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Basar ohne Pädagogen

didacta 2010 - Bildung von Trends 26.03.2010, 16:04

Logo der didacta 2010
Bild: Logo der didacta 2010

Entgegen den Ankündigungen der Veranstalter war die didacta 2010 in erster Linie eine Produktmesse; Workshops, Vorträge und Lachshäppchen standen meist im Dienste des Marketing - und waren entsprechend tendenziös. Interessanter waren die Stände kleinerer, unorthodoxer Anbieter, die allerdings vor lauter interaktiven Whiteboards kaum zu finden waren.

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Nicht Pädagog/innen bestimmen das Angebot des Bildungsmarktes, sondern die großen Verlage und Hersteller, die man allesamt auf der didacta besuchen kann. Damit steht die Trendlastigkeit eines Produktes proportional zur Anzahl und Größe der jeweiligen Anbieterstände.

Trend 1: Interaktive Whiteboards

Viele interaktive Whiteboards auf der didactaJan-Martin Klinge (...  ein Halbtagsblog ...) schreibt:

Es geht also vor allem um Werbung und Kommerz. Kaum ein Stand kommt ohne zig 40”-LCD-Bildschirme und ein halbes Dutzend (sic!) interaktiver Whiteboards aus. Völlig egal ob es um Vokabelhefte oder Taschenrechner ging: Ein Whiteboard passt immer noch irgendwie rein…

ein Halbtagsblog 18.03.2010: didacta

In der Tat eignen sich interaktive Whiteboards vorzüglich für Produktpräsentationen. Natürlich versucht man interaktive Whiteboards auch als pädagogische Hilfsmittel zu verkaufen - fast alle namhaften Hersteller bzw. deren Vertriebspartner waren vertreten: Promethean, Smart, Interwrite, Hitachi, Legamaster, mimio, Sahara, PolyVision, Qomo ... Zahlreiche Vorträge zum Thema wurden (z.T. an den Ständen der großen Schulbuchverlage) angeboten. Dabei dominierte der Versuch dezent zu beweisen, dass interaktive Whiteboards kein frontales Medium sind und die Bildung revolutionieren. Bezeichnend auch, dass zwei ausgewiesene Experten vor einem Vortrag massive Probleme hatten, ihr Board präsentationsbereit zu machen. Zum Glück konnten sie per Handy Hilfestellung erhalten.

Activexpression - AbstimmungsgerätDen höchsten Future-Faktor hat Prometheans Schülerfeedbacksystem “ActivExpression”, das auf der Vorderseite 32 Tasten hat und Schülerrückmeldung komplexerer Art erlaubt. Nach Aussagen eines Promethean-Vertreibers kommen die Schüler/innen damit zurecht, nicht aber die Lehrer/innen.

Kurz: Der Markt für interaktive Whiteboards booooomt. Jede/r möchte ein möglichst großes Stück vom Kuchen abhaben, entsprechend offensiv gestaltet sich das Marketing. Im Kielwasser surfen die Anbieter berührungssensitiver LCD-Bildschirme - allerdings noch recht erfolglos.

Vorschaubild: Beamersystem Dell S300wi Ein wichtiger Entwicklungszweig sind Systeme, bei denen die Technologie vollständig in Beamer und Stift integriert ist. Das von Lehrer/innen im Untergrund gebaute und angewendete “Wii-Board” (Berichte z.B. bei scheppler, Bluemac) wird nun auch von größeren Firmen weiterentwickelt. Dell stellte einen Prototypen (Dell S300wi) vor; das Komplettsystem soll rund 1.500 Euro kosten - und wäre damit wesentlich kostengünstiger und einsatzflexibler als herkömmliche interaktive Whiteboards.

Trend 2: Schulverpflegung / Catering

Stand 'biond - genial genießen mit Dr. Hoppe'An den knapp 15 Ständen der “Caterer” (Anbieter von Schulessen) waren Häppchen, Suppen und warme Gerichte erhältlich. Die meisten dieser Anbieter hatten appetitliche Essensausgaben, geschmückt mit frischen Kräutern im Topf aufgebaut. Kein Wunder: Durch die Entwicklung hin zur Ganztagschule steigt die Nachfrage nach externen Dienstleistern, die “Catering” betreiben (deshalb: “Caterer”). So verbindlich und freundlich sind die Damen und Herren, dass man gar nicht glauben mag, was man allerorten über minderwertige Schulverpflegung so liest.

Ein Parallelmarkt entwickelt sich für die Abrechnungssysteme: Wer kartenbasierte Lösungen zum Bezahlen des Schulessens sucht, wird schnell fündig - entweder bei den Caterern selbst oder bei speziellen Anbietern.

Trend 3: Schulkleidung

Schulkleidungstand, Claim 'Die Schule ist die Marke'Die Anbieter von Schulmode und Schulkleidung (vulgo “Schuluniformen”) zeigten für die Augen des Nichtschneiders alle das Gleiche: Polo-Shirts, Baseballkappen, T-Shirts, Jacken usw. Schulkleidung soll ja auch “einheitlich” sein - wenn auch einige Anbieter betonen, dass der Modefaktor für die Akzeptanz von Schulkleidung wesentlich sei. Die Strategie ist klar: “Die Schule ist die Marke.”

