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Als Quereinsteiger/in im Lehramt - Erfahrungsbericht 01.03.2009, 23:58

Handwerker als Beispiel für Quereinsteiger
Bild: pixabay / fsHH [CC0 (Public Domain)]

Auch in NRW fehlen so viele Lehrer/innen an den Schulen, dass „Hilfskräfte“ rekrutiert werden. Ohne pädagogisches Handwerkszeug dürfen alle unterrichten, die irgendeine fachliche Qualifikation vorweisen - auch die Bild-Zeitung animiert ihre Leser/innen schon dazu, in den Lehrberuf einzusteigen. Dass das aber gar nicht so einfach ist, zeigt der Fall der Sonja S.

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  • (geändert: )

VERENA (“Vertretungseinstellung nach Angebot”) macht es möglich: Learning by doing. Raus aus dem Beruf (Studium, Pension), rein ins Klassenzimmer. Denn eine

Vertretungstätigkeit eröffnet die Möglichkeit, frühzeitig Erfahrungen im Unterricht von Lerngruppen zu erhalten [... und] ist ideal zur persönlichen Orientierung im Hinblick auf eigene Berufserwartungen und Stellenprofile.

Schulministerium NRW: VERENA - Vertretungseinstellung nach Angebot: Organisationsportal

Am Beispiel von Nordrhein-Westfalen zeigt sich, wie groß die Not von Bildungsministerin Annette Schavan wirklich ist. Hier gibt es momentan 364 unbesetzte Stellen; Lehrer/innen fehlen also an allen Ecken und Enden. Reiche Bundesländer locken mit Geld und Sicherheit und werben den ärmeren die Lehrkräfte ab. Um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten, greifen fast alle Landesregierungen seit einiger Zeit zu eher unkonventionellen Methoden. Unter anderem setzt sich der Trend zur Akquirierung von Quereinsteiger/innen auf befristete Zeit durch. Fachwissen für das ausgeschriebene Unterrichtsfach genügt, der Rest lernt sich im täglichen Geschäft.

Erfahrungsbericht einer Quereinsteigerin

RP Online schildert das Beispiel einer Sozialwissenschaftlerin (“Sonja S.”), die während ihrer Promotionszeit testen wollte, ob sie für den Schulbetrieb geeignet sei und die Vertretung an einer Gesamtschule im Ruhrgebiet übernahm. Ausgestattet mit dem Know-how ihrer Studienrichtung, aber ohne pädagogischen Hintergrund lehrte sie die Fächer Wirtschaft und Gesellschaftslehre. So gut es ging. Alsbald stieß sie an ihre Grenzen. Zwar hatte sie Rückendeckung des Schuldirektors, jedoch keine didaktischen Kenntnisse.

“Ich wusste zunächst überhaupt nicht, wie ich aus meinem Fachwissen spannenden Unterricht machen sollte”, erzählt sie, “Kinder brauchen aber Strukturen.” Für didaktische Laien sei es jedoch schwierig, für komplexe Themen solche Strukturen zu finden. “Und wenn man merkt, wie die Aufmerksamkeit der Schüler schwindet, wie einem der Unterricht entgleitet, das ist ein schreckliches Gefühl”, sagt Sonja S.

RP online 26.02.2009: Lehrerin ohne Ausbildung – nie wieder

Obwohl sie "ein Didaktikbuch" durchgearbeitet hatte, war ihr Unterricht offensichtlich nicht das, was die Schüler/innen erwarteten oder wollten. Das dürfte ein generelles Problem der meisten Quereinsteiger/innen sein: Eine rein theoretische Beschäftigung mit Pädagogik und Didaktik reicht wahrscheinlich einfach nicht aus.

Vielleicht hätte sie die Tipps einer großen deutschen Gazette befolgen sollen. „Wie auch Sie zu einem echten Pauker werden lesen Sie hier! [sic]“, säuselt BILD. Man höre und staune: Die Bild-Zeitung möchte ihre Leserschaft dazu animieren, den Lehrberuf zu ergreifen. Sogar nach den Schavanschen Managern und den Oettingerschen Diplomphysikern ist man über eine derartige Eskalation verblüfft.

