Der rasche Notenschlüssel

*ohne Gewähr

Notenschlüsselrechner Pro

Geschichte

Wissenskanon Geschichte: Bewertung und didaktische Ergänzungen 10.05.2006, 15:55

SchülerInnen sollen die wichtigsten "historischen Ereignisse und Epochen, Persönlichkeiten und Schlüsselbegriffe" (5 Seiten) auswendiglernen. So sollen Freiräume für einen offenen, handlungsorientierten Geschichtsunterricht entstehen. Der Ansatz ist geschichtsdidaktisch originell, sollte aber um konkrete Unterrichtskonzepte ergänzt werden.

Anzeige
Anzeige
  • (geändert: )

Das Konzept wurde inzwischen sehr stark weiterentwickelt und professionalisiert: segu - Geschichtsbuch online

Herr Dr. Christoph Pallaske hat einen “Wissenskanon Geschichte” auf insgesamt fünf Tafeln (also Seiten) zusammengestellt: eine Übersichtstafel (sozusagen das Allerallerwichtigste, die gesamte Weltgeschichte auf einer Seite) und vier weitere Tafeln, in denen die einzelnen Epochen von “Vor- und Frühgeschichte” bis “Neueste Geschichte” abgedeckt werden. Jede Tafel ist unterteilt in die drei Bereiche “Deutsche Geschichte”, “Europäische Geschichte” und “Weltgeschichte”.

Fachlich ist die Reduktion aus unserer Sicht sehr gut gelungen; eigentlich alle relevanten Schlüsselbegriffe und -Ereignisse sind übersichtlich zusammengefasst; in der Geschichte nach 1945 wurde allerdings ziemlich gespart.

Ausschnitt aus dem Wissenskanon Geschichte, Tafel 5 (20. und 21. Jahrhundert)

Sinn des Wissenskanons Geschichte

Der Wissenskanon Geschichte hat folgende Zielsetzungen:

  1. Er soll einen Rahmen setzen, in dem sich die Schüler/inne orientieren können, indem sie historische Persönlichkeiten, Konzepte, Ereignisse und Epochen einordnen können
  2. Er dient als verbindliches Faktengerüst - Jahreszahlen, Ereignisse usw. werden gelernt und abgefragt. Denn ohne solche Fakten gibt es keine Orientierung in der Geschichte (Punkt 1).

Beim heutigen Stand der Geschichtsdidaktik stellen sich einem da erst mal die Haare auf dem Rücken auf. Jahreszahlen “wie Vokabeln” auswendig lernen? Das klingt pädagogisch und didaktisch ordentlich reaktionär. Doch der Autor betont, dass der “Wissenskanon Geschichte” keine Rückkehr zu einem “positivistischen, faktenorientierten Geschichtsunterricht” sei:

Im Gegenteil soll mittels des Wissenskanons effizient und in kurzer Zeit ein grundlegendes Fundament historischen Grundwissens gelegt werden. Es verbleibt umso mehr Zeit für einen problemorientierten, die historischen Zusammenhänge erhellenden Geschichtsunterricht.

lehrer-online zum Wissenskanon Geschichte

Bewertung des Konzepts/didaktische Überlegungen

Intuitiv erscheint mir dieser didaktische Ansatz außerordentlich fragwürdig, denn auf den ersten Blick negiert er die geschichtsdidaktischen Fortschritte der letzten 35 Jahre. Tatsächlich fallen mir aber keine konkreten Kritikpunkte ein. Zwar steht an initialer Stelle die Holzhammermethode, ein sinnloses Auswendiglernen von Daten und Ereignisnamen. Dieses Auswendiglernen kann man SchülerInnen durchaus zumuten, zumal es die Gehirnwindungen fettet. Für den folgenden Geschichtsunterricht stellt dieser hohle Bezugsrahmen sicher einen wertvollen Unterbau dar, da neue Informationen und Erkenntnisse sinnvoll angedockt werden können. Die Lernpsychologie betont grundsätzlich den zentralen Stellenwert des Vorwissens für Lernerfolge.

