehren?
    Wissen sie überhaupt, was Lehren ist?
    In der neuen Ich-kann-Schule bedeutet Lehren: ein mitreißendes Vorbild für Lernen sein.
    Warum sagen “Lehrer” nicht, dass sie Unterrichter sind, wenn sie unterrichten?
    Unterrichten ist doch etwas völlig anderes als Lehren.
    Als Ich-kann-Schule-Lehrer würde ich motiviert in den Unterricht gehen, a) um ihn zu beenden, b) um die Begriffe Unterrichten und Lehren und Lernen zu klären und dann c) um zu lernen und zu lehren.
    Während Unterricht - wie der Name sagt - nach unten richtet, zieht Lernen & Lehren (= Fährten des Lebens folgen) vorwärts.
    Wer will schon nach unten?
    Wollen nicht alle vorwärts?
    Ich grüße freundlich.
    Franz Josef Neffe

    schrieb Franz Josef Neffe am

  • #7

    Faulheit ist (auch) ein Zeichen von Intelligenz - leider sollte man dann noch wissen, wann man doch etwas tun sollte. Das ist auch Erfahrungssache, und diese Erfahrung machen viele einfach nicht mehr.

    schrieb Ann am

  • #8

    @Michael: Derzeit gibt es für KollegInnen, die sich für den Einsatz meines Romans “Viktor und die Macht der Farbschattenklänge” als Klassenlektüre interessieren, kostenlose Prüfexemplare (als E-Book im .pdf Format, begrenzt auf 30 Exemplare und bis zum 15.4.2014, Bearbeitung der Anfragen in der Reihenfolge ihres Eingangs; 90 Seiten Unterrichtsvorbereitungen ebenfalls kostenlos, Anfrage an .(JavaScript must be enabled to view this email address). Übrigens ist der Roman gerade für den Indie-Autor-Preis 2014 auf der Leipziger Buchmesse nominiert worden.) Und: Die Rückmeldungen zur Klassenlektüre sind ermutigend:
    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/rezensionen/

    Also: Wenn du ihn noch nicht hast, melde dich gerne!

    @Franz Josef Neffe: Viele deiner Gedanken finden sich in dem “Spickzettel für Lehrer - Motiviert in den Unterricht” von Gesa Staake (ISBN 978-3-8497-0014-0) wieder: sehr lesenswert!

    Übrigens: “Ein Viertel aller befragten Heranwachsenden (25,1%) hat die Erfahrung gemacht, von Erwachsenen als „dumm“ oder „faul“ beschimpft zu werden (26,7% Kinder, 23,9% Jugendliche).” Die Quelle findet man unter dem Gliederungspunkt Nr. 6 auf meiner Seite, auf der sich zahlreiche weitere Untersuchungen finden, die einen Blick auf die Realität heutiger Kindheit und Jugend werfen: http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/unterrichtsmaterial/projekte/meinungsumfrage/ (Unten auf der Seite auch der Hinweis auf eine ARD Dokumentation am 7.4.14: “Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie …”)

    schrieb Gerd Haehnel am

  • #9

    Sie haben den Stein der Weisen anscheinend gefunden. Glückwunsch.

    schrieb GriasDi am

  • #10

    Na, da kann man ja jederzeit einfach an den Ergebnissen und Erlebnissen, an den Aussagen und Ausführungen prüfen und abzählen, wohin man bei Unterricht gerichtet wird, sich richten soll/muss usw. Dass es das automatisch bedeutet, würde ich nie sagen; mir liegt ja vor allem daran, dass jeder die Lage selbst überprüft, zu eigenen Ergebnissen kommt und damit endlich mal etwas zu vergleichen hat.
    Wenn man sich dem Unterricht unterwerfen muss, geht es da etwas nach oben? Wenn man sich einfügen muss, geht es da nach oben? Wenn man willig mitmachen muss, wo geht es da hin? Und wie sieht es denn mit den konkreten praktischen Ergebnissen der Pädagogik aus: Millionen sog. funktionaler Analphabeten - geht das nach oben oder nach unten? Jährlich einige Zigtausend nicht ausbildbare Jugendlich - geht das nach oben oder nach unten? Nach 35 Jahren Legasthenieförderung mehr als doppelt soviel Rechtschreibfehler - geht das nach oben oder geht das nach unten?........
    Mich wundert, warum wir uns nicht dafür interessieren, dass bei unserem UNTERRICHTET-WERDEN keiner weiß, was LEHREN & LERNEN ist.
    Mich wundert, warum sich das keiner genauer anschaut.
    Weil sonst herauskäme, dass wir ständig DURCH UNTERRICHT VOM LERNEN ABGEHALTEN WERDEN?
    Ich grüße freundlich.
    Franz Josef Neffe

