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Deutschlehrer

Umfrage: Reformierte/neue Rechtschreibung im Deutschunterricht 24.11.2005, 22:45

Welche Erfahrungen haben Deutschlehrer/innen mit der reformierten Rechtschreibung gemacht? Wir bitten hiermit Deutschlehrer/innen, ein Statement zu diesem Thema abzugeben.

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  • (geändert: )

Der Lehrerfreund-Beitrag “Gerichtsurteil: Elftklässlerin darf theoretisch (!) alte Rechtschreibung benutzen” hat im Kommentarbereich zu einer heftigen (nicht minder interessanten) Diskussion um Sinn und Unsinn der Rechtschreibreform geführt. Sie finden hier eine Zusammenfassung der wesentliche (Pro- und Kontra-)Positionen und die Bitte, sich an unserer Umfrage zu beteiligen, sofern Sie Deutsch als Schulfach unterrichten.

Grundsätzlich bemängeln die Befürworter der alten Schreibweise an der neuen Rechtschreibung:

  • Die neue Rechtschreibung enthält zu viele Ausnahmen, die in der alten Rechtschreibung keine waren.
  • Die neue Rechtschreibung verpflichtet zu Verstößen gegen die Grammatik.
  • Viele Festlegungen der reformierten Rechtschreibungen sind willkürlich (und damit unlernbar).

Die Befürworter der reformierten Rechtschreibung dagegen argumentieren im Kern so:

  • Die neue Rechtschreibung ist von den Grundregeln her einfacher zu erlernen.
  • Ausnahmeregelungen sind meist klar definiert und nicht häufiger (eher seltener?) als in der alten Rechtschreibung.

Ein Teilnehmer der oben genannten Diskussion stellt dabei eine interessante Frage:

Mich “externen Beobachter” würde wirklich interessieren, welche persönliche Erfahrung Deutschlehrer mit dem Unterricht der Reform haben. Also besonders die vergleichenden Erfahrungen jener, die auch vor 1998 schon unterrichteten!

‘strasser’, 23.11.2005 auf lehrerfreund.de

Aufruf an alle LeserInnen

Welche Erfahrungen haben Sie mit der reformierten Rechtschreibung im Deutschunterricht gemacht? Halten Sie die Reform für sinnvoll? Sollte die Reform reformiert oder gar rückgängig gemacht werden?

Besonders interessiert uns die Meinung von KollegInnen, die schon VOR der Reform als Deutschlehrer/innen tätig waren und beide Rechtschreibsituationen vergleichen können.

Schreiben Sie Ihr Statement in das Kommentarfeld unten.
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Kommentare

95

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  • #1

    Es ist so weit, ich wünsche mir sehnlichst die alte Rechtschreibung zurück. Zwar gehöre ich nicht zu den Deutschlehrern, stehe jedoch auf dem Standpunkt, dass es in meinen Fachbereichen ebenso wichtig ist, diesbezüglich Regeln zu erklären. Regeln! Ach, was waren das noch Zeiten, als man diese zur Verfügung hatte. Sicher, so manche war wenig nachvollziehbar, aber wenigstens hatte man etwas woran man sich halten konnte und nicht nur ein Hüh und ein Hott. Ich gebe unumwunden zu, dass ich schon vor 15 Jahren eine Reform für nötig hielt. Es gab da so manche Ausnahme, die nur schwer nachvollziehbar gerne hätte beseitigt werden können, aber doch nicht indem man noch mehr Ausnahmen und Unerklärliches in ein Regelwerk aufnimmt. War nicht ehemals der Grundgedanke, die deutsche Schriftsprache zu vereinfachen, um allen, auch nichtdeutschsprachigen Menschen das Erlernen der Sprache zu erleichtern? Das ging gründlich daneben. Als Lehrerin, Mutter und Oma stelle ich immmer wieder fest, dass nach den alten Regeln weniger Fehler gemacht würden. Ich gebe zu, dass es mir fast physisch weh tut, wenn ich Fehler anstreichen muss, die früher keine gewesen wären. Da ich Schülern mit Migrationshintergrund beim Lernen helfe, muss ich auch in diesem Fall feststellen: Klassenziel verfehlt. Es ist für diese Klientel keinesfalls leichter geworden. Hätte man tatsächlich eine Erleichterung erzielen wollen, so wäre die konsequente Kleinschreibung ein guter Weg gewesen. Nach meiner kleinen Statistik, die seit der Reform übrigens gestiegen ist, entfallen 72 % aller Fehler in den Bereich der Groß- und Kleinschreibung. Nach ein paar Kuriositäten aus den alten Regeln raus und schon hätte es gepasst. Es herrscht inzwischen eine Art Rechtschreibverwirrung. Da gibt es Bücher in den Haushalten - und ich bin heilfroh, dass manche Familien mehr als nur ein Telefonbuch haben, aber diese alten Bücher sind eben noch in der alten Rechtschreibung aufgelegt, in den Schulen tummeln sich Unterrichtsmaterialien, die zwar nach der Rechtschreibreform gedruckt wurden, aber zu einem Zeitpunkt, als man sich wohl noch nicht so sicher war. Spätere Ausgaben sind schon leicht abgewandelt und natürlich gibt es auch Versionen nach dem 01.08.2008. Vielleicht liegt die Problematik auch darin begründet, dass wir “Alten” es nicht umsetzen und erklären können, aber warum auch immer, ich sehe die deutsche Schriftsprache inzwischen als gefährdet Art an, vom Aussterben bedroht. Jeder schreibt, wie er will. Um Ihnen abschließend ein Beispiel zu geben: Eine Schülerin bemängelte, dass in einem Text drei verschiedene Schreibweisen desselben Wortes auftauchten. Ich wusste auch keinen Rat, also setzte ich mich mit dem entsprechenden Kollegen in Verbindung. Der Text stammte tatsächlich aus einem Lehrbuch, aufgelegt 2005. Man hatte einmal die alte Rechtschreibung verwendet und zweimal die inzwischen erlaubten Alternativen. Toll, so ist für jeden etwas dabei. Resignation macht sich breit: Grammatikalische Fehlgriffe in den Medien, absichtlich falsch ausgesprochene Wörter, ein begrenzter Wortschaft bei Stars und Sternchen und die Rechtschreibreform. Was ist aus dem Land der großen Dichter und Denker geworden?

    schrieb Ramona Höll am

  • #2

    Mahlzeit!

    Ich bin KEINE Lehrerin, ich bin aber MUTTER eines Grundschülers. Ich habe zwar nicht DEUTSCH oder Lehramt studiert, aber immerhin in Deutsch maturiert - ich denke, in Deutschland heisst das “Abitur”?

    Ich bin 37 Jahre jung und mein Sohn besucht die 1. Klasse.

    ICH bin es leid, den Duden aufzuschlagen, was ich im Übrigen mehrmals täglich muss, bin es leid, mit der wesentlich jüngeren Lehrerin zu streiten, ob man nun ein Komma setzt, ob der Satz nun grammatikalisch richtig ist, und ob mein Sohn ein “s” oder “ß” setzen muss. UND bitte er besucht erst die erste Klasse. Wahrscheinlich habe ich in der 4. Klasse dann meinen ersten Herzinfarkt, weil ich mich bei Schularbeiten ans Ministerium und deren “schlauen” Berater wenden muss…

    MICH ärgert eine derart schwachsinnige Reform, die in Wahrheit keine ist, die vom Staat und deren Vertreter befürwortet und durchgesetzt und von Jahr zu Jahr mehr verpfuscht wird und doch von der Privatwirtschaft getragen werden muss.

    Was helfen mir, Bücher, die ich selbst schon gelesen habe, wenn ich diese in den Müll werfen muss, weil sie nicht mehr korrekt bzw. “deutsch” geschrieben sind?

    Warum muss mein Haushaltsbudget für derart schwachsinnige Hirngespinste aufkommen?

    Bücher kosten eine Menge Geld, meine Regale sind voll davon, ABER wertlos, nutzlos, schlicht und einfach NICHT mehr deutsch.


    WEIT HABEN WIR ES GEBRACHT!

    Und den Vergleich mit den Nazis finde ich im Ansatz sogar korrekt. Wohl gemerkt: nur im Ansatz. Aber schauen wir uns an, wo wir stehen, der rechtsstaatliche Sinn überwiegt dem DEMOKRATISCHEN.

    ICH kenne niemanden in meinem Umfeld, der so eine Reform befürwortet. Ergo: Die Demokratie stirbt!

    Mit freundlichen (absichtlichen!) GrüSSen
    Lydia H.

    schrieb Lydia Hofbauer am

  • #3

    Ich bin kein Deutschlehrer,
    habe mal Sprachwissenschaft studiert,
    nach 9 Jahren Latein und 6 Jahren Altgriechisch
    an einem bayerischen Gymnasium.

    Die neue Rechtschreibung bringt mich noch
    um meinen Job als Schlussredakteur.

    Subs-tanz, Diag-nose etc.
    Einfach idiotisch, aber richtig!

    Ich sehe einen steigenden
    Bedarf nicht für Weiterbildung,
    sondern für Rückbildung, also für,
    nennen wir es einmal Seminare,
    die dem unglücklichen Betroffenen
    seine Bildung austreiben.

    Von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus
    betrachtet, ist die Frage nach richtig oder
    falsch ohnehin die falsche Frage.

    Schade, dass die überbezahlten und
    unterbelichteten Bürokraten so viel
    Aufmerksamkeit erhalten.

    Gut, dass der Sprachwandel einfach
    darüber hinweggehen wird.

    Machen wir es einfach wie die Römer,
    wenn die Zeile voll ist,
    fangen wir eine neue an.

    Helmut Weber

    schrieb Helmut Weber am

  • #4

    Die Reform an und für sich ist weitgehend sinnvoll. Insbesondere das unveränderte ß/ss ist hilfreich.
    Mit den meisten neuen Regeln kann ich genauso (oder genau so) gut leben, wie mit den alten, ein Wechsel ist für mich deshalb nicht nachvollziehbar.
    Entstellungen von Fremdwörtern (Spaghetti würde zu Schpagetti, was ein Italienisch-Sprechender als Sggpadschetti ausspricht!) kommen für mich aus Gründen der Kulturkompetenz und des kulturellen Respekts nicht in Frage. Hier muss die deutschsprachige Welt nicht die Unsitten etwa der anglophonen, francophonen, ungarophonen, etc. übernehmen.
    Was ich ebenfalls boykottiere sind sinnentstellende, d.h. logisch verfälschende Ausdrücke wie mithilfe statt mit Hilfe oder hier zu Lande statt hierzulande.
    Diese Wörter benütze ich in der Unterrichtsarbeit nicht mehr!

    Ebenso gibt es bei mir keine Dreifachkonsonanten, da sie linguistisch überflüssig und damit sinnlos sind, ausserdem Aufmerksamkeit auf sich lenken, wo sie nicht hingehört! Folge: Ich schreibe betroffene Wörter wie die Schiffahrt nur noch als Schiff-Fahrt, Schlusstrick als Schluss-Strich, etc.

    Damit können die Schüler leben, ich gerate als Deutschlehrer nicht an Probleme, alle sind ruhig.

    (Privat schreibe ich dennoch Schiffahrt, Schlusstrich, Stilleben sowie mit Hilfe und hierzulande!)

    Die Obrigkeitshörigkeit muss klare Grenzen haben, das “Richtige” wird sich sowieso durchsetzen, zumindest Bildungsschichten-bezogen.

    schrieb N. Bräm am

  • #5

    Was Herr Veit meint, ist mir echt unklar, Herr Müller hat recht, in allen Punkten. Ich begreife nicht, wie einige Lehrer meinen, die neue Rechtschreibung wäre besser zu erlernen? In der Praxis sieht es so aus, daß kein Mensch mehr weiß, was richtig und was falsch ist. Ich bin keine Lehrerin, sondern Sekretärin, wir haben immer wieder neue Praktikanten, Studenten - es ist ein regelrechter Graus, ihre diktierten Briefe zu schreiben - jeder schreibt doch so, wie er will und nicht, wie er sollte oder muß. Ich bleibe bei der alten Rechtschreibung, die mir selbst viel sinnvoller erscheint. Das Ausland lacht uns wirklich aus - Imbissstand - Essstörung - es ist wirklich nur lächerlich.

    schrieb Dagmar Seidel am

  • #6

    Und gleich noch einer:
    http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=474#3615
    Norbert Schäbler schreibt dort unter der Überschrift „Der Lei(ch)tsinn“:

    »Zum wiederholten Male will ich den Begriff „Leitsinn“ ins Spiel bringen, ein Begriff, der aus dem Fachbereich der Biologie hinreichend bekannt ist. Dem Hund und dem Aal sagt man nach, daß sie vorwiegend geruchsorientiert sind; die Fledermaus erweist sich als vorzugsweise gehörsorientiert; die Katze setzt als Nachtjäger auf ihr Gefühl in den erschütterungssensiblen Tatzen; und der Adler besitzt extrem scharfe Augen.
    Der Mensch dagegen – als Krönung der Schöpfung – ist sinnesoffen. Wird er blind, verstärkt er Tast- und Gehörsinn. Wird er taub, verlegt er sich auf Gestikulation und optische Feinwahrnehmungen. Ist er gesund, d.h. mit allen Sinnen ausgestattet und zudem denkfähig, dann sollte er sich glücklich schätzen und all seine Talente nicht verkümmern lassen.

    Für das Rechtschreiben, einem für die zwischenmenschliche Kommunikation überaus wichtigen Trainingsbereich, kann und muß diese Sinnesoffenheit genutzt werden. Rechtschreibung ist ein vielfältiges naturgegebenes Betätigungsfeld. Spontanes Verständnis eines angenommen Lesers ist der Lohn für aufgebrachten Fleiß und vergossenen Schweiß.

    Am Beispiel der S-Laut-Schreibung sei dokumentiert, wie frühere Rechtschreibmethodik zur Sicherung und Automatisierung des Sonderbuchstabens „ß“ beitrug. Im Gegensatz zur heutigen Methodik, die eindeutig das phonetische Prinzip zum „Leitsinn“ erhebt – (Unterscheidung zwischen kurzem/scharfen und langem/gedehnten Selbstlaut) – war das Sinnestraining früher breiter gefächert, so daß ein solides und stützendes Fundament entstand.
    Genutzt wurden:
    – Visuelle Lernhilfen (Geisterschrift, Wortrahmen, ...)
    – Akustische Lernhilfen (Wortstafetten mit wechselnder Dehnung und Schärfung, ...)
    – Sensorische Lernhilfen (Erproben und Erfühlen der Sprechwerkzeuge des Mund-, Rachen- und Kehlkopfbereichs, ...)
    – Analogiebildungen (Bildung von Wortfamilien, Reimwörtern, ...)
    – Erkenntnisse zum Sonderbuchstaben ß (in der Schreibschrift hat das „ß“ eine signifikante Überlänge; ist nur im Wortinneren möglich; verbindet als geniale Buchstabenneuerfindung das ursprüngliche Lang- mit dem Rund-S; schafft deutlich sichtbare Silbenfugen, ...)
    – Grammatische Unterscheidungen (Bindewörter, Begleiter, Fürwörter, ...)
    – Regelerkenntnis (ss am Schluß bringt Verdruß, ...)
    – Mathematische Erkenntnis (am Silben- und Wortschluß können nur „s“ oder „ß“ stehen)
    – Ausnahmeregeln (Fremdwörter: wellness, ...)
    – ...

