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Inflation im Schulsystem

Das Abitur wird immer einfacher 03.11.2014, 21:34

Diagramm (Schemabild)

Es gibt immer mehr Abiturient/innen mit immer besseren Noten - die Zahl der 1,0-Abischnitte steigt kontinuierlich. Einige Tatsachen zur Entwertung des Abiturs.

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  • (geändert: )

In Hinblick auf das Abitur sind in den letzten Jahren zwei wesentliche Entwicklungen zu beobachten:

1) Die Zahl der Abiturient/innen steigt mit jedem Jahr - 1992 machte jede/r Dritte Abitur, 2010 war es jede/r Zweite (mehr). Aktuellere Zahlen sind wegen G8 und der Doppeljahrgänge nicht eindeutig, der Trend besteht jedoch weiterhin.

2) Die Abiturnoten werden immer besser. Die Zahl der Abiturient/innen mit einem Schnitt von 1,0 explodiert förmlich. Von 2005 auf 2012 verdoppelte sich die Anzahl der Schüler/innen, die im Abitur eine 1,0 stehen haben (welt.de: Die gefährliche Entwertung des deutschen Abiturs). Auch der Gesamtschnitt wird bundesweit immer besser (wenige Ausnahmen, siehe z.B. hier: Abiturnoten - Das Berliner Wunder). In Lehrer/innen-Blogs wundert man sich, zum Beispiel Frau Henner:

2002 erhielten 17 Abiturienten in Berlin die sagenumwobene Note 1,0.
2012 waren es 234 Abiturienten.

Immer mehr immer bessere Abiturient/innen - dafür gibt es im Rahmen menschlicher Logik nur zwei vorstellbare Erklärungsansätze:

  • Entweder wird das Abitur immer einfacher - oder:
  • Die deutschen Schüler/innen werden immer schlauer.

Schon 2008 fragte sich der Lehrerfreund angesichts steigender Schülerzahlen am Gymnasium: Werden die Deutschen immer klüger?

Es spricht leider alles dafür, dass nicht die Deutschen immer klüger werden, sondern das Abitur immer mehr an Anspruch verliert. Wer regelmäßig bei der GBW (Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V.) vorbeischaut, weiß das - zum Beispiel:

In der Präsentationsprüfung beim Abitur werden nicht Fachkenntnisse bewertet, sondern Vordergründigkeiten (Struktur, Medieneinsatz, Präsentationsfähigkeiten etc.). Besonders beliebt ist Mathematik als mündliches Prüfungsfach - problemlos bestehen hier Schüler/innen, die nicht den geringsten Plan haben (lesenswert: Prof. H. P. Klein: Präsentationsprüfung - Notendumping beim Abitur).

Für viele Abituraufgaben reicht Lesekompetenz und ein bisschen Grips. Einige Belege:

>Die Fachhochschulreife befindet sich in einem Prozess der Inflation. Auf dem Arbeitsmarkt ist das seit einigen Jahren deutlich zu spüren - in immer mehr Ausbildungsberufen spielt das Abitur als Aufnahmevoraussetzung eine zunehmend wichtigere Rolle (z.B. Bankkaufmann, Medienkaufmann, Buchhändler, Mediengestalter).

Wohin der Trend geht, weiß niemand. Woher er kommt, lässt sich vermuten: Die selbstsüchtige Polit-Mafia klammert sich an die Macht - und um das durch G8 aufgebrachte Volk zu beruhigen, schüttet man gute Noten aus dem Füllhorn.

Oder gibt es eine andere Erklärung?

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Kommentare

11

Zum Artikel "Das Abitur wird immer einfacher".

  • #1

    Es mag sein, dass vereinzelt viele Punkte für Dinge vergebenen werden, die auch mit weniger schon ausreichend benotet wären.