    schrieb Franz Josef Neffe am

  • #11

    Herr Neffe
    Warum bedeutet unterrichten automatisch nach unten? Ist es bei unterhalten auch so?

    schrieb GriasDi am

  • #12

    Der Auftrag des LEHRERS ist gar, zu LEHREN - dafür müsste er ein mitreißendes Vorbild für LERNEN sein und hätte SOG-Wirkung.
    Er ist aber angestellt um zu UNTERRICHTEN. Unterricht richtet - wie der Name sagt - nach unten. SOG dagegen bringt nach vorn.
    Wenn wir heute also über LEHRER reden, reden wir genau genommen über niemand. Wir reden über Unterrichtsvollzugsbeamte/angestellte.
    Auch SCHÜLER müssten - der Wortbedeutung (von griech. “scholae”) nach - vor allem: innehalten, zur Besinnung und zu sich selbst kommen und mit sich selbst wieder eins werden und nicht sich verausgaben und in vorgegebene Schablonen einfügen und sich dem Unterrichtsablauf unterwerfen.
    Selbstverständlich dürften wir auch keinen DRUCK machen, wenn wir erZIEHEN, denn dann ist es ja nicht ErZIEHung sondern ErDRÜCKung. Und da gäbe es noch manches, worüber wir uns erst einmal KLAR werden sollten, wenn wir nicht nur imnmer wieder einmal dieselben SCHABLONEN hin und her wälzen wollten.
    In der neuen Ich-kann-Schule ergeben sich einige Vergleichsbeispiele, weil man dort noch nicht alles künstlich eindeutig gemacht und die Vergleichsmöglichkjeiten wegperfektioniert hat.
    Wenn Lehrer GLAUBEN, betreiben sie AUTOSUGGESTION. Was das ist, sollte man sich hilfreicherweise auch einmal bewusst machen. E.COUÉ hilft dabei ganz einfach und praktisch.
    Ich wünsche guten Erfolg.
    Franz Josef Neffe

    schrieb Franz Josef Neffe am

  • #13

    Lieber Gerd,

    Erstmal herzlichen Dank für die Rückmeldung. Ich folge einfach Deiner Empfehlung und lese Deinen Roman. Vielleicht können wir dann nochmal zusammen nachdenken und ein paar Knoten lösen. ;-)

    Herzlich!

    schrieb Michael am

  • #14

    Lieber Michael!
    Ich antworte direkt in deinen Text:

    “Dein Roman läuft insofern auf recht breit getretenen Pfaden. Auch Du konstruierst ein Befreiungstheorien: ” Das Kind lehnt sich auf. ...”

    Was mir an dieser Stelle wegen deiner allgemeinen Formulierung unklar ist: Hast du den Roman wirklich gelesen oder beziehst du dich nur auf das Zitat?

    “Allein die Vorstellung genügt vermutlich schon, um den riesigen Nutzen der Faulheit deutlich zu machen.”

    Ja, natürlich gibt es den :).  Aber in meinem Roman geht es um etwas völlig Anderes, nämlich darum, dass Erwachsene Kindern Faulheit als unveränderliche Charaktereigenschaft zuschreiben und sie mit einer solchen Scheinbegründung aus dem normalen Schulbetrieb aussortieren.

    “Sogar die fleißigen Bienchen sind keineswegs fleißig. Im Gegenteil: die meiste Zeit faulenzen sie! Das müssen sie auch, weil sie sonst nur Stunden überleben würen.”

