Steuererklärung
Welche Bücher können Lehrer/innen als Werbungskosten absetzen? 07.11.2010, 17:17
Lehrer/innen können Bücher und Zeitschriften in ihrer Einkommenssteuererklärung dann steuerlich geltend machen, wenn sie sie überwiegend beruflich verwenden. Durch ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) werden die steuerlichen Gestaltungsspielräume für Lehrer/innen hier stark erweitert: Werden Bücher oder Zeitschriften vom Finanzamt nicht als Werbungskosten anerkannt, müssen die Finanzbehörden bei Einspruch des Steuerbürgers für jeden Titel einzeln feststellen, ob es sich um ein "Arbeitsmittel" oder um einen "Gegenstand der Lebensführung" handelt.
Am 27.10.2010 veröffentlichte der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil “Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers” (20.05.2010, Aktenzeichen VI R 53/09). Demnach können Lehrer/innen alle Bücher und Zeitschriften absetzen, wenn sie vornehmlich der Erfüllung dienstlicher Aufgaben (z.B. Unterricht) dienen. Aus der Pressemitteilung:
[...] Der Kläger unterrichtet an einer Realschule die Fächer Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Ethik. In seiner Einkommensteuererklärung machte er zunächst erfolglos Aufwendungen für Bücher und Zeitschriften geltend. Auf den Einspruch des Klägers ließ das FA pauschal 50 % der Ausgaben zum Werbungskostenabzug zu.
Die auf die Anerkennung sämtlicher Kosten gerichtete Klage wurde vom FG abgewiesen. Über die bereits anerkannten Aufwendungen hinaus könnten keine weiteren Bücherkosten steuermindernd berücksichtigt werden. Denn der Kläger habe es versäumt für jedes einzelne Buch konkret darzulegen, wann, in welcher Klasse, in welchem Fach, zu welchem Thema und in welchem Umfang, welcher konkrete Teil des jeweiligen Schriftwerks Eingang in den Unterricht gefunden habe. Außerdem handele es sich um Schriftwerke gesellschaftspolitischer und allgemeinbildender Art, so dass sich nicht ausschließen lasse, dass der Kläger die Bücher und Zeitschriften auch aus privaten Gründen erworben habe.
Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen. Das FG habe allein auf die Verwendung der Schriftwerke im Unterricht abgestellt und damit den beruflichen Veranlassungszusammenhag unzulässig verengt. Denn auch der Gebrauch der Literatur zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung oder die Anschaffung von Büchern und Zeitschriften für eine Unterrichtseinheit, die nicht abgehalten worden ist, könne eine ausschließliche oder zumindest weitaus überwiegende berufliche Nutzung der Literatur bei einem Pädagogen und damit den Werbungskostenabzug begründen. Das außerschulische Interesse des Klägers an anthropologischen und gesellschaftspolitischen Themen stehe dann der steuerlichen Berücksichtigung nicht entgegen.
Das FG hat nun für jedes einzelne Buch erneut zu untersuchen, ob es sich um einen Gegenstand der Lebensführung, um ein Arbeitsmittel oder um einen gemischt genutzten Gegenstand handelt. Hierzu sind die “Verwendungsanteile” genau zu bestimmen. Dies kann wie der Streitfall zeigt, sehr mühselig sein.
Bundesfinanzhof: Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers. Urteil vom 20.05.10 (Aktenzeichen VI R 53/09); Pressemitteilung Nr. 91 vom 27.10.2010, Hervorhebungen Lehrerfreund
Das bedeutet natürlich, dass bei Literatur, die sowohl aus privatem Interesse als auch aus beruflicher Notwendigkeit genutzt wird, eine rechnerische Aufteilung stattfinden muss. Ein/e Lehrer/in für Politik darf also beim Erwerb einer Zeitung sehr wohl für das Lesen des Politikteils steuerlich entlastet werden, ihre Lektüre der Teile "Wetter", "Boulevard" und "Sport" müssen jedoch herausgerechnet werden.
Der BFH konnte sich bei der Urteilsbekanntgabe nicht verkneifen hinzuzufügen, dass diese Einzelprüfung “sehr mühselig sein kann”.
In der Tat. Nicht ohne Grund schimpfen Privatleute und Unternehmen über ein aufgeblähtes Steuersystem, das beiden Seiten einen immensen Bürokratieaufwand abverlangt.
