Ihr Tag auf der didacta in 5 Phasen
Der alternative didacta-Messeführer 08.02.2015, 23:03
Nutzen Sie Ihren Tag auf der didacta sinnvoll, lassen Sie sich nicht von den Marketing-Abgasen der Ausstellerfirmen einlullen. Einige Vorschläge zu Planung und Ausrüstung; außerdem Tipps dazu, welche Stände einen Besuch lohnen würden und was Sie vermeiden sollten.
Originalbeitrag vom 01.02.2012, leicht angepasst 15.02.2013, 08.02.2015
Selbstverständlich ist dieser Beitrag in keiner Weise von irgendwem gesponsort. Beim Lehrerfreund sind alle Anzeigen IMMER entsprechend markiert, Schleichwerbung gibt es hier nicht. Sämtliche Tipps und Nicht-Tipps entsprechen zu 100% der Meinung der Lehrerfreund-Redaktion. Lesen Sie bei Zweifeln die Lehrerfreund-Unabhängigkeitserklärung.
Im Vorfeld der Bildungsmesse didacta läuft die Marketingmaschine an: Die ausstellenden Firmen versprechen interessante Produkte, rabattierte Angebote und revolutionäre Neuerungen. Kostenlose Flyer und Zeitungen informieren scheinbar unabhängig über die Vorteile der Ganztagesschule, interaktive Whiteboards und die positiven Effekte uniformer Schulkleidung.
Sollten Sie auf die didacta gehen: Lassen Sie sich nicht die Zeit stehlen. Nutzen Sie Ihren didacta-Tag lieber sinnvoll. Der inoffizielle Messeguide vom Lehrerfreund.
Ausrüstung
Auf jeden Fall brauchen Sie gutes, leichtes Schuhwerk, am besten Joggingschuhe. Auf der didacta legen Sie an einem Tag schnell mal zwischen fünf und zehn Kilometer zurück.
Wenn Sie nicht shop-resistent sind, bringen Sie sich gleich einen großen Rucksack mit. Sie können ihn ja erst mal einschließen. Es gibt jedoch nichts Schlimmeres, als morgens die Duden-Gesamtausgabe zum Schnäppchenpreis zu erwerben und sie dann den ganzen Tag in drei Baumwollsäckchen durch die Messehallen zu schleppen.
Profis kommen übrigens gleich mit Trolleys. In den letzten Jahren gibt es zunehmend Anbieter, die irgendwelche zieh- und fahrbaren Kisten verschenken, in denen man seine Shoppinggüter transportieren kann.
Ein Äpfelchen und eine Stulle können auch nichts schaden; in den Kantinen ist es voll, das Essen ist mittelmäßig und teuer.
Der richtige Tag
Am Dienstag (erster Tag) haben viele Aussteller sich noch nicht richtig organisiert und sind teilweise noch am Ausräumen der Kisten. Analog sind viele am Samstag schon damit beschäftigt, ihre Kisten und Container einzuräumen, außerdem ist der Standverantwortliche bereits nach Hause gefahren; die Mitarbeiter/innen am Stand sind völlig ausgemergelt von vielem Stehen und übermäßigem Kaffeekonsum. Und natürlich ist die didacta am Samstag und am Freitag Nachmittag ziemlich voll, was nicht zu einem entspannten Messebesuch beiträgt.
Gehen Sie, wenn Sie die Möglichkeit haben, lieber am Mittwoch oder Donnerstag, am besten tagsüber. Ihre Schulleitung hat sicher Verständnis, wenn Sie einen entsprechenden Antrag auf Unterrichtsbefreiung stellen. Möglicherweise können Sie die Reisekosten auch aus dem Fortbildungstopf Ihrer Schule, Ihres Schulamts … bestreiten.
Warnung: Vorsicht bei Vorträgen und Veranstaltungen
Auf der didacta werden zahlreiche Vorträge und Veranstaltungen angeboten (siehe für 2015 didacta-hannover.de - Veranstaltungen). Vollmundig werden Veranstaltungen zu den verschiedensten Themen angepriesen. Diese Themen sind eigentlich immer gleich: Talk mit Politiker/innen und Expert/innen, neue Lerntechnologien (in den letzten Jahren zunehmend Tablet-lastig), didaktische Tipps, Vorstellung von Unterrichtsmaterialien, pädagogische Konzepte, Inklusion usw.
