Verschmähter Job
Immer weniger Lehrer wollen Schulleiter werden 06.04.2010, 02:12
Die Schulämter haben immer größere Probleme damit, Bewerber/innen für Rektorenstellen zu finden. Dies erfüllt die Lehrergewerkschaft VBE (BW) "mit großer Sorge", da die Schulämter wegen der geringen Anzahl der Bewerber/innen mehr oder weniger alle einstellen müssen, die sich auf eine Schulleitungsstelle bewerben - auch aus den eigenen Reihen.
Situation: Rektorenstellen immer unbeliebter
Der VBE-BW (Verband Bildung und Erziehung Baden-Württemberg) stellt fest:
Zum einen bremst das Land selber durch die Stellenbesetzungssperre das Verfahren ein wenig aus, zum anderen melden sich aufgrund der vor allem im Grund- und Hauptschulbereich geringeren finanziellen Attraktivität immer weniger Bewerber. So verdient ein GHS-Lehrer, der als Rektor eine kleine Grundschule übernimmt, weniger, als wenn er sich auf eine Beförderungsstelle an einer Hauptschule ohne Leitungsfunktion bewirbt.
In den nächsten Jahren werden Schulen wegen anstehender Pensionierungen viele neue Rektoren und Konrektoren benötigen. “Dabei ist es bereits heute sehr schwer, genügend geeignete Lehrkräfte für Leitungsaufgaben zu gewinnen”, stellt der VBE-Sprecher mit Sorge fest.
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Meist gibt es für frei gewordene Rektoren- und Konrektorenstellen - wenn überhaupt - nur einen Bewerber oder eine Bewerberin. Immer wieder mussten Schulleitungsstellen erneut ausgeschrieben werden, weil sich zunächst kein Interessent gemeldet hatte, auch wenn der Schulstandort selber durchaus attraktiv war.
Landesweit gibt es - vor allem im Grund- und Hauptschulbereich - im Schnitt für jede zweite Schulleitungsstelle nur einen Bewerber. Von einer echten “Auswahl” könne da schon lange nicht mehr die Rede sein, moniert der VBE-Sprecher.
VBE-BW 05.04.2010: VBE besorgt: Lehrer wollen heute kaum noch Schulleiter werden
Warum keine/r (mehr) Rektor werden will
Der VBE führt das Desinteresse auf ein Missverhältnis von Arbeitsaufwand und Bezahlung zurück:
Die kräftezehrende Arbeitsbelastung der Rektoren erweist sich nach Auffassung des VBE als ein Hemmschuh bei der Stellenbesetzung. Unterrichtsermäßigungen für Schulleitungsaufgaben orientieren sich an der Zahl der Klassen. Durch zurückgehende Schüler- und Klassenzahlen nehmen die Anrechnungsstunden zwangsläufig ab, obwohl die Arbeit eher mehr wird, vor allem durch Abschichtung der Aufgaben von oben nach unten, durch zunehmend schwierigere Schüler und durch bisweilen recht problematische Eltern, die das Erziehungsgeschäft allein bei der Schule angesiedelt sehen möchten.
VBE-BW 05.04.2010: VBE besorgt: Lehrer wollen heute kaum noch Schulleiter werden
Das eigentliche Problem liegt nicht in der Arbeitsbelastung selbst. Der Posten der Schulleiter/in hat nur ein begrenztes Innovationspotenzial. Wer einen Betrieb mit 10, 20, 50 oder 100 Lehrer/innen leitet, braucht kreative Freiräume, um Auswirkungen seines Engagements sehen zu können. In vieler Hinsicht sind Schulleiter/innen jedoch abhängig von bürokratischen Zwängen und Vorschriften von oben.
- Zunehmend haben Schulen zwar ein Mitspracherecht bei der Stellenbesetzung - doch welche Fächer und Stundenzahlen einer Schule zugewiesen wird, entscheiden die zuständigen Schulämter. Letztendlich verwaltet man mit dem besten Mathelehrer bei 8 nicht besetzten Musikstunden doch wieder nur den Mangel.
- Schulen sollen sich selbstverantwortlich weiterentwickeln (Stichworte: Schulentwicklung, Steuergruppen, interne Evaluation), die Rahmenbedingungen ersticken innovative Ansätze jedoch im Keim. Kaum einer Schulleiter/in käme es in den Sinn, die Schule mal richtig umkrempeln zu wollen. Dazu fehlen schon allein die formalen Umstände.
- Die Schulbehörden statten Schulen öffentlichkeitswirksam mit Medientechnologie aus - und die Schule bekommt zwei interaktive Whiteboards, obwohl sie viel lieber für das Geld ihre Schulbibliothek ausgebaut hätte.
- etc.
Das Schulwesen ist zu großen Teilen ein staatlicher Betrieb. Das bringt strukturelle Probleme mit sich, die aus systemimmanenten Gründen nur schwierig zu lösen sind. In einem privatwirtschaftlich organisierten Bildungswesen wäre deutlich mehr Platz für Innovation. Doch Bildung wäre in einem solchen System eine Zweiklassenware. Daran könnten auch die innovativsten Schulleiter/innen nichts ändern.