Studie aus dem Elfenbeinturm
Langes Lernen ohne Pause = schlechteres Lernen? 15.08.2012, 22:00
Einer aktuellen Studie zufolge führen längere Lernphasen, die nicht von Pausen unterbrochen sind, zu schlechterem Lernerfolg. Es darf bezweifelt werden, dass diese Studie sich auf die schulische Realität beziehen lässt.
Die Studie mit dem etwas sperrigen Titel "When more equals less: overtraining inhibits perceptual learning owing to lack of wakeful consolidation" wurde am 08.08.2012 im Journal "Proceedings of the Royal Society" veröffentlicht. Autoren sind Soren Ashley und Joel Pearson von der Universität Sidney (Australien).
Das Ergebnis der Studie: Werden längere Lernphasen nicht durch Pausen unterbrochen, verringert sich der Lernerfolg. Als Ursache vermuten die Autoren mangelhafte Konsolidierung, d.h. den fehlenden Übertrag vom Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis (das Modell "Kurzzeitgedächtnis" findet übrigens in der Wissenschaft kaum mehr Verwendung (vgl. Wikipedia: Kurzzeitgedächtnis und Arbeitsgedächtnis)). So wie sich Gelerntes während des Schlafens ins Langzeitgedächtnis einnistet, meinen die Autoren, würden auch in wachen Nichtlernpausen Lerninhalte vertieft und gefestigt.
In der Phase des Lerntrainings mussten die 31 Proband/innen möglichst schnell die Bewegungen von Punkten auf einem Monitor angeben (links/rechts). Am nächsten Tag wurden die Teilnehmer/innen getestet.
Diejenigen, die am ersten Tag zwischen den Trainingseinheiten eine Stunde Pause gehabt hatten, zeigten beim Test am zweiten Tag eine erhöhte Genauigkeit [d.h.: Treffsicherheit] . ... Diejenigen, die beide Trainingseinheiten am Stück absolviert hatten ('overtraining'), waren am zweiten Tag nicht besser als am ersten.
Soren Ashley, Joel Pearson (2012): When more equals less: overtraining inhibits perceptual learning owing to lack of wakeful consolidation (freie Übersetzung Lehrerfreund)
Es stellt sich stark die Frage, inwieweit sich diese Ergebnisse auf den Lernerfolg beim inhaltlichen Lernen übertragen lassen; schließlich wurde in der Studie explizit nur das Wahrnehmungsvermögen ("perceptual learning") trainiert (was in den wiedergekäuten dpa-Berichten hierzulande völlig unter den Tisch fällt). Natürlich besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Training, rechtzeitig "links" und "rechts" zu klicken, und dem Lernen und Verstehen komplexer Zusammenhänge.
Dennoch wird den Schüler/innen ein Päuschen während des Lernens sicher gut tun; in diesem Päuschen können sie dann in Facebook möglichst schnell auf die Profile ihrer Freunde klicken und alles verdrängen, was sie zuvor gelernt haben (vgl. Zrinka Sosic 2008: Nach dem Lernen braucht unser Gehirn eine Denkpause (PDF)).