    Es ist absolut logisch, wenn laut Kultusministerium das Unterrichten der Rechtschreibung erleichtert worden ist, denn die erkenntnisfördernden Maßnahmen geraten ja heutzutage zu kurz. Logisch auch, daß sich die Fehlerzahl erhöht hat, denn: „Gut Ding will Weile haben!“
    Nach kultusministerieller Einschätzung ist die Rechtschreibung aber kein gutes Ding. Sie ist vielmehr Herrschaftsinstrument und Rohrstockersatz. Eine derart ideologisch eingefärbte Definition („grenzen“-loser Leichtsinn!) führt zur Vernachlässigung einer großartigen Bildungschance und verringert die Möglichkeiten im Bereich des präzisen zwischenmenschlichen Gedankenaustauschs.«

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #7

    (Fortsetzung des Textes von Walther Stodtmeister.)

    »Es gibt kein gesichertes Wissen darüber, wie der Mensch schreiben lernt und was ihn eventuell dabei behindert. Die einen können es mit zehn Jahren und ein paar Grundschulregeln nahezu perfekt, andere lernen es nur teilweise. Erklärungen für diesen Sachverhalt mit der marxistischen Lehre vom Klassenkampf taugen nicht für die Entwicklung einer Rechtschreibdidaktik. In den letzten Jahren wurden aber einige interessante Beobachtungen gemacht, die von Laut-Zeichen-Verknüpfungen und ihrer Wahrnehmung ausgingen. Die Fähigkeit, Sprache zu hören, wurde genauer untersucht, und es stellte sich heraus, daß mancher „Legastheniker“ Sprache nicht exakt genug hört, wobei es sich nicht allein um physische Schwerhörigkeit handelt. Schon vorher war bekannt, daß es visuelle Lerntypen gibt. Ich beobachtete, daß Schüler Wörter im Dialekt dachten, derweil sie sie hochdeutsch schreiben wollten, was gerade bei genau arbeitenden Schülern zu Fehlern führte. Exaktes phonetisches Schreiben trügt aber auch den hochdeutsch denkenden Schüler. Dazu kommt der Geschlechterunterschied: Viele begabte Schüler männlichen Geschlechts lehnen es ab, sich auf die Rechtschreibung einzulassen, und suchen andere Betätigungsfelder für ihre Intelligenz. Verbreitet von besorgten Müttern und unter Teenagern weiblichen Geschlechts sind andererseits Rechtschreibphobien, die sich zu Diktathysterien steigern können. Zudem reichen sechs Wochen Sommerferien aus, um aus einem gut trainierten Grundschüler wieder einen Anfänger werden zu lassen. Den Volksetymologien ähnlich sind volkstümliche Rechtschreibregeln, die richtiges Schreiben blockieren: „Nach Komma schreibt man „das“ mit Doppel-s bzw. ß.“

    Angesichts dieser realen Rechtschreibprobleme hätten die für die Schulen zuständigen Minister besser daran getan, die Grundlagenforschung und die Didaktik der Rechtschreibung zu fördern, als um das goldene Kalb der „Reform“ mit den unsinnigen Spitzfindigkeiten zur Groß- und Kleinschreibung, den Ukassen zur Getrennt- und Zusammenschreibung und einem viel zu komplizierten Regelwerk zu tanzen. Damit haben sie Rechtschreibung zur Spezialistensache gemacht, die in der Schule nicht mehr vermittelbar ist. Stattdessen hätten sie eine praktikable Rechtschreibung vorschlagen sollen, die mit Schulnoten bewertbar ist und deren Feinheiten außerhalb der Schulen gepflegt werden.

    Mit der Rückkehr zu den früheren Schreibgewohnheiten können die Probleme des Schrifterwerbs im Schulunterricht allerdings auch nicht gelöst werden. Die Einpauk- und Regeldidaktik vergangener Jahrzehnte war zwar erstaunlich erfolgreich, aber zu ihr gibt es kein unbedingtes Zurück. Es wären die Instrumente individualisierender Diagnostik und individueller Förderung weiter zu entwickeln und zu verbreiten. Ein Institut wäre damit zu beauftragen, fortlaufend statistisch gut abgesicherte Normdiktate zu entwickeln, sodaß kontrollierbare Anforderungs- und Bewertungsniveaus (mit den zugehörigen Wortschatzlisten) zuverlässige Aussagen über Rechtschreibleistungen ermöglichen. Denn Deutschnoten sagen darüber nichts aus. Und jeder kann von katastrophalen Rechtschreibleistungen faseln, ohne sein Urteil begründen zu müssen. Doch davon sprechen die Kultusminister nicht. Es geht ihnen nämlich nicht um die Verbesserung der Rechtschreibleistungen der „armen Schüler“, denen jetzt auch noch der Anblick von Publikationen mit herkömmlicher Orthographie erspart werden soll, sondern nur um einen möglichst gloriosen Abschluß der verkorksten PR-Kampagne „Rechtschreibreform“.«

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #8

    Einen weiteren, auch über die Rechtschreibreformproblematik hinaus sehr lesenswerten Kommentar eines Lehrers gibt es hier:
    http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=474#3608
    Walther Stodtmeister schreibt dort (weil der Text zu lang für einen Beitrag ist, muß ich ihn auf zwei Einträge verteilen):

    »Für mich gab es einen guten Grund, die Reformschreibung zu übernehmen: Ich sah als Deutschlehrer das Ende aller Mühen mit Fluß-Flüsse-Übungen gekommen. Und war doch nur in die Falle meines naiven Lehrerglaubens getappt, daß etwas Logisches leicht lernbar sei. Dem ist nicht so.

    Die Reformerfahrung an der Schule in meinen letzten Dienstjahren von 1996 bis 2002 bereitete meinen Hoffnungen auf eine Vereinfachung der s-Schreibung eine gründliche Enttäuschung. Die Probleme entfielen nicht, sondern es zeigte sich, daß ein verhältnismäßig großer Teil der Bevölkerung auch mit den neuen Regeln nichts anfangen kann, selbst wenn sie brav gelernt werden. Für mich als Lehrer sah das zunächst sehr einfach aus: Die Regel für das Silbenende bleibt mir erspart, und ich lehre jetzt nur noch: nach langem Vokal ß, nach kurzem Vokal ss. Für einen großen Teil meiner Belehrten war diese Regel zwar memorierbar, aber nutzlos, denn sie ist nur dann brauchbar, wenn man kurze und lange Vokale unterscheiden kann. Viele Schüler, die diese Laute richtig aussprechen, schaffen es jedoch nicht, den Unterschied zu benennen, geschweige denn diesen Unterschied für ihre Rechtschreibtechnik zu nutzen.

    Auch Dutzende von Arbeitsblättern mit Lückentexten helfen darüber nicht hinweg, denn bei der Unterscheidung von kurzen und langen Vokalen hat jeder die statistische Chance auf eine Trefferquote von 50 %; und wenn ihm noch ein paar vertraute Schriftbilder zu Hilfe kommen, bringt er es leicht auf 65 %. Solche Übungen sind kontraproduktiv, weil sie die Illusion vermitteln, gar nicht so unfähig zu sein und etwas für die Orthographie getan zu haben. Vielleicht helfen sie dabei, sich Schriftbilder visuell einzuprägen, vielleicht helfen sie beim Bau individueller Eselsbrücken, doch die Fähigkeit, lange und kurze Vokale in der gesprochenen Sprache zu erkennen und zu benennen, fördern sie kaum. Dazu sind andere Trainingsformen notwendig. Fazit: Wer die Schwierigkeit der langen und kurzen Vokale meistert, kann auch ein ß ans Ende der Silbe setzen, selbst wenn der Vokal davor kurz ist. Die Lernerleichterung durch Wegfall dieser Regel ist minimal. Und die Probleme mit dem s, besonders in Süddeutschland, wo das stimmhafte s exotisch ist, bleiben ohnehin bestehen.

    Den Artikel „das“ schreibt kaum jemand falsch. Darüberhinaus ist es leider notwendig, Relativsätze, eingeleitet mit „das“, von Konjunktionalsätzen mit „daß/dass“ zu unterscheiden. Obwohl ich so viel Satzlehre nach Lehrplan erst von mindestens Zwölfjährigen zu verlangen hatte, war ein beträchtlicher Teil der Schüler nicht willens oder in der Lage, diese Unterscheidung dauerhaft als Denkinstrument zu akzeptieren. Die ersatzweise notwendige Sturheit, jedesmal die Probe mit „dieses“ und „welches“ zu machen, bringen nur wenige auf. Genügend Zeit zum Einpauken der Syntax gibt es in den Lehrplänen nicht, und wer es trotzdem tut, stellt sich abseits des pädagogischen Empfindens von Kollegen, Schülern und Elternschaft. Ob „daß“ oder „dass“: dieses Hindernis bleibt gleich hoch.

    Mein lieber, geschätzter, verständiger Leser, das ist es, was ich Dir sagen will: Der Kern dieser Reform besteht lediglich darin, daß am Silbenende auch nach kurzem Vokal nicht mehr ß, sondern mit messerscharfer Konsequenz das Doppel-s, ss, geschrieben werden soll. Alles andere – Spagetti inclusive – ist törichtes Beiwerk und – im großen und ganzen – eitle Beckmesserei, inclusive einiger bedauernswerter Verirrungen im Bereich der Kommasetzung.«

    (Fortsetzung folgt.)

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #9

    Schlimm ist und bleibt, daß den Schülern per staatlicher Verordnung objektiv Falsches als richtig beigebracht wird.

    Daß die “sonstigen Menschen” in Zweifelsfällen so schreiben, wie es ihnen gerade paßt, ist ganz normal und nicht zu beanstanden.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #10

    Hallo alle,

    angenommen, die reformierte Rechtschreibung ist in der Tat nicht ganz optimal. Angenommen, alle Deutschlehrer pfuschen beim Korrigieren. Angenommen, alle Schüler und sonstigen Menschen schreiben in Zweifelsfällen so, wie es ihnen gerade passt.

    Was wäre (wenn dem so wäre) daran so schlimm?

    schrieb Johannes am

  • #11

    Noch eine sehr interessante Schilderung:

    http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=377#2638

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #12

    Weitere Erfahrungsberichte im aktuellen Spiegel-Artikel:

    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,393000,00.html
    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,393000-2,00.html

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #13

    “Sind Sie nicht mehr in der Lage, nach einer konstruktiven Lösung zu suchen?”

    Doch, liebes Seepferd, so lange mich meine Füße noch tragen. Also versuchen wir es:

    Arzt bietet eine vernünftige Lösung an: Wir nehmen nur noch die halbe Dosis der schädlichen Medizin. Damit kann dann der Pharmakonzern leben, ich sowieso und Sie - vielleicht - auch, das wird man sehen.

    Wanderführer meint, es sei die beste Lösung, den erreichten Punkt als Zielort zu erklären und ganz da zu bleiben, wo man gerade steht; Das ist klug, denn damit erspart er allen den Steilhang UND den Rückweg.

    Der Buslenker: Hat jemand Fusel da? Wir verlängern damit das Benzin. Und wenn es nicht klappt, schieben wir den Bus. Dazu singen wir laut. Das vertreibt die Geister.

    Die Mutter mit der verdorbenen Pastete sagt: Okay, ich eß das selbst auf. Ich bin das eh schon gewohnt, daß ich hier alles allein machen muß.

    Die Frau zum Mann: Ich zieh die Schuhe halt nur an allen ungeraden Kalendertagen an. Die geraden dienen dann der Pflege und Erholung der schmerzenden Zehen.

    Vernünftige Kompromisse lösen jedes Problem. Vielleicht fallen Ihnen bessere ein. Es gibt unzählige Möglichkeiten!

    schrieb Karin Pfeiffer-Stolz am

  • #14

    Liebes Seepferd,

    ich fürchte, für Ihre “ultimative Lösung” werden Sie nicht viele Anhänger gewinnen. Die Geschichte geht ja bald ins 10. Jahr, und von unterschätzem Widerstand könnten Ihnen einige so manches Liedchen singen. Um von anderem ganz zu schweigen.

    Es gibt nicht wenige Leute, die nur eine einzige vernünftige Lösung sehen. Und wenn mich mein Verstand nicht sehr täuscht, sind das nicht die Unvernünftigsten. Da Politik und Macht sich aber immer schon der Lüge bedient, weil bedienen kann und wohl auch darf, kann es im vorliegenden Fall nicht mehr zu dieser wahrscheinlich einzigen vernünftigen Lösung kommen.

    schrieb Reiner Gehret am

  • #15

    Nachtrag: Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich meinen Beitrag abgeschlossen mit “Frage an die Experten: Wie müsste die aussehen?”

    Was, liebe Karin Pfeiffer-Stolz, ist Ihre Antwort darauf anders als pure Verbohrtheit? Sind Sie nicht mehr in der Lage, nach einer konstruktiven Lösung zu suchen?

    schrieb Seepferd am

  • #16

    Danke für die Polemik in der Tradition des biblischen Vergleichs. Davon können sich alle was kaufen.

    ps: Auch in die andere Richtung fällt mir ein Vergleich ein:

    Ausbruch aus dem Gefängnis. Allen Ausbrechern bekannt: 100 Mauern. Nach 99 Mauern sind alle erschöpft. “Komm, wir drehen um.”

    schrieb Seepferd am

  • #17

    Seepferd: “Die Reform wird nicht mehr rückgängig gemacht werden, dafür steckt schon zu viel Investition drin.”

    Sagt der Arzt zum seinem immer kränker werdenden Patienten: “Die Medizin taugt nichts. Aber wir können die Therapie nicht mehr abbrechen, dazu hat die Gesellschaft schon zuviel Geldmittel investiert.”

    Sagt der Wanderer zur Gruppe: “Wir haben uns verlaufen. Hier kommt steiles Gelände, wahrscheinlich bleiben da einige von uns hängen. Aber umkehren können wir auch nicht mehr, dafür sind wir schon zu weit gegangen.”

    Sagt der Buslenker zu den Fahrgästen: “Das Benzin geht aus. Auf der Überlandstrecke kommt keine Tankstelle mehr. Aber es macht keinen Sinn, jetzt noch umzukehren. Es ist einfach zu spät, und einige von uns wollen pünktlich ans Ziel kommen.”

