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Unorthodoxe Finanzierungsmethoden

USA: Lehrer finanziert Unterricht mit Werbung auf Arbeitsblättern 07.04.2009, 10:51

In einer von der Finanzkrise geschüttelten Highschool in Idaho (USA) hat der Lehrer Jeb Harrison einen Werbevertrag mit der örtlichen Pizzeria unterschrieben: In Wirtschaft und Geschichte prangen ab sofort Werbeanzeigen auf seinen Arbeitsblättern.

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Direktor Cotant kann die problematischen Implikationen der Strategie nicht von der Hand weisen, jedoch sieht er in der Geschäftsidee eine Art Live-Satire, die die Leute aufrütteln soll: “Wir haben das erlaubt, weil es zum Ausdruck bringt, wozu wirtschaftlich harte Zeiten Menschen zwingen kann.” Hintergrund der bizarren Geschäftsidee ist eine Bürgerabstimmung einen Monat zuvor, bei der eine Steuererhöhung abgelehnt wurde, die zur Finanzierung der Schule dringend nötig gewesen wäre.

Susan Linn, Psychologin an der renommierten Harvard-Universität, sieht hier eine klare Grenzüberschreitung. “Wenn Lehrer beginnen, die Werbetrommel zu rühren, leiden die Kinder und besonders ihre Ausbildung darunter”, so ihr Resümee.

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral” - auch das Bildungssystem bildet hier keine Ausnahme. Hätte die Schule das Geld gehabt, so hätten die Lehrkräfte sicherlich nicht im Traum daran gedacht, diese Idee, die einem dystopischen Zukunftsroman von Philip K. Dick entsprungen sein könnte, umzusetzen. Es ist bezeichnend, dass der Direktor durch die Unterstützung dieser unmoralischen Maßnahme die Steuerzahler offenbar dazu zwingen will, der Schulförderung wieder zuzustimmen, indem er ihnen zeigt, was für inakzeptable Wege sonst beschritten würden. Auch die trotzige Rechtfertigung von Harrison scheint eine bewusste Provokation Richtung Behörden zu sein: “Wenn der Distrikt es mir verbietet, muss er mir das Geld zur Verfügung stellen, das ich brauche, um meinen Job zu machen.” Grundsätzlich könnte ein solcher Schuss vor den Bug ein gutes Mittel dazu sein, die Ämter aufzuwecken. Diese jedoch mit dem Wohl der schutzbefohlenen Schüler unter Druck zu setzen, ist jedoch ein Weg, den auch die ärmste Schule nicht wählen darf, wenn sie eine ihrer Hauptaufgaben – die Erziehung der Kinder zu selbständigen und verantwortungsvollen Individuen – nicht pervertieren will. Dabei wäre die Aufregung weniger groß, wenn er der Lehrer auf seinen Arbeitsblättern ein paar saftige Bioäpfelchen beworben hätte.

“Ich finde nicht, dass ein wenig Werbung die Unterrichtssituation beeinflussen wird”, meint Jeb Harrison. Damit beantwortert er die zentrale Frage, ob Werbung oder Sponsoring in Schulen ein Tabu sein muss. Auch in Deutschland ist das Thema “Werbung an Schulen” ein heißes Eisen; der Streit um das Werbeverbot an Schulen in Hamburg war nur einer der Höhepunkte. Denn die ministerialen Vorgaben sind nicht deutlich genug, Beispiel NRW:

Jede Werbung, die nicht schulischen Zwecken dient, ist in der Schule unzulässig. Über Ausnahmen entscheidet das MSW (§ 99 Abs. 2 SchulG). Durch § 99 Abs. 1 SchulG ist Sponsoring an Schulen zugelassen worden [...] Das Werbeverbot soll verhindern, dass die Schule für Interessen genutzt wird, die nur außerschulischer Natur sind.
[...]
Sponsoring an Schulen ist eingebunden in den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Deshalb müssen die Sponsoringmaßnahmen und der damit verbundene Werbezweck mit dem Schulauftrag vereinbar sein.