    Aber zum Punkt der immer besseren Noten muss ich mir doch schon die Augen reiben: Seit Jahren werden die Lehrer dazu angehalten, Schüler individuell zu fördern, jeden dort abzuholen, wo er gerade steht. Der Unterricht muss binnendifferenziert sein und die Heterogenität der Schülerschaft muss eine Grundlage der Unterrichtsvorbereitung sein.
    Ich finde es vor diesem Gesichtspunkt her völlig normal - geradezu zwingend logisch -, dass die Noten nach oben gehen! Die Schüler werden doch einfach besser gefödert! Wie merkwürdig wäre es auch, wenn die Noten da blieben, wo sie vielleicht mal waren! Denn das hieße dann, dass all die guten Vorsätze, all die Förderung, letztendlich völlig irrelevant gewesen wären ...

    schrieb Eckbert am

  • #2

    Danke für diese Ergänzung!
    Gibt es online eine Möglichkeit, die Studie (oder eine Zusammenfassung) einzusehen?

    Gerne, der Text ist online frei verfügbar:
    http://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2011/05/artikel_kompetenzorientierung_sicher.pdf

    Beim Suchen des Artikels habe ich gerade noch festgestellt, dass die von mir genannte Prozentangabe nicht stimmte: Nicht die Hälfte, sondern rund zwei Drittel bestanden den Test. Ein Vergleich mit alten Abituraufgaben wurde leider nicht durchgeführt, sodass man nicht sicher sagen kann, ob die neuen Aufgaben tatsächlich leichter sind.

    schrieb Stefan Hartmann am

  • #3

    Danke für diese Ergänzung!
    Gibt es online eine Möglichkeit, die Studie (oder eine Zusammenfassung) einzusehen?

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #4

    “Neuntklässler bewältigen Zentralabiturarbeit im Leistungskurs ohne Probleme”

    Diese Aussage von Professor Klein sollte man nicht einfach unkritisch übernehmen. In Kleins Studie wurden nicht repräsentative Abituraufgaben einer nicht repräsentativen Gruppe von Neuntklässlern vorgelegt. Weniger als 50% der getesteten Neuntklässler konnten genügend Aufgaben lösen, um dieses “Mini-Abitur” zu bestehen. Nur einem von 27 Schülern gelang dies so “problemlos”, dass er gerade noch eine 1- erhalten hätte.

    Dies so zu interpretieren, dass Neuntklässler “das Abitur problemlos bestehen”, ist grotesk.

    Als “bestanden” stufte Professor Klein in seiner Studie übrigens auch Schüler ein, die eine 4- erhalten hatten - obwohl diese Note im Abitur doch eindeutig ein “nicht bestanden” ist!

    Kleins Vorgehensweise entspricht nicht den wissenschaftlichen Mindeststandards, die man von einem Professor erwarten würde. Die von ihm abgeleitete Interpretation ist polemisch und hat mit nüchterner und objektiver Wissenschaft wenig zu tun. Das ist schade, denn dass es mit den neuen Abituraufgaben ein Problem gibt, ist unbestreitbar. Dies jedoch mit unsauberen Ergebnissen und Polemik “beweisen” zu wollen, schadet der Sache mehr, als dass es ihr nutzt.

    schrieb Stefan Hartmann am

  • #5

    Dem kann ich nur beipflichten. Die jungen Leute verstehen es immer besser, unseren, das meint den erwachsenen Lebens-, Arbeits- und Denkstil, zu kopieren und zu perfektionieren. Bekanntlich besteht der aus einer übersteigerten Ergebnisorientierung und mündet in Effizienzsteigerungen, die in der Regel mit Ansprüchen an Qualität und Nachhaltigkeit unvereinbar sind.

    Wer wollte ihnen dieses Nacheifern verübeln? Zumal angesichts der grundlegenden Widersprüche, mit denen sie konfrontiert sind, sobald sich ihr Intellekt zur Reife entfaltet. In der 10. Klasse lernen sie im Mathematikunterricht, was eine Grenzwertbetrachtung und in anderen Fächern wozu der Blick ins Unendliche hilfreich ist. Weiterhin erschließt sich ihnen, etwa im Physikunterricht, dass die Erde ein geschlossenes System mit begrenzten physischen Ressourcen ist. – Wie sollen sie nun damit umgehen, dass an den Schaltstellen der Macht immer furioser ein Wirtschaftssystem befeuern wird, das auch beim allerbesten Willen keiner Grenzwertbetrachtung stand hält?