    Es kommt halt darauf an, was für ein Menschenbild man hat. Als Lehrer habe ich Menschen vor mir und keine Tiere, deren Verhalten ich deshalb auch nicht auf Menschen übertragen kann. Entscheidend ist doch, ob man davon ausgeht, dass Kinder grundsätzlich gerne lernen oder nicht. Und ich bin überzeugt, sie lernen gerne, wenn man eine lernpsychologisch durchdachte Lernatmosphäre bereitstellt, wie mein Kollege Klaus Lotz hier in dem Video:
    http://gerd-haehnel.de/schule-musik/

    Aber unter zu viel Druck, z.B. auch aus dem Elternhaus, besteht die Gefahr, dass die Schüler sich zurückziehen, “faul” werden: Wenn man ihnen keinen Vorwurf daraus macht, sondern das als Reaktion auf eine ungünstige Lernsituation ansieht, dann kommt man mit den Schülern ins Gespräch, dann handelt man pädagogisch, dann kommt man weiter. Und wenn man das als Lehrer - bitte nicht als Vorwurf verstehen, wirklich nicht - nicht gelernt hat, dann braucht man jemanden, der hilft, z.B. einen Schulpsychologen oder Schulsozialarbeiter.

    Jedenfalls wollte ich einen Roman schreiben, der zum Nachdenken anregt - sonst hätte ich ihn auch gar nicht zu schreiben brauchen - denn mich beschäftigt sehr, wie es unseren Kindern geht:
    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/unterrichtsmaterial/projekte/meinungsumfrage/

    Und: Er sollte auch dem aktuellen Stand der Fachwissenschaft entsprechen, und deshalb habe ich ihn vor Drucklegung Fachleuten zur Korrektur vorgelegt. In diesem Zusammenhang kann ich das Nachwort des Essener Psychiaters Dr. Rainer Scheel, der täglich mit “faulen” Schüler/innen zu tun hat, nur sehr empfehlen:
    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/nachwort-zum-roman-von-dr-rainer-scheel/

    Wie auch immer: Dankeschön, dass du dich mit meinem Gedanken auseinandergesetzt hast. Verständlicher werden diese natürlich, wenn du den Roman ganz liest. Wenn ich von den Rezensionen ausgehe, die mich erreichen, glaube ich, dass es sich lohnt:
    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/rezensionen/

    Viele Grüße!
    Gerd Haehnel

    schrieb Gerd Haehnel am

  • #15

    @Gerd Hänel:

    ZITAT: “Wenn man von einem Kind sagt, es ist faul, beantwortet [man] damit aber nicht die Frage nach dem Warum. Viel hilfreicher wäre: Das Kind lehnt sich auf. Dann stellt sich die nächste Frage automatisch: wogegen?«””

    Lieber Gerd,
    Spirituelle Gurus, Aufklärer, Kleriker, Stürmer&Dr;änger plus Philosophen haben den Menschen immer genau das versprochen: Ihn umfassend zu befreien. Mal hat man es als “Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit” formuliert, mal als “Erlösung”. All diese Befreiungskonzepte haben den gleichen, seltsamen Grundgedanken, dass der Mensch irgendwie “Befreiung” nötig habe. Wovon man nun befreit werden müsse ... da weichen die Meinungen natürlich ab: Kant wollte uns das irrationale Brett vorm Kopf wegreißen, der Papst will uns von der Sünde befreien, die verschiedenen Möchtegern-Gurus wollen uns regelmäßig vor allem von unserem Geld befreien und so weiter.


    Dein Roman läuft insofern auf recht breit getretenen Pfaden. Auch Du konstruierst ein Befreiungstheorien: ” Das Kind lehnt sich auf. Dann stellt sich die nächste Frage automatisch: wogegen?”

    Drehen wir die Sache doch mal um und denken wissenschaftlich: Im Sinne der Evolutionstheorie sind solche Dinge in der Welt, die für das Überleben hilfreich waren. Fragen wir uns also mal: Inwiefern könnte Faulheit einen evolutiven Selektionsvorteil darstellen oder wenigstens dargestellt haben?

