Lehrergehalt
Institut der deutschen Wirtschaft stellt leistungsbezogenes Lohnmodell für Lehrer vor 10.11.2008, 18:33
Nach dem (in Focus online vorab vorgestellten) Lohnmodell erhalten Lehrer/innen jährliche Sonderzahlungen in Höhe von bis zu mehreren tausend Euro. Wer die Prämien bekommen will, muss sich mit der Schulleitung arrangieren. Warum das eine gute und schlechte Idee zugleich ist.
Eines der Top-Themen 2008 im Bildungssektor ist die leistungsbezogene Bezahlung von Lehrkräften. Eine entsprechende forsa-Umfrage vom Oktober 2008, nach der sich 80% aller Lehrer/innen eine leistungsbezogene Entlohnung wünschen, wird der GEW scharf kritisiert:
Die Fragestellung [... dieser Studie] ist nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft “eher interessengeleitet als an objektiven Tatsachen orientiert”. Laut GEW ist die Umfrage zudem nicht repräsentativ.
GEW 07.11.2008: GEW kritisiert forsa-Lehrerumfrage; s.a. Offener Brief der GEW zur forsa-Lehrerumfrage (pdf)
Am 11.11.2008 wird das Institut der deutschen Wirtschaft Köln ein leistungsabhängiges Lohnmodell für Lehrer/innen vorstellen, das Sonderzahlungen in Höhe von eineinhalb Monatsgehältern jährlich vorsieht, abhängig von Kriterien, die Lehrer/in und Schulleitung gemeinsam getroffen haben. Der Focus weiß schon heute:
Das Geld für die Boni sollen die Schulleitungen von den Kultusministerien erhalten. Die Höhe hängt davon ab, ob die Schule ihrerseits zuvor festgelegte Ziele erfüllt hat, etwa ein gutes Abschneiden bei Pisa-Tests.
Focus: Schule online 10.11.2008: Lohnmodell - Leistungsprämien für Lehrer
150% eines Monatsgehalts sind - je nach Gehaltsstufe - brutto 4.000-6.000 Euro, netto dann (im Realisierungsfall: natürlich voll versteuert) 2.000-4.000 Euro, monatlich also 180 Euro aufwärts mehr Nettogehalt.
Gute Idee!
- Das Jahresgehalt erhöht sich um eineinhalb Monatsgehälter. Das wäre für LehrerInnen natürlich schon ein Anreiz, sich in die Riemen zu legen.
- “Individuelle Vereinbarungen” bedeutet: Weg von einer starren, vorgabenbezogenen Pädagogik, hin zu Unterrichtskonzepten, die sich an konkreten Anforderungen orientieren.
- Prüfstein der Prämie sind “festgelegte Aufgaben”. Damit umgeht man das unsichere Instrument der direkten Evaluation (durch SchülerInnen, Schulleitung ...); außerdem werden diese Aufgaben Projekte, AGs und Unterrichtsqualität mit sich bringen.
Schlechte Idee!
- Wer wird - bei eh schon ordentlicher Bezahlung - für 200 Euro mehr im Monat 20 Stunden mehr schuften?
- Die Schulleitung wird nach unten gestärkt (= die Macht, Lehrer/innen zu belohnen), nach oben jedoch geschwächt (= Abhängigkeit von der Gnade von Schulämtern/Ministerien). Diese Pseudoselbstverwaltung wiederum stärkt das existierende, unflexible Schulsystem, in dem nicht die Praktiker, sondern die Politiker Entscheidungen treffen.
- Innerhalb des Kollegiums wird sich ein ungesunder Konkurrenzdruck aufbauen - Schleimen bei der Schulleitung wird zum Tagesgeschäft.
- Die Schulleitung entscheidet über die Vergabe der Prämie. Auch unter den Rektor/inn/en gibt es viele Soziopathen. Bekommt eine Lehrer/in die Prämie ungerechtfertigterweise nicht, dürfte die Motivation und damit die Unterrichtsqualität deutlich unter das Anfangsniveau sinken.
Vorläufiges Fazit
Ob das vorgestellte Modell leistungsbezogener Entlohnung von Lehrer/inne/n tatsächlich zu einer Verbesserung der Unterrichtsqualität führt, dürfte zu bezweifeln sein - zu viele Lehrkräfte mit Beamtenstatus könnten in Boykotthaltung gehen. Und diejenigen, die sich tatsächlich engagieren (würden), könnten durchaus an der Willkür einer praxisuntauglichen Schulleitung scheitern (es gibt Schulverwaltungsbezirke, in denen mehr als 90% aller Schulleiter/innen aus den Schulämtern kommen!).
Es ist erstaunlich, mit welchem Aufwand in Deutschland an Modellen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität (bisher: erfolglos) herumgedoktort wird: Evaluation, Prämien, Bildungspläne. Mehrfach wurde schon die Ansicht geäußert, dass all diese Konzepte zum Scheitern verurteilt sind, so lange ein großer Teil der beteiligten Lehrkräfte verbeamtet sind. Und das dürfte sich angesichts der Lehrer-/Juristenmassen in den Parlamenten so schnell nicht ändern (vgl. z.B. bundestag.de, Berufsstatistik (= ca. 12% Lehrer/innen, 23% (meist verbeamtete) Jurist/inn/en)).