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Kommentare

6

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  • #1

    Ein Praxisjahr wäre etwas sehr sinnvolles - aber nicht nur für Lehramtsstudenten, sondern auch für Quereinsteiger!!
    Meinetwegen in abgespeckter Form (drei Monate z.B.) würde reichen, um dem Quereinsteiger seine Schulformwahl zu erleichtern…
    Bei mir als prom. Chemikerin war für den Vertretungsunterricht vor dem Seiteneinstieg nach OBAS leider der “Topf” lehr…
    So musste ich mich ohne vorherige Erfahrungen auf eine Schulform festlegen (Berufsschule) und versuchte nach dem Sprung ins kalte Wasser (Einschulung der Schüler an MEINEM ersten Arbeitstag und direkter Unterricht im weiteren Verlauf) ohne wirkliche Unterstützung von Seiten der Schule (Schulleiter, der mich einstellte ging nach 1/2 Jahr in Rente…) den Unterricht in Vollzeit irgendwie zu schaffen.
    Da erst nach über einem Jahr von Seiten des Seminars und der Schule ein klärendes Gespräch dazu stattfand, dass die Berufsschule nicht die richtige Schulform für mich sei (Lehrerpersönlichkeit wäre kein Problem), befand ich mich leider schon in der PRÜFUNGSPHASE! Durfte also nicht mehr wechseln, kündigen oder sonst irgendetwas gescheites tun - ich MUSSTE meine Prüfung machen!! Letztendlich kam dann eine Risikoschwangerschaft dazwischen und mein befristeter Vertrag wurde natürlich nicht verlängert. Nach meiner Elternzeit hätte ich das Recht, mich erneut an der selben Schule zu bewerben (aber auch nur an dieser!) um bei Zustandekommen der Beschäftigung zeitnah meine ausstehenden Lehrproben und die Prüfung zu absolvieren… das meine Schule mich nicht wiederhaben möchte hat die neue Direktorin mit einer ungenügenden Bewertung mehr als deutlich gemacht.
    Hätte ich drei Monate in den Schulalltag dieser Schule “reinschnuppern” dürfen, hätte ich niemals dort angefangen.
    Übrigens ist meine Schullaufbahn quasi zu Ende, denn wenn ich die Prüfung nicht zeitnah nach Elternzeit mache bin ich “per se zweimal durchgefallen” und kann das zweite Staatsexamen nicht mehr absolvieren. Für mich ist die Anstellung an einer Schule nicht mehr verlockend… von der am Anfang versprochenen Verbeamtung nach dem OBASdienst konnten nur eine Handvoll meiner ehemaligen Kollegen berichten. Die Anderen bekommen halt - Zeitverträge!
    Dafür gehe ich nicht wieder zurück und setze mich dem erlebten Stress noch einmal aus - da mache ich lieber noch einmal eine Trainee-Stelle und gehe in die Industrie/Wirtschaft. Da wird man als Trainee wenigsten richtig angelernt.
    MfG

    schrieb jule am

  • #2

    Übrigens, genaue Informationen, wie sich mein Arbeitsvertrag gestaltet, kann ich auch nicht kriegen, hab es schon öfters versucht, ohne Erfolg. In Bayern ist alles nur auf die Beamten ausgerichtet. Details zu Angestelltenverträgen werden zurück gehalten.

