Gefilmt
»Happy Slapping« in Schulen: draufhauen und filmen 19.01.2007, 12:15
'Happy Slapping' (das grundlose Einschlagen auf andere Personen) wird in Schulen immer mehr beobachtet - meist im Zusammenhang mit Videoaufnahmen. In einem beispielhaften Fall erhielt ein 16-Jähriger dafür zehn Tage Unterrichtsausschluss. Ist das nicht ein bisschen wenig?
Was ist “Happy Slapping”?
Als Happy Slapping (engl. etwa für „fröhliches Dreinschlagen“ ) wird ein grundloser Angriff auf unbekannte Passanten bezeichnet. Der Angreifer läuft dabei z.B. auf sein Opfer zu und schlägt ihm ein- oder mehrmals ins Gesicht. Mitunter werden Opfer auch bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen. Der Angreifer läuft danach weg, ohne sich um das Opfer zu kümmern. Üblicherweise wird der Angriff von einem weiteren Beteiligten mit einer Handy- oder Videokamera gefilmt. Die Aufnahmen werden anschließend im Internet veröffentlicht oder per Mobiltelefon verbreitet.
Die ersten derartigen Anschläge ereigneten sich 2004 in England [...]
Vor knapp zwei Jahren erzählte mir ein HNO-Arzt, dass er schon mehrfach mit Trommelfellrissen konfrontiert worden sei, deren Ursache solche Angriffe gewesen seien. Man stelle sich vor: Ein Spaziergang in der Einkaufszone, plötzlich kommt ein Typ auf einen zugerannt, zertrümmert einem das Trommelfell und amüsiert sich hinterher über die Videoaufnahmen. Das ist schon richtig entmenschlicht.
Happy Slapping in Schulen
Gerade veröffentlicht lehrer-online.de einen Artikel über einen älteren Happy-Slapping-Vorfall an einer Berliner Schule (Ende 2005). Ein Schüler hatte im Sportunterricht einen anderen Schüler ohne Grund mehrfach geschlagen, während ein weiterer Schüler mit seinem Handy filmte. Die Aktion war vorher abgesprochen worden.
Man erteilte dem Schüler (der nach dem Wortlaut des Urteils (pdf) “für erzieherische Maßnahmen nur begrenzt ansprechbar” ist) einen zehntägigen Unterrichtsausschluss, außerdem hatte er (bzw. seine Eltern) die Kosten des Verfahrens von 2.500 Euro zu tragen. Das Verwaltungsgericht fügte in der Urteilsbegründung hinzu:
Würde die Schule aber Sachverhalte wie das Happy Slapping dulden, so büßte sie im Hinblick auf die genannten Ziele ihre Glaubwürdigkeit und ihre Durchsetzungsfähigkeit ein.
lehrer-online.de 18.01.2007: Unterrichtsausschluss wegen Happy Slapping
Ich würde sogar hinzufügen: Würde die Schule Sachverhalte wie Happy Slapping dulden, könnte sie gleich dicht machen. Oder die Prügelstrafe wieder einführen.
Das richtige Strafmaß?
In einem neueren Fall des Happy Slapping (August 2006), der allerdings “brutaler” ablief, erhielten Schläger und Filmer wesentlich härtere Strafen: Der Filmende erhielt zwei Wochen Arrest und 50 Arbeitsstunden, außerdem die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Anit-Gewalttraining; der "Komplize" bekam zwei Jahre auf Bewährung, 100 Arbeitsstunden und eine Alkoholtherapie (Westdeutsche Zeitung 18.01.2007: Prügel und Erniedrigung als Freizeitspaß).
Es ist wirklich schwierig, sich über ein pädagogisch sinnvolles Strafmaß zu verständigen. Die Jungs in den Knast zu stecken bringt sicher eher negative Effekte mit sich. Aber über zehn Tage Unterrichtsausschluss lacht sich ein fröhlicher Slapper natürlich auch erst mal slap - kann er doch mehr als eine Woche zuhause vor der Maschine Gewaltspiele praktizieren, statt sich in der Schule langweilen zu müssen.
Psychologische Erklärung
Der Schulpsychologe Stefan Drewes kennt sich aus:
„Die Suche nach Highlights ist unter Jugendlichen stärker geworden. Sie testen extreme Grenzen aus und verlieren zunehmend das Gefühl, sich in ihre Mitmenschen hineinzuversetzen.“
Westdeutsche Zeitung 18.01.2007: Prügel und Erniedrigung als Freizeitspaß