    Sagt die Mutter zur Familie: “Die Pastete ist verdorben. Aber ich habe so viel Geld im Delkatessenladen dafür gegeben, daß wir sie nicht wegwerfen können. Jetzt eßt gefälligst, was auf dem Teller ist!”

    Sagt die Frau zum Mann: “Diese teuren Schuhe hier sind mir zu eng, meine Zehen sterben ab, wenn ich drin laufe. Ich geh mal zum Arzt, damit der mir ein Schmerzmittel verschreibt. Ich hab die Schuhe teuer bezahlt, jetzt zieh ich sie auch an!”

    Liebes Seepferd: “Die Rechtschreibreform ist einfach sch…”, da haben Sie recht. Sie schadet allen. Aber wir können sie nicht mehr zurücknehmen, weil - siehe oben! Hahahahahaha. Hahahahahahaha. Ha-ha!

    schrieb Karin Pfeiffer-Stolz am

  • #18

    Es gibt bereits eine Alternative, die zwar keine radikale Reform darstellt (weil wir die gar nicht brauchen; es genügt, die Spitzfindigkeiten des Duden zu eliminieren und bestimmte Übergangsbereiche großzügig zu handhaben, d. h. nicht auf eine und nur eine als gültig angesehene Schreibung aus zu sein, weil das reine Willkür wäre), jedoch gekonnt gute Lesbarkeit und leichte Handhabbarkeit verbindet. Man findet sie im Rechtschreibwörterbuch von Prof. Th. Ickler, das in der 4. Auflage “Normale deutsche Rechtschreibung” heißt. Die Icklerschen Regelentwürfe kann man in der Kurzfassung hier nachlesen:
    http://rechtschreibreform.com/Regeltafeln/
    Eine frühe Version der ausführlichen Regeln findet sich hier:
    http://rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/970IcklerWBRegel.html
    Wie die Icklerschen Regeln im Vergleich mit den herkömmlichen Dudenregeln und der amtlichen Neuregelung dastehen, kann man hier sehen:
    http://www.vrs-ev.de/regelwerkvergleich.php
    http://www.vrs-ev.de/welches_regelwerk.pdf

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #19

    Ich habe in meiner Jugend viele hundert Stunden meines Lebens damit verschwendet, die (alte) Rechtschreibung zu erlernen. Im Zuge der Rechtschreibreform habe ich letztendlich sicher auch eine dreistellige Stundenzahl damit verschwendet, sie zu erlernen. Und jetzt habe ich gerade eine halbe Stunde meines Lebens damit verschwendet, diese Beiträge hier durchzulesen. Und ich komme zu dem Schluss: Die Reform ist einfach sch***

    ABER: Sich gegenseitig auf die Köpfe zu hauen bringt nichts. Die Reform wird nicht mehr rückgängig gemacht werden, dafür steckt schon zu viel Investition drin. Sie wird aber auch nicht in eine Form gebracht werden können, die alle akzeptieren können. Eine Sackgasse?

    Nein. Ich habe die ultimative Lösung. Wir machen eine ganz neue Reform. Eine richtig konsequente.

    Frage an die Experten: Wie müsste die aussehen?

    schrieb Seepferd am

  • #20

    (Fortsetzung zum vorhergehenden Eintrag.)

    Diese Kategorien beziehen sich nur auf die Auswirkung der Reform auf die konkreten Schreibungen, außerdem gibt es noch die neuen Regeln. Vor der Reform galt das wissenschaftliche Prinzip, daß dokumentiert wird, was man beobachtet; die “Regeln” im Duden waren nämlich keine, sondern Richtlinien, die versuchten, die vorgefundenen Schreibungen systematisch zu erfassen. Die Reform hat dieses Konzept aufgegeben und den “am grünen Tisch” neugeschaffenen Regeln den Vorrang eingeräumt; das Ziel war, daß sich die Schreibungen aus möglichst wenig Regeln herleiten lassen.

    Das funktioniert aber nur, wenn die Regeln (a) widerspruchsfrei und (b) vollständig sind, so daß alle Wörter erfaßt werden und es keine Überschneidungen gibt (bzw. wenn doch, daß ihre Handhabung genau beschrieben wird). Diese beiden Kriterien erfüllen die neuen Regeln aber nicht, denn sie sind widersprüchlich und lückenhaft. Das merkt man aber nur, wenn man sich genau mit ihnen beschäftigt.

    Dazu Beispiele aus der Getrennt- und Zusammenschreibung: “immergrün” wird von den Regeln nicht erfaßt. Aber das ist nur ein Detail, viel problematischer ist § 39: “Mehrteilige Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen und Pronomen schreibt man zusammen, wenn die Wortart, die Wortform oder die Bedeutung der einzelnen Bestandteile nicht mehr deutlich erkennbar ist.” Das ist bereits eine ungeeignete Festlegung, denn was für den einen noch klar ersichtlich ist, kann für den anderen schon nicht mehr erkennbar sein.

    Außerdem gibt es folgendes konkretes Problem: Nach § 39 (3) gilt dies für “Präpositionen, zum Beispiel: anhand, anstatt (des/der), infolge, inmitten, zufolge, zuliebe” ? wobei das “zum Beispiel” bedeutet, daß die angegebenen Wörter nicht alle sind, die unter diese Regelung fallen, sondern daß man diese Liste frei ergänzen kann.

    Andererseits heißt es unter § 39 E2: “In anderen Fällen schreibt man getrennt.” Aber was sind nun die andern Fälle, da die Liste unter § 39 (3) ja offen ist und frei ergänzt werden kann? Aber es kommt noch besser, § 39 E3 sagt: “In den folgenden Fällen bleibt es dem Schreibenden überlassen, ob er sie als Zusammensetzung oder als Wortgruppe verstanden wissen will: [...]” Konkret folgt § 39 E3 (3): “Fügungen in präpositionaler Verwendung, zum Beispiel: anstelle/an Stelle; aufgrund/auf Grund; aufseiten/auf Seiten; mithilfe/mit Hilfe; vonseiten/von Seiten; zugunsten/zu Gunsten; zulasten/zu Lasten; zuungunsten/zu Ungunsten”.

    Ich sehe ein sehr großes Problem darin, die Fälle unter § 39 (3) von denen unter § 39 E3 (3) zu unterscheiden. Das funktioniert meines Erachtens einfach nicht ? und das hat nichts mit Ästhetik zu tun.

    Übrigens hat der “Rat für deutsche Rechtschreibung” schon beschlossen, daß § 39 so bleiben soll, wie er ist (http://rechtschreibrat.ids-mannheim.de/doku/para33-39.html);  die genannten Probleme werden uns also voraussichtlich auf lange Zeit erhalten bleiben.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #21

    Hallo Anne,

    natürlich kann man Erfolg oder Mißerfolg der Reformen von 1996 und 2004 nur in den Bereichen werten, in denen sich etwas geändert hat. Und dazu reicht es, das, was vorher war, mit dem jetzigen zu vergleichen. Was sich nicht geändert hat, fällt dabei heraus, denn dabei geht nicht um die Reform, die wir konkret haben. Daß das auch diskussionswürdig wäre, bestreite ich nicht, nur wäre das eben ein ganz anderes Thema.

    Es ist aber Augenwischerei, wenn man sagt, weil die Reform nur einen kleinen Bruchteil der Schreibungen geändert hat, sei es schwierig, über Erfolg oder Mißerfolg zu urteilen. Das läuft darauf hinaus, daß man behauptet, weil es prozentual nicht ins Gewicht falle, mache es nichts aus, ob die Reform gut oder schlecht war.

    Eine Reform soll aber immer etwas verbessern, ansonsten kann man sich den Änderungsaufwand sparen. Die Frage ist also, nach welchen Kriterien man die Reform beurteilt. Die Schrift ist ein Teil der Kommunikation und dient dazu, einem Leser etwas mitzuteilen. Wenn ich weiß, daß etwas nie gelesen werden würde, auch nicht von mir selbst, warum sollte ich es dann aufschreiben? Darum muß man die Reform aus der Perspektive des Lesers betrachten. Was die Lesbarkeit oder die Verständlichkeit des Geschriebenen beeinträchtigt, ist eine Verschlechterung.

    Die Änderungen der Reform sind daher nur zum Teil “eine ästhetische Frage”, im wesentlichen gibt es drei verschiedene Kategorien:
    (a) der Bereich der Konventionen, die ohne weiteres verändert werden können, weil sie ohne Auswirkung auf die Sprache oder die Lesbarkeit sind (Einzelwortschreibungen wie “Känguru”);
    (b) aufgrund der Fehleranfälligkeit oder der schlechteren Lesbarkeit abzulehnende, aber für die Struktur der Sprache weitgehend belanglose Änderungen (wie etwa die ss/ß-Schreibung);
    (c) Änderungen, die sprachlichen Unsinn produzieren und den Verlust von Ausdrucksmöglichkeiten mit sich bringen oder in anderer Form die Struktur der (geschriebenen) Sprache störend ändern (Bsp.: Leid tun, Not tun, Pleite gehen, Bankrott gehen, Recht haben).

    (Diese Kategorien habe ich aus dem folgenden Aufsatz kopiert: http://www.ifto.uni-jena.de/~hcw/Sprache/essay_ak.html)

    (Fortsetzung folgt.)

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #22

    Bei den Befürwortern der alten Rechtschreibung nimmt die Ästhetik zumindest keine herausragende Rolle ein. Viel wichtiger ist dort das Argument der Lesefreundlichkeit der Rechtschreibung (für den Leser schreiben wir!).

    Ich persönlich schreibe seit etwa einem Jahr wieder so wie früher, weil mir viele Argumente der Gegner besser einleuchten als die der Befürworter des Neuen. Die Funktion des ß ist an vielen Stellen die einer Lesehilfe, und die simple Übertragung in ss nach kurzem Vokal war ja nur deshalb ein so umwerfender Erfolg, weil alle Erwachsenen die Transformationsformel mit Leichtigkeit kapieren und umsetzen konnten.

    Aber die Kinder? Für die ist die Formel für die Katz’. Die müssen genauso viele “Ausnahmen” von der vermeintlich ach so leichten Regel lernen, wie wir Erwachsenen früher. Der ältere unserer beiden Kinder liest zuviel, als daß er noch Rechtschreibfehler machen würde. Bei seiner jüngeren Schwester beobachte ich aber noch häufig ein Doppel-s hinter kurzen Vokalen, wo keines hingehört. Nun liest sie zwar etwas langsamer als ihr Bruder, doch wird auch sie auf lange Sicht lesend und schreibend richtig schreiben lernen.

    Meine Kinder haben übrigens auch kein Problem damit, daß ich wieder so schreibe, wie ich es gelernt hatte, und sie regen sich auch nicht auf, wenn ich sie darauf hinweise, daß es früher eine Konstruktion “Es tut mit leid” analog zu der Konstruktion “Es tut mir gut” gab, und wenn ich ihnen in dem Zusammenhang erkläre, daß die neue Großschreibung von Leid an der Stelle ja offensichtlich grammatikalischer Nonsens sei.

    Mit freundlichen Grüßen
    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #23

    Hallo Corinna, hallo alle,

    man sollte man nicht vergessen: Die Intuitivität des Schreibens kommt natürlich nur daher, dass man die ganze Zeit liest (also nicht nur Bücher, sondern auch Plakate, Werbung, SMS usw…....). Durch das augenblickliche Rechtschreibchaos kann von einer “soliden” Ausbildung der Intuitivität nicht die Rede sein.

    Aber ich glaube, grundsätzlich hast du völlig recht, wenn du schreibst “Persönlich halte ich es für schwierig, Erfolg oder Misserfolg festzustellen, vor allem wenn man bedenkt, dass die neuen Regeln nur einen Bruchteil der Rechtschreibung betreffen.” Genau das ist der Punkt!! Ich denke, die Frage nach “alter” oder “neuer” Rechtschreibung und daraus möglicherweise resultierende Erfolge oder Misserfolge wird hier viel zu wichtig genommen und deshalb so emotional diskutiert - dabei ist es vielleicht wirklich eher eine ästhetische Frage??

    Viele Grüße
    Anne

    schrieb Anne am

  • #24

    A propos “alte Rechtschreibung” und “neue Regeln”: Mögen die Paragraphen der Amtlichen Regelung auch neu sein, die daraus resultierenden reformierten Schreibungen sind es weitestgehend nicht, denn das meiste war im Laufe der Geschichte schon mal dagewesen: Die ss-ß-Schreibung galt Ende des 19. Jahrhunderts in Österreich, die stärkere Getrennt- und vermehrte Großschreibung ist ebenfalls zu jener Zeit oder noch früher anzutreffen.
    Einzig neu sind meines Wissens ein paar (ganz wenige) sinnvolle Zusammenschreibungen (z. B. “stattdessen”), die nur an manchen Stellen sinnvolle s-t-Trennung (aber da bin ich mir bezüglich der Neuheit nicht ganz sicher) sowie die auf den Chefreformer Augst zurückgehenden Pseudoetymologien, bei denen jetzt “ä” statt “e” geschrieben werden soll, obwohl das eine falsche Ableitungsrichtung bzw. eine unzutreffende Verwandtschaft suggeriert.

    Fazit (modulo dessen, was ich an echten Neuerungen übersehen habe; ich bitte um entsprechende Hinweise): Im wesentlichen hat die Reform das Rad der Geschichte zurückgedreht. Und anstatt daß wir wieder zu einer wirklich modernen Schreibung finden, werden die notwendigen Korrekturen im Rechtschreibrat blockiert: Auf keinen Fall geht es, daß das Rad nun “zurückgedreht” wird ? sagen die, die es zurückgedreht haben.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #25

    Daß Schreiben eher intuitiv und ohne Regelgebrauch ablaufen würde, hatte ich auch immer geglaubt. Aber dann doch Zweifel an meinem Erinnerungsvermögen hinsichtlich meinens eigenen Schreibenlernens empfunden. Allerdings hat der frühere Beitrag von B. Katterl mir meine Zweifel schließlich doch wieder genommen.

    Die schrieb u.a. die folgende Frage ohne (!) Fragezeichen: “Wer hat denn da nach Regeln unterrichtet!”

    Das Problem der Protagonisten des Neuen liegt ja u.a. auch darin, daß sie die neuen Regeln als so viel einfacher erachten, und alleine dadurch die Fehlerzahlen deutlich sinken sollten.

    Wenn jetzt aber Lehrer behaupten, Regeln seien gar nicht so wichtig, dann kratzt man sich schon ‘mal leicht am Kopf…

    Grüße
    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #26

    Hallo Christoph,

    hier noch ein Nachtrag zu der eingeklammerten Bemerkung: “(zumindest im schulischen Bereich)”. Richtig, die Rechtschreibreform gilt ausschließlich in der Schule. Das Bundesverfassungsgericht stellte 1998 dazu fest:

    “Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben. Auch durch die faktische Breitenwirkung, die die Reform voraussichtlich entfaltet, werden sie daran nicht gehindert.”