    Und schon tritt Erstaunliches zu Tage: Sogar die fleißigen Bienchen sind keineswegs fleißig. Im Gegenteil: die meiste Zeit faulenzen sie! Das müssen sie auch, weil sie sonst nur Stunden überleben würen. Ruhephasen dienen aber nicht nur der Regeneration. Sie sind auch diejenigen Freiräume, die notwendig sind für die Entwicklung von Intelligenz durch spielerische Aktivitäten. Fast alle intelligenten Lebewesen wie Delphine, Raben und Primaten zeichnen sich durch ein gerütteltes Maß an Faulheit aus. Denn Faulheit ist ein Motor für Innovationen: Wer Energie und Ressourcen sparen will, findet schneller pfiffige Lösungen für komplexe Probleme. Ausgerechnet die Faulheit sorgt dafür, dass wir Zeit und Ressourcen und Energie für andersartige Aktivitäten freiräumen können. Verzichte doch mal einen Tag auf Auto, Strom und überhaupt auf alle Dinge, die durch maschinelle Zusatzhilfen erzeugt wurden. Allein die Vorstellung genügt vermutlich schon, um den riesigen Nutzen der Faulheit deutlich zu machen. ;-)


    Fazit: Faulheit ist keineswegs der Ausdruck einer sonstwie gearteten Rebellion gegen “irgendwas”. Sondern: Faulheit ist ein artübergreifender Evolutionsfaktor und ein typisches Verhaltensprogramm, mit dem Lebewesen sich Optionen für ein besseres Überleben verschaffen.

    Dass Schüler nun auch im Klassenraum faul sind, ist dabei ein ganz anderes Dilemma - aber eben kein Widerspruch. Sie sind nämlich auch noch hungrig, durstig, aggressiv, sexy drauf und wasweißichnochalles, denn all diese Dinge sind Remineszenzen einer langen phylogenetischen Eintwicklungsgeschichte. Und so tragen wir unsere Faulheit sozusagen als evolutive Altlast mit uns herum - genauso wie unseren Blinddarmfortsatz oder unseren (stark verkümmerten) Schwanz. Also: Nix Rebellion! Sondern: Alles Natur! ;-)

    Herzlich!

    schrieb Michael am

  • #16

    Ich gebe seit mehr als 8 Jahren hier in Ecuador Datenbank-Unterricht. Nicht gerade ein Thema, was die meisten Schüler interessiert, wie Ihr ja wisst.

    Es besteht tatsächlich die Tendenz, daß die Aufmekrsamkeit und das Interesse der Studenten stetik sinkt. Vielleicht liegt es daran, daß Schüler durch Smartphone, Facebook, Spiele etc. so abgelenkt sind, daß die Hausaufgaben auf der Strecke bleiben.

    Aber das ist nicht das Schlimmste. Was wirklich schlimm ist, ist, daß die Konzentrationsfähigkeit der Studenten rapide sinkt. Studenten können sich für immer kürzere Zeit auf ein Thema im Unterricht konzentrieren.

    Vielleicht liegt es daran, daß es bei jungen Menschen fast schon wie eine Manie ist, alle 5 Minuten auf sein Handy zu schauen, ob vielleicht eine Nachricht eingegangen ist, um ja keine Nachricht zu verpassen. Weil ja mittlerweile alles Mögliche gesendet wird, selbst wenn man schnell zum “Pissen” auf die Toillette geht.

    Diese Manie, der ständigen Verfügbarkeit und nichts verpassen wollen und des schnell antworten wollens, erzeugt den gefährlichen Nebeneffekt der Konzentrationsschwäche - meiner Meinung nach. Es hilft dabei auch nichts, wenn man Handys während des Unterrichtes generell verbietet. Der Student ist in Gedanken trotzdem alle 5 Minuten bei seinem Handy und welche Nachricht er senden oder evtl. verpassen könnte. Gedanken können wir Lehrer leider nicht kontrollieren.