Dazu bedarf es natürlich der präzisen Formulierung eines didaktischen Konzepts. Das fehlt bisher. Der bloße Verweis auf einen “problemorientierten, die historischen Zusammenhänge erhellenden Geschichtsunterricht” genügt nicht, wenn das Fleisch der Zusammenhänge am Skelett der Fakten haften bleiben soll (zumal das Merkmal “problemorientiert” gerne euphemistisch für “Lehrer-Schüler-Gespräch” steht). Die didaktische Erweiterung könnte z.B. in folgende Richtungen erfolgen:

1.
Inhalte werden in sehr kleine Unterrichtseinheiten aufgeteilt (z.B. “Französische Revolution”, “1933-1938” o.ä.).  Die Stoffvermittlung erfolgt parallel zur Zeitleiste in mindestens zwei Durchgängen, vom Allgemeinen hin zum Speziellen. Der erste Durchgang vermittelt also allgemeinere Sachverhalte und Zusammenhänge (je nach Thema sogar vorwiegend ereignisgeschichtlich), in den folgenden Durchgängen kommen Details hinzu (z.B. Quellenstudium). Je mehr Durchgänge, desto kleiner müssen die Einheiten sein, um keinen motivationalen Einbruch seitens der SchülerInnen zu riskieren. Pro Durchgang empfehlen wir eine Begrenzung auf maximal sechs Unterrichtsstunden.

2.
Seit einigen Jahren lassen die Lehrpläne zunehmend die Behandlung anthropologischer Themen im historischen Vergleich zu. Dieser diachrone Ansatz stellt eine sinnvolle Erweiterung der pallaskeschen Didaktik dar, da die einzelnen Inhalte jeweils an das Faktengerüst angehängt werden (z.B. “Kriege”, “Politische Systeme”, “Die mächtigsten Herrscher aller Zeiten”).

Wichtig ist in jedem Fall die sofortige Einbettung der eingeprägten Fakten in den Unterricht, da sie sonst vom Vergessensteufel aufgefressen werden und zudem den SchülerInnen die Laune versauen, da sie nicht verstehen, wieso sie jetzt kiloweise sinnlose Zahlen und Namen auswendiglernen mussten. Der Folgeunterricht muss sich stark auf die Vermittlung von Zusammenhängen und Gegenwartsbezügen konzentrieren.

Wahrscheinlich sollte im weiteren Verlauf auch darauf geachtet werden, dass nicht zu viele zusätzliche Einzeldaten vermittelt werden. Das Datum des Petersberger Abkommens oder Krönung Napoleons wird für die wenigsten SchülerInnen interessant sein, wenn es zusammenhangsreich in den Kontext eingebettet werden kann.

Fazit

Christoph Pallaske hat den Mut, einen neuen didaktischen Ansatz zu präsentieren, der konzeptuell archaische Vorstellungen von historischer Bildung mit Anforderungen einer modernen Pädagogik verbindet. Das Konzept ist auf jeden Fall erprobenswert, vielleicht sogar auf andere Fachbereiche sinnvoll übertragbar.

Es fehlt allerdings ein verbindliches didaktisches Konzept für die weitere Gestaltung des Unterrichts. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass LehrerInnen ihre SchülerInnen die Jahreszahlen zusammenhanglos auswendiglernen lassen.


Anzeige

Ihr Kommentar

zum Artikel "Wissenskanon Geschichte: Bewertung und didaktische Ergänzungen".



Wir speichern Ihren Kommentar dauerhaft ab (was auch sonst?). Mehr dazu in unserer ausführlichen Datenschutzerklärung.

Kommentare

4

Zum Artikel "Wissenskanon Geschichte: Bewertung und didaktische Ergänzungen".

  • #1

    Unsere Lehrerin quält uns gerade mit der Zeittafelgeschichte

    Was für ein Quatsch!!! Daten lernnen ist doch voll langweilig. Leben wir im 19. Jahrhrundert????