    (http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs19980714_1bvr164097#abs163)

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #27

    Hallo ans Forum!

    Mich erstaunt schon, wie emotional die Reform diskutiert wird.
    Persönlich halte ich es für schwierig, Erfolg oder Misserfolg festzustellen, vor allem wenn man bedenkt, dass die neuen Regeln nur einen Bruchteil der Rechtschreibung betreffen.
    Was mich auch erstaunt ist, dass noch so viele die alte Rechtschreibung verinnerlicht zu haben scheinen. Auch dort war bei der Groß- und Kleinschreibung nicht alles einsichtig—und schon gar nicht bei der Zusammen- und Getrenntschreibung. Ich gebe zu, dass ich schon damals in diesen Bereichen öfters nachschlagen musste.

    Insgesamt unterliegen wir wohl alle der Illusion, dass wir unseren Schülern und Schülerinnen nur die Regeln beibringen müssen und schon schreiben sie richtig. Meiner Meinung nach läuft Schreiben aber eher intuitiv ab—wer außer Deutschlehrern denkt schon ständig an die dazugehörigen Regeln? Und diese intuitive Richtigschreibung lerne ich nur durch eines: Schreiben.

    Viele Grüße,
    Corinna Schwartz

    schrieb Corinna Schwartz am

  • #28

    Hallo Christoph,

    Bayern und NRW warten noch ab, bis der Rechtschreibrat weiteres zurückreformiert hat.

    Manche nennen dies zwar Feinschliff, aber in der Angelegenheit gelten Glaubenssätze ohnehin mehr als Argumente.

    schrieb Reiner Gehret am

  • #29

    Hallo Reiner,

    was meinst du mit “halbierte Fehlerzählung” in Bayern und Nordrhein-Westfalen (ich nehme mal an, dass du mit “Westfalen” NRW meinst)? Handelt es sich dabei um eine Schulverordnung/Schulgesetz? Ich dachte, in ganz D ist seit August die neue RS verbindlich (zumindest im schulischen Bereich).

    Besten Dank schon für die Info
    Christoph

    schrieb Christoph am

  • #30

    Ich finde auch, daß es viel zu früh ist, um irgendwelche Studien zu zitieren. Die Bayern und Westfalen arbeiten ja immer noch mit verordneter halbierter Fehlerzählung. Also sollte man erst einmal abwarten, bis objektive Studien überhaupt erst möglich sein werden.

    Im übrigen ist im Zusammenhang mit dem Beitrag von Peter R. darauf hinzuweisen, daß der Reform ja keine systematische Fehleranalyse vorausgegangen war. Den Lehrern, die einen Rückgang der Fehlerzahl schon heute mit Sicherheit konstatieren, kann man auf jeden Fall zu ihrer Urteilsfähigkeit gratulieren.

    schrieb Reiner Gehret am

  • #31

    Eine interessante Studie, auf interessante Weise durchgeführt. Aber bitte nicht selektiv zitieren. Ich fasse von der von Ihnen angegebenen Quelle zusammen:

    Negative Entwicklung (in den letzten 15 (!!!) Jahren):
    - Beherrschung der deutschen Rechtschreibung: 87%
    - Schriftliche Ausdrucksfähigkeit: 85%
    - Einfaches Kopfrechnen: 84%
    - Konzentrationsfähigkeit: 80%
    - Prozentrechnung: 77%
    - Dreisatzrechnung: 76%
    - ...

    Wenn man daneben die positiven Entwicklungen vergleicht (Grundkenntnisse im IT-Bereich, Selbstsicherheit, Grundkenntnisse d. engl. Sprache, Kommunikationsfähigkeit usw.), ergibt diese Studie lediglich, dass die Schüler/innen in Bezug auf die klassischen Hardskills als immer unfähiger wahrgenommen werden. Hat also mit der Rechtschreibreform nichts zu tun.

    Übrigens gibt es solche Studien schon immer. Ausbilder, Lehrer, Experten, sie alle sind sich seit Jahrhunderten einig: Die Jugend verdummt, wohin soll das führen (wie übrigens auch auf der von Ihnen angegebenen Website angedeutet).

    Ergo: Es ist lächerlich, im aktuellen Diskussionskontext einen Teil dieser Studie zu zitieren.

    schrieb M. Schuler am

  • #32

    Eine zusätzliche Entscheidungshilfe zur richtigen Auswahl nach M. Schuler bietet diese aktuelle Meldung:

    “Deutschlands Schulabgänger machen mehr Rechtschreibfehler als vor der Reform. Auf keinem anderen Gebiet haben ihre Kenntnisse so klar nachgelassen.

    87 % der Experten, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn befragt hat, sind sich einig darin, daß unsere Schulabgänger die reformierte Rechtschreibung heute schlechter beherrschen als vor 15 Jahren die klassische.

    Die Umfrageergebnisse wurden am 28.10.2005 veröffentlicht. (http://www.bibb.de/de/21840.htm#03) Das BIBB untersteht dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ? und damit seit dem 22.11.2005 Dr. Annette Schavan.”

    schrieb Karin Pfeiffer-Stolz am

  • #33

    Ich bin Deutschlehrer und sage, durch die Reform ist die Fehlerzahl zurückgegangen. Ich habe viele Kollegen und Kolleginnen, die sind Deutschlehrer/innen, und sie sagen, durch die Reform ist die Fehlerzahl zurückgegangen. Hier in diesem Thread posten viele Deutschlehrer/innen, die überwiegende Mehrheit von ihnen sagt, durch die Reform ist die Fehlerzahl zurückgegangen.

    Auf dieser Grundlage muss ich bei Betrachtung des vorigen Beitrags zwingend zu einem der beiden folgenden Schlüsse kommen:
    1. Alle Deutschlehrer/innen sind unfähige Schwachköpfe.
    2. Der Verfasser des vorigen Beitrags ist nicht ganz bei Trost.

    Möge der/die geneigte Leser/in die Auswahl selbst treffen.

    schrieb M. Schuler am

  • #34

    Aus http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=326#1996 (Arndt Brünner, 17.12.2005):

    “Was die Deutschlehrer angeht, so habe ich meine Zweifel. Einerseits wundere ich mich seit langem, warum ausgerechnet die Deutschkollegen entweder über die Wahrheit an den Schulen oder die Mängel der Reform schweigen oder die Reform gut finden, weil sie angesichts des kaum noch zu bändigenden Analphabetentums der heutigen Schüler die Mär von den Vereinfachungen immer noch glauben, sich also nicht wirklich informiert haben dürften. Klagen hört man aus diesen Kreisen vor allem darüber, daß man nun so oft “richtige” Schreibweisen nachschlagen müsse und daß die Lese- und Schreibkompetenzen sowie das Textverständnis der Schüler so mangelhaft seien.
    Bei Nachfrage oder Diskussion über Reforminhalte erlebe ich dann häufig zu meinem Entsetzen, daß Deutschlehrer einerseits oft nicht richtig (d.h. kaum) über die Inhalte der Reform und die Begleitumstände informiert sind. Andererseits scheinen sich viele auch gar nicht dafür zu interessieren.

    Die alltägliche Beobachtung in den Schulen ist, daß ein Großteil der Fehler, die auch ältere Schüler heute machen, auf falsch verstandene und wahrscheinlich doch auch im Deutschunterricht (wo sonst?) vermittelte “Grundregeln” der Reform zurückzuführen sind: Schreibe ss (überhaupt Doppelbuchstaben) nach kurzen und betonten Vokalen (desshalb, Ergebniss, hatt, Muschell), leite von bekannten Wörtern ab (Hänne (=Weibchen des Hahnes), Orgarn, Ihnen Ohr (Innenohr), häute (Tag nach gestern)), schreibe nach Artikeln und alle Hauptworte (bzw. alles, was danach aussieht) groß (ein Lauter schall, bitte Entschuldigen sie, er ritt Los) [typisch, warum auch immer: keine zwei groß geschrieben Wörter hintereinander], schreibe getrennt (sie war zu Frieden, her gefunden, unter wegs, verlassene Bären Höhle, mit gegeben), verwende keine Satzzeichen. Die Konjunktion Daß/dass wird in etwa 50% aller Fälle falsch “das” geschrieben. (Kein Wunder: Die Wendung “...,daß das…” wird ja oft mit Steigerung gesprochen, also ist das zweite a betonter, also wird dieses das mit ss geschrieben.)

    Der Rat sollte sich tatsächlich einmal um “verlässliche” (das Lieblingswort meiner Kultusministerin) Informationen aus den Schulen bemühen, wie problemlos eigentlich die neuen Regeln wirklich “vermittelt” werden, besser: mit welchen Resultaten die an sich “leichte Vermittlung” dieser totvereinfachten Regeln einhergeht, anstelle Lehrerverbandsvertreter zu befragen, die davon wohl herzlich wenig wissen oder wissen wollen.”

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #35

    In ernsthafter Angelegenheit um die Deutsche Sprache ein “Statement” abzuverlangen, halte ich für bitterste Ironie. Wie weit ist es hier schon gekommen? Laßt uns Deutsch auf allen Ebenen ganz abschaffen und nur noch Englisch sprechen, dann haben wir auch keine Reformen nötig, denn darum kümmern sich - wenn überhaupt - die Ammis.

    schrieb G. Plecker am

  • #36

    Die Regeln der Rechtschreibreform betreffen gefühlte 15 Prozent aller auftretenden Fehler in Schülertexten.
    Das bedeutet: 85 Prozent aller Fehler treten nach wie vor auf, ohne dass die Reform daran irgendetwas geändert hätte. Wie hier jemand davon sprechen kann, dass die Schüler nach der Reform signifikant häufigere Erfolgserlebnisse hätten, ist mir schleierhaft.
    Ich unterrichte das Fach Deutsch seit zwanzig Jahren an einem bayerischen Gymnasium, und ich kann beim besten Willen nicht erkennen, inwiefern mir die Rechtschreibreform die Arbeit erleichtert haben sollte - im Gegenteil. Ich muss wesentlich öfter als früher in den Duden sehen, um bei Zweifelsfällen “richtig” zu entscheiden.
    Die Kommasetzung als “einfacher” zu bezeichnen, ist ebenfalls gewagt. Immer mehr Schüler meinen, es sei inzwischen völlig freigestellt, ob man ein Komma setzt oder nicht. Vor allem die Regel, derzufolge man ein Komma vor dem erweiterten Infinitiv zu setzen hat, wenn im Hauptsatz ein darauf hinweisendes Wort steht, ist weitgehend unbekannt.
    Im Großen und Ganzen ist die Reform ein gräuliches (sic) Pfuschwerk.

    schrieb Peter R. am

  • #37

    “‘Ebenfalls als Hinweis zugunsten der Bewährung der Neuregelung in der schulischen und unterrichtlichen Praxis muss gewertet werden, dass die Frage, ob die Neuregelung zu neuen orthografischen Problemen geführt habe, [von den befragten Lehrkräften] dezidiert und auf hohem Niveau verneint wird.’ ... Meine Frage: Sind die Kultusminister korrekt informiert worden?”

    Aus meiner Sicht ergibt sich aus der Diskussion oben die Antwort ganz eindeutig: Ja. ;-)

    schrieb Johannes Schubert am

  • #38

    So interessant eine Parallelbetrachtung der Büchervernichtungen damals und heute auch ist ? ich würde gern wieder auf die eigentliche Diskussion zurückkomen. Dazu ein Zitat aus dem (erst nachträglich veröffentlichten) dritten Bericht der (Ende 2004 aufgelösten) Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Abschnitt A 1.2, “Die Akzeptanz der Neuregelung in der Schule” (Seite 10; siehe
    http://www.argumente.de/ar/thread.php?threadid=5&boardid=5
    bzw.
    ):

    “Ebenfalls als Hinweis zugunsten der Bewährung der Neuregelung in der schulischen und unterrichtlichen Praxis muss gewertet werden, dass die Frage, ob die Neuregelung zu neuen orthografischen Problemen geführt habe, [von den befragten Lehrkräften] dezidiert und auf hohem Niveau verneint wird.”

    Dies wurde der Kultusministerkonferenz von der Rechtschreibkommission als Stand der Dinge übermittelt, und in offiziellen Stellungnahmen wurde gerade diese Passage zitiert (googeln Sie mal nach “dezidiert und auf hohem Niveau verneint” und folgen Sie dem Link in Googles Cache zur ersten Fundstelle, die zu csu.de gehört). Meine Frage: Sind die Kultusminister korrekt informiert worden?

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #39

    Lieber Herr Sänger,

    Sie scheinen übersehen zu haben, daß der Nazivergleich von Robert G. stammt. Ihre Vorgänger, die bis vor 60 Jahren das taten, was deren Vorgesetzten verlangten, wurden von ulrich b. lediglich durch ihr Tun charakterisiert.

    Auffällig oft erscheinen Vorwürfe hier schnell und ungenau. Kann es vielleicht sein, daß die Diskussion nicht nur unerwünscht ist, sondern gar nicht stattfinden darf?

    Mit freundlichen Grüßen

    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #40

    Ich bin nicht anonym, und ich duze hier nicht.

    Ich finde den Nazivergleich ebenfalls mehr als verfehlt. Und dass der Urheber dieses geschmacklosen Vergleichs jetzt wegen des Duzens beklagt, dass an “sachlicher Auseinandersetzung mit einem ernsten Thema” niemandem gelegen sei, ist wahrscheinlich pure Ironie.

    schrieb Friedrich Sänger am

  • #41

    Ist das Duzen heute Stil unter Lehrern? Oder tun Sie das nur anonym im Netz? Fragen, auf die ich wohl keine Antwort bekomme. An sachlicher Auseinandersetzung mit einem ernsten Thema sind Sie wohl beide, Robert G. und “niemand” nicht interessiert. Da kommt halt gleich die argumentatio ad hominem, die gern von jenen benutzt wird, die zur Sache nichts zu sagen haben und nur an persönlichen Attacken interessiert sind. Irre ich mich, oder steht nicht irgendwo etwas von der Vorbildfunktion, die Erwachsene und insbesondere Lehrer für die nachwachsende Generation haben?

    schrieb ulrich b. am

  • #42

    Interessant ist es schon , und fällt von Anfang an auf, daß Deutlichkeit offensichtlich nur inkognito möglich ist.

    Als Vater bin ich ja nur nebenamtlicher Lehrer, und finde auch von daher, daß die Diskussion über die RSR nicht in der Schule zu führen ist. Erneut möchte ich aber darauf hinweisen, daß die Vorzüge des Neuen in meinen Augen doch immer eher zaghaft konstatiert werden/wurden. Wohingegen aus der Gegnerschaft mehr Energie hervorsticht - auch wenn sie sich maskieren muß. Und das macht schon wieder nachdenklich.

