Vorteilsannahme in der Schule
Wenn Christian Wulff Schuldirektor wäre ... 17.02.2012, 08:32
Christian Wulff, der Bundespräsident der BRD, steht unter dem tausendfachen Verdacht der Vorteilsannahme. Was wäre, wenn Christian Wulff nicht Bundespräsident geworden wäre, sondern Direktor an einer Schule?
Vorbemerkung: Vorteilsannahme, Bestechlichkeit
Vorteilsannahme ist eine nach deutschem Strafrecht strafbare Handlung. Sie liegt gemäß § 331 StGB dann vor, wenn ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst Verpflichteter für sich oder für einen Dritten für die Dienstausübung einen Vorteil [...] annimmt. Wenn der Amtsträger den Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, so liegt Bestechlichkeit (§ 332 StGB) vor.
Lehrer/innen, die der Vorteilsannahme verdächtig sind, werden von der Justiz nicht mit Samthandschuhen angefasst. 2005 hatten zahlreiche Lehrer/innen nach einer Klassenfahrt in einen Freizeitpark von den Betreibern einen Familienpass im Wert von 250 Euro bekommen. In 219 Fällen wurde von der Oberstaatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet. Die meisten Verfahren wurden gegen Zahlung einer Geldbuße von 300 Euro eingestellt. Wer von den Betroffenen die Zahlung verweigerte, weil er/sie nichts Unrechtes getan habe, er sah sich umgehend mit einer Anklage konfrontiert.
Bundespräsident Christian Wulff wird von den Medien der Vorteilsannahme beschuldigt. Diese Vorwürfe sind sämtlich aus der Luft gegriffen und entbehren jeglichen Realitätsbezugs.
Wenn Christian Wulff Schuldirektor wäre ...
... könnte er den zahlreichen Verlockungen widerstehen, die das Direktorsein so bietet? Es ist davon auszugehen, er ist immerhin unser Bundespräsident, der sich bisher keiner juristisch relevanten Verfehlung schuldig gemacht hat.
Um die Versuchungen des Schuldirektors zu zeigen, wollen wir einen fiktiven Rektor namens Christoph Wolff erschaffen. Auch er steht im Kreuzfeuer unberechtigter Anschuldigungen und ist bis heute strafrechtlich nicht belangt worden.
Christoph Wolff (Direktor am Gymnasium) | |
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2002 | Christoph Wolff wird Direktor am Gymnasium Bad Sodbrennen. |
2002- 2010 | Wolff unternimmt kostenlose private Urlaubsreisen, die von Eltern einiger Schüler bezahlt werden. Wolff weist aufkommende Vorwürfe scharf zurück, dass diese Schüler bei der Plätzevergabe bevorzugt worden seien, während andere Kinder in das 30km entfernte B.-Stechung-Gymnasium pendeln müssen. |
2005, 2006 | Wolff telefoniert kostenlos mit dem Firmenhandy des örtlichen Installationsbetriebs, der 2006 von der Schule mit einer Komplettrenovierung der Sanitäranlagen beauftragt wird. Die Handy-Gesamtrechnung von 1.835,51 Euro erstattet Christoph Wolff nach eigenen Angaben in bar. |
2007, 2008 | Direktor Wolff und Familie verbringen den Sommerurlaub in Mallorca auf der Finca des befreundeten Lehrers Schmitt. "Die Entscheidung, dass Schmitt 2005 nach A14 befördert und 2006 bei A15-Besoldung Mitglied der Schulleitung wurde, hat nichts mit unserer privaten Freundschaft zu tun", betonte Wolff in der "Bunt". |
2008 | Wolff erhält von den Eltern der versetzungsgefährdeten Marianne im Februar ein zinsloses Darlehen über 500.000 Euro zur Renovierung seines Anwesens. Als sich Mitschüler im Juli darüber beschweren, dass Marianne trotz unterirdischer Leistungen versetzt wird, veröffentlicht Wolff im Lokalblatt einen Leserbrief zum Thema "Neid unter Jugendlichen wird immer schlimmer". |
2008 | Frau und Herr Wolff verbringen ein Wochenende im Wellness-Hotel "Bairischer Hof". Die Kosten von insgesamt 950 Euro werden vom Fachgeschäft für Bürobedarf "Schreibklammer" übernommen, das nach Aussage Wolffs "die Schule immer zuverlässig und preisgünstig beliefert". Die Schüler kaufen lieber bei Frau Teufel ein, da die Schreibklammer überhöhte Preise habe. Auf eine Anfrage des Schulamts teilt Wolff mit, dass er die Kosten sofort an die Schreibklammer zurückerstattet habe, als er erfahren habe, dass diese den Aufenthalt bezahlt hätten. |