    schrieb malin am

  • #3

    Ja, so ist es - die Verbeamteten, zumindest einige, sind ständig krank (können sich es auch leisten weil sie weiterhin ihr Gehalt beziehen, egal wie lange sie krank sind) und kaum sind die Frauen verbeamtet, fallen sie aus wegen Schwangerschaften und Elternzeit. Es ist ja schön, das so die Geburtsraten steigen und Frauen im Lehrerberuf die Möglichkeit haben, zuhause zu bleiben zur Kinderbetreuung, aber es geht zu Lasten der Kollegen. Es müsste für Ersatz gesorgt werden und zwar unter gerechten finanziellen Bedingungen. Wird es aber nicht. Mir graut immer am Schuljahresanfang wenn vom Ministerium junge Kolleginnen zugewiesen werden. Spätestens nach 2 Jahren werden diese schwanger und deren Aufgaben werden auf das Kollegium verteilt.
    Und was die pädagogischen Fähigkeiten vieler Kollegen anbelangt, muss man berücksichtigen, dass die meisten nur Schule, Uni und wieder Schule zu ihrem Erfahrungsbereich zählen können. Haben also nur theoretische Ahnung von Pädagogik - viele, vor allem ältere Kollegen, haben auch selbst keine Kinder und wissen gar nicht, was Kinder erziehen in der Praxis bedeutet. Und in Bayern wird zunehmend den Eltern nach dem Mund geredet, die weitgehend glauben, ihr Sprössling ist der Allergescheideste, auch wenn er sich in der Schule faul zeigt und sein Verhalten unter aller Sau ist.
    Ich bin zwar kein Quer- aber Späteinsteiger, habe das Studium absolviert mit den beiden Staatsexamen. Mir wurden auch vor 15 Jahren solche Vertretungsstellen angeboten. Hab sie aber nur ein Jahr lang akzeptiert, dann auf eine Festanstellung gedrängt und diese auch erhalten. Allerdings als Angestellte, besser als Vertretung aber doch nicht so toll.

    schrieb malin am

  • #4

    @Deutschlehrer:
    Dass keine Lehrer mehr in Bayern eingestellt werden, liegt nicht an einer “Deutsch- und Englischlehrerschwemme”, sondern an den 7 Milliarden Euro, die die bayerische Staatsregierung an die Bayerische Landesbank überweisen hat. Etwas Ahnung von den Zusammmenhängen sollte man haben…

    schrieb Mister M. am

  • #5

    Ich stellte fest, dass ich nach 17 Jahren in der Wirtschaft zu alt bin und begann als Quereinsteiger in meinem Hauptfach Deutsch zu unterrichten. Das tat ich aufgrund eines Anrufes eines Gymnasiums in Nordbayern das erste Mal. Hier stellte ich fest, dass es mir, entgegen der Befürchtung im Studium, Spaß macht, mit Schülern zu arbeiten und die Unterstützung der Fachschaftskollegen war sensationell. Doch man ist rechtlos als Quereinsteiger. Es gibt nur befristete Verträge, damals war die Stundenzahl auf 11 Wochenstunden begrenzt. Jetzt - aufgrund des Lehrermangels - wurde eine höhere Stundenzahl möglich, die auch mit 14 Stunden halbwegs erträgliche Bezahlung bringt, bei drei Deutschklassen mit den Probeaufsätzen und den notwendigen Aufsätzen jedoch zu einem fast unmenschlichen Arbeitsaufwand führt (fast 110 Schüler). Die Herabstufung vom BAT zum TV-L betraf mich und nun auch noch die Kürzung von Ferien - 6 volle Wochentage für die Weihnachtsferien wurden einfach gestrichen. Auch wenn ich mehrfach hörte, das sei ungesetzlich, komme ich trotzdem nicht an mein Geld. Diese Ferien korrigierte ich, sonst wäre das, was eine erkrankte verbeamtete Lehrkraft nicht geschafft hatte, bis zum Notenschluss nicht möglich gewesen. Man nutzt uns zum Stopfen von Lücken. Auskunft, wie sich der Arbeitsvertrag gestaltet, erhält man nicht. Die Unsicherheit muss man ertragen und dann herrscht hier die Meinung vor, dass man keine Ahnung hat. Dann sollte man keine Quereinsteiger auffordern, sich zu bewerben oder gar anflehen. Doch das hat sich ja in Bayern nun erledigt, denn es gibt ja eine Deutsch- und Englischlehrerschwemme und somit keinerlei Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für Quereinsteiger - außer, die verbeamteten werden krank, bekommen Kinder, machen Fortbildungen usw. Die legen ihre Unpässlichkeit nicht in Ferien, das konnte ich auch mehrfach feststellen, z. B. wenn Operationen, die aufschiebbar wären, in der Schulzeit liegen müssen. Den allerbesten pädagogischen Rat erhielt ich in meiner letzten Schulwoche: Einem Schüler hatte ich ein störendes Spielzeug weggenommen, nachdem ich ihn schon sehr häufig ermahnt hatte, das verschwinden zu lassen. In der nächsten Stunde wollte ich mit ihm reden. Es war jedoch aus meiner Tasche verschwunden. Auf Nachfrage bei erfahrenen pädagogisch gebildeten, mit allen Staatsexamina gesegneten Kollegen (vier) wurde gesagt, ich solle einfach nichts sagen und machen, er müsse auf mich zukommen. Da darf man nicht einmal sagen, dass das Unrecht ist? Dass die Lehrertasche ein Heiligtum ist und niemanden etwas angeht? Wenn das die vielgeforderte Pägagogik ist, dann hört sich schon alles auf. Studienmöglichkeiten als Nachholer sind zu schwierig, hatte bereits eine andere Kollegin beschrieben, denn man muss ja Geld verdienen.

