Kreatives Schreiben
Vorlagen zum Kreativen Schreiben - 2 Arbeitsblätter 10.04.2006, 16:08
Zehn Erzählanfänge zum Weiterschreiben, abgestimmt auf die Analysekategorien für die literarische Vorlage beim Kreativen Schreiben. Didaktische und methodische Hinweise zum Einsatz im Unterricht.
Die Arbeitsblätter
Analyse- und Bewertungskategorien für das Kreative Schreiben nach literarischer Vorlage sind: Erzählstil und Sprache, Ort, Zeit, Personen/Charaktere, Personenkonstellation, Konflikt/Problem/Thema, Textsorte, Erzählperspektive.
Es hat wenig Sinn, den SchülerInnen diese Kategorien alle auf einmal nahezubringen, da so rasch Überforderung bzw. Interferenzen auftreten. Außerdem führt die mangelnde Fokussierung zwangsläufig zu einer oberflächlichen Behandlung der Inhalte.
Deshalb sollten die Kategorien einzeln geübt werden. Dabei ist auf methodischen Abwechslungsreichtum zu achten, um den kreativen Prozess dynamisch zu halten.
Die beiden Arbeitsblätter “Erzählanfänge zum Kreativen (Weiter-)Schreiben” (PDF) enthalten insgesamt zehn Erzählanfänge. Diese sind auf die einzelnen Kategorien zugeschnitten. So wird im Text, mit dem die literarische Dimension “(Handlungs-)Ort” vertieft wird, besonderen Wert auf die Beschreibung der Örtlichkeit gelegt; der Text “Zeit” hingegen konfrontiert die SchülerInnen mit einer etwas komplexeren Zeitstruktur als die anderen Erzählanfänge.
Diese Übungen machen den SchülerInnen erfahrungsgemäß großen Spaß, da sie ihre Kreativität geleitet ausleben können und dabei etwas lernen (und nicht wild ins Blaue hinein schreiben).
Hinweise zum Einsatz der Arbeitsblätter im Unterricht
Reihenfolge
Die einzelnen Punkte sollten in der auf den Arbeitsblättern vorgegebenen Reihenfolge abgehandelt werden, da einfachere/einleuchtendere Kategorien bewusst am Anfang stehen (Zeit, Ort vs. Erzählperspektive, Erzählstil). Dabei können pro Text auch zwei oder (vor allem bei den späteren Texten) mehr Kategorien besprochen werden. Tendenziell sollte aber immer eine Kategorie im Mittelpunkt stehen.
Methodische Möglichkeiten
1. Analyse der Vorlage
- Besprechung und Benennung der literarischen Auffälligkeiten (Plenum oder Partnerarbeit/Gruppen).
- Schreiben eines Gegentexts (inhaltlich gleich, aktuelle Analysekategorie ist ins Gegenteil verkehrt (z.B. Zeit: Präsens wird zu Präteritum; Ort: aus dem dusteren Schloss wird ein freundliches Atomkraftwerk usw.).
- Strukturierung an der Tafel (z.B. Personen/Charaktere: Tabelle mit Charaktereigenschaften; Personenkonstellation: Strukturbild mit den wichtigsten Beziehungen)
- Erstellen einer kurzen Liste: Was wird vom Folgetext in Hinblick auf die aktuelle Analysekategorie erwartet?
2. Erarbeitung von SchülerInnenmaterial
- SchülerInnen schreiben den Text in Einzelarbeit weiter.
- SchülerInnen machen sich Stichworte zum weiteren Verlauf der Geschichte (Einzelarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit), tragen ihre Fortsetzung frei vor der Klasse vor.
- SchülerInnen erarbeiten ein szenisches Spiel, in dem sowohl Erzählanfang als auch eigene Fortsetzung gespielt werden.
3. Bewertung des Textmaterials
- Vorlesen einzelner SchülerInnenarbeiten (evtl. durch andere SchülerInnen, wahlweise Einsammeln einiger Arbeiten durch LehrerIn und vorlesen); Vorlage ebenfalls vorlesen! - Besprechung im Plenum, evtl. Überprüfung an Tafelbild (z.B. Personenkonstellation, s.o.).
- Besprechung der Arbeitsergebnisse in Redaktionsgruppen, Entscheidung für das Ergebnis, in dem die aktuelle Kategorie am besten durchgeführt wurde.
- Vorspielen der Szene (z.B. Figuren/Charaktere: ohne Nennung der einzelnen Personen; SchülerInnen müssen erraten, wer welche Person darstellt und begründen, woran sie das erkannt haben -> Charaktereigenschaften).
