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Extrempädagogik

Darf man im Unterricht ein Kaninchen schlachten? 01.04.2011, 02:01

Kaninchen
Bild: pixabay [CC0 (Public Domain)]

Während einer Projektwoche wurde vor rund 50 Schüler/innen ein Kaninchen geschlachtet, es fließt Blut, Kinder weinen. Die Eltern laufen Sturm, bundesweit wird der Fall höchst kontrovers diskutiert: Handelt es sich um den barbarischen Akt eines irren Kannibalen? Oder ist es vielleicht pädagogisch sinnvoll, den Kindern an einem entschärften Beispiel zu zeigen, wie die Steaks am Mittagstisch zustandekommen?

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  • (geändert: )

An der Cesar-Klein-Schule, Gemeinschaftsschule der Gemeinde Ratekau (Schleswig-Holstein), wurde während einer Projektwoche zum Thema “Steinzeit” ein Kaninchen vor den Augen der Fünftklässler/innen nach dem Streicheln geschlachtet, gebraten und gegessen. Wie in der Steinzeit eben. Die Schlachtung vollzog ein Landwirt, Vater einer Schülerin, der das Kaninchen auch gespendet hatte. Der Schlachter ist außerdem ausgebildeter Sozialpädagoge und hatte die Kinder auf das Ereignis vorbereitet. Die Teilnahme daran war freiwillig.

Den Akt selbst kann man sich so vorstellen:

Dann nahm der Landwirt den Hammer und schlug zu. Einem Kind wurde schwarz vor Augen, andere weinten. Anschließend schnitt er dem Kaninchen mit einem Messer die Kehle durch und trennte den Körper auf, nahm es aus, zog das Fell ab und hängte es zum Ausbluten auf.

Spiegel Online 31.03.2011: ‘Tschüss, liebes Kaninchen’

Die Eltern waren über die Schlachtung nicht informiert worden. Möglicherweise war die Tatsache, dass das Kaninchen dann wie in der Steinzeit auf dem heißen Stein gegrillt und gemeinsam gegessen wurde, der allgemeinen Beruhigung nicht zuträglich.

Entsprechend aufgebracht waren einige unter ihnen und wandten sich an Schulleitung und Presse. Der Fall erregt Aufsehen, Jan-Martin Klinge spekuliert bereits darüber, ob die abgenagten Kaninchenknochen morgen die Titelseite der Bildzeitung zieren werden.

Nein, man darf im Unterricht kein Kaninchen schlachten!

Nahe am Geschehen sind die Lübecker Nachrichten, die von zornigen Eltern kontaktiert wurden. Hier werden kritische Stimmen zitiert, z.B. Irene Johns, die Vorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein:

„Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht mehr wissen, wie unser Fleisch auf den Teller kommt.“ Der Landeselternbeirat für Gemeinschaftsschulen nennt die Ratekauer Aktion „pervers“.

Lübecker Nachrichten Online 31.03.2011: Schock-Unterricht in Ratekau: Kaninchen in Schule geschlachtet

Ja, es kann pädagogisch sinnvoll sein, in der Schule ein Kaninchen zu schlachten

Ganz anders argumentiert Jan-Martin Klinge im Halbtagsblog:

Eltern, die sich in Zeiten von Youporn und isharegossip darüber entsetzen, ihre Kinder wären seelisch dem Tod eines Kanninchens nicht gewachsen, leben in einer merkwürdigen Parallelwelt (…sind das vielleicht die neuen Nerds?)
Es ist ja nicht so, als wäre der Landwirt mit der blutigen Axt durch die Schule gerannt. Nein! Die Kinder konnten sich von dem Tier verabschieden, hatten Zeit, das Kanninchen in den Kontext der Ernährung in der Steinzeit einzubinden und waren weder gezwungen, bei der Schlachtung, noch bei dem Braten dabeizusein. Das Problem scheint tatsächlich eher auf Seiten der Eltern zu liegen: “Jetzt habe ich noch mehr Probleme, wie ich meinen Kind erklären soll, wo das Fleisch herkommt.”
Irritiert grinst mich die Gesichter-Wurst aus dem Kühlschrank an.
[...]
Ich finde die Aktion sehr gut: So soll Schule sein: Den Kindern etwas fürs Leben mitgeben und den Wert unserer Ressourcen deutlich machen.

...  ein Halbtagsblog ... 31.03.2011: SCHOCK-UNTERRICHT. BLUT. TOD. SCHLACHTUNG. KANNINCHEN.

Umfrage: Könnten Sie sich grundsätzlich vorstellen, dass jemand in Ihrem Unterricht ein Kaninchen schlachtet?

