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»Der Filmkanon. 35 Filme, die Sie kennen müssen.« - Rezension 31.03.2006, 10:36

cover 'Filmkanon': Vorschau

Ein Sammelband zum Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung, der alle 35 Filme näher erläutert. Rezension von Michael Staiger.

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Endlich: Das Buch zum Filmkanon

Das Kino und der Spielfilm spielten in der Schule hierzulande sehr lange keine oder nur eine marginale Rolle. Viele Schülergenerationen bekamen Filme nur zu wenigen ausgewählten Anlässen zu Gesicht: Entweder als Begleitmedium zur Lektüre eines literarischen Werkes im Deutschunterricht, zumeist mit einem anschließenden Vergleich von Buch und Film, der natürlich immer zugunsten des Schrifttextes ausfiel. Oder als kleines Bonbon in der letzten Woche vor den Sommerferien, in erster Linie zum Ausgleich des Motivationsdefizits auf Schüler- und Lehrerseite. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Spielfilm als Unterrichtsgegenstand war also bislang eher die Ausnahme als die Regel.

Von der Filmkompetenzerklärung zum Filmkanon

Dieses Defizit haben inzwischen nicht nur die Fachdidaktiken, sondern auch die Bildungspolitik erkannt. Vor drei Jahren veranstaltete die Bundeszentrale für politische Bildung einen Kongress unter dem Titel Kino macht Schule und veröffentlichte als Ergebnis eine Filmkompetenzerklärung. Darin wurde u.a. die Schaffung eines „obligatorischen Filmkanons“ gefordert. Bereits vier Monate später wurde dieser von einer 19köpfigen Expertenkommission vorgelegt (wir berichteten). In der Öffentlichkeit und in Fachkreisen wird der Filmkanon seither kommentiert und kritisiert, das Presseecho in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung war unerwartet groß.
Doch eine Liste von 35 Filmen mit der Überschrift „Filmkanon“ führt natürlich allein noch nicht zu einem plötzlichen Aufblühen der Filmbildung an den Schulen. Denn eine Auseinandersetzung mit Spielfilmen erfordert zum einen die Verfügbarkeit von entsprechenden Filmen für Unterrichtszwecke und zum anderen entsprechendes Arbeitsmaterial für Schüler und Lehrer. Die Bildstellen nahmen den Faden schnell auf und haben seither ihre Bestände an Spielfilmen auf DVDs mit Vorführrecht erheblich vergrößert. Die BpB versucht darüber hinaus durch Fürsprache bei den Filmverleihern die Verfügbarkeit aller Kanonfilme (pdf) im 35mm-Format für Schulkino-Vorführungen zu erreichen, bisher noch nicht mit hundertprozentigem Erfolg.
cover 'Filmkanon' gross: Vorschau

Filmdidaktisches Arbeitsmaterial

In punkto Arbeitsmaterial gibt es inzwischen zahlreiche Initiativen, z.B. vom Institut für Kino und Filmkultur, vom Bundesverband Jugend und Film, vom Bernhard Wicki Gedächtnisfonds und natürlich der BpB selbst. Diese hat nun zusätzlich zu den ungelmäßig erscheinenden Filmheften in Kooperation mit dem Bertz+Fischer Verlag einen Sammelband zum Filmkanon im Rahmen ihrer Schriftenreihe herausgebracht. Das Buch stellt alle 35 Kanonfilme vor und liefert einige Ansatzpunkte zu ihrer Analyse und Interpretation. Die Texte wurden von verschiedenen Autoren verfasst, teils Mitglieder der Expertenkommission wie Dominik Graf, Christian Petzold, Volker Schlöndorff oder Erika Gregor, teils mehr oder weniger namhafte Filmjournalisten und Filmwissenschaftler.
Der Band bietet für jeden Kanonfilm auf sieben bis acht Buchseiten eine kurze Zusammenfassung des Inhalts, meist eine Kontextualisierung in Bezug auf die filmgeschichtliche Epoche und den Regisseur und natürlich Begründungen, warum gerade dieser Film „kanonwürdig“ ist. Hinzu kommen filmografische Angaben, sehr hilfreiche und detaillierte Literaturhinweise sowie eine großzügige Bebilderung mit Standfotos aus dem jeweiligen Film. Es wird also jedem geholfen, der sich über einen oder mehrere Kanonfilme einen Überblick verschaffen will. Was fehlt – und dies spiegelt auch schon der gesamte Entstehungsprozess des Filmkanons wider – sind didaktische Aufbereitungen wie z. B. mögliche Lehr-/Lernziele oder methodische Überlegungen. So bleibt die Frage, warum sich Kinder und Jugendliche für Filmgeschichte interessieren sollten und wie man möglicherweise ihr Interesse daran wecken könnte, weiterhin eine eklatante Leerstelle. Filme wie „Rashomon“, „Stalker“ oder „Sans Soleil“ - um nur ein paar ausgewählte zu nennen - sind alles andere als leicht vermittelbare Unterrichtsgegenstände. Darum sollten dem – als ersten Einstieg brauchbaren – Filmkanon-Band weitere, differenzierte und tatsächlich filmdidaktische Materialien folgen.

Michael Staiger, Dozent für Filmdidaktik PH Freiburg

Alfred Holighaus (Hrsg.): Der Filmkanon. 35 Filme, die Sie kennen müssen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (= Schriftenreihe, Bd. 448). Preis: 4,00 EUR. ISBN 3-89331-554-3. Bestellung über bpb.de; Buchhandelsausgabe im Bertz+Fischer Verlag, Berlin für 14,90 EUR.


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Kommentare

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  • #1

    Dieser Filmkanon ist aus meiner Sicht für Lehrer, die Tipps haben möchten, welche Filme sie im Unterricht sinnvollerweise besprechen können oder gar sollten, absolut wertlos. Ich begreife nicht, wie Menschen immer wieder auf die Idee kommen, dass Filme von Murnau, Eisenstein oder Fritz Lang auch nur IRGENDEINEN Schüler im Entferntesten interessieren könnten.
    Natürlich sind das große Filme, aber interessant sind sie nur für den, der sich für FilmGESCHICHTE interessiert - und darüberhinaus über etliche Kenntnisse im Bereich Filmsprache verfügt.
    Gäbe es ein eigenes Unterrichtsfach “Filmgeschichte” oder “Filmanalyse”, so wäre dieser Kanon wahrscheinlich eine Hilfestellung. So aber kann ich nur sagen: Nehmt doch einfach IRGENDEINEN gut gemachten modernen Film (sei es Terminator, Matrix, Mission Impossible, oder etwas Neueres), der die heutigen SchülerInnen auch tatsächlich interessieren könnte, und macht diesen zum Gegenstand einer eingehenden Analyse - immer unter der Grundthese: nichts, das ich dort sehe oder höre ist zufällig! Dazu bedarf es wahrlich keines Kanons. Und dazu muss man auch nicht Filmwissenschaft studiert haben.

    schrieb echti am

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