    Grüße

    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #43

    ich schließe mich meinem vorredner bedingungslos an. so einen müll habe ich selten gelesen.

    wie kannst du außerdem uns lehrern unterstellen, wir würden beim korrigieren pfuschen? das ist die höhe. vielleicht machst du das bei deinen nachhilfeschülern - das würde dann auch deren verwirrung erklären.

    übrigens: unsere aktuelle regierung ist nicht “links’liberal’”.

    schrieb niemand am

  • #44

    Was bitte ist das für ein Schwachsinn??? Lehrer, die mit der Rechtschreibreform im Unterricht gute Erfahrungen gemacht haben, setzt du mit Erfüllungsgehilfen der Nazis gleich? Du spinnst echt.

    schrieb Robert G. am

  • #45

    Die Reformschreibung funktioniert nicht! Seit wann sind Schüler im Sprachlichen kompetenter als professionelle Schreiber? Lesen die Kollegen keine aktuellen Zeitungen und sonstige zeitgenössisch reformierte Druckwerke? Die Fehler springen einem doch überall ins Auge! Und in der Schule soll es besser geworden sein? Meine Erfahrungen zeigen das Gegenteil.
    Die glänzenden Augen der Schüler meines Vorgängerredners sind wohl das Ergebnis der allgemeinen Nachlässigkeit beim Korrigieren: höchstwahrscheinlich, so unterstelle ich jetzt einmal, lässt der Kollege aus eigener Unsicherheit beim Schreiben vieles durchgehen. Nix für ungut, lieber Kollege, aber ich kann’s mir nicht anders denken. Ich habe nichts gegen die einzelnen Schreiber in diesem Forum. Ich habe etwas gegen Heuchelei und den darin versteckten bedingungslosen Obrigkeitsgehorsam.
    Wiederholt sich die Geschichte? Im vergangenen Jahrhundert lasen unsere Vorgänger auf Befehl mit den Schülern gehorsam den “Stürmer” und ließen es passiv zu, dass einzelne unglückliche Kinder aus ihren Klassen herausgeholt wurden. Sie ahnten, das war unrecht, aber sie gehorchten, weil die damals amtierende Regierungsmacht dies so wollte. Man verbrannte Bücher, nicht ihres Inhalts wegen, sondern aus formalen Gründen: die betroffenen Autoren passten den Machthabern nicht. Die meisten Lehrer hielten sich an die Verbote. Wes Brot ich ess … Heute will DAVON niemand mehr etwas wissen. Ich verstehe das. Es tut weh. Außerdem sind wir nicht unsere Großeltern. Wir sind anders, aufgeklärt, aufmüpfig, kritisch, nicht wahr? Wir haben gelernt zu misstrauen. Nur WEM misstrauen wir? Haben wir vielleicht etwas übersehen? Natürlich haben wir eine Regierung, die mit Lichterketten und ständigen Beteuerungen versichert, so etwas wie damals werde sich nie wiederholen. Wir wissen doch, wo der wahre Feind steht, nicht wahr? Wir sind auf der sicheren, der guten Seite, wenn wir unserer links’liberalen’ Regierung treu und gehorsam sind.
    Und so gehorchen wir, denn die Befehle kommen ja von der guten Seite, die über alle Zweifel erhaben ist. Wieder entfernen und entsorgen wir auf Geheiß Bücher aus den Bibliotheken, verbannen Literatur aus den Klassen, nicht etwa ihres schlechten Inhalts wegen, oh nein! Wir tun es, weil darin “daß” steht, und “leid tun”. Gute Literatur wandert in den Container.
    Staat befiehl, wir folgen. Jugend geh mit gutem Beispiel voran: diesmal mit “dass” und “Schifffahrt”. Der Jugend gehört die Welt! Fort mit den verknöcherten Alten, mit der verschimmelten Literatur, mit jeder Tradition!
    Weil wir den Versprechungen der Regierung glauben, regen wir uns nicht auf, wenn Volksentscheide wie in Schleswig-Holstein gekippt, wenn der Wille des doofen “Bild-Volkes” missachtet wird und einer Minderheit die Verfügungsmacht über unsere Sprache übertragen wird. Für einen guten Zweck muss man Opfer bringen, nicht wahr? Also lehren unsere Schüler grammatisch Falsches, konfrontieren sie mit Schreibweisen, die unserem Sprachgefühl zuwiderlaufen und die unbeherrschbar sind, wie jeder realistische Blick zeigt.
    Meine Nachhilfeschüler sind verwirrt, die Eltern sind es noch mehr. Und das ist nicht deshalb so, weil es Nachhilfeschüler sind. Zahlreiche Kinder in meiner Bekanntschaft schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Sie haben den Respekt vor dem Schreiben verloren ? und damit vor dem, der das Geschriebene lesen soll. Mir ist unklar, wie das in zehn Jahren aussehen soll. Und da gehen einige Kollegen noch immer hin und tun so, als sei diese komische Reform etwas Wunderbares, Kinderaugen glänzen … ! Was soll man dazu sagen. Und die Geschichte wiederholt sich doch!

    schrieb ulrich b. am

  • #46

    Diktate haben weniger Fehler. Glückliche Schüleraugen glänzen. Da fühlt man sich als Lehrer GUT. Mag sein, dass die historische Gewordenheit der Grammatik undsoweiter etwas verstümmelt wird. Ist mir sch…egal. Der Erfolg meiner Schüler ist mir wichtiger.

    Gruß Marc

    BTW: Ich unterrichte seit 1992 an einer Hauptschule im Kreis Stuttgart. Seit der Rechtschreibreform habe ich im Rechtschreibunterricht ab und zu Erfolgserlebnisse.

    schrieb Marc am

  • #47

    grammatik-man am 30.11.2005: “herr schubert hat wen/was? -> Recht”

    Das ist falsch, und zwar aus mehreren Gründen ? die übrigens auch direkt zu der Fragestellung passen, um die es hier u. a. geht: “Halten Sie die Reform für sinnvoll?”

    Was zudem bislang nicht bedacht wurde, ist die Reihenfolge, in der man sinnvollerweise welche Frage behandelt. Welchen Sinn hat es, den Schülern etwas vorzusetzen, was sie möglicherweise leichter lernen bzw. bei dem sie wegen eines geänderten Maßstabs weniger Fehler machen, das aber inhaltlich unbrauchbar und wissenschaftlich falsch ist? Zuallererst muß es um die Frage gehen, ob die refomierte Rechtschreibung im Kern etwas taugt oder nicht. Erst, wenn man das bejahen kann, kann es um die praktischen Erfahrungen im Unterricht gehen.

    Warum sehe ich das so strikt? Nehmen wir mal an, im Jahre 1897 wäre der Gesetzentwurf im US-Bundesstaat Indiana durchs Parlament gegangen und in Kraft gesetzt worden, wonach die Zahl Pi (Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser; 3,141592…) auf den Wert 3,2 festgesetzt worden wäre ? das wäre doch sicherlich eine große Erleichterung für die Schüler gewesen, nicht wahr? All die vielen Nachkommastellen, die sich sowieso keiner merken kann und die man nie braucht, wären abgeschafft worden. Dummerweise hätte man mit diesem einfachen Wert für Pi nichts anfangen können, denn er ist falsch.

    Ähnliches findet man bei der reformierten Rechtschreibung; “Recht haben” ist so ein Fall. Denn wenn es wirklich ein “was” wäre, könnte man nicht sagen: “Wie recht du hast!” Und man müßte bei der Negation immer sagen: “Du hast kein Recht.” Man sagt aber: “Du hast nicht recht.” Schon Konrad Duden machte Ende des 19. Jahrhunderts darauf aufmerksam, daß “das zum einfachen Verbum hinzugetretene Element nicht als Substantivum fungiert”; hier ist dieser Zusatz das Wort “recht”, das von “richtig” stammt, vgl. “Du hast recht geurteilt.”

    Duden verwies ferner darauf, daß man “die nicht substantivische Natur jenes Zusatzes am besten durch Hinzufügung einer nähern Bestimmung [erkennt]. Man sagt er (...) hat ganz recht, hat vollständig unrecht u. dgl. Die Anwendung von Adverbien, nicht von Adjektiven, zeigt, daß man einen verbalen Ausdruck, nicht ein Verb mit einem substantivischen Objekt vor sich hat.” Letzteres aber suggeriert die reformierte Rechtschreibung, und grammatik-man ist darauf hereingefallen.

    Die Lehrer werden dazu verpflichtet, falsche Grammatik zu unterrichten! Ist das sinnvoll? Wie fühlt man sich als Lehrer dabei?

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #48

    Ich unterrichte seit 1991 in einem humanistischen Gymnasium in Baden-Württemberg Deutsch und Geschichte. Für mich war die Umstellung auf die neue Rechtschreibung zu Anfang eine aufwändige und anstrengende Angelegenheit, und ich bin in vielen Fällen immer noch nicht ganz sicher (zumal sich ja einige Fälle dauernd ändern).

    Inzwischen habe ich mich jedoch damit abgefunden, und das liegt auch daran, dass die Schüler und Schülerinnen damit leichter lernen. Natürlich gibt es all die Grenzfälle und unlogischen Ausnahmeregelungen, die in dieser Diskussion schon zahlreich erwähnt wurden. Aber insgesamt habe ich bei gleichem Aufwand weniger Rechtschreibfehler.

    Deshalb würde auch ich mir wünschen: Mäßiges Hantieren an den Stellschrauben der Orthografie, in keinem Fall ein Zurück - dazu war der bisherige Aufwand viel zu groß.

    schrieb Elisabeth Korn am

  • #49

    Ich unterrichte an einer österreichischen HTL (höhere technische Schule).
    Die neue GZS wird erfahrungsgemäß von vielen (lehrern + Schülern) einfach ignoriert. Wer sich damit beschäftigt, schüttelt den Kopf. Bei der s-Schreibung verhindert die NRS, dass “dass” mit ß geschrieben wird, der Rest ist offene Spielwiese. Manche scheinen zu glauben, das ß am Wortende wurde abgeschafft. Schreiben nach gemeinverständlichen Mustern nimmt ab. Ohne kognitive Skills ist manches unverständlich.
    Na ja, vielleicht ist das in D noch besser.

    schrieb Wilhelm B. am

  • #50

    Was die Fragestellungen betrifft, so verweise ich auf den Titel des Beitrags hier (“Umfrage: Reformierte/neue Rechtschreibung im Deutschunterricht”).

    Ebenfalls mit freudlichen (;-)) Grüßen
    Johannes Schubert

    schrieb Johannes Schubert am

  • #51

    Lieber Herr Schubert,

    ich glaube - und das soll jetzt kein Vorwurf sein -
    Sie haben v.a. auf den Auftaktbeitrag von Herr Strasser abgestellt. Das würde jedenfalls recht gut das Entstehen einiger Mißverständnisse erklären.

    Der Aufruf enthält ja drei durchaus unterschiedliche Fragestellungen, wohingegen Herr Strasser mit seinen drei Fragen auf eine einzige simple Abtimmung +/- hinauswollte.

    Ich möchte mich aber dem Vereinfachungswunsch Herrn Strassers nicht anschließen und auch den
    damit notwendigen Simplifizierungen nicht beugen.

    Die Beiträge stehen alle für sich selbst; jeder liest sie aus seiner eigenen Perspektive. Mich machen manche nachdenklich.

    Daß wir (beide) unterschiedliche Anschauungen vertreten, müssen wir hier nicht unnötig lange ausbreiten. Sie hatten natürlich mit Ihrem Hinweis recht, daß dies hier ein Umfrage- und kein Diskussionsstrang sei.

    Allerdings hätte ich eine etwas andere Form gewählt, um dies mitzuteilen.


    Mit freudlichen Grüßen

    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #52

    Hör doch auch dich mit solchen Leuten zu streiten, Johannes - das bringt gar nichts. Er zählt, was er zählen will.

    schrieb Norbert am

  • #53

    Wie viele Lehrerbeiträge/davon positiv/negativ/neutral zählen Sie?
    Es reicht, wenn Sie die Zahlen hinschreiben.

    schrieb Johannes Schubert am

  • #54

    Noch ein kleiner Nachtrag.

    In diesem Forum wurden Deutschlehrer/innen darum gebeten, ihre Meinungen zu folgenden Fragen mitzuteilen:

    Welche Erfahrungen haben Sie mit der reformierten Rechtschreibung im Deutschunterricht gemacht? Halten Sie die Reform für sinnvoll? Sollte die Reform reformiert oder gar rückgängig gemacht werden?

    Weniger verwirrt als verwundert grüßt

    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #55

    Lieber Herr Schubert,

    kann es sein, daß Sie vielleicht ebenfalls zu den Menschen gehören, die “immer nur das sehen, was sie sehen wollen”? Bei einer dreiwertigen Auswertung (die in ihrer Vereinfachung immer subjektiv sein muß) komme ich - im Gegensatz zu Ihnen - auf ein Überwiegen der nicht-positiven Statements hinsichtlich des von Ihnen Behaupteten!

    Selbst wenn Vorzüge der NRS genannt wurden, erschienen die nach meiner Lesart selten ohne Gegenüberstellung der Nachteile.

    Dichter mit Lügnern gleichzusetzen halte ich darüber hinaus nicht für sehr korrekt. Ich kann auch meine Behauptung nur wiederholen, daß ich in meiner Lektüre mitnichten den Tenor “weniger Fehler/Lernaufwand infolge der NRS” bestätigt fände, den Sie wahrnehmen.

    Um nicht allzu subjektiv werden zu müssen:
    Zitieren Sie doch bitte die Beiträge, die Ihre Beobachtung Nr. 1 ausdrücklich mitteilen und nicht nur von Ihnen so interpretiert werden. Und bitte setzen Sie “weniger Fehler” nicht mit “weniger Lernaufwand” gleich, wenn lediglich durch Verdoppelung der Korrektur-Toleranzbreite viele Jahre lang ein Vielfaches als “richtig” zu akzeptieren war.

    Mit freundlichen Grüßen

    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #56

    herr schubert hat wen/was?

    -> Recht

    :-)

    schrieb grammatik-man am

  • #57

    Ich finde, Hr. Schubert hat völlig recht (Recht?).

    Hier sollte der Akzent nicht auf Überzeugungsarbeit liegen, sondern auf Eindrücken aus dem praktischen Unterricht!

    (Auch wenn das Temperament zuweilen überschäumend ist!)

    schrieb strasser am

  • #58

    Noch ein kleiner Nachtrag.

    In diesem Forum wurden Deutschlehrer/innen darum gebeten, ein Statement zur Lernbarkeit der reformierten Rechtschreibung abzugeben.