Umfrage beendet, Auswertung hier. Screenshot der Umfrage:

Screenshot: Kaninchen-Umfrage 04/05-2011
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Kommentare

11

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  • #1

    In Wirklichkeit ist die tierische Steinzeit bei uns gerade mal 30 oder 40 Jahre her. Ich bin auf dem Land groß geworden und dort war es selbstverständlich, daß regelmäßig Tiere (Hasen, Hühner, Enten und Schweine geschlachtet wurden. Wer wollte konnte auch als Kind zusehen. Ich finde, daß den wirklichkeitsentfremdeten Kindern von Heute so ein Schock ganz gut tut, damit sie endlich wieder wissen wie das Fleisch auf den Tisch kommt und das Huhn in die Suppe. Schon die Generation unserer Eltern und Großeltern hätten die Hungerzeiten während der Kriege ohne Schlachtkaninchen sehr viel schlechter überstanden. Es ist jedenfalls ehrlicher ein Kaninchen zu schlachten, als das Fleisch schön abgepackt im Laden zu kaufen und dann in der Öffentlichkeit auf Tierschützer zu machen.

    schrieb Realist am

  • #2

    Ich will klarstellen:
    Weder werde ich in meinem Unterricht einen Pornofilm zeigen, noch einen Hasen oder ein Kaninchen schlachten lassen.
    Ich finde beides im Unterricht unpassend.

    Wenn es Polemik sein sollte, was die letzten drei Schreiber (mich einschließlich) geschrieben haben, dann sei es so. Meiner Meinung nach wird durch Übertreibung klarer, worum es geht.
    Verantwortung ist ein gutes Stichwort, aber was macht die Gesellschaft, wenn der Kollege Verantwortung für seinen handlungsorientierten Unterricht übernimmt? Reicht das aus?
    Oder ächten wir seine Entscheidung und seine Tat moralisch, juristisch .... ?
    Es geht zum einen um die Tatsache, dass die Kinder sich freistellen lassen konnten (es war freiwillig = der Druck lag auf den Schülern, die sich dagegen entschieden), zum anderen dass der Lehrer so ein “Angebot” überhaupt erst macht.
    Was wollt er genau damit bezwecken? Wenn er das Leben in der Steinzeit darstellen wollte, dann geht das auch ohne so eine praxisnahe Handlungsorientierung, sondern durch ein Rollenspiel mit einem Stoffhasen
    Wenn er die Situation der Nutztiere heutzutage darstellen wollte (was ich persönlich nicht glaube), dann hätte ein Video von Tierschutzvereinen gereicht.

    schrieb Benjamin Künstle am

  • #3

    Also..wir gehen jetzt doch arg in die Ecke der Polemik.
    Ich bin Vegetarier und das ist gut so für mich. Handlungsorientierten Untericht finde ich gut und meine Schülerinnen und Schüler lernen damit viel. Aber…ich habe die Verantwortung für meinen Unterricht und muss letztlich vor meinem Gewissen verantworten, was ich mache. Und da bleibe ich bei meiner Meinung, dass diese Art von Unterricht für diese Altersklasse unpassend ist.
    Vielleicht habe ich mich in der Behauptung geirrt, dass Steinzeit & Haustiere nicht zusammenpassen..bin als Chemie/DAF/Mathelehrer im falschen Bereich gewesen..so what, wird dadurch die Sache anders? Die Verantwortung bleibt die Gleiche.
    Das Leben in der Steinzeit war vermutlich hart, als Vegetarier wäre ich wahrscheinlich im ersten Winter verhungert, aber um dafür handlungsorientierte Projekte zu machen, braucht man das Angebot, einer Schlachtung beizuwohnen meiner Meinung nach nicht.

    schrieb jörg am

  • #4

    Ich möchte darauf hinweisen, dass natürlich der Unterricht nicht klinisch sein kann und darf. Aber zugleich ist das absichtliche Töten eines Tieres nicht zwingend eine Handlung, die in der Gesellschaft akzeptiert wird. Es soll einige Vegetarier in unserer Gesellschaft geben (zu denen ich micht nicht zähle). Zudem muss nicht alles, was in der Gesellschaft akzeptiert wird, auch im Unterricht gezeigt werden. Sonst könnten im Gemeinschaftskundeunterricht Pornos gezeigt werden und anschließend über die Frage, in wie weit der Beruf der Prostituierten legalisiert und angeglichen werden soll, diskutiert werden.
    Obwohl mehr junge Erwachsene Pornos gesehen haben als Schlachtungen von Nutztieren (so meine nicht durch Zahlen überprüfte Ansicht), würde ich als Lehrer dies trotzdem nicht tun. Genausowenig würde ich ein Kaninchen schlachten lassen.

    schrieb Benjamin Künstle am

  • #5

    @ Menschenfresser
    Um kurz ihre Polemik aufzugreifen…
    Sie haben vollkommen Recht! Ich bin auch dafür eine Schule in einem klinisch sauberen und gefahrlosen, lebensfernen Raum zu verwandeln. Bitte liebe Forscher beeilt euch mit einer ordentlichen Cyberware, damit unsere Schüler nicht mehr in die Gefahr geraten ihre Umwelt in Echtzeit zu erleben!
    ...
    Weiter möchte ich das nicht ausführen. Meiner Meinung nach haben Sie ein paar Grenzen überschritten.