    Motivation ist ein Mittel - was aber nur sehr schwer gegen diese Manie ankommt. Immer weniger Schüler können sich eine Unterrichtsstunde lange auf den Lehrstoff konzentrieren und sei er noch so interessant und schön veranschaulicht.

    Ich sage oft zu meinen Schülern: Stellt Euch einmal vor, Ihr macht eine Zeitreise 1000 Jahre zurück ins Mittelalter und erzählt, dass Ihr aus der Zukunft kommt. Das würde Euch kein Mensch glauben - Denn welches Wissen bitteschön könntet Ihr denn da vorweisen ???

    Ja - es hat eine gewaltige Veränderung zum Negativen stattgefunden. 

    schrieb Franz Baldas am

  • #17

    Die Gesamtschule Essen Nord, ebenfalls mit einem extrem schwierigen Umfeld, macht hervorragende Erfahrungen mit dem Konzept der “Klassenmusiker”, die sich dann auch auf den übrigen Unterricht positiv auswirken. Hier das Video dazu:
    http://gerd-haehnel.de/schule-musik/

    Die Konzerte und die selbst produzierten CDs sind äußerst sehens- bzw. hörenswert. Dass das gemeinsame Musizieren sich sehr positiv auf das soziale Miteinander auswirkt, ist übrigens vielfach erforscht worden.

    schrieb Gerd Haehnel am

  • #18

    /Zitat aus einem Leserbrief an die päd. Zeitschrift betrifft: erziehung 5/1975:

    Ich hatte Gelegenheit . . . an einer Hauptschule in Berlin in einer 7. u. 8. Klasse zu unterrichten . . . ich konnte schlicht keinen Unterricht machen. . . habe ich den großten Teil des Unterrichts damit verbracht, auf einzelne Schüler einzureden, zu mahnen, Streithähne zu trennen und . . . Kampfpausen zu nutzen, um ein Stück Unterrichtsstoff akustisch verständlich in den Raum zu stellen. Während des Unterrichts, während der Pause, heimlich oder offen: jeder Schüler piesackt jeden, schlägt, knufft, kneift, zerrt an den Haaren, versteckt Bücher und Mappen . . . Sprachliche Kommunikation untereinander läuft uberwiegend über Beschimpfungen und sexuelle Anzüglichkeiten. Weder ein brüllender noch ein stummer Lehrer kann simpelste Kulturtechniken, kann Lernens- und Wissenswertes vermitteln. Was die Schüler nicht artikulieren können, aber doch täglich erfahren, setzen sie in entsprechende Verhaltensweisen um. Und diese Gleichgültigkeit, dieser Hass, diese Angstfreiheit der Schule gegenüber hat mich fassungslos und ratlos gemacht.
    Zitat/

    Na ja, das sei halt Hauptschule! Eine Auswahl von SPIEGEL-Titeln:

    Tollhaus Schule (15/1988), Der kriminelle Nachwuchs (3/1992), Gewalt alarmiert Pädagogen (10/1992),
    Die knallen sich einfach weg—Kinder und Drogen (11/1992); Die Nazi-Kids. Was Kinder in den Terror treibt (12/1992), Linke Lehrer, rechte Schüler (1/1993), Kinder, die töten (3/1993),Störfall für die Liebe. Machen Kinder glücklich? (5/1993), Nervenkrieg im Klassenzimmer. Horrorjob Lehrer (6/1993), Eltern im Kaufstress: Konsum-Terror der Kinder (50/1993), Die Eigensinnigen (SPIEGEL special 11/1994), Tyrannen in Turnschuhen (SPIEGEL special 12/1997), Wohin mit den Horror-Kids? (SPIEGEL special 12/1997), Alles haben, alles dürfen, alles wollen. Die verwöhnten Kleinen. (33/2000), Gewalt im Klassenzimmer. Wenn Lehrer nicht mehr weiter wissen. (24/2006).

    schrieb Schlimm, schlimmer, schon immer am

  • #19

    Schönster Satz des Artikels:  “Wären Sie als 16-Jähriger nicht auch rund um die Uhr vor Ihrem Smartphone gehängt und hätten sinnlose Kurznachrichten geschrieben?”