Selbstverständlich sind da interessante Themen dabei, die von kompetenten Leuten vorgetragen werden. Vergessen Sie aber nicht: Es ist eine Messe, auf der es um Marketing und Profit geht. Die Veranstaltungen und Vorträge von privatwirtschaftlichen Anbietern sind grundsätzlich nicht objektiv, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Das gilt uneingeschränkt auch für Vorträge und Diskussionsrunden mit Politiker/innen. Auf den ersten Blick ist manchmal nicht sofort zu erkennen, worum es geht. Der Workshop "Lernen mit digitalen Medien - interaktiv zwischen digitaler Tafel und Tablets" klingt vom Titel her sehr spannend. Aber ha! Er wird von Promethean (Hersteller des ActivBoard) auf der didacta 2015 gleich 12 Mal angeboten, und man wird keine objektive mediendidaktische Beratung bekommen, sondern erfahren, wie die Software ClassFlow funktioniert. Danke.
Auch die großen Schulbuchverlage bieten Workshops und Vorträge an. In vielen Fällen wird der Anschein erweckt, es ginge um didaktisch-methodische Verbesserungen und Hilfestellung, dabei geht es nur um Marketing: die Marke stärken, eigene Produkte anpreisen. Und Sie sitzen eine halbe Stunde in einem stickigen Raum und verschwenden Ihre kostbare Zeit.
Und die angebotenen Experten-Talks sind in der Regel zum Sterben langweilig. Meist sitzen auch nur einige erschöpfte Lehrer/innen herum, die woanders keinen Stuhl finden. Sie haben den Tipp mit dem guten Schuhwerk (s.o.) nicht beachtet und müssen sich nun anhören, wie ein Verbandsfunktionär oder ein Kultusminister leere Worthülsen um sich spuckt.
Mehr Vertrauen verdienen natürlich öffentlich-rechtliche oder gemeinnützige Institutionen (z.B. Schulfernsehen/Planet Schule, UNESCO, Greenpeace, die Bundeswehr etc.), die durch Distribution ihrer Materialien keinen direkten Profit erzielen. Ähnlich verhält es sich mit den Vertreter/innen alternativer pädagogischer Konzepte.
Tipp: Routenplanung
Wenn Sie sich auf der didacta-hannover-Site registrieren, können Sie die Merkliste nutzen. Sie fügen die Aussteller hinzu, die Sie interessieren, gehen dann auf "mydidacta" -> Merkliste und sortieren Ihre Merkliste "nach Messestand". Das ist überaus praktisch, weil so der kürzeste Weg vorgegeben wird. Zudem bedient sich die Website sehr flüssig, das Planen ist ein Kinderspiel.
Es ist jedoch sehr ärgerlich, dass man sich registrieren muss, bevor man die Merkliste nutzen kann. Hier ein Hinweis: Sobald Sie Ihre Registrierung abgeschickt haben, können Sie umgehend als eingeloggt arbeiten, Sie müssen nicht erst auf den Link in der Bestätigungsmail klicken. Achten Sie also unbedingt darauf, dass Sie bei der Registrierung auch wirklich Ihre richtige Mailadresse eingeben und sich nicht aus Versehen vertippen.
Das Produktgruppenverzeichnis nutzen
Auf der Website der didacta ist für Lehrer/innen das "Produktgruppenverzeichnis" sehr interessant. Durch Klick auf das Pluszeichen neben den Produktgruppen finden Sie interessante Unterverzeichnisse:
Phase 1: Bücher wühlen
Beginnen Sie Ihren Tag damit, dass Sie für Sie interessante Schulbuchverlage und Anbieter besuchen. In vollgestopften Regalen zu wühlen, in die Bücher und Arbeitshefte reinzuschauen ist immer wesentlich unmittelbarer als die staubtrockenen Online-Shops der Schulbuchverlage.
Am Nachmittag werden Sie reizüberflutet und erschöpft sein; da können Sie nicht mehr engagiert wühlen. Machen Sie das also lieber zuerst.
Phase 2: Fachbezogene Lehrmittel
Biologielehrer/innen interessieren sich eher für Mikroskope, wer Geographie unterrichtet, bevorzugt Wandkarten. Viele Dinge kennen Sie noch nicht, denn sie sind neu oder Nischenprodukte. Nutzen Sie Ihren Ausflug: Im Produktgruppenverzeichnis (s.o.) können Sie sich unter "Allgemeine Lehr- und Lernmittel", "Verlagserzeugnisse", "Geräte und Systeme für Naturwissenschaften und Technik" bzw. "... für die berufliche Bildung" und "Raum- und Laboreinrichtungen" einige interessante Anbieter heraussuchen. Medienfreaks werden in den Produktgruppen "Multimedia, Software" und "Multimedia- und Präsentationstechnik, Hardware" fündig.
