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Präsentationsprüfung - Notendumping beim Abitur 14.10.2014, 11:36

Powerpoint-Präsentation, Ausgangszustand

Das Abitur wird immer einfacher. Dazu trägt die relative neue Präsentationsprüfung im Abitur (in Hamburg auch wählbar als Klausurersatz in der zweijährigen Phase vor dem Abitur) bei. Prof. Hans Peter Klein hat diese neue als Schlüsselkompetenz ausgewiesene Prüfungsform genauer unter die Lupe genommen.

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Dies ist eine gekürzte und leicht abgewandelte Version des Beitrages »Ich glaube, ich bin in einem Paralleluniversum gelandet« (Link zur Vollversion als PDF) von Prof. Hans Peter Klein, erschienen in den Bildungswelten der FAZ vom 17.07.2014, S. 6. Wir danken dem Autor für die Genehmigung zur auszugsweisen Veröffentlichung!

"Ich glaube, ich bin in einem Paralleluniversum gelandet"

Wie schlechte Schüler im Abitur ihr Niveau kompetent verschleiern können - ein Blick hinter die Kulissen der Präsentationsprüfung

Betrachtet man die Entwicklung der Abiturientenzahlen, der Abiturdurchschnittsnoten und der Abiturbestnoten in den letzten Jahren, scheint es in den meisten Bundesländern nur noch eine Richtung zu geben: aufwärts. Auf kritische Nachfragen der Öffentlichkeit versichern die zuständigen Behörden, dass diese Zunahme der Quantität bei gleichzeitiger Erhöhung der Qualität auf immer klügere und fleißigere Schüler zurückzuführen sei. [...]

Aufschlussreich ist die in den letzten Jahren in mehreren Bundesländern im Abitur eingeführte Präsentationsprüfung, die in Hamburg verpflichtend von jedem Schüler als viertes Abiturfach zu absolvieren ist, während sie in Hessen als zusätzliches Abiturfach gewählt werden kann. Darüber hinaus kann der Schüler in Hamburg in den Qualifikationsphasen vor dem Abitur die Präsentationsprüfung als Ersatz für die eigentlich vorgeschriebenen Klausuren wählen. [...]

Ein Blick hinter die Kulissen solcher Prüfungen lohnt sich. Der Schüler kann das Fach für die Präsentationsprüfung in Absprache mit seinen Lehrern selbst aussuchen. Man sollte erwarten, dass Fächer wie Biologie oder die klassischen "Nebenfächer" bevorzugt gewählt würden. Erstaunlicherweise erfreut sich aber ausgerechnet Mathematik bei den Schülern immer größerer Beliebtheit. Integral- und Differentialrechnungen als Power-Point-Präsentationen? Warum sollten gute oder sehr gute Schüler hier die Präsentationsprüfung wählen? Überraschenderweise bevorzugen aber die Schüler diese Form der Prüfung, die in dem Fach schon während der gesamten Qualifikationsphase kaum ausreichende, meist nur mangelhafte oder ungenügende Leistungen nachweisen konnten. Wie ist das möglich?

Die Schüler wissen mittlerweile genau, wie der Hase in solchen Präsentationsprüfungen läuft. Der Schüler erhält in Absprache mit seinem Lehrer eine Aufgabe, etwa "Matrizen und ihre technische Anwendung" entsprechend den kompetenzorientierten Vorschriften. Der Schüler hat je nach Bundesland zwischen zwei und vier Wochen Zeit, die Präsentation vorzubereiten. Spätestens hier dürfte jedem klarwerden, wie das selbstorganisierte Lernen, das dem Schüler angeblich eine eigenständige Durchdringung abverlangt, wirklich abläuft. Die Eltern, der Nachhilfelehrer, der in Mathematik begnadete Mitschüler, der bekannte Mathematiklehrer oder gar Professor erstellen gemeinsam mit dem Schüler die Präsentation, und der Präsentierende wird auf das Thema konditioniert. Mittlerweile bieten nicht nur Ghostwriter im Internet längst Präsentationen für jedes gewünschte Thema an.