Noch sieht die Mehrzahl der Schulen keinen Bedarf oder keine Möglichkeit, einheitliche Schulkleidung einzuführen. Die Schulkleidungsbranche jedoch lauert in den Startlöchern und hofft auf bessere Zeiten. Denn die Vollversorgung einer Schule ist ein lukrativer Posten, rücken doch jährlich an mittelgroßen Schulen 70 bis 90 Schüler/innen nach, deren Ausstattung schnell mal einige Tausend Euro Umsatz generiert.

Tipps aus dem Untergrund

Die beschriebenen Trends werden von den kommerziellen Interessen der großen Anbieter bestimmt. Dass die Produkte dabei häufig kaum didaktisches Potenzial haben, wird durch einen Haufen PR verschleiert. Wirklich neue und unkonventionelle Konzepte waren deshalb vor allem an den unbekannteren Ständen zu finden - wie bei lernmodule.net: ein Dienst, der die unkomplizierte Einbindung von Lernmodulen für Schüler/innen in Webseiten oder LMS erlaubt.

Stand von 4teachers.deUnerwartet große Aufmerksamkeit wurde dem jungen Lehrerselbstverlag zuteil: Hier können Lehrer/innen unkompliziert eigene Unterrichtsmaterialien in Buchform veröffentlichen - oder solche Veröffentlichungen für meist weniger als 10 Euro erwerben.

Wem der Kommerz aufs Gemüt schlug, der konnte sich an den gänzlich unkommerziellen Stand der 600.000 Seelen starken Community 4teachers.de zurückziehen, gleichsam also in den Maschinenraum des Bildungswebs hinabsteigen.

didacta - Basar ohne Pädagogen

Dell Latitude 2100 - mit NetzwerkaktivitätsanzeigeDell stellt das Schüler-Netbook Latitude 2100 vor. Man hat mitgedacht: antibakterielle Tastatur, lange Akkulaufzeiten, verschiedene Konfigurationsmöglichkeiten ...  Besonders stolz verweist man auf die Netzwerk-Aktivitätslampe, die an der Rückseite des Bildschirms angebracht ist. So sieht die Lehrer/in auf einen Blick, wer von den arbeitenden Schüler/innen gerade illegale Netzwerkaktivitäten durchführt. Die Position der Lampe zeigt, welche Vorstellung vom Unterricht mit Notebooks der Hersteller hat.

Dieser Schuss ins pädagogische Knie zeigt: Auf der didacta trifft man vornehmlich als Pädagogen getarnte Händler, aber kaum Pädagog/innen. Die guten Ideen kommen zunehmend aus dem privaten Sektor:

Kleiner Junge auf der didacta 2010, der ein Hinweisschild auf den Rücken geklebt hat, wie man seine Mutter erreichen kann

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Kommentare

4

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  • #1

    Es wäre wirklich schön, wenn sich diese Trends auch tatsächlich durchsetzen… leider gab es schon ähnlich gelagerte Messen mit genauso wohlklingenden Ideen, die sich dann aber alle im Sand verlaufen haben.

    Wollen wir hoffen, dass es dieses Mal anders ist.

    schrieb Bernhard Titel am

  • #2

    Ach ja, die white boards.
    Ich habe mich an die Sprachlabors erinnert, die schnell kaputt waren und dann verschwanden.
    Mal sehen, wie lange es damit dauert.

    schrieb croco am

  • #3

    Ich teile die Meinung des Autoren / der Autorin, dass die didacta 2010 in erster Linie eine Produktmesse war… und insbesondere die Technik (Whiteboards, Computer, Internet- und Software-Angebote) das Bild bestimmt hat. Dabei ist es ein Irrglaube, davon auszugehen, dass durch den Einsatz von Technik der Unterricht spannender und die Mitarbeit der SchülerInnen dauerhaft besser wird (Stichwort “Sprachlabor” oder “Laptopklassen”).Da braucht es schon ein bisschen mehr.

    Aber zurück zur didacta: Trotz der Produktfülle bot das Rahmenprogramm meines Erachtens doch die eine oder andere spannende Veranstaltung und Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch: Ich war am Mittwoch dort und habe bspw. einen Workshop der GEW zum Thema Classroom Management besucht – ausgerichtet von Carmen Druyen, einer begeisterten Verfechterin des kooperativen Lernens (KL). Begonnen wurde mit einer KL-Übung nach dem Muster Think – Pair – Share. Sehr anregend. Und das war glücklicherweise nicht das einzige Highligt…

    schrieb christian am

  • #4

    Da sind ja einige interessante Neuigkeiten dabei.
    Das die Neuerungen im endeffekt von den Privaten Firmen kommen dürfte ja nicht groß überraschen.
    Am Schluss zahlt der Steuerzahl dann aber einen riesen Betrag - die Firmen wollen ja nicht umsonst forschen.
    Ich hoffe mal, dass sich einiges verbessern wird mit den neuen Möglichkeiten und ich hoffe auch, dass die Caterer endlich erkennen, dass auch Kinder Geschmacksnerven haben.

    schrieb Michael Berg am

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