    Die seitenlangen Pamphlete, ob “dass” besser als “daß” zu erkennen sei, haben an dieser Stelle nichts verloren. Sie verwirren lediglich Personen wie Reiner Gehret.

    Not amused
    Johannes Schubert

    schrieb Johannes Schubert am

  • #59

    Lieber Herr Gehret,

    sie schrieben:
    “Sie schreiben, die meisten Lehrer und Lehrerinnen hätten mitgeteilt, daß die neue Rechtschreibung weniger Fehler pro Lernaufwand = einen höheren Lernerfolg mit sich brächte.

    Ich muß gestehen, daß die wiederholte Lektüre aller Beiträge Ihre Behauptung nicht bestätigen kann.”

    Im Moment gibt es nach meiner Zählung:
    36 Kommentare, davon ungefähr
    16 von Lehrer/innen (die 2 DaF-Lehrer/innen lasse ich außen vor, da die Frage nach dem Lernerfolg ja in erster Linie mal Muttersprachler betreffen sollte).

    Von diesen 16 praktizierenden Lehrer/innen äußern sich
    10 positiv
    2 negativ
    4 neutral

    Sie besitzen trotz dieser Fakten die Stirn, mich als Lügner hinzustellen. Und genau das habe ich mit meinem Beitrag gemeint: Sie sind nicht in der Lage, die Realität zu akzeptieren. Aber wahrscheinlich - ich kann mir diese Polemik nun wirklich nicht mehr verkneifen - gehören Sie, Herr Gehret, zu den Menschen, die immer nur das sehen, was sie sehen wollen.

    Johannes Schubert

    schrieb Johannes Schubert am

  • #60

    Lieber Herr Schubert,

    Sie schreiben, die meisten Lehrer und Lehrerinnen hätten mitgeteilt, daß die neue Rechtschreibung weniger Fehler pro Lernaufwand = einen höheren Lernerfolg mit sich brächte.

    Ich muß gestehen, daß die wiederholte Lektüre aller Beiträge Ihre Behauptung nicht bestätigen kann.

    Darf ich jetzt ebenfalls - wie Sie es tun - ein wenig abstrahieren und vermuten, daß Sie nicht Lehrer, sondern Dichter sind?

    Mit freundlichen Grüßen

    Reiner Gehret

    schrieb Reiner Gehret am

  • #61

    Wenn ich mir die Beiträge hier so anschaue, fällt mir auf:

    1. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen schreiben, dass die neue Rechtschreibung weniger Fehler pro Lernaufwand = einen höheren Lernerfolg mit sich bringt.

    2. Einige Personen (gerade in den letzten Beiträgen) wettern hier gegen die Rechtschreibreform. Die meisten dieser Personen sind offensichtlich keine Lehrer/innen.

    Ich habe die Diskussion im anderen Forum (“Gerichtsurteil ...”) ebenfalls (teilweise) verfolgt, das ebenfalls von genau diesen Personen gefüllt wurde.

    Es stellt sich mir wirklich die Frage: Warum können die Reformgegner/innen diese Stellungnahme der Lehrer/innen hier nicht akzeptieren? Warum können sie nicht sagen: Oha, es scheint tatsächlich auch etwas Gutes dran zu sein.

    Ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand die Reform ablehnt. In einem solchen Kontext wie diesem aber dagegen zu wettern finde ich verfehlt bis neurotisch.

    Schöne Grüße
    Johannes Schubert

    schrieb Johannes Schubert am

  • #62

    Was ist wichtiger: gut lesen können oder gut schreiben können? Eine solche Frage ist natürlich unsinnig, weil wer gut liest meist auch gut schreibt. Eins bedingt das andere.
    Und doch möchte ich diese Frage stellen. Was also ist wichtiger: Lesen oder Schreiben?
    Schreiben lernt man durch Lesen. Richtig schreiben lernt man durch fleißiges Lesen orthographisch guter Texte. Lesenlernen setzt also das Vorhandensein von Schrift voraus.

    Damit eine gute Lesefertigkeit ausgebildet und damit Freude am Lesen entstehen können, muß die Schrift gut lesbar sein. Gut lesbar ist sie, wenn die Wörter ein einheitliches (nicht in Varianten sich änderndes) Schriftbild aufweisen. Voraussetzung für gute Lesbarkeit sind ausgeprägte und sich voneinander gut unterscheidende Buchstabenformen. Schrift ist für das Auge gemacht, das Auge speichert Wortbilder. Wir lernen nicht durch Regeln, sondern durch optisches Erinnern. Wechselt das Schriftbild, so wird die Erinnerung gestört, das Lesen dadurch erschwert.
    Es erscheint mir angesichts der mit oftmals erstaunlicher Heiterkeit geführten Diskussion um die Rechtschreibreform notwendig zu sein, einmal an diese grundlegenden Dinge zu erinnern. (Der Mensch neigt dazu, das Grundlegende nicht zu erkennen und es aus seinem Denken auszuklammern.)

    Beim Schreiben unterstützt uns heute der Computer. Noch nie zuvor war es so einfach, einen Text zu Papier zu bringen ? unter einem höchstmöglichen Maß an orthographischer Richtigkeit. Das Lesen aber muß der Mensch immer noch selbst erledigen, und das wird so bleiben.

    Jetzt komme ich auf die Rechtschreibreform zurück: Sie erschwert das Lesen. Ob sie das Schreiben erleichtert, darf angesichts der praktischen Ergebnisse und der einzigen wissenschaftlichen Untersuchung von Prof. Harald Marx bezweifelt werden, auch wenn in diesem Forum ? aus subjektiver Sicht ? Schreiberleichterungen geschildert werden. Dieser zweifelhaften Schreiberleichterung steht jedenfalls eine dokumentierte und auch von Reformfreunden nicht abgestrittene Leseerschwernis gegenüber.

    Und nun frage ich noch einmal: Was ist wichtiger, Lesen oder Schreiben? 
    Können wir uns eine “Rechtschreibreform” wirklich leisten?

    Ich bitte alle hier mitlesenden Lehrpersonen, möglichst frei von ideologischen Zielsetzungen über das Lesen und Schreiben nachzudenken.

    schrieb Karin Pfeiffer-Stolz am

  • #63

    Danke, liebe Frau Katterl, für Ihre klarstellende Antwort und auch für Ihren Vergleich mit dem Kuchenrezept ? “köstlich”, und vor allem treffend.

    Das Problem besteht darüber hinaus darin, daß die reformierte s-Schreibung nur einfach zu sein scheint, weil der vereinfachte Merkspruch so einfach ist. In Wirklichkeit ist sie viel komplizierter: Man benötigt von den reformierten Rechtschreibregeln die folgenden Paragraphen (bzw. Teile davon), um sie richtig zu machen und nicht in irgendeine Falle zu gehen: §§ 2, 4, 5, 23, 25. Den will ich sehen, der das alles, was da bezüglich der s-Schreibung geregelt ist, auswendig weiß. Schauen Sie doch mal nach, die amtlichen Regeln finden Sie z. B. ganz hinten im Duden.

    Natürlich gelten Teile davon auch für die herkömmliche s-Schreibung, z. B. alles, was die Auslautverhärtung betrifft. Aber eben weil sich die reformierte Regel eng an der Aussprache orientiert, muß sie alle Ausnahmen explizit berücksichtigen. Dadurch treten Verunsicherungen auf, die es vorher nicht gab, werden Fälle zu Problemen, die vorher keine waren. Die reformierte Regel ist zwar logisch, aber nicht einfacher, sonder schwieriger handzuhaben als die herkömmliche, die auch logisch ist.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #64

    Ganz pragmatisch: Es ist von Vorteil, wenn es am Ende eines Wortes nicht drei (s/ss/ß), sondern nur zwei (s/ß) Möglichkeiten gibt, denn die Zufallstrefferquote ist im ersten Fall nur 1:3, im anderen aber 1:2. Außerdem ist im letzteren Fall der “graphische Kontrast” am größten, s und ß sind kaum zu verwechseln, und mit seiner Oberlänge prägt das ß das Wortbild. Das macht es sowohl leicht, mit ß geschriebene Wörter zu erkennen, als auch, sie zu schreiben.

    Das ist auch der Grund, warum “daß” besser ist als “dass” ? es ist besser zu erkennen; ein falsches “dass” wird leichter übersehen als ein falsches “daß”, und auch ein falsches “das” fällt eher auf, wenn man “daß” gewohnt ist. All dies sind Gründe, deretwegen ich die herkömmliche s-Schreibung bevorzuge. Sie ist zudem weniger fehleranfällig als die reformierte.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #65

    Mit Interesse verfolge ich die Beiträge in dieser Rubrik.
    Meine Erfahrungen in einer 5. und einer 6. Klasse Realschule: auch weiterhin werden Nomen klein und Verben groß geschrieben, auch weiterhin finde ich in Aufsätzen “kamm” wenn “kam” gemeint ist. Der Arbeitsaufwand ist demnach der gleiche, an Stellen, die von der Rechtschreibreform nicht abgedeckt werden. Warum dann also das Ganze?!

    schrieb Ingeborg Karpati am

  • #66

    Als indirekter Auslöser dieses Forums, freue ich mich über die zahlreichen Stellungnahmen! Hoffentlich geht’s noch weiter so!

    Was fällt mir auf?

    Viele Teile der NRS werden recht kritisch betrachtet, besonders die GZS.
    An der s-Schreibung scheiden sich scheinbar die Geister.
    Relativ unumstritten dürfte sein, daß das “Aufsagen”, zumindest der Minimalversion der Regel, einfach ist.
    An der Umsetzung hapert es augenscheinlich aber massiv. Besonders deshalb, weil ja die meisten Fehler ohnehin in dem, auch von der Minimalversion schon abgedeckten Kernbereich, stattfinden.
    Fehler bei Allerweltswörtern wie: aus, was, bis (die in der Regel als Ausnahmen gelten) werden nämlich nicht gemacht.
    Die Fehler manifestieren sich in: Grüsse, Strasse, heisst, Grossmarkt u.ä.
    Und sie sind nicht nur auf Schüler begrenzt. Wenn mir ein Primar schreibt: “Die Therapie heisst…”, oder wenn ein Oberstufenprofessor mir im Mail “Viele Grüsse” wünscht, dann wird die Ursache möglicherweise woanders liegen.
    Vermutlich auch deshalb, setzte sich diese s-Schreibung, welche bereits vor mehr als 100 Jahren schon einmal versucht wurde, auch damals schon nicht durch. Aber aus Erfahrung Klug zu werden, das war ohnehin noch nie eine Stärke der Menschheit.
    Bemerkenswert finde ich auch, daß sich in den bisherigen Beiträgen nur Fr. Hartmann explizit deklarierte, sich für das Lernergebnis verantwortlich zu fühlen.
    Sollte mein Eindruck stimmen, daß Lehrer “über alles gesehen” eigentlich eher eine kritische Haltung zur NRS haben, wundern mich die häufigen Meldungen, die NRS habe sich insgesamt bewährt…

    schrieb strasser am

  • #67

    Zu Hiltrud Hartmann:
    Genau diese Beobachtung mache ich auch. Was nützt eine Regel, die ich, die Lehrerin, verstehe, wenn meine Schüler nach der Regel doch falsch schreiben. Und das tun sie. Man kann ja auch überall falsche Schreibweisen beobachten, nicht nur in der Schule. Ich habe lange nicht gewusst, warum das so ist und habe im Internet recherchiert. Ich glaube, dass (daß) die alte Schreibung viel besser und einfacher war. Wer hat denn da nach Regeln unterrichtet! Ich kann mich erinnern, daß (ich schreib jetzt mal wieder so, vielleicht mach ich das jetzt immer) früher kaum Fehler vorgekommen sind. Also kann doch was mit der Regel nicht stimmen. Wenn ich ein einfaches Kuchenrezept habe, das leicht nachzumachen ist, und dabei kommt ein grauslicher Kuchen raus, dann ist das Rezept vielleicht einfach und logisch, aber es taugt trotzdem nichts. Und so ist es vielleicht auch mit dem s. Ich muzss wirklcih nachdenken.

    An Jan-Martin Wagner, der mich gefragt hat: Da möchte ich doch gerade mal nachfragen: Mit welchem einen (einzigen) Satz kann man die reformierten s-Regeln erklären?

    Ich hab nicht behauptet, dass man das kann. Ich hab nur gesagt, die Regel klingt einfach und wird sofort verstanden. Und man kann dem Schüler rasch sagen: Nach kurzem Vokal schreibe ss. Das klappt halt nicht, wie auch Frau Hartmann festgestellt hat. Das müssen eigentlich so nach und nach alle Lehrer merken.

    schrieb B. Katterl am

  • #68

    Das kann ich unterschreiben, obwohl ich ein daß und muß besser finde als ein dass und muss. Ausländische Schüler haben kein so gutes Gehör für lange oder kurze Vokale und benutzen das ß nur nach Doppelvokalen richtig (außer, heißen). Für sie ist die alte Regel (Doppel-s, wenn es auf Silbentrennung fällt und ß, wenn die Silbe damit endet) verständlicher. Fuß und Fluss schreiben sie also mit Doppel-s in beiden Fällen, weil sie das lange u nicht hören, um nicht zu sagen: nicht lesen können.

    schrieb Hiltrud Hartmann am

  • #69

    Gaby Schubert am 29.11.2005: “Ganz pragmatisch: Das Doppel “s” am Ende statt “ß” ist sinnvoll: eine uneinsichtige Regel weniger zu lernen.”

    Dies zeigt, daß es (vermutlich im gesamten deutschsprachigen Raum) ein generelles Problem mit der Rechtschreibung gibt: fehlende Einsicht in Sinn und Zweck einer Regel. Und dieses Problem spielt sowohl bei der herkömmlichen als auch bei der reformierten Schreibweise eine Rolle, es ist davon gänzlich unabhängig. Wer, nach welcher Regelung auch immer, den Sinn einer Regel nicht versteht, wird ihre Abschaffung befürworten und das dann als Fortschritt ansehen (und das ist ja auch vollkommen normal).

    Das heißt aber auch, daß uns die Rechtschreibreformen von 1996 und 2004 (sowie auch die noch zu erwartende Reform 2006) in Wirklichkeit keinen Schritt weitergebracht haben, um grundlegend etwas zum Besseren zu wenden: Statt der herkömmlichen sind es nun die reformierten Regeln, die nicht verstanden werden (werden).

    Ein konkretes Beispiel: Durch die Einführung der st-Trennung können nun viele Wörter intuitiv nach Sprechsilben getrennt werden: “Wes-te” wie “Wes-pe”. Gut! Durch die Einführung der Nichttrennung von ck wurde aber genau das Gegenteil erreicht, diese Wörter werden jetzt nicht mehr nach Sprechsilben getrennt. Es ist also ein Zustand herbeigeführt worden, der genau dem der st-Nichttrennung von vor der Reform entspricht. Wenn nun das eine etwas Gutes (mehr Sprechsilbentrennung) ist, kann das andere (weniger Sprechsilbentrennung) nur etwas Schlechtes sein. Vor der Reform hieß es “Trenne nie st!”, jetzt dagegen “Trenne nie ck!” Wo ist da der Fortschritt?

