Zeitarbeiter
Lehrermangel: Baden-Württemberg »leiht« Lehrer aus Sachsen und Thüringen 23.03.2009, 15:49
Nachdem das reiche Baden-Württemberg sich durch rücksichtslose Lehrerabwerbung unbeliebt gemacht hat, entdeckt Kultusminister Helmut Rau (CDU) nun plötzlich die Kooperation: Statt den östlichen Bundesländern die Lehrer/innen wegzunehmen, werden mit Thüringen und Sachsen Absprachen für Leiharbeit auf Zeit getroffen. Rau hofft insgeheim darauf, dass die Zeitarbeiter/innen in Baden-Württemberg bleiben werden.
Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) hat eine Menge Sympathien verspielt, indem er nicht nur rücksichtslos Lehrer/innen aus anderen Bundesländern abzuwerben versuchte, sondern auch den (von ihm selbst unterschriebenen) Beschluss der Kultusministerkonferenz zum fairen Umgang gleich wieder für nichtig erklärte (Lehrerfreund 07.03.2009: Lehrerabwerbung: Baden-Württemberg weiterhin auf der Ego-Schiene).
Inzwischen hat Helmut Rau erkannt, dass er sich durch solche Maßnahmen nicht nur bei sämtlichen Mitregierenden, sondern auch beim Volk unbeliebt macht. Wieder einmal in atemberaubender Geschwindigkeit vollzieht er eine Kehrtwende, aus dem offenen Krieg gegen die chancenlosen Bundesländer des Ostens wird der herzliche Schulterschluss:
Sowohl mit Thüringen als auch mit Sachsen hat Helmut Rau “vertrauensvoll” vereinbart, dass Lehrer/innen aus diesen Bundesländern für einige Jahre in Baden-Württemberg arbeiten und anschließend wieder in ihren Ursprungsländern eingestellt werden können (angepeilt ist das Schuljahr 2012/2013). Sowohl Thüringen als auch Sachsen haben aktuell ein Überangebot an Lehrkräften, die Aufhebung der Zwangsteilzeit in Thüringen für beamtete Lehrer/innen hat die Situation verschärft:
Nach einem Urteil des Verfassungsgereichtes hatte der Freistaat die Zwangs-Teilzeit für beamtete Lehrer aufgehoben und allen Betroffenen eine volle Stelle angeboten. Rund 8.000 der 10.000 in Teilzeit arbeitenden Lehrer-Beamten nahmen das Angebot an. Das entsprach einer Neueinstellung von mehr als 1.000 Pädagogen. Diese Überkapazität soll in den nächsten drei bis vier Jahren durch das reguläre Ausscheiden von Lehrern abgebaut werden.
Die Vereinbarung zwischen Baden-Württemberg und Sachsen sieht vor (ähnliche Vereinbarung mit Thüringen):
- Sachsen wird, sobald der Bedarf besteht, diese Lehrkräfte wieder aufnehmen.
- Das Ministerium in Baden-Württemberg wird ab dem Schuljahr 2012/13 für alle ab dem Schuljahr 2009/10 eingestellten Lehrkräfte aus Sachsen, die dies wünschen, die Freigabe erklären.
- Baden-Württemberg wird dem sächsischen Ministerium jährlich mitteilen, wie viele sächsische Bewerber eingestellt wurden. Deren Einverständnis vorausgesetzt, werden die Adressen dem sächsischen Kultusministerium zur Verfügung gestellt. Die betreffenden Lehrer werden regelmäßig über die Beschäftigungsentwicklung sowie Einstellungsbedingungen in Sachsen informiert. Informationen und Einladungen zu Weiterbildungen gehören ebenfalls dazu.
Pressemeldung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, 23.03.2009: Kultusminister aus Sachsen und Baden-Württemberg verabreden intensive Zusammenarbeit
Grundsätzlich sind solche Regelungen sehr zu begrüßen, da durch sie eine Zusammenarbeit der Länder befördert wird und die Bildungssituation der BRD insgesamt verbessert wird. Wenn man jedoch genau hinsieht, stellt man fest, dass der sächsische Kultusminister Roland Wöller (CDU) seine Lehrer/innen nicht gerne von der Leine lässt: Er möchte persönlichen Kontakt zu den verliehenen Lehrer/innen halten und möchte auf dem Laufenden über aktuelle Zahlen bleiben. Fehlt ihm das Vertrauen in Helmut Rau, der die Stralsunder Erklärung noch vor wenigen Wochen ganz anders interpretiert hat als heute?
Für Rau ist diese vertrauensvolle Abstimmung zwischen den Ländern ein Modell mit Blick auf die Eckpunkte der “Stralsunder Erklärung”, um gemeinsam kooperativen Bildungsföderalismus zu betreiben. Rau betonte: “Die sächsischen Lehrer sind an unseren Schulen willkommen. Falls sie später auf eigenen Wunsch wieder zurück möchten, bringen sie einen Zuwachs an Erfahrungen mit, der wiederum der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in Sachsen zugute kommt.”
Pressemeldung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, 23.03.2009: Kultusminister aus Sachsen und Baden-Württemberg verabreden intensive Zusammenarbeit
Rau (CDU) hofft offensichtlich darauf, dass es den Lehrer/innen in Baden-Württemberg gut gefällt und sie von selbst dort bleiben werden. Zur Not könnte man ihnen ja, sobald sie sich etwas eingelebt haben, auch dezent die Verbeamtung anbieten. Mehr verdienen werden sie in Baden-Württemberg ohnehin.
Das weiß man in Sachsen und in Thüringen natürlich. Aber man hat keine andere Wahl, als in den sauren Apfel zu beißen. Vielleicht kommt ja 2012 doch der/die ein oder andere aus Heimweh zurück.