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Mensch oder Tier?

Arbeitsblatt: Triebe in »Woyzeck« 27.01.2023, 19:59

Triebhafte Personen vor Woyzeck-Szenario
Bild: Woyzeck verstanden! Lektürehilfe / RASSAERT@Pixabay

Wo unterscheidet sich der Mensch vom Tier, wenn er sich von seinen Trieben leiten lässt? Diese Frage ist zentral im Woyzeck und wird auf dem Arbeitsblatt anhand der Wirtshaus-Szene diskutiert. Als Textvorlage dient die »übersetzte« Version des Woyzeck - verständlicher Fließtext statt Verse.

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Woyzeck-Lektürehilfe als Prosa - Buchcover 2022Woyzeck verstanden! ist eine inhaltsgetreue Prosa-Übersetzung von Büchners »Woyzeck«. Was Büchner als Drama verfasst hat, wurde in dieser Lektürehilfe sinngemäß in zeitgemäße Sprache transferiert. Die Idee ist gut, denn Woyzeck gilt als schwerer Brocken (aus der Produktbeschreibung: »Woyzeck einmal lesen & sofort verstehen!«). Wir veröffentlichen hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin ein Arbeitsblatt, das sich mit dem Aspekt der Triebe im Woyzeck befasst.
Woyzeck verstanden! Lektürehilfe frei nach Georg Büchner ist im Mai 2021 erschienen, erhältlich z.B. hier: lovelybooks: Woyzeck verstanden!

 

Klassische Lektüren, insbesondere Dramen, sind für viele Schüler/innen nicht einfach zu verstehen. Büchners »Woyzeck« gilt als eines der anspruchsvolleren Kaliber (wie überhaupt Büchners Dramen). Deshalb kann eine Prosaübersetzung für die Phase des ersten Verständnisses absolut hilfreich sein. Wie und warum das funktioniert, können Sie im Interview mit der Autorin lesen: Goethes »Faust I« in Prosa übersetzt - Interview mit der Autorin

Als Beispiel für die Verwendung im Unterricht gibt es hier ein Arbeitsblatt (Mensch und Vieh - Arbeitsblatt (PDF)). Im Wirtshaus findet ein Fest statt; Woyzeck muss mitansehen, wie Marie sich in lüsternem Tanze mit dem Tambourmajor ergeht.

Ausschnitt: Arbeitsblatt »Triebe in Woyzeck« (Woyzeck als Prosa)

Obwohl der Text in der »Übersetzung« der Lektürehilfe einfach verständlich ist, sollte man auf jeden Fall erst mal den Inhalt der Szene klären. Anschließend können die Aufgaben bearbeitet werden. Den Aufgaben geht eine Defintion des Ausdrucks »Trieb« voraus

Arbeitsauftrag 1: Die Schüler/innen arbeiten an der Textstelle die Triebmotivationen der relevanten Figuren (Woyzeck; Marie; Handwerksburschen) heraus. Bei Bedarf können noch weitere Textstellen im Buch gesucht werden (würde Teile der nächsten Aufgabe vorwegnehmen).

Arbeitsauftrag 2: Wie beeinflussen Triebe den Woyzeck/die Marie in der übrigen Handlung des Dramas? Dieser Schritt kann arbeitsteilig durchgeführt werden (z.B. Jungen: Marie, Mädchen: Woyzeck). Auf dieser Grundlage wird schriftlich oder mündlich diskutiert, ob stärkere Triebkontrolle den Ausgang des Dramas beeinflussen hätte können.

Inhalt des Arbeitsblattes

Das Arbeitsblatt zum Download finden Sie hier: Mensch und Vieh - Arbeitsblatt (PDF)

Mensch und Vieh - Das Spannungsfeld zwischen Trieb und Vernunft

Wenn Menschen sich von ihren biologischen Trieben und von ihren Instinkten leiten lassen - worin unterscheiden sie sich dann von Tieren? Diese Frage spielt im Drama Woyzeck eine zentrale Rolle.

In der Wirtshaus-Szene entdeckt Woyzeck, dass Marie ihn mit dem Tambourmajor betrügt. Hier ein Auszug aus der Szene, sinngemäß in zeitgemäße Sprache übersetzt:

Die Leute nutzten den sonnigen Feiertag, um sich zu amüsieren. Im Wirtshaus spielte eine Kapelle zum Tanz. Der Wirt hatte die Fenster geöffnet, um etwas Frischluft in die heiße, aufgeladene Atmosphäre zu bringen. Draußen saßen die Gäste an langen Tischen, tranken und plauderten.
Ein junger Handwerker summte eine Melodie vor sich hin, noch unentschlossen, ob er ein Lied anstimmen wollte oder nicht. Vor ihm auf dem Tisch stand ein halb geleertes Glas Branntwein, das sicher nicht sein erstes gewesen war.