    Solange es solche Sätze gibt, habe ich als Deutschlehrerin doch wenigstens die freudige Aussicht, weiterhin etwas zu tun zu haben…

    schrieb MK am

  • #20

    Die Überschrift dramatisiert (mal wieder), was im eigentlichen Text auf keinen Fall bestätigt wird: dass ALLE Lehrer so denken. Man möchte dann eigentlich nicht mehr weiter lesen.

    schrieb rwadel am

  • #21

    Aus meinem Roman “Viktor und die Macht der Farbschattenklänge”:

    “Opa fuhr unbeirrt fort: » [...] Überhaupt sollte man die Faulheit aus dem Wortschatz streichen. Wenn Erwachsene die benutzen, wissen sie meist nicht weiter. So werden sie zwar ihre Wut los, aber auf Kosten des Kindes, das sie damit verletzen. Tatsächlich erklärt der Faulheitsvorwurf keine Lernprobleme. Er ist nichts als eine hilflose Ausrede, wenn man die wirklichen pädagogischen Zusammenhänge nicht erkennen kann oder will.«[...]

    Viktor wischte sich mit seinem Taschentuch über die Augen: »Also, du Superpädagoge, worin bestehen denn die wirklichen Zusammenhänge?«

    Opa schmunzelte: »Im Widerstand natürlich! Wenn man von einem Kind sagt, es ist faul, gerät man in eine Sackgasse. Man tut so, als sei das eine unveränderliche Charaktereigenschaft, beantwortet damit aber nicht die Frage nach dem Warum. Viel hilfreicher wäre: Das Kind lehnt sich auf. Dann stellt sich die nächste Frage automatisch: wogegen?«”

    So weit das Zitat aus meinem Jugendroman für Erwachsene, zu dem mir Schüler/innen z. B. schreiben, dass er ihre Angst vor Klassenarbeiten verringert. Und wer nach Umständen sucht, gegen die sich heutige Jugendliche vielleicht auflehnen, braucht sich nur aktuelle Untersuchuchungen anzuschauen, von denen ich hier einige gesammelt habe:

    http://gerd-haehnel.de/farbschattenromane/unterrichtsmaterial/projekte/meinungsumfrage/

    schrieb Gerd Haehnel am

  • #22

    Ja, das ist interessant. Allerdings ist wohl umstritten, ob der Flynn-Effekt wirklich die Intelligenz misst,

    [...] sondern bestimmte Fertigkeiten, die sich auch mehr oder weniger trainieren lassen. Beliebt sind dabei Testaufgaben, die auf das schnelle Erkennen von Mustern abzielen, und bei diesen Bilderrätseln macht sich der Flynn-Effekt besonders stark bemerkbar. So vermuten Psychologen, dass die zunehmende Bilderflut unserer Zeit zu einer Steigerung der Testergebnisse geführt haben könnte.

    (spektrum.de)

    Wie auch immer: Interessanterweise wird ja kaum darüber genörgelt, dass die Jugend immer “dümmer” wird. Es sind eher Kategorien wie die oben genannten: “Disziplin und Konzentrationsfähigkeit” (Allensbach-Studie), “unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen” (Aristoteles) oder “böse, gottlos und faul” (babylonische Tontafel).

    Die Intelligenz ließe sich vielleicht tatsächlich irgendwie messen - bei Bosheit, Disziplinlosigkeit und Faulheit wird es schon schwieriger (hierzu auch: Faulheit und Unfähigkeit - Kaum zu unterscheiden).

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #23

    Genau das Gegenteil konstatiert der Flynn-Effekt (http://de.wikipedia.org/wiki/Flynn-Effekt):

    “Der Flynn-Effekt bezeichnet die Tatsache, dass bis in die 1990er Jahre die Ergebnisse von IQ-Tests – bei unterbliebener Nacheichung – in Industrieländern im Mittel immer höhere Werte erbrachten, die gemessene Intelligenz also zunahm.”

    Es gäbe also durchaus valide Daten, die man für eine aktuelle Untersuchung heranziehen könnte, um die Hypothese zu prüfen.

    schrieb Marco Bakera am

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