Schulministerium.NRW.de - Warenverkauf; Werbung; Sponsoring an Schulen

Wo die Grenze zwischen Sponsoring und Werbung verläuft, ist völlig unklar. Sponsoring ist “[e]ingebunden in den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule” - das würde Jeb Harrison sofort unterschreiben: Die Pizza-Werbung ermöglicht das notwendige Zeitungsprojekt, und die Kids können zum Mittagessen eine gesunde Pizza essen, um sich neue Energie zu holen.

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Kommentare

7

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  • #1

    Hallo Jossi,

    deinem Kommentar ist nichts hinzuzufügen. Er trifft den Nagel auf den Kopf!

    schrieb MichaelSchm am

  • #2

    Soso, Schulen und Lehrer dürfen also die Schulverwaltung und die Politik nicht mit dem Wohl der ihnen anvertrauten Schüler unter Druck setzen. Umgekehrt ist dieses Verfahren aber gängige Praxis: Schulen und Lehrer werden von Schulverwaltung und Politik dauernd mit dem Wohl der ihnen anvertrauten Schüler unter Druck gesetzt. Deshalb machen Lehrer Klassenfahrten, auch wenn sie nur einen Bruchtteil der Reisekosten ersetzt bekommen, bauen Selbstlernzentren und Programme zur individuellen Förderung auf oder machen Beratungen, auch wenn sie nur einen Bruchteil der Zeit bezahlt bekommen - weil es ja auf Kosten der ihnen anvertrauten Schüler ginge, wenn sie es nicht täten. Da ist dieses Verfahren anscheined legitim.
    Dass dem Kollegen Harrison irgendwann der Kragen geplatzt ist, hat mein volles Verständnis. Sollte öfter passieren.

    schrieb Jossi am

  • #3

    Da zitiere ich doch einmal aus Wikipedia:
    “Die Schrift zeichnet sich durch die Verwendung von Statistiken aus, die der Landbevölkerung vor Augen führten, dass sie mit ihrer Steuerlast den überzogenen Hof finanzierten.”

    Ah ja, also der “Hof” sind die Schulen mit ihren beamteten Lehrern, oder wie?

    Ich glaube sie haben das komplette letzte halbe Jahr verschlafen, Mister B(anker). Vielleicht waren Sie aber auch nur damit beschäftigt, Ihre (im Nachhinein steuerfinanzierten) Boni zu zählen…

    schrieb Mister M. am

  • #4

    Forschen Sie doch einmal nach dem Ursprung meines Zitats, dann wissen Sie vielleicht, wer sich hinter dem “B.” tatsächlich verbirgt…

    schrieb Mister B. am

  • #5

    Alles klar, Mister B(anker)! Ich gönne Ihnen doch Ihren Bonus, auch wenn er unverdient und auf Steuerzahlerkosten läuft.

    schrieb Mister M. am

  • #6

    “Milliarden für die Banken, Brotkrumen für die Schulen”

    ...oder gleich “Friede den Hütten, Krieg den Palästen”, Mr. M.? Noch weitere schmissige Parolen parat?

    schrieb Mister B. am

  • #7

    Das ist doch die logische Konsequenz, wenn der Staat die Schulen nicht ausreichend finanzieren will: Erst zuwenig Geld bereitstellen und sich dann (scheinheilig) darüber aufregen, wenn die Schulen alternative Finanzierungswege suchen. Den verantwortlichen Politikern wäre es wohl am liebsten, wenn die Lehrer noch Geld für die Schule mitbringen würden, anstatt ein Gehalt zu beziehen. Milliarden für die Banken, Brotkrumen für die Schulen (sofern noch überhaupt etwas da ist): Diese Entwicklung haber wir auch in Deutchland schon.

    schrieb Mister M. am

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