Seinem Saufkumpan war nicht nach Musik zumute. Er schlang einen Arm um seinen Freund und verpasste ihm eine deftige Kopfnuss. »Ich hau dir gleich in die Eier, bis du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist«, prahlte er. »Na los, Kumpel, schlag dich mit mir! Ein richtiger Mann braucht ab und zu eine Prügelei.«

Der Handwerksbursche befreite sich aus dem Griff seines Freundes. [...] »Das Leben ist schön, aber sinnlos«, verkündete er. »Alles geht vorbei, nichts bleibt. Selbst das Geld, das ich verdiene, bleibt nicht in meiner Tasche, früher oder später muss ich es doch abdrücken. Darum gebe ich es lieber gleich für Branntwein aus. Sieh mich an! Anstatt etwas Sinnvolles zu tun, besaufe ich mich hemmungslos. Das macht mich so traurig, dass ich gleich noch mehr trinken will, um die Traurigkeit zu verdrängen.« [...] Die Gäste sangen nun gemeinsam ein Volkslied. Es pries die Freuden eines Jägers, der im Wald nicht
nur reichlich Wild erlegt, sondern sich auch mit einer Frau vergnügt.

Durch die Reihen der grölenden Menge hindurch schob sich Woyzeck. Je näher er dem Wirtshaus kam, desto schneller wurde er, wie ein kleiner Kahn, der von einer Strömung erfasst und unerbittlich in Richtung eines Strudels getrieben wird. Vor einem der offenen Fenster blieb er stehen. Drinnen drängten sich so viele Menschen, dass er nicht auf den ersten Blick erkennen konnte, ob Marie sich unter ihnen befand. [...] Doch gerade als Woyzeck von Neuem zu hoffen begann, dass die Gerüchte über Marie sich als faule Lügen herausstellen würden, entdeckte er sie. Sie tanzte mit dem Tambourmajor, der eine Hand auf ihren Rücken gelegt hatte und sie im Takt des Volksliedes herumwirbelte. Er grinste siegessicher, so als sei er der Jäger und sie das Wild, das blind in seine Falle getappt war.

Woyzeck konnte sich nicht rühren. Er war wie erstarrt, während Marie und der Tambourmajor näherkamen. Kaum zwei Schritte waren sie noch von ihm entfernt. Sie tanzten direkt an dem Fenster vorüber, an dem er stand, doch sie bemerkten ihn nicht. Er hörte Maries vergnügtes Lachen.»Weiter, nicht aufhören«, rief sie, »immerzu!«

Eine Mischung aus Wut und Hilflosigkeit überschwemmte Woyzeck. Es fühlte sich an, als habe jemand einen glühenden Draht um seinen Brustkorb gespannt. Der Atem stockte ihm und sein Herz brannte. Er wollte aufschreien, seinen Schmerz hinausbrüllen, direkt durch das Fenster springen und sich zwischen Marie und den Tambourmajor werfen. Doch seine Knie versagtem ihm den Dienst und er sank kraftlos auf eine der Bänke.

Nun war es also gewiss. Marie gab sich nicht einmal die Mühe, ihre Affäre zu verstecken. Sie demütigte Woyzeck vor aller Augen, sie setzte ihn dem Spott der Gesellschaft aus. Sie, die Mutter seines Kindes, die ihn einmal heiß geliebt hatte. Nun liebte sie den Tambourmajor so innig und wollüstig, wie sie sich zuvor Woyzeck hingegeben hatte. Die Art, wie schamlos die beiden sich aneinanderschmiegten, verriet ohne Zweifel, dass sie miteinander schliefen.

Er konnte nicht anders, als sich lebhaft auszumalen, wie sie sich nackt unter dem Tambourmajor wälzte und stöhnte: »Weiter, nicht aufhören, immerzu!« Ihr Lachen hallte in seinen Ohren wider. Besaß sie denn überhaupt kein Schamgefühl? War ihr gleichgültig, was die Leute von ihr dachten? »Ebenso gut könnten sie es gleich hier auf dem Tisch treiben, wo alle zusehen«, knurrte Woyzeck. Wozu gab es Regeln, Anstand und Prinzipien, wenn sich niemand mehr darum scherte? Wieso musste ausgerechnet Marie, der wichtigste Mensch in seinem Leben, sich wie ein gottloses Tier verhalten?

Arbeitsaufträge

Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (dwds.de) definiert Trieb wie folgt:

  1. angeborenes oder erworbenes, heftiges inneres Streben nach Handlungen, die zur Erhaltung des Lebens notwendig oder auf die Befriedigung starker Bedürfnisse des Menschen gerichtet sind
  2. innere treibende Kraft, Antrieb, Verlangen, etwas zu tun

Dazu gehören zum Beispiel das Bedürfnis nach Nahrung, der Bindungs-, Sicherheits-, Sexual-, und Aggressionstrieb. Sie können darüber hinaus noch mehr Triebarten definieren.

  • Benennen Sie, durch welche Triebmotivation(en) die jeweiligen Figuren beeinflusst werden. Markieren Sie entsprechende Textbelege in der Textquelle und im Original.

a) Woyzeck b) Marie c) die Handwerksburschen

Erläutern Sie, wie sich die Triebmotivation a) Woyzecks | b) Maries im Rest des Dramas widerspiegelt. Diskutieren Sie, ob das Kontrollieren dieser Triebe die Handlung des Stückes beeinflussen und den Ausgang verändern würde.

Quelle: Woyzeck verstanden - Lektürehilfe frei nach Georg Büchner (Latona, 2022), S. 58 - 61
 

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