Aktion
Protestaktion: Zeitschrift “Bravo” soll »gestoppt« werden 20.01.2008, 23:25
Die Aktion "Kinder in Gefahr" ruft dazu auf, die Zeitschrift "Bravo" zu stoppen (was immer damit gemeint ist), um Jugendliche vor Unmoral und Verfall zu schützen. Der Appell richtet sich an Bundeskanzlerin Merkel, Bundespräsident Köhler und Familienministerin von der Leyen.
Wer kennt nicht die Zeitschrift “Bravo”, wer hätte nicht (damals) schwüle Phantasien durch Dr. Sommers Beratungen und sonstige Erfahrungsberichte genährt? Schon damals war Vielen, dankenswerterweise auch durch den Einfluss der Eltern, bewusst, dass die “Bravo” doch eine ziemlich profane Angelegenheit ist - was natürlich nichts an der Schwülheit geändert hat. Die Mehrzahl derjenigen, die vor der Periode der Informationstechnologie pubertiert haben, dürften ihren ersten vorgetäuschten Koitus in der “Bravo” gesehen haben. Was die Zeitschrift natürlich nicht unbedingt uninteressanter gemacht hat.
Dieserlei wird von der Aktion Kinder in Gefahr angeprangert. Begründer der Aktion ist die DVCK (Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur), die “mit etwa 50.000 Teilnehmern in Deutschland für die Wiederherstellung der christlichen Zivilisation kämpft”:
In was für einer Welt werden unsere Kinder und Enkel aufwachsen, wenn die Flut von Pornographie, Blasphemie und Unmoral in den Medien immer weiter ansteigt?
[...]
Aber der Feind Nr. 1 der Kinder ist die Zeitschrift BRAVO, die jede Woche mit einer Auflagenstärke von 800.000 Exemplaren erscheint und schon von Kindern ab sechs Jahren gelesen wird [...]
Es darf nicht so weitergehen, daß die Kindheit in Deutschland durch sogenannte “Jugendzeitschriften” wie BRAVO, die in Wahrheit erotische Blätter sind, zerstört wird.
Homepage von ‘Stoppt endlich Bravo! - Aktion Kinder in Gefahr’
Deshalb ruft die Aktion auf, eine Petition an Köhler, Merkel und von der Leyen zu unterzeichnen, in denen diese aufgefordert werden, “mit Ihrer Kompetenz das Möglichste zu veranlassen, damit diesem wahren Massaker an der Kindheit [sic] Einhalt geboten wird”.
Kommentar
Es ist natürlich lobenswert, wenn unsere Kinder vor einer zu frühen Konfrontation mit intimen Details geschützt werden sollen. Und dazu eignet sich die Bravo nicht besonders gut.
Diese Sichtweise vernachlässigt aber die Tatsache,
- dass Kinder und Jugendliche in immer mehr Kontexten freien Zugriff auf semierotische Inhalte (wie Nacktheit und softe Texte über Sexualität) haben;
- dass es unter Umständen sinnvoller ist, wenn Kinder sich in der Bravo aufklären statt in Pornofilmen aus dem Internet.
Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Bravo in keiner Weise dafür gemacht ist, Kinder im Sinne humanistischer Bildungsideale zu befruchten. Aber im Zeitalter von Viva und Gerichtsshows ist das wohl nur noch eine Frage des guten Geschmacks.
Epilog: Bravo-Titelbilder im Wandel
Für die HistorikerInnen und MedienbeobachterInnen unter uns ist die Galerie der Bravo-Titelbilder seit 1956 eine wirklich Fundgrube, bilden sie doch die Mentalität der Nachkriegsgesellschaft bis heute ab (an der jeweils die Bravo seit ihrem Entstehen sicher nicht unerheblich mitwirkte): In den 50ern und 60ern war die Titelseite dominiert von den Porträts solider, hübscher, erfolgreicher Stars, die in der Regel deutlich einem Unterhaltungszweig zugeordnet werden konnten (Schauspielerin. Musiker.). Ab den 70ern sehen wir dann erste erotische Inhalte auf dem Cover (“Die schönste Liebesgeschichte in erregenden Bildern”), die Moral lässt nach, Intimität wird öffentlich. Seit den 80ern geraten wir ins Zeitalter der Multimedialität: In den meisten Haushalten stehen nun Farbfernseher, farbige Bild-Text-Dschungel auch auf der Bravo locken uns - gleichsam eine papierne Glotze -, die bunte Vielfältigkeit des Lebens zu kosten. Die Männer sind behaart und berühmt, doch selbst das mehrfache Titelblattaufbäumen David Hasselhoffs von 1990 hilft nichts: Die Helden der Medienwelt werden immer uneindeutiger, kurzlebiger und (damit auch) jünger.
Immerhin: Auf dem Cover der Bravo überleben Sie alle.