In der Präsentation selbst kann dann im ersten Teil der Prüfung kaum etwas schief laufen, denn nach den vorgegebenen Beurteilungskriterien kommt es hier weniger auf den Inhalt als auf die methodisch-technische Gestaltung und die fachunabhängigen Kompetenzen an: Strukturierung der Präsentation, sachgerechter Einsatz der Medien, Qualität der audio-visuellen Unterstützung, Präzision und logische Nachvollziehbarkeit der Darstellung, kommunikative Fähigkeiten sowie Reflexion über die gewählte Methode gehören zu den Beurteilungskriterien. Hat der Schüler flüssig gesprochen? Hat er sein Publikum auch angesehen? Hat er nicht von den Folien abgelesen? Hat er anspruchsvolle Grafiken verwendet? Hat er Literatur und Bildquellen richtig angegeben? Auch mit der Bewertung der Qualität und dem Umfang der fachlichen Information dürfte der Schüler, wenn man die externe Unterstützung zur Vorbereitung berücksichtigt, zumindest im ersten Teil der Prüfung kaum Probleme haben. Die Lehrer, die ja genau wissen, dass der vor ihnen vortragende Schüler von Dingen redet, von denen er in der Vergangenheit kaum etwas verstanden hatte, fühlen sich regelrecht vorgeführt. Aufgrund der Kriterien der Notenvergabe in den Präsentationsprüfungen kann kaum jemand schlechter beurteilt werden als mit einem "befriedigend" oder "gut", selbst wenn die Lehrer entgegen den Vorschriften mögliche inhaltliche Mängel im Kolloquium zur Präsentation stärker gewichten sollten als die Präsentation selbst. Die mündliche Präsentationsprüfung im Fach Mathematik, die sich bei Schülern mit mathematischen Defiziten förmlich aufdrängt, scheint nur deshalb eingeführt worden zu sein, um insbesondere leistungsschwachen Schülern in Mathematik eine für sie oftmals mehr als peinliche mündliche oder schriftlichen Abiturprüfung zu ersparen. Die Prüflinge, die sich ihrer mangelhaften Leistungen in Mathematik ja durchaus bewusst sind, können es auch kaum fassen, wenn sie am Ende der Prüfung eine mehr oder weniger gute Note bekommen, und posten in Facebook, sie hätten das Gefühl, sie befänden sich in einem "Paralleluniversum". Die Präsentationsprüfung erfreut sich aber auch in anderen Fächern bei immer mehr Schülern verständlicherweise immer größerer Beliebtheit. Der für die Aufnahme eines Studiums immer wichtiger werdende Notendurchschnitt lässt sich hier auf sichere Art und Weise leicht verbessern. [...]

Wenn selbst führende Vertreter der Bertelsmann Stiftung inzwischen eingestehen, dass es bei einer breiteren und gerechteren Bildungsbeteiligung notgedrungen zu Qualitätseinbußen kommen müsse, sei die Frage erlaubt, was daran gerecht sein soll, insbesondere fachliche Inkompetenzen als Kompetenzen auszuweisen. An innovativen und kreativen Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Abiturientenquote auf den von der OECD ausgegebenen Wert von bis zu 70 Prozent eines Jahrgangs scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. Ein Kollege aus Hamburg konstatierte diese Entwicklung kurz und knapp: "Aus der Sicht der Psychologie ist die Vermehrung der Abiturientenquote auf das von Ihnen genannte Niveau bei gleichzeitiger Erhöhung des Resultats die kognitive Form der alchemistischen Goldherstellung."

Beispiel für eine Schüleranfrage in einem Forum (Quelle: uni-protokolle.de 14.10.2010: Abi-Präsentation in Mathe - KRISE !):

Hey Leute,

ich hab ein klitze-kleines problemchen...!
Habe letzten Freitag (HESSEN) mein Thema für meine Präsentation in Mathe bekommen...bin eine absolute (ALSO WIRKLICH ABSOLUTE) niete in mathe und mir wurde von meinem lehrer empfohlen eine präsentation zu halten, weil ich dort mehr raus holen könnte als beim schriftlichen...

naja wie auch immer, mein Thema ist:

BERECHNUNG VON ABSTÄNDEN ZWISCHEN GEOMETRISCHEN OBJEKTEN IN DEN BEREICHEN DER ANALYSIS UND LINEARE ALGEBRA

Aufgabenstellung:

1. Stellen Sie anschaulich und rechnerisch die Berechnung von Abständen zwischen geometrischen Objekten in der räumlichen Geometrie dar. Berücksichtigen Sie dabei auch Kugeln.

2. Man kann das "Abstandsproblem" auch als Extremwetaufgabe auffassen und mit Mitteln der Analysis lösen. Verdeutlichen Sie dies an konkreten Beispielen.

3. Präsnetieren Sie eine anwendungsbezogene Aufgabe zum Abstandspoblem und stellen Sie beide Lösungsmethoden gegenüber.


PUH !

Also ich hab kein Plan was mein Lehrer da eigentlich von mir will, er hat mir stichpunkte gesagt wie zb die Hessesche Normalenform, oder abstand von sonne zu erde, oder abstand von zwei flugzeugen etc. ...

was haltet ihr so von dem thema? machbar? oder eher nicht?
könntet ihr mir evtl auch ein paar stichpunkte dazu sagen die euch einfallen?

Und