    Ja, ich weiß, in der herkömmlichen Rechtschreibung ging das ck beim Trennen in k-k über, und diese Veränderung wurde durch die Reform gestoppt. Aber das ist Augenwischerei, denn das eigentliche Problem liegt woanders: Warum schreiben wir denn überhaupt ck, wo nach den allgemeinen Regeln der Konsonantenverdopplung eigentlich kk stehen müßte? Wer kann das erklären? Ich kann’s nicht, aber ich kann sagen, daß schon dies (und das auch in der reformierten Rechtschreibung; vgl. § 3) die eigentliche Ausnahme ist ? und nicht erst der Wechsel von ck zu k-k bei der Trennung. Im Gegenteil: Bei der k-k-Trennung wird erst die Normalität hergestellt, die sonst üblich ist. Das wird nun durch die Reform verhindert.

    Und jetzt sind wir wieder am Ausgangspunkt: Mit der Trennung von ck kann man auf zwei Weisen umgehen ? aus Unverstand kann man die Auflösung in k-k abschaffen, aus Einsicht sie dagegen beibehalten und diese Einsicht vermitteln. Wäre das so schwer gewesen? Wert wäre es das allemal, denn k-k ist die lesefreundlichere Trennung. Das ist eines der wichtigsten Kriterien bei der Rechtschreibung, es ergibt sich aus Sinn und Zweck der Schrift ? gelesen zu werden. Denn wenn ich wüßte, daß etwas nie gelesen werden würde, auch nicht von mir selbst ? warum sollte ich es dann aufschreiben?

    Fazit: Was wir eigentlich gebraucht hätten, wäre eine Veränderung des Unterrichts mit dem Ziel, mehr Einsicht in Sinn und Zweck der Rechtschreibregeln und der Schrift an sich sowie darüber hinaus einen tieferen Bezug zwischen Rechtschreibung und Grammatik zu vermitteln.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #70

    Ich bin seit über zwanzig Jahren Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache in Griechenland an privaten Sprachinstituten und als solche, was die Sprache betrifft, eher konservativ, was bei allen ausgewanderten Deutschen zu beobachten ist. Man bedenke nur die Sprache der vor über hundert Jahren nach Südamerika augewanderten Deutschen, die sich die Sprache dieser Zeit erhielten. Von daher bin ich sicherlich nicht so repräsentativ. Außerdem habe ich hier Griechisch gelernt und viele etzmologische Wurzeln deutscher Wörter kennen gelernt. Ich bin dafür, den Konjunktiv I zu erhalten, der schon in vielen Lehrwerken verschwunden ist. Oder den Genitiv, von dem manche Deutsche (nicht Lehrer) behaupten, er sei abgeschafft. Des Weiteren glaube ich, es sei möglich, den Unterschied zwischen “Stange” und ” Stengel” deutlich zu machen und glaube, we das nicht kann, ist inkompetent. Es geht doch vielmehr um die Frage von Beurteilungskriterien. Wenn ich eine Note unter eine Klassenarbeit setze, benote ich doch nicht zuletzt auch mich selbst und wie ich in der Lage war, den Schülern den Stoff zu vermitteln. Mir ist die alte Rechtschreibung eine “Sicherheit”. Niemand gibt gerne soetwas auf. Begrüßen würde ich allerdings radikalere Reformen, wie z.B. die einer generellen Kleinschreibung. Die Aäderung der Regeln zum Doppel-s finde ich absolut blöd, von drei “e"s oder “f"s usw. ganz zu schweigen. Und wer sich mal die Prüfungen zur Aufnahme an die hiesige Deutsche Schule ansieht, bekommt den Horror. Erlaubt ist dieses Jahr “an Weihnachten”, “zu Weihnachten” wird als Fehler betrachtet.Hier wird Sprache und “richtig” oder “falsch” als Machtmittel missbraucht.
    Ich halte die ganze Ausarbeitung der NR für eine ABM-Maßnahme, um arbeitslose Akademiker zu beschäftigen, die dann mal was zusammenbrauten für ihr Geld…

    schrieb Hiltrud Hartmann am

  • #71

    Ganz pragmatisch: Das Doppel “s” am Ende statt “ß” ist sinnvoll: eine uneinsichtige Regel weniger zu lernen. Auch die Probleme mit dem Komma beim erweiterten Infinitiv haben sich wesentlich verringert. Schwierig und uneinheitlich gelöst finde ich bei der Großschreibung so einiges : Wär´nicht schlecht wenn ein Superlativ wie “am besten” ähnlich wie die nominalisierten Verben
    auch groß geschrieben werden könnte, auch wenn der Unterschied grammatisch klar ist.
    Dass ich leider immer noch Einzelheiten mit dem Wahrig oder Duden neben mir korrigieren muss, laste ich eher mir an als der Reform. Muss für meine letzten Jährchen eben sein.
    Dank dem Lehrerfreund für viele gute Anregungen außerhalb dieses Rechtschreibfeldes, was angesichts von e-mails, SMS und Rechtschreibprogramm in jedem PC vielleicht eh bald nur noch ein schulisches bzw.leider auch ein Auslesekriterium bei Bewerbungen ist.Gaby Schubert

    schrieb Gaby Schubert am

  • #72

    Das folgende Zitat ist eine Erläuterung des Cornelsen-Verlags zu seiner Reihe “einfach klassisch”:

    “Selbstverständlich wurde die Orthografie den modernen Rechtschreibregeln angeglichen, ebenso die Zeichensetzung, selbst wenn damit der Sinn des Textes etwas verändert wird.”

    (vorletzter Absatz des letzten Abschnitts von http://www.cornelsen.de/teachweb/1.c.35723.de/?hasjs=1&referer;=&parentID=1.c.6122.de&id=42403)

    Interessant, nicht wahr?

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #73

    Peter Veit am 27.11.2005: “Es gibt immer noch zu viele unnötige Fehlerquellen wie die Großschreibung -auf die die Briten wohlwissend verzichten…”

    Hanspeter Straub am 27.11.2005: “Wollte man wirklich die große Vereinfachung schaffen, wie schon um 1970 angedacht, müsste man konsequent zur Kleinschreibung und Lautschriftähnlicheit übergehen. Das wäre dann die konsequente Abkehr von sprachhistorischer Gewordenheit und daraus abgeleiteter normierter Regelhaftigkeit.”

    Es wäre aber noch mehr als das:

    Die Kleinschreibung bringt nicht nur Nachteile für die Lesegeschwindigkeit mit sich (das ist empirisch belegt), sondern auch für die Verständlichkeit. Über die einschlägigen Beispiele (“der gefangene floh”) hinaus gibt es noch einen systematischen Grund: Das Englische hat eine feste Satzstruktur, so daß sich anhand der Stellung eines Wortes im Satz seine Funktion ergibt. Wegen des freieren Satzbaus greift das aber im Deutschen nicht.

    Eine Lautschriftähnlichkeit ist aus zwei Gründen ein heikles Ziel: Zum einen gibt es wesentlich mehr Laute, als mit den Buchstaben (inklusive Di-, Trigraphen, Umlaute etc.) des lateinischen Alphabets dargestellt werden können (nicht umsonst gibt es etliche phonetische Sonderzeichen), zum anderen würde es alle Leser auf die Stufe von Schreib- und Leseanfängern degradieren, die erst nach lautem Vorlesen den Sinn der Wörter bzw. des Satzes verstehen. Das ist aber nicht der Sinn der Schrift, die gesehen und nicht gehört wird; für den, der Lesen gelernt hat, ergibt sich der Sinn bereits aus dem Schriftbild selbst, ohne den Umweg über die Lautung.
    ____

    B.Reher am 27.11.2005: “Ob die Väter und Mütter dieser Reform wissen, was sie den SchülerInnen und den LehrerInnen angetan haben???”

    Eine sehr gute Frage. Ich vermute, daß sie es nicht wissen, denn die Schüler und Lehrer scheinen sich nicht oder nur unzureichend zu wehren. Allein das jüngste Vorgehen der KMK, Teile der Reform schon für alleinverbindlich zu erklären, bevor der Rechtschreibrat sie geprüft hat, so daß trotz der behaupteten Unstrittigkeit mit Änderungen in diesen Bereichen gerechnet werden muß, hätte zu deutlichen Unmutsäußerungen führen können: Warum wird nicht erst alles gründlich überprüft und erst dann in Kraft gesetzt, wenn klar ist, daß es auf absehbare Zeit keinen Korrekturbedarf gibt?

    Solchen Einwänden gebe ich jedoch bei den prinzipiell reform- und KMK-freundlich eingestellten (und vom VdS Bildungsmedien zu seiner “Verbändeallianz” gerechneten) Schüler- und Lehrervertretungsorganisationen keine Chance. Hier werden anscheinend nicht die wahren Interessen der Schüler und Lehrer vertreten. (Näheres zur “Verbändeallianz” in den Analysen von Prof. Ickler zur Reform; geben Sie “Ickler”, “VdS” und “Verbändeallianz” bei Google ein, und Sie werden fündig.)
    ____

    Werner Lösch am 27.11.2005: “Die Silbentrennung ist einfacher, nur Bekloppte und prinzipielle Gegner von Neuerungen erfinden Sitze-cke. (Übrigens war vorher Sitzek-ke theoretisch ebenso möglich.)”

    Die Trennung “Sitze-cke” ist keine Erfindung, sondern regelkonform und würde von einem automatischen Trennprogramm, das den reformierten Regeln folgt, auch verwendet werden. Natürlich konnte vor der Reform genausogut “Sitzek-ke” vorkommen, aber der problematische Teil “Sitzek” ist, im Gegensatz zu “Sitze”, als eigenständiges Wort sinnlos und führt den Leser nicht auf eine falsche Fährte.

    Hinzu kommt, daß die ck-Nichttrennungsregel im Widerspruch zu den übrigen Trennregeln steht: Trennung nach Sprechsilben, Trennung von (gesprochenen) einzelnen Silbengelenkskonsonanten zwischen den doppelt notierten Konsonantenbuchstaben, wobei “k” nicht verdoppelt, sondern stattdessen “ck” geschrieben wird. Anhand dieser Regeln könnte ein findiger Schüler begründen, warum weiterhin die “k-k”-Trennung zulässig ist, und er könnte sich schließlich mit dem Hinweis durchsetzen, daß dieser innere Widerspruch im Regelwerk nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden dürfe.

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #74

    B. Katterl am 28.11.2005: “Vor allem die s-Regeln werden einfach wiedergegeben und können im Unterricht mit einem Satz erklärt werden.”

    Da möchte ich doch gerade mal nachfragen: Mit welchem einen (einzigen) Satz kann man die reformierten s-Regeln erklären?
    ____

    Norbert Struck am 27.11.2005: “Kurz gesagt: Die RS-Reform hat den Umgang mit S-Lauten etwas vereinfacht, da die Schüler sich im Prinzip zunächst nur die Regel kurzer Vokal = ss, langer Vokal = s/ß merken müssen.”

    Mit Verlaub, das ist falsch. Schauen Sie doch mal in die Paralleldiskussion (https://www.lehrerfreund.de/in/schule/1s/gerichtsurteil-alte-rechtschreibung/), dort wurde das ausführlich diskutiert.
    ____

    Bärbel Jochum-Mann am 27.11.2005: “Keine Rücknahme der Schreibweisen, die nun seit 1996 Jahren unterrichtet werden!”

    Soll das auch für grammatisch falsche Schreibungen wie “Leid tun, Not sein, Recht haben, Pleite gehen” usw. gelten? Wollen Sie den Schülern weiterhin punktuell falsche Grammatik beibringen müssen?

    schrieb Jan-Martin Wagner am

  • #75

    Zugegeben: einige Regeln klingen einfacher (obwohl sie bei genauem Blick in den Duden durch die Unterpunkte recht kompliziert sind) Vor allem die s-Regeln werden einfach wiedergegeben und können im Unterricht mit einem Satz erklärt werden. Keine Frage: die Regeln selbst werden auch von Schülern gut verstanden, können repetiert werden.
    Aber bei der Anwendung der Regeln hapert es eben. Was nützt es, wenn ich im Unterricht mit wunderbaren REGELN operieren kann, die dann in der Praxis das gewünschte Ergebnis nicht erzeugen? An den Schülern liegt das nicht, eher an der Materie. Rechtschreibung lernt man nicht durch Regeln, sondern durch optisches Einprägen. Meinen Nachhilfeschülern nützt das neue Regelwerk nichts. Sie schreiben so wie es heute überall sichtbar ist, sogar in der Zeitung: beliebig, chaotisch. Ich kann meinen Kollegen deshalb nicht zustimmen. Das Ergebnis der logischen und einfachen Regeln ist katastrophal.

    schrieb B. Katterl am

  • #76

    Trotz heftiger Bemühungen habe ich bisher nur einen hochbegabten Schüler gehabt, der beim Abitur die neuen Regeln durchgehend anwenden konnte. Er hätte aber auch nach der alten Regelung keine Fehler gemacht. Ansonsten ist die Beliebigkeit grenzenlos, selbst Fünftklässler, die doch noch nie etwas anderes gelernt haben als “neue” Rechtschreibung, sind verwirrt und machen Fehler. Von Logik und Konsequenz bei der Neuregelung kann außer bei der s/ss/ß - Schreibung keine Rede sein. Gerne hätte ich die Lebens- und Arbeitszeit zurück, die ich mit diesem Schwachsinn verplempert habe.

    schrieb Inge Plieninger am

  • #77

    Unterrichte seit fast 30 Jahren Deutsch an einem beruflichen Gymnasium (d.h. mit einer hohen Quote an Nicht-MuttersprachlerInnen) und stimme Herrn Lösch zu; vor allem Oberstufenschüler haben es seit der Rechtschreibreform leichter, ihre Texte korrektur zu lesen, weil die meisten Regeln logischer und konsequenter sind. Das gilt leider nur zu einem geringen Teil für die Getrennt-Schreibung und vor allem nicht für das Verfahren insgesamt und den Umgang damit in der Öffentlichkeit und in der Schulverwaltung.
    Jedenfalls kommen meine Schüler mit der systematischen (kognitiven)Fehleranalyse seit der Reform (nach eigenen Aussagen) besser zurecht.

    schrieb Iris Welker-Sturm am

  • #78

    Wusste gar nicht, dass die Rechtschreibung fast schon 2000 Jahre gilt ;-)