2010 | Der örtliche Dachdecker deckt das gesamte Dach von Wolffs Haus neu ein und baut einen neuen Schornstein mit drei Röhren für einen Pauschalbetrag von 350 Euro zzgl. MwSt. "Ich orientiere mich stets an den marktüblichen Preisen", teilt er auf die erstaunte Anfrage neidischer Nachbarn mit. Die sind übrigens auch neidisch auf die Tochter des Dachdeckers, die mit 13 noch nicht im zweistelligen Zahlrenraum addieren kann und trotzdem den diesjährigen "Schülerpreis für naturwissenschaftliche Innovation" erhält und außerdem entgegen allen Prognosen ein weiteres Mal versetzt wird, da sie in Mathe noch eine 4 bekommt. |
2010 | Der Sohn des Dorfmaurers erhält von Wolff in Mathe eine 2 und kann so die 5 in Deutsch ausgleichen. "Ich habe davon erst erfahren, als Herr Burcan die Arbeiten an meinem Haus abgeschlossen hatte", wird Wolff später zu Protokoll geben. Die Frage nach der Abweichung von schriftlichem Stand (5.0) und Zeugnisnote (2) begründet Wolff mit "herovrragenden mündlichen Leistungen des Schülers". |
2011, 2012 | Das Schulamt beendet die Nachforschungen gegen Christoph Wolff mit dem Aktenvermerk: "OStD Wolff hat sich unserer Erkenntnis nach stets untadelig verhalten und eine strikte Trennung zwischen privaten und dienstlichen Interessen eingehalten." In Schülerkreisen munkelt man, dass Wolff und der Schulamtspräsident zusammen im Swingerclub gesehen worden seien. |
Ähnlich unbescholten wie unser Christoph Wolff ist auch Christian Wulff. Hier eine auszugsweise Liste der nicht haltbaren Vorwürfe, die in letzter Zeit von den Medien auf unseren Bundespräsidenten geschleudert wurden (unvollständig):
Jahr | Christian Wulff (Bundespräsident) |
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2003-2010 | Wulff unternimmt kostenlose private Urlaubsreisen, bei denen er Gast von befreundeten Unternehmern ist. (Link) |
2005, 2006 | Wulff telefoniert mit dem Firmenhandy des Filmunternehmers David Groenewold für 931 Euro. Wulff habe das Geld an Groenewold überwiesen (Link). |
2007, 2008 | Urlaube auf Sylt, beide von Groenewold bezahlt. Wulff habe Groenewold das Geld bar zurückgegeben (Link). Wulff unterstützt Groenewolds Filmbetrieb (Link). |
2008 | Wulff nimmt ein privates, zinsgünstiges Darlehen über 500.000 Euro bei der Unternehmerfrau Edith Geerkens auf. Böse Zungen behaupten, es handle sich um ein Geschenk von Egon Geerkens in Bezug auf das Amt des Ministerpräsidenten. |
2008 | David Groenewold bezahlt beim Oktoberfest einen Aufschlag für eine Suite im "Bayerischen Hof" (400 Euro). Wulff habe den Betrag rückerstattet. (Link) |
2010 | Wulff löst den Geerkens-Kredit bei der BW-Bank ab und erhält einen außerordentlich günstigen Zinssatz. |
2010 | Marmeladen-Konzern Zentis bezahlt Wulff, seiner Frau und seinen Bodyguards einen schönen Abend beim Deutschen Filmball 2010 + Übernachtung im Hotel. (Link) |
2010 | Wulff least bei VW einen Skoda zu "Aufsichtsratkonditionen", berichtet der Spiegel. |
2011 | Ehepaar Wulff erhält nach Medienberichten einen Audi Q3 zu "ungewöhnlichen Bedingungen". Als Ministerpräsident saß Wulff im Aufsichtsrat von Volkswagen (Audi gehört zu Volkswagen). (Link) |
Fazit
Es ist offensichtlich, dass sich auch unsere fiktive Gestalt, Direktor Christoph Wolff, keiner Verfehlung schuldig gemacht hat.
Wir können davon ausgehen, dass Christian Wulff, wenn er denn nicht Bundespräsident sondern Schuldirektor geworden wäre, sich so verhalten hätte wie Christoph Wulff. Und auch in diesem Falle hätte er mit den Anschuldigungen neidischer Mitmenschen und inkompetenter Schulamtsmitarbeiter zu kämpfen gehabt.
Kurz: Die Welt ist einfach ungerecht. Damit müssen wir uns abfinden - ob wir Direktor sind oder Bundespräsident.