    Was tun in dem Alter, in so einer Ausgangslage! Einflussnahme durch Heranwachsende ist in Schule und Gesellschaft weder vorgesehen noch wird sie gebilligt. Rückzug mündet schnell in den sozialen und ökonomischen Absturz. So bleibt in dieser Misere keine Option jenseits der konsequenten Anpassung.

    Und nun ernten die erfolgreich an von UNS geschaffene Verhältnisse Angepassten von UNS kaum versteckten Hohn und Spott. Ist das anständig?

    schrieb Dipl. Psych. Thorsten Kerbs am

  • #6

    @Klaus Ruppersberg: Die Argumentation aus Punkt C ist doch aber höchst fragwürdig. Da könnten wir ja auch jedermann einen Führerschein in die Hand drücken, nur weil er unheimlich hilfreich und praktisch ist und das Leben leichter macht.
    Abgesehen davon: wenn es der politische Wille ist, jedermann mit dem Abitur zu entlassen, könnte man das Verfahren abkürzen, also Abi nach Klassenstufe 10, Prüfungen fürs Abi und davor abschaffen (Hauptschulabschluss und Realschulabschluss schafft ohnehin jeder), dadurch Steuergelder und Nerven sparen… ach ne, da war ja was. Abschlüsse haben die Funktion, späteren Arbeitgebern Anhaltspunkte zu geben hinsichtlich der Fähigkeiten der Bewerber!?
    Es geht hier nicht nur um die 1,0 im Abitur, sondern um jegliche Note, die nicht die eigentliche Leistung abbildet (sondern besser ist). Meines Erachtens werden bei dieser Debatte oftmals die Schüler vergessen, die tatsächlich gute Leistungen erbracht haben. Geschönte Noten sind unfair gegenüber den Schülern, die sich gute Noten hart erarbeitet haben bzw. sie tatsächlich verdienen, denn diese Schüler können ja keine bessere Note bekommen als die 1 oder haben Pech, wenn sie nicht Lehrers Liebling sind.
    Was die “Null-Bock-Generation” angeht: An meiner Schule chillt sie noch, von daher möchte ich Ihnen widersprechen.

    schrieb Christian Klemm am

  • #7

    Schön, so kann man es natürlich auch sehen. Nur - wozu dann noch “Abitur”? Dann seien wir doch so ehrlich und sagen: “X-beliebiger Schulabschluss”. Mit Abitur hat das dann ungefähr noch so viel zu tun wie Helene Fischer mit Placido Domingo. Ich bin gegen die ach so angesagte Verharmlosung und Relativierung gesellschaftlicher Maßstäbe und der Beliebigkeit von Normen, ohne die eine Gesellschaft nun einmal nicht funktioniert.

    schrieb thomas52 am

  • #8

    Ich könnte leicht genau diesem Trend entsprechende Mathematikaufgaben aus der Realschulabschlussprüfung beisteuern. Der schleichende Prozess der Aushöhlung unseres Bildungssystems begann aber schon vor 30 Jahren, als der so genannte “Elternwille” die Eignung eines Kindes für eine bestimmte Schulform ersetzte. Danach waren die Lehrkräfte angesichts steigender Zahlen von Kindern, die eigentlich für die Schulform nicht geeignet waren, gezwungen, das Niveau zu senken, denn der Druck von Eltern und Aufsichtsbehörde zwang dazu, die Versagerquote auf ein Mindestmaß zu senken. Wer sich ein Bild machen möchte, sollte sich die Mühe machen, einmal ein Mathematikbuch für die Sekundarstufe I von 1980 mit einem von heute hinsichtlich Anspruch und Umfang zu vergleichen. Danach erübrigt sich jede weitere Erläuterung!

