didacta
didacta 2008 - Die aktuellen Trends 23.02.2008, 22:31
Auf Europas größter Bildungsmesse, der "didacta", kann man zahllose Lehr- und Lernmedien bestaunen - und aktuelle Trends auf dem Bildungsmarkt erkennen, wenn man den Mut dazu hat.
Das war die didacta 2008
Knapp 800 Aussteller präsentierten den rund 83.000 BesucherInnen Produkte und Informationen, die meist im engeren oder weiteren Sinn mit Aus- und Weiterbildung zu tun hatten. Neben wahrhaftigen Gigaständen (wie der des Cornelsen-Verlags, wo sich selbst VerlagsmitarbeiterInnen bei einfachen Anfragen verirrten) waren Winzigstände von Ein-Mann-Unternehmen aus den Bereichen Erlebnispädagogik oder Schwimmtraining zu besichtigen. Zu Recht relativ schwach frequentiert waren die Stände, an denen man sich aus der Hand lesen oder seine Unterschrift analysieren lassen konnte.
Die Wissensdurstigen konnten verschiedene Vorträge/Diskussionen besuchen, in denen entweder pädagogisch und bildungspolitisch theoretisiert wurde, oder aber auf möglichst dezente Art und Weise Produkte positioniert werden sollten. Die wenigen sehenswerten Ausnahmen wuchsen aus den Schultern gemeinnütziger Vereine oder öffentlich-rechtlicher Fernsehsender. So wurden im “Gläsernen Klassenzimmer” des SWR-Schulfernsehens die ganze Woche hinweg Lehrer/innen fortgebildet und Einsatzmöglichkeiten multimedialer Lernmedien gezeigt.
Trends 2008
Interaktive Whiteboards
Die größte Auffälligkeit der didacta 2008: Es wimmelte von interaktiven Whiteboards und passendem Zubehör wie nie zuvor. Nicht nur waren zahlreiche Anbieter solcher elektronischer Tafeln zu bewundern; auch hatten die Platzhirsche Promethean und Smart weitere Aussteller ausgestattet (Beispiel rechts: Activboard am Cornelsen-Stand). Smart und Promethean waren pro Firma mit rund 10 Boards und einer Legion an Beratern und Vorführern erschienen, um die Welt von der Notwendigkeit dieser Boards zu überzeugen.
Schulverpfleger
Die Entwicklung zur Ganztagsunterbringung (aka “Ganztagesschule”) war auf der didacta 2008 unter anderem daran zu erkennen, dass mehrere Anbieter von Schulverpflegung ihre Ess- und/oder Trinkwaren präsentierten. Ein Ausstellerkonglomerat baute eine komplette Kantine auf und gab an Passanten kleine, leckere Portiönchen (Reis mit Hühnchen, Gulaschsüppchen etc.) aus - die allerdings nach Aussage eines Kochs mit Glutamaten zubereitet waren. Beim den “nächsten Rezepten” würde sich das aber ändern, beeilte er sich auf unser skeptisches Stirnrunzeln hin zu versichern.
Schuleinkleider
Dass nicht staatliche Firmen zunehmend versuchen, an den Problemen des deutschen Schulsystems zu verdienen, zeigt sich z.B. in der Präsenz von Ausstellern, die sich auf Schulkleidung (vgl. Lehrerfreund-Artikel “Schulkleidung”) spezialisiert haben. Dabei schreckt man auch nicht vor der Inszenierung unterirdischer Kinder-Modenschauen zurück (“Katharina trägt ein Top von xy, ihre Schuhe sind von ...”) - eine deutliche Amerikanisierung des Marktes, sowohl in inhaltlicher als auch vermarkterischer Hinsicht.
Und was ist mit dem Brockhaus?
Am Stand “Akademischer Lexikadienst” saß ein sympathischer, weißhaariger Herr inmitten dicker, schweinslederner Ausgaben des Brockhaus und der Enzyklopädia Britannica. Viel war da nicht los. Verständlich: Der vorläufige Schlussbericht (23.02.2008) der Messeleitung hält fest, dass dieses Jahr “die Nachfrage nach Multimedia/Medien [..] stark gewachsen [sei] (30 Prozent, nach 18 Prozent in 2005)”. Außerdem hat die “Microsoft Encarta 2008 Lernen und Wissen” einen der digita 2008-Preise abgeräumt. Dicke Bücher sind nicht mehr gefragt, der gedruckte Brockhaus wird ab Mitte April 2008 durch ein “kostenloses, durch Werbung finanziertes Lexikonportal im Internet” ersetzt.
Die Einsamkeit des sympathischen Herren symbolisiert den wichtigsten, vielleicht fatalsten Trend: Bücher, Tafeln und lineare Texte sind nicht mehr hip, auch wenn es bei den Verlagen von Lesetrainings nur so wimmelt. Der Multimedia-Geist ist aus der Flasche - unbezwinglich, bunt und geil.