Wichtig ist, dass an dieser Stelle die SchülerInnen ausführlich (evtl. sogar schriftlich) zu Wort kommen. Manchmal empfiehlt es sich, heimlich einer besonders guten SchülerIn den Auftrag zu geben, den Arbeitsauftrag absichtlich falsch auszuführen. Wenn dann vorgelesen wird, sollte die Klasse erkennen, dass hier gepfuscht wurde.
Die Textvorlagen mit kurzen didaktischen Hinweisen
Sie finden hier die Erzählanfänge der Arbeitsblätter (pdf) mit zusätzlichen kurzen Hinweisen zur Behandlung im Unterricht.
1. Textsorte
Ein Frosch wohnte in einem Tümpel und machte den ganzen Tag nichts anderes, als seine Backen aufzuplustern. Da kam ein Storch vorbei und dachte sich: „Ei, dieser Frosch wird mir sicher gut schmecken.“ So stackste er in den Tümpel und rief mit scheinheiliger Stimme: „Hallo Frosch, komm einmal an die Oberfläche, ich habe interessante Neuigkeiten für dich!“
Es handelt sich um eine Fabel, dies muss in der Fortsetzung deutlich zum Ausdruck kommen - d.h. die Tiere sollten auch in der Fortsetzung reden, intentional handeln. Auch kann hier schon der Punkt “Thema/Problem” vorweggenommen werden, da er sehr einfach ist: Storch hat Hunger und möchte Frosch überlisten.
2. Ort
Der König stampfte mit schweren Schritten durch den dunklen Thronsaal. Die fast schwarzen, holzgetäfelten Wände trugen zu der düsteren Stimmung bei. In einer Ecke des Saals loderte ein Feuer, das von einem verrußten Knecht mit dicken Holzscheiten versorgt wurde. „Verdammt“, fluchte der König und ließ sich auf eine grobe Holzbank fallen.
Die Atmosphäre des Ortes sollte in der vorbereitenden Phase ausführlich thematisiert werden; “Schloss” als Ort reicht nicht, es ist dunkel, düster, evtl. karg usw. Auch hier kann der Punkt “Thema/Problem” vorweggenommen werden: König hat ein Problem. Das sollte ebenfalls weitergeführt werden.
3. Personen, Charaktere
Fritz war schon in seiner Jugend ein heimtückischer, verlogener Junge gewesen, während sein Bruder Fratz in der ganzen Verwandtschaft beliebt war. Niemals wich er vom Weg der Tugend ab, und die Wahrheit liebte er mehr als sich selbst. Sein offenes, freundliches Wesen machte ihn allen auf Anhieb sympathisch, während die verschlagene Art von Fritz bei allen – sogar den eigenen Verwandten – für unverhohlene Abscheu sorgte.
Eines Tages trafen die beiden auf dem Schulweg eine alte Frau aus der Nachbarschaft. Sie war fast blind. An diesem Tag nun war ihr ihr Geldbeutel aus der Tasche gefallen, und viele Münzen lagen auf der Straße herum.
Hier empfiehlt sich als vorbereitende Maßnahme eine Gegenüberstellung der Charaktereigenschaften der beiden. Da hier sehr unterhaltsame Fortsetzungen zu erwarten sind, sollte die Weiterführung der Geschichte auf jeden Fall (auch) schriftlich in Einzelarbeit erfolgen.
4. Zeit
Als ich ein Kind war, wohnte ich in einem hässlichen Hochhaus am Rande Berlins. Wenn ich nichts zu tun hatte, lehnte ich am Fenster und schaute hinaus in den grauen Himmel. Ich träumte von einer grünen Insel, auf der ich zusammen mit meinem Hamster Hugo wohnte.
Heute bin ich ein alter Mann, der einen kleinen Nebenverdienst als Pförtner in einer großen Chemiefabrik hat. Manchmal, in der Mittagspause, wenn ich heimlich auf die kleine Wiese hinter der Halle gehe, kommt Shalila mich dort besuchen.
Für schwächere SchülerInnen könnte hier die Zeitstruktur problematisch sein. Ganz klar muss werden: Die Geschichte sollte im Präsens fortgeführt werden. Bessere SchülerInnen können Rückblenden einbauen oder in ihrer Fortsetzung bewusst wieder ins Präteritum zurückspringen.