    schrieb Christoph Riedel am

  • #9

    Ihre Überschrift ist leider genauso platt wie falsch: A) Wenn Sie einmal aktuelle Biologie-Abiturfragen (Klischee: Hund-Katze-Maus) anschauen, dann fallen Sie rückwärts in Ohnmacht. So ein Abitur hätten Sie sicherlich nicht bestanden, wenn Sie, wie ich, 55 Jahre alt sind. Von wegen einfach! In Latein hätten Sie wieder Recht, aber es ist eben so, dass die Welt sich geändert hat! Die 20 verschiedenen Dampfmaschinen aus dem Bergbaumuseum in Bochum kennt heute auch keiner mehr; man muss eben jede Generation das fragen, was gerade “hip” ist. B) Die “Null-Bock-Generation” ist abgetreten! Wir haben heute Schülerinnen und Schüler, die extrem ehrgeizig sind und spätestens mit Eintritt in die Oberstufe ihre Leistungen optimieren und die Lehrkräfte fragen: “Was muss ich tun, um 15 Punkte zu bekommen?” Die Lehrer sagen das, die Schüler erfüllen das, und fairerweise muss dann auch die entsprechende Bewertung kommen. C) In Prekariatsschulen dient die Vergabe des Abiturs auch dazu, um einen Bürgerkrieg im Stadtteil zu vermeiden. Wollen Sie den sozialen Frieden in Deutschland riskieren, indem Sie Noten vergeben, die mit dem Bildungsbürgertum vergleichbar sind? Doch wohl eher nicht! An der Uni trennt sich dann recht schnell die Spreu vom Weizen, aber das Abitur erfüllt eben auch eine gesellschaftliche Funktion und eröffnet Chancen. Was jeder einzelne daraus macht, ist ihm selbst überlassen. Und ich würde nicht sagen, dass Schüler aus bildungsfernen Schichten es leicht haben; sie haben es eher schwer, wenn die Eltern pizzaessend vor dem Hartz-IV-TV sitzen und Franzevase oder Malcom auffordern, den Lehrern mal so richtig contra zu geben. Insofern ist das Abitur insgesamt sehr vielschichtig, aber keineswegs leichter. Vielleicht können wir uns so einigen: das Abitur ist ein Abgangszeugnis, aber statt “allgemeiner Hochschulzugangsberechtigung” sollte man vielleicht besser sagen: “Berechtigung zur Teilnahme an einer Studiengangseingangsprüfung”?

    schrieb Klaus Ruppersberg am

  • #10

    Für die Aussage:
    “Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich im Fach Mathematik, wo eine Abituraufgabe Analysis gelöst werden konnte, “ohne überhaupt zu wissen, was Analysis eigentlich ist” (Hamburger Abituraufgaben und ‘Möglichst viele Schüler sollen das Abitur bestehen’).”
    findet man leider keinen Beleg in den Quellenangaben. Mich hätte die Aufgabenstellung aber schon interessiert, um mir ein fundierte Meinung bilden zu können.
    In dem ZEIT-Interview mit Herrn Klein heißt es: “... wie wir 2012 beispielhaft bei der Analyse
    einer entsprechenden Zentralabiturarbeit in NRW nachweisen konnten. Auch hier war es möglich, eine Teilaufgabe in Analysis lösen zu können, ohne überhaupt zu wissen, was Analysis eigentlich ist.”
    Das ist aber definitiv etwas anderes als oben behauptet wird (“Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich im Fach Mathematik, wo eine Abituraufgabe Analysis gelöst werden konnte, “ohne überhaupt zu wissen, was Analysis eigentlich ist”)  - oder muss ich den Unterschied erst noch erklären?

    schrieb Reiner Wadel am

  • #11

    Für die Aussage:
    “Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich im Fach Mathematik, wo eine Abituraufgabe Analysis gelöst werden konnte, “ohne überhaupt zu wissen, was Analysis eigentlich ist” (Hamburger Abituraufgaben und ‘Möglichst viele Schüler sollen das Abitur bestehen’).”
    findet man leider keinen Beleg in den Quellenangaben. Mich hätte die Aufgabenstellung aber schon interessiert, um mir ein fundierte Meinung bilden zu können.

    schrieb Reiner Wadel am

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