    Otto Haas

    schrieb Otto Haas am

  • #79

    Kurz gesagt: Die RS-Reform hat den Umgang mit S-Lauten etwas vereinfacht, da die Schüler sich im Prinzip zunächst nur die Regel kurzer Vokal = ss, langer Vokal = s/ß merken müssen. Keine Vereinfachung aber haben die neuen Regeln für das Getrennt- und Zusammenschreiben sowie die Kommasetzung gebracht, im Gegenteil. Texte von Schülern, die z.B. das Komma vor einem erweiterten Infinitiv mit zu nach der neuen Maßgabe nicht mehr setzen, sind für den Leser schwieriger zu verstehen. Im Grunde eine typisch deutsche Reform: Bürokratie pur, enormer Aufwand, erhebliche Kosten, große Verwirrung, Effekt nahezu null.

    schrieb Norbert Struck am

  • #80

    Meine Erfahrungen: Unvoreingenommene Schüler schreiben in Bezug auf Trennung am Zeilenende, vor allem auch von Fremdwörtern, bei der Schreibung von ss um nur einige Themen zu nennen, genauso wie die neuen Regeln es vorschreiben. Etliche Stunden, in denen früher Ausnahemn eingeführt und geübt werden mussten, können heute für anderes verwendet werden. Warum fällt es manchen Menschen so schwer zu akzeptieren, dass im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung für den Schreiber ein Entscheidungsspielraum besteht: Warum muss man amtlich festlegen, ob man zwei Wörter nur zusammen oder nur getrennt schreiben darf? Beziehen wir uns auf Konrad Duden und seine menschenfreundliche Haltung zur REchtschreibung, wenden wir uns der Arbeit am Wortschatz, Stil usw. zu, aber vor allem: Keine Rücknahme der Schreibweisen, die nun seit 1996 Jahren unterrichtet werden!

    schrieb Bärbel Jochum-Mann am

  • #81

    Kleiner Nachtrag zum Kommentar von H. Veit, der nicht weiß, was ich meine.( Dies liegt daran,dass Lehrer nicht gewohnt sind, unter dem Gesichtspunkt von Kosten-Nutzen zu denken).
    Die Rechtschreibreform ist eine zig-Millionen Fehlinvestition, die nichts, aber auch gar nichts bringt. Sie ist überflüssig wie der berühmte bayerische Kropf und die in sie investierte Energie und Zeit konnten nur solche Leute aus den Ministerien befürworten, die nichts Besseres zu tun hatten als teuer bezahlte und durch Beförderungen schein-gerechtfertigte Bastelarbeiten zu verrichten . Hätte man die Reformer stattdessen in den Unterricht geschickt, damit sie dort die ‘normale’ Rechtschreibung unterrichten, hätten sie sich die Negativ-Profilierung und dem Staat und privaten Unternehmen riesige Geldsummen sowie uns allen zusammen das Bild von Lächerlichkeit erspart.
    Klar so?

    P.M.

    schrieb Peter Müller am

  • #82

    Seit 1980 unterrichte ich Deutsch am Gymnasium und an der (kooperativen) Gesamtschule.
    Prinzipiell fand in dieser Zeit ein gesellschaftlicher Prozess statt, der die Wertschätzung der Rechtschreibung untergrub.
    Vielleicht ist es tatsächlich so, dass im Zeitalter der neuen Medien die Kenntnis deutscher Rechtschreibung für alle, die nicht berufsgemäß die Rechtschreibung beherrschen müssen, zweitrangig geworden ist, da es genügend ( falls überhaupt notwendig ) Korrekturinstanzen gibt.
    In Folge dessen wird das Gezerre nicht weniger werden und leider das Bewusstsein für Sprachrichtigkeit nicht stärker.
    Praktisch gesehen - im Unterricht - erleichtert die sehr halbherzige Reform die Rechtschreibung eher etwas, aber dafür werden andere Fehler gehäuft gemacht. Insofern hat Herr Fritz recht.
    Wollte man wirklich die große Vereinfachung schaffen, wie schon um 1970 angedacht, müsste man konsequent zur Kleinschreibung und Lautschriftähnlicheit übergehen. Das wäre dann die konsequente Abkehr von sprachhistorischer Gewordenheit und daraus abgeleiteter normierter Regelhaftigkeit.

    schrieb Hanspeter Straub am

  • #83

    Ich unterrichte an einem Berufskolleg Deutsch und dort in der Berufsschule und in der gymnasialen Oberstufe.
    Meine Erfahrungen mit der neuen Rechtschreibung decken sich zum Teil mit denen der oben abgedruckten Erfahrungen. Allerdings stelle ich immer häufiger fest, dass die SchülerInnen selbst gar nicht wissen, nach welchen Regeln sie nun schreiben… der Erfolg ist, dass sie eine Vielzahl von Fehlern machen, die durch ihre Verunsicherung entstehen.
    Leider haben wir überhaupt keine Zeit, den Unterricht dafür zu nutzen, diesen Missstand zu beheben. Was bleibt, ist die Marter, nach beiden Regelwerken zu korrigieren.
    Ob die Väter und Mütter dieser Reform wissen, was sie den SchülerInnen und den LehrerInnen angetan haben???
    Ich habe seit einiger Zeit immer den Duden unterm Arm und gehe ganz offen mit dieser “allegemeinen Verunsicherung” um.

    schrieb B.Reher am

  • #84

    Was Herr Müller meint ist mir unklar, dass er sauer ist merk ich.

    Umlernen war ein Kraftakt
    (für Lehrer/innen und Schüler/innen).
    Jetzt ist es besser geworden (weniger Fehlerquellen) aber noch nicht gut.
    (Es gibt immer noch zu viele unnötige Fehlerquellen wie die Großschreibung
    -auf die die Briten wohlwissend verzichten…)
    Auf Grund des Hin und Hers und der überschwappenden Emotionen mag ich jetzt keinen nächsten Schritt fordern, aber hilfreich wäre es, die Reform konsquent weiterzuführen (vorwärts nicht rückwärts).

    schrieb Peter Veit am

  • #85

    Ich unterrichte seit 1981 am allgemein bildenden (oder: allgemeinbildenden?) Gymnasium Deutsch und komme zu folgendem Ergebnis:
    1. Der Großteil der neuen Rechtschreibung, insbesondere die s-Schreibung, ist von Vorteil.
    2. Für die Kommaregelung gilt im Großen und Ganzen dasselbe; allerdings ist sie schon nicht konsequent genug.
    3. Die Groß-/Kleinschreibung hat sowohl Verbesserungen als auch Verschlimmbesserungen gebracht.
    4. Die Getrennt- und Zusammenschreibung ist ein Chaos, vor allem dank der vielen Idioten, die sich einmischen, obwohl sie keine Ahnung haben.
    5. Die Silbentrennung ist einfacher, nur Bekloppte und prinzipielle Gegner von Neuerungen erfinden Sitze-cke. (Übrigens war vorher Sitzek-ke theoretisch ebenso möglich.)
    6. Alles in allem ein Fortschritt, der nicht konsequent und nicht weit genug geht, der aber den meisten Schülern hilft.

    schrieb Werner Lösch am

  • #86

    Ich unterrichte seit 1994 deutsch und finde, dass der Rechtschreibunterricht durch die NR für beide Seiten eher erleichtert wurde. Leider stehen der Systematik der NR undurchdringliche Ausnahmen und Relikte der AR entgegen, die viel positiven Schwung wieder vernichten.
    Bei aller berechtigten Kritik an der NR sollte man doch nie vergessen, dass man seine persönliche Haltung nicht auf Kosten der Kinder pflegen sollte, denn sie haben ein Recht darauf, dass sich ihre Lehrer/innen in die NR einarbeiten und sie unterrichten.

    schrieb Lenhard am

  • #87

    Ich sehe die Sache hundertprozentig so wie Michael Fritz. Es ist - um es schülergemäß auszudrücken - wirklich “ätzend”, dass es ständig (!) Neuerungen oder “Alterungen” gibt und weder Schüler noch Lehrer wissen, WIE genau zu schreiben ist.
    Sprache unterliegt, wie alle wissen, immer (wieder) Änderungen, aber eine gewisse Verbindlichkeit sollte doch gegeben sein. Dies schließt aber keinesfalls aus, dass es auch alternative Schreibweisen gibt.
    So, wie es momentan ist, dass keiner richtig weiß, wie er/sie schreiben soll/muss/kann darf, gibt es die großen Verunsicherungen.
    Den Schüler/innen ist es prinzipiell egal, WIE sie schreiben, sie müssen aber wissen, was gewünscht wird.
    Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass das “neue” System wirklich noch mehr zu Vereinfachungen geführt hätte, viel mehr Ausnahmen beseitigt worden wären. So aber gibt es - mit “alter” und mit “neuer” “Recht"schreibung viel zu viele Probleme.

    schrieb Hans-Peter König am

  • #88

    Ich unterrichte seit 1978 Deutsch am Gymnasium.
    Dabei musste ich feststellen, dass die allgemeine Rechtschreibfähigkeit drastisch abgenommen hat; war bei einem Testdiktat 1978 der Fehlerdurchschnitt aller Schüler bei 7 Fehlern gelegen, waren es 1998 14,5 Fehler - seitdem kann ich diesen Text nicht mehr benutzen.
    Die Rechtschreibreform hat diesen Prozess weder aufgehalten noch beschleunigt, auch wenn einige Fehlertypen weggefallen oder weniger häufig sind.
    Dass es mehr Wahlmöglichkeiten gibt, halte ich für sinnvoll.
    Das Gezerre, das z.Zt. läuft, ist unfassbar und muss schnellstmöglich ein Ende haben.

    schrieb Michael Fritz am

  • #89

    Neue Rechtschreibung:alte Rechtschreibung
    Ich benutze privat die alte (Ausnahme: ss-Regel) und empfinde klammheimliche Freude, wenn “moderne” Kollegen nach der “neuen” jetzt alle (richtigen) ß duch (falsche) ss ersetzen. Das zeigt doch überdeutlich, dass die neue Rechtschreibung nichts mit Lernen und Verstehen zu tun hat.
    In meinem Unterricht spielt die neue Rechtschreibung so gut wie keine Rolle. Wer früher “Metaltechnig” geschrieben hat, der schreibt seit 1. August 2005 das Wort nicht plötzlich richtig. Gewerblich-technische Schulen haben -selbst im Berufskolleg- eher das Problem, ob überhaupt noch geschrieben wird: “Ich hab mein Handy dabei, ich mach ein Foto von der Wandtafel…”.
    Gruß
    A.M.

    schrieb Albrecht Maier am

  • #90

    Meine Erfahrung ist auch diese:

    Ich unterrichte seit 1979 Deutsch. Seit der Rechtschreibreform ist das subjektiv wahrnehmbare Chaos gestiegen - aber in der Schule habe ich weniger Fehler. Da ich nicht annehme, dass mit der Reform meine didaktische Kompetenz automatisch gestiegen ist, muss ich davon ausgehen, dass die neue Rechtschreibung grundsätzlich einfacher ist (und, mit Verlaub: Sie ist es.).

    Beste Grüße
    HS

    schrieb Hermann Schaub am

  • #91

    https://www.lehrerfreund.de/in/schule/smileys/#

    Danke, Herr Müller. Sie sprechen mir aus der Seele.
    H.M.

    schrieb Hans Meyer am

  • #92

    Für mich ist die Rechtschreibreform ein Beweis dafür, dass wir in Deutschland immer noch zu viel Geld haben, um die schwachsinnige Arbeit von Idioten zu finanzieren. Man soll einmal ausrechnen, welchen irrwitzigen betriebswirtschaftlichen ( Verlags-Pleiten etc.) und volkswirtschaftlichen Schaden diese Reform (?) angerichtet hat,welches sinnlose Hin und Her Unmengen von Geld verschlingt ( die Arbeitsstunden der damit beschäftigten Personen gehen in die Hunderttausende!): Und was kommt hinten raus? Das Gelächter des Auslands und der einigermaßen intelligenten Deutschen.
    Auf so einen dumm-  und kartoffelköpfigen Quatsch
    würden etwa die Briten nie kommen.
    Gute Nacht, Deutschland!

    schrieb Peter Müller am

  • #93

    Ich unterrichte nun seit 26 Jahren in einem Gymnasium in Wien, habe die “NR” nicht hundertprozentig verinnerlicht und muss oft nachschlagen.
    Orthografie oder Orthographie - solange die Verständlichkeit gewährleistet ist, hat die Hilfswissenschaft der Rechtschreibung ihren Dienst getan. Deswegen lege ich im Unterricht wesentlich mehr Wert auf klare Argumentation, passende Wortwahl, exakte Verwendung der Grammatikregeln und durchdachte Gliederung. Generell aber scheinen die SchülerInnen die “NR” leichter zu erlernen.
    Das Prozedere um die Erstellung und Einführung der “NR” allerdings hat mich oft genug amüsiert.
    Als langjähriger Nutzer des “Lehrerfreundes” wünsche ich allen KollegInnen ebensoviel Freude am Beruf, wie ich sie seit vielen Jahren empfinde.

    schrieb Ernst POLZER am

  • #94

    Korrigiere seit 1978 Deutschaufsätze an Gymnasien in Bayern und finde, dass die Reform die Arbeit und das Erlernen meist erleichtert.
    Was augenblicklich jedoch geschieht, ist teilweise unwürdig und ein Katastrophe, schadet dem Fach Deutsch und gibt es der Lächerlichkeit preis, beispielsweise mit der Rücknahme von neuen Regeln (Du-Schreibung…), obwohl ich gerade diese Großschreibung richtig finde. Insgesamt muss ich sagen, dass die neuen Regeln weniger Korrekturfälle zur Folge haben, beispielsweise wegen der Erleichterung der Kommasetzung bei “um..zu”.
    Hoffentlich nimmt das Gezerrre bald ein Ende.
    Es wird wohl noch weniger ein Jahrhundertwerk wie das von 1901. Aber da hat der Kaiser ja auch hineinpfuschen müssen und eine Einheitlichkeit verhindert. Wer ist heute der Kaiser? Das Volk oder tausend Experten?
    Schulnote für das Verfahren: 5,
    Schulnote für das zu erwartende Ergebnis: 3

    schrieb H. Alt am

  • #95

    Ein leeres Forum wirkt abstoßend…

    Daher ergreife ich hier die Gelegenheit, den ersten Beitrag einzustellen.

    Obwohl ich in einem anderen Forum meine persönliche Analyse der Schreibreform darlegte, geht es mir - als Auslöser dieses Forums - eigentlich nicht um Details.

    Mich würde eher interessieren, wie war das “Aufwand/Ergebnis” Verhältnis früher, und wie ist es heute?

    Anders gesagt: verursacht heute einer Einheit Lehrstoff: weniger, gleich viel oder mehr Lernerfolg?

    Oder noch einfacher gefragt: Welche Schulnote geben Praktiker der Reform?

    schrieb strasser am

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