    Ich fordere: kein Geschi nur mit Daten!

    schrieb Kalle am

  • #2

    Eine tolle Idee - sie gibt den SchülerInnen einen guten Überblick - und hilft ihnen, Ereignisse besser einzuordnen!

    Danke

    schrieb anna am

  • #3

    Ein Hinweis: Den “WissenskanonGeschichte” gibt es nicht mehr - er hat einen neuen Namen: “zeittafelgeschichte”. Die Namensänderung wurde wegen grundsätzlicher Bedenken gegen den Begriff des Kanons vorgenommen.  Hier die Begründung, die man auch auf der Titelseite der zeittafelgeschichte nachlesen kann:

    “Die zeittafelgeschichte hieß früher WissenskanonGeschichte. Der
    Begriff Kanon ist auf berechtigte Kritik gestoßen. Er vermittelt den Eindruck,
    dass es allgemeingültige Geschichtsdaten gebe. Jede Auswahl von
    Geschichtsdaten ist aber immer eine subjektive Deutung. Der Begriff
    Zeittafel erhebt keinen solchen Anspruch. Die zeittafelgeschichte versteht
    sich als ein Werkzeug für einen fundierten Geschichtsunterricht und
    als Versuch, Bildungsstandards auf Ebene der Sachkompetenz in anschaulicher
    Form zu präsentieren.”

    Am Inhalt hat sich nichts geändert.

    Herzliche Grüße
    C.Pallaske

    schrieb C.Pallaske am

  • #4

    Als Autor des “WissenskanonGeschichte” habe ich zur sinnvollen und berechtigten Kritik des “Lehrerfreunds” eine kurze fachdidaktische Einordnung verfasst, die man jetzt bei LehrerOnline einsehen kann. http://www.lehrer-online.de/dyn/532595.htm und http://www.lehrer-online.de/url/wika-geschichte

    Die Einschätzung, dass es sich beim Wissenskanon um ein eigenständiges fachdidaktisches Konzept handelt, geht m.E. sehr weit. Vielmehr wäre es sinnvoll den Wissenskanon als einen Bildungsstandard auf kognitiver Lernzielebene zu verstehen und somit als Bestandteil der Formulierung eines Kerncurriculums. Der angemessene Anteil bei der Unterrichtsplanung und -gestaltung sollte höchstens - so meine gefühlte Obergrenze - 10 Prozent betragen. Keineswegs aber sollte die Arbeit mit dem Wissenskanon im Mittelpunkt des Geschichtsunterrichts stehen. Er soll vielmehr als Hilfsmittel benutzt werden einen gut fundierten, problemorientierten Geschichtsunterricht anzulegen.

    Zudem habe ich zwei Anregungen bzw. Fragen:

    1. Quiz

    Ich suche nach einer Möglichkeit die Geschichtsdaten des Wissenskanons in einem Quiz zu verarbeiten. Das Programm sollte aus einem Pool mit ca. 100 Fragen eine zufällige Auswahl von 10 Fragen mit zufälliger Reihenfolge treffen, damit man es im Sinne eines Vokabeltrainings als Schüler/in immer wieder neu starten kann. Mit HotPotatoes habe ich ein solches Quiz nicht erstellen können, da die Reihenfolge der Fragen immer gleich war. Wer kann mir einen Tipp geben oder kann mir vielleicht sogar eine Vorlage aus dem Bereich von Online-Vokabeltrainern geben?

    2. Wissenskanon für andere Fächer

    Ganz im Sinne des “Lehrerfreundes” ließe sich das Konzept auch auf andere Fächer übertragen. Zurzeit erstelle ich einen Wissenskanon für Politik/Wirtschaft. Wer hätte Lust zur Mitarbeit in anderen Fächern?

    Herzlichen Gruß
    C. Pallaske

    schrieb C.Pallaske am

Andere Lehrerfreund/innen lasen auch:

Anzeige
Nach oben

 >  1632 Einträge, 14796 Kommentare. Seite generiert in 0.1779 Sekunden bei 66 MySQL-Queries. 466 Lehrer/innen online (3 min Timeout / 1674) |