5. Personenkonstellation/Problem, Thema
Sandra und Martin sind seit mehr als 6 Jahren verheiratet – eigentlich glücklich, wenn da nicht die Geschichte mit Giovanni gewesen wäre. Sandra und Giovanni waren früher einmal befreundet gewesen, aber Martin war in Sandras Augen einfach der smartere, und so hatte sie Giovanni verlassen. Giovanni war natürlich am Boden zerstört gewesen, und noch heute rast er vor Eifersucht auf Martin.
Gestern waren Sandra und Martin nun beim Shoppen. Als sie sich in der langen Schlange vor der Kasse anstellten, drehte sich direkt vor ihnen ein Mann um: Giovanni.
Mögliches Vorgehen: Personenkonstellation als Schaubild darstellen lassen; szenische Fortführung des Texts, Überprüfung an Tafel
6. Erzählperspektive 1
Es ist dunkel, ich kann nichts sehen, ich renne durch den Wald, atemlos. Seit 6 Tagen bin ich auf der Flucht, und meine Beine schmerzen. Ich lehne mich an einen Baum, atme schwer. Wenn ich wenigstens Schuld hätte! Aber … - Ein Gegenstand trifft mich an der rechten Schulter, ich falle hin. Ich spüre Panik aufsteigen. Ganz ruhig, ganz ruhig, sage ich zu mir, während ich mich aufrappele. Ein weiterer Schlag aus dem Dunkel trifft mich, und ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Oberschenkel.
7. Erzählperspektive 2
Ein gewöhnlicher Sonntag. Die Menschen spazieren durch die Straßen, die Sonne scheint, und alle sind glücklich – manche mehr, manche weniger. Herr Schmitt zum Beispiel, der gerade mit seiner Frau am Deich entlanggeht, unterhält sich scheinbar zwanglos mit seiner Frau. Tatsächlich aber schweifen seine Gedanken dauernd zu den sinkenden Umsätzen seiner Reinigung zurück. Oder die hübsche Frau Susewind:
Diese beiden Texte stellen zur Entlastung der Thematik sehr ausgeprägte Erzählhaltungen dar: In Text 2 erzählt ein auktorialer Erzähler (Folie zur Verdeutlichung), der alles weiß und kennt, in Text 1 ein sehr personaler Erzähler; dem Leser wird ausschließlich die Sicht der handelnden Figur vermittelt.
8. Konflikt/Problem/Thema, Erzählperspektive
Mein Freund Udo ist ein ebay-Junkie, wenn ich das mal so sagen darf. Die ganze Zeit hängt er davor und ersteigert irgendwas. Dabei sammelt er nicht mal was – er ist einfach ebaysüchtig. Ich verstehe das nicht, und wir haben oft Stress deswegen, aber irgendwie renkt sich immer alles wieder ein.
Heute Abend sind wir zum Essen bei meinem Chef eingeladen. Ich bin schon den ganzen Tag aufgeregt. Eigentlich nicht wegen mir selbst. Sondern wegen Udo. Der Typ treibt mich in die Raserei – wir müssen in 15 Minuten los, und was macht er? Er sitzt vor der Kiste und ersteigert irgendwas Unwichtiges. Ich bin stinksauer. Gehe zu ihm.
„Udo …“
„Hm?“
Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Fortsetzung der Geschichte sich hinsichtlich der Problematik logisch angliedert. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Ich-Erzählerin den Stecker aus der Wand zieht, Udo sein Schnäppchen verpasst und dann gut gelaunt auf die Party mitgeht. Außerdem sollte an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass auch der Realitätsgrad von Fortsetzung und Vorlage i.d.R. übereinstimmen sollten (Udo steht auf, verlässt seine Freundin und ersteigert sich eine Insel -> wesentlich unrealistischer als die Vorlage).
9. Erzählstil und Sprache 1
Sieh an, die Schüler scharten sich um den Lehrer, den sonnengleichen, und huldigten seinen Worten. Er aber, weise und erhaben, sah gütig auf die Schäflein hernieder, und sprach mit warmer Stimme zu ihnen: „Freut euch des Lebens, denn ihr seid herrlich.“ Und die Kinderlein frohlockten und sprachen im Chor:
10. Erzählstil und Sprache 2
„Ich sag’s dir, diese krasse Story, boah, ich halt’s nicht aus, was für ‘n Arsch der ist. Ich mach den fertig, dass er mit seiner verdammten Fresse Dreck frisst, die dumme Sau!“
„Why – hat er dich gedisst oder was?“
„Der Loser und mich dissen? Pfa! Viel schlimmer!“
Hier sollte als Vorarbeit eine ausgiebige sprachliche Analyse der beiden Texte stehen, evtl. auch gegenüberstellend. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass diese Analyse nicht zu oberflächlich verläuft.