Phase 3: Lehrerzubehör
Auf der didacta haben Sie die wirklich einmalige Möglichkeit, sämtliche für Lehrer/innen nützliche Hilfsmittel auf einem Haufen vorzufinden: Lehrertaschen und -trolleys, nicht schmierende Korrekturrotstifte, flüssige Kreide, Lärmampeln, Terminplaner in allen Größen und Formen, Bastelmaterialien usw. usf.
Nehmen Sie die Gelegenheit wahr und sehen Sie sich um. Auch hier hilft Ihnen auf der didacta-Homepage das Produktgruppenverzeichnis (s.o.) weiter, dort finden Sie bspw. unter dem ersten Punkt "Allgemeine Lehr- und Lernmittel, Verbrauchsmaterialien" interessante Aussteller.
Phase 4: Meinungsbilder
Die ganze Zeit lesen Sie von iPad-Klassen, Intranets, Schulessen, digitalen Schulbüchern und Interaktiven Whiteboards - und haben möglicherweise keine Ahnung, was das alles bedeutet. Wenn Sie noch Zeit und Nerven haben, können Sie sich hier mal all das anschauen, was Sie sonst niemals sehen und vielleicht auch gar nicht sehen wollen (aber wahrscheinlich eines Tages sehen werden). Bilden Sie sich Ihre Meinung! Zum Beispiel:
a) Interaktive Whiteboards
Dauernd lesen Sie von Interaktiven Whiteboards, haben aber noch nie eines gesehen. Nehmen Sie die Möglichkeit wahr und besuchen Sie Halle 23. Dort finden Sie die großen Player wie SMART, Promethean, Hitachi oder Conen. An überdimensionierten Ständen zeigt man Ihnen gerne, wie ein interaktives Whiteboard funktioniert und was man damit alles machen kann.
Vergessen Sie nicht, dass der ganze Zauber von professionellen Marketingabteilungen fabriziert wurde - und nicht von Pädagog/innen, auch wenn das alles den Anschein erwecken soll. Für eine Abwägungsgrundlage lesen Sie die Lehrerfreund-Beiträge zum Interaktiven Whiteboard.
b) Schulverpflegung, Catering, Verpflegung
Der Ganztagesschul-Trend boomt, und mit ihm schießen Catering-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Das muss man einmal gesehen haben: Spazieren Sie in Halle 15 ins Auge des Schulverpflegungstornados. Dort wird an mehreren Ständen bestens und gesund gekocht, nette, rosige Köche mit lustigen Kochmützen bieten Ihnen einen kleinen Snack an. Mmmmmh - lecker! Während Sie die Rigatoni della Mama an einem Kräuter-Schaumsahne-Sößchen vom glücklichen Basilikum genießen, können Sie bei einem der zahlreichen Anbieter von elektronischen Zahlungssystemen für Schulmensen einen Kugelschreiber schnorren (schnorren Sie ruhig einen, das Mensakarten-Kartell hat genug Rücklagen).
Während Sie die restlichen Partikel mit einem Schluck klaren Gebirgsquellwassers hinunterspülen, erinnern Sie sich an die permanenten Berichte darüber, dass Schulverpflegung von Cateringdiensten bei fast allen Untersuchungen unappetitlich schlecht abschneidet. Kaum zu glauben, der nette, rosige Koch hat doch so lieb gelächelt, als er die bissfesten Rigatoni zärtlich in das Schüsselchen gab ...
Phase 5: Mitbringsel für die Kinder und Neffen
Bringen Sie kleinen Verwandten etwas mit - es gibt wirklich Stände mit originellen Spielsachen. Im Produktgruppenverzeichnis klappen Sie z.B. "Musik-, Spiel- und Sportmaterialien" auf, dort sind bspw. "Lehr- und Lernspiele", "Spiel-, Theater- und Artistenbedarf" interessant, außerdem natürlich "Spielwaren (Holz- und Plüschwaren)"
Tappen Sie nicht in die Lernspielfalle. Auf der didacta dürfen Kinder nicht einfach "spielen". Wenn Sie irgendwo fragen, wie das Spiel funktioniert, wird man Ihnen weit ausholend von motorischer und sozialer Entwicklung, Hand-Auge-Koordination und Lesekompetenzen erzählen. Dabei wollen Sie den Kindern doch etwas mitbringen, was ihnen Spaß macht. Wenn ihnen bei IQ 180 der Kopf explodiert, wäre das doch auch nicht schön.
Entspannung zwischendurch
Die Messe ist groß, voll und anstrengend. Wo es immer gemütlich ist, ist am 4teachers-Stand (Halle 016, Stand E32). Es gibt freie Sofaplätzchen, die (netten, ehrenamtlichen) Mitarbeiter/innen, fast alle Lehrer/innen, hängen herum und kochen Kaffee. So wie im Lehrerzimmer eben. Nur dass es nicht gongt.