Was unter “Gegenstand der Lebensführung”, “Arbeitsmittel” und “gemischt genutzter Gegenstand” zu verstehen ist, wird im Urteil “Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers” (20.05.2010, Aktenzeichen VI R 53/09) präzisiert:
[...]
Abs. 9: 1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Zu den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigungsfähigen Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG). Arbeitsmittel sind Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen. [...]
Abs. 10: a) Nicht abziehbar sind jedoch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Anschaffungskosten können dann uneingeschränkt als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet. Daraus folgt, dass es für die Abziehbarkeit von Aufwendungen für beruflich genutzte Gegenstände, die auch privat genutzt werden können, bei der Entscheidung, ob nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebenshaltung vorliegen, im Allgemeinen weniger auf den objektiven Charakter des angeschafften Gegenstands ankommt, sondern vielmehr auf die Funktion des Gegenstands im Einzelfall, also den tatsächlichen Verwendungszweck. [...]
Abs. 11: b) Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch, wenn zu entscheiden ist, ob Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers zu würdigen sind. [...] Um Arbeitsmittel verneinen zu können, genügt es nicht, dass das FG für die Gesamtheit der angeschafften Bücher feststellt, es handele sich um Bücher, die auch von zahlreichen Steuerpflichtigen gekauft würden, die keine berufliche Verwendung dafür hätten [...] Es muss nach dieser Entscheidung vielmehr für jedes Buch einzeln untersucht werden, ob es sich um einen Gegenstand der Lebensführung oder um ein Arbeitsmittel handelt. Dabei kommt es auf die Verwendung des Buches gerade im Streitfall an. Erst wenn diese Untersuchungen zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, kann der objektive Charakter der Werke, der vom FG im Einzelnen darzustellen und zu würdigen ist, den Ausschlag geben.
Urteil des Bundesfinanzhofs: “Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers” (20.05.2010, Aktenzeichen VI R 53/09) (gekürzt), Hervorhebungen Lehrerfreund
Zentrale Punkte sind also diese:
- Nicht der Kläger muss für jedes einzelne Buch den Bezug zur Arbeit (Unterricht, Unterrichtsvorbereitung ...) konkret darlegen, wie das Finanzgericht ursprünglich gefordert hatte. Vielmehr obliegt es im Zweifelsfall den Finanzbehörden, diese aufwändige Untersuchung vorzunehmen.
- Bücher und Zeitschriften können auch dann als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn sie auch die “privaten” Interessen der Lehrer/in bedienen. Dies ist eigentlich eine triviale Erkenntnis: Welcher Musiklehrer interessiert sich nicht für Musik?
- Entscheidend für die Einordnung eines Buchs/einer Zeitschrift als “Arbeitsmittel” ist nicht allein die tatsächliche Verwendung im Unterricht, sondern auch “die Verwendung der Literatur zur Unterrichtsvorbereitung und Unterrichtsnachbereitung oder die Anschaffung von Büchern und Zeitschriften für eine Unterrichtseinheit, die nicht abgehalten worden ist” (Urteil, Leitsätze 2.).
Das Urteil des BFH präzisiert nicht, was unter “Unterrichtsvorbereitung” und “Unterrichtsnachbereitung” zu verstehen ist und ob dazu auch Weiter- und Fortbildung gehört. Viele Fächer erfordern eine umfassende Information auch an den Rändern der Bildungsplaninhalte. So ist es die Pflicht einer Deutschlehrer/in, über das aktuelle Geschehen auf dem Büchermarkt informiert zu sein und die Pflicht einer Sportlehrer/in, sich über aktuelle Entwicklungen der Outdoor-Szene auf dem Laufenden zu halten. Der klagende Lehrer, der die Fächer Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Ethik unterrichtet, dürfte bei den wenigsten Zeitschriften in Begründungsnot kommen: Selbst ein Playboy-Heft könnte er bei dieser Fächerkombination wahrscheinlich aus rein dienstlichen Gründen anschaffen.
Lehrer/innen sollten in ihren zukünftigen Steuererklärungen ihre Argumentationsspielräume nutzen und alle Bücher und Zeitschriften angeben, die sie zur Verbesserung ihrer Unterrichtsqualität angeschafft haben.