    Schönen Gruß von jemandem, der auch handlungsorientierten Unterricht nutzt

    schrieb Rainman am

  • #6

    Prima, diese Entwicklung! Endlich weg von der fruchtlosen akademischen Verkopfung in der Schule! Um Anschauungsunterricht praktizieren zu wollen, brauchen wir nicht zurückzugehen bis in die Steinzeit! Holen wir doch die ganze aktuelle Welt in die Schulzimmer hinein: Alte, Kranke, Gefangene, Gefolterte, Entrechtete, Geschlagene, Betrunkene, Kotzende ... was läßt sich da mit realistischen Echtzeit-Rollenaktionen nicht alles realisieren. Krieg und Folter sind anschaulich vorzuführen, der Tod wird den Schülern endlich begreifbar! Wäre doch gelacht, wenn sich die nötige Anzahl von Versuchs“kaninchen“ nicht finden ließe. Es gibt auch unter den Menschen wehrlose Existenzen; um sich hilflos abschlachten zu lassen, muß man nicht als Nagetier geboren sein.
    Praktizieren wir lebendigen, lebensechten Geschichts- und Politikunterricht! Wie wäre es mit einem Nachstellen von gewissen Szenen aus Auschwitz-Birkenau, da sollte doch das Antifa-Herz höher hüpfen? Noch nie auf diese geniale Idee gekommen? Das wäre die endgültige Kur für das Nie-Mehr-Wieder! Oder doch eher nicht?
    Was da noch für Aufgaben der Schule harren! Verplempern wir die Zeit nicht mit dem törichten Versuch, den Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Wer braucht denn diese verstaubten, weltfremden Künste heutzutage noch! Rechnen können nicht einmal unsere Politiker, wozu soll dann Klein-Hänsen sich mit den Zahlen herumquälen. Viel wertvoller wäre es, den Kindern zu zeigen, wie das Schächten geht. Integration nennt sich so etwas. Für gesellschaftlich wertvolle Aktivitäten gibt es sogar Staatsknete. Also ran, an die Pötte: Lernen durch Handeln. Die „Kaninchenschule“ hat’s begriffen!

    schrieb Menschenfresser am

  • #7

    @ jörg
    Schon einmal etwas von der Neolithischen Revolution gehört? Meine ehemaligen Fünftklässler haben gelernt, dass nach dieser, also dann in der Jungsteinzeit, Menschen sesshaft wurden und mit Land- und Viehwirtschaft begannen. Soviel zum Thema Nutztierhaltung…
    Nach entsprechender Information and die Eltern und auf freiwilliger Basis könnte ich mir ein solches oder ähnliches Projekt ebenfalls vorstellen.

    schrieb Rainman am

  • #8

    Ziemlich strange…die Zielgruppe von 10-11 jährigen Kindern ist entschieden zu jung. Für nen BioLK oder ErnWiLK vielleicht noch vertretbar, aber mit den Kleinen.
    Außerdem…eingebettet in eine Projektwoche “Steinzeit” auch nicht passend. Nutztierhaltung gab es da noch nicht und wenn man es authentisch hätte machen wollen, hätte man das Tier jagen müssen

    schrieb jorg am

  • #9

    So wirkt es tatsächlich; aus zwei Gründen dürfte es sich aber nicht um einen Aprilscherz der Lübecker Zeitung (die das Thema als erste veröffentlicht hat) handeln:

    1) Der Artikel wurde am 31. März veröffentlicht, nicht am 1. April.
    2) Name und Ort der Schule, des Schulleiters usw sind rekonstruierbar bzw. genannt. Für einen Aprilscherz wäre das vielleicht etwas heftig.

    Völlig auszuschließen ist das natürlich nicht ...

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #10

    April April :-)

    schrieb Katrin am

  • #11

    Ich gehöre auch zu den denjenigen, die die Aktion im Prinzip gut finden. Allerdings verstehe ich nicht ganz, warum die Eltern im Vorfeld nicht informiert wurden. Das ist doch inzwischen eigentlich gang und gäbe. Nicht immer zum Vorteil des Unterrichts und des Lehrens, aber so ist es inzwischen.

    Ich finde sowieso diese Vermischung der Aufgaben und Rollen zwischen Eltern und Lehrern nicht sehr gut. Lehrer sollen zum Beispiel erziehen. Dazu gehört meines Erachtens auch mal das Bestrafen, was man allerdings nicht machen darf, bei Fehlverhalten. Eltern entziehen doch auch iPod, Handy, Fernsehen, Internet, geben Zimmerarrest, etc. Warum regen sie sich dann auf, wenn Lehrer das gleich machen? Ein schönes Beipiel von meiner Schule: Auf die Frage, warum es bei uns mittags eigentlich vorallem Fastfood gibt, antwortete der damalige Rektor: “Wenn ihr Kind einmal in der Woche etwas ungesundes ist, ist das doch nicht so schlimm, oder?”

    Auf der anderen Seite regen sich Lehrer auf, wenn die Eltern mal wieder was zu Hause erklärt haben, was gar nicht zum Stoff gehört. Andere Schreibweisen für Buchstaben, andere Rechentechniken, etc.

    Warum können sich beide Seiten nicht mit Respekt begegnen und die jeweils andere Kompetenz annehmen? Aber ich glaube, dass sich dieser Konflikt nie ändern wird.

    schrieb Peter am

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