    schrieb Deutschlehrer am

  • #6

    Habe jahrelang versucht Lehrerin zu werden, dazwischen kamen mir Schwierigkeiten mit meinen Eltern u. dem Bafögamt. Dann viel Krankheit u. eine Horrorehe. Meine Praktika verliefen sehr gut u auch meine Nachhilfe- u. Schulbetreuungstätigkeiten waren toll, die Kids liebten mich immer, egal welches Fach u. welcher Schultyp. Gerne würde ich es zueendebringen, komme aber mit einem Vollzeitanwesenheitsstudium nicht klar u kann es auch nicht finanzieren, da ich ja jetzt Langzeitstudentin wäre. Auch habe ich zwei Kinder (9 u fast 2 Jahre; bin alleinerziehend), die ich nur halbtags in fremde Obhut geben würde. Am liebsten würde ich eine Art Fernstudium machen, um doch noch Lehrerin werden zu können u. nur die absolut nötigen Teile mit Anwesenheit in der Uni bzw. in Schulen natürlich. Wenn jemand weiß, ob es so etwas gibt(wohne in Hessen), wäre ich ihm/ihr sehr dankbar. Ansonsten finde ich das, was ich an der Uni lernen sollte bzw. einen großen Teil der Lehrpläne nicht mehr aktuell oder an den Bedürfnissen und Zukunftsaussichtn der heutigen Kinder orientiert - kein Wunder, dass sie sich oft im Hort (oft auch schlechter Billigbetreuung, weil die Mütter eben auch Geld verdienen MÜSSEN, nicht weil sie es sich leisten könnten so emanzipiert zu sein) bzw. in der Schule allein gelassen fühlen u auch enorme Zukunftsängste haben. Dann lehren wir sie noch wie wir, die vor ihnen da waren, die Umwelt geschädigt haben u. sie sollen sie retten? Während die Politik da eher Augenwischerei betreibt u abkassiert? Das ganze ist auch viel zu verkopft - es sollte begabungsorientiert sein, vielleicht sogar notenfrei. Und es ist eine echte “Schweinerei” Laien darein zus chicken, die dann den unzeitgemäßen Stoff vermitteln sollen. Kein Wunder, dass keiner mehr Kinder will, wenn sie so wenig beachtet u geschätzt werden und es überall nur um Gier, Konsum, Marktwirtschaft, ein nicht mehr erreichbares Glücks- und Reichtumsversprechen für “den Kleinen Mann” geht - in einer schon recht korrupten, umweltzerstörenden, Kinder als Störfaktor u als Belastung empfindenden Gesellschaft, die Pflegebedürrftigen-die-vielleicht-schon-gar-nicht-mehr-leben-wollen bei Reichtum Vorrang verschafft und bei Armut den absoluten Horror. Kurz: da stimmt gar nichts mehr u es wird immer schwieriger den Kids das als authentisch zu verkaufen.

    K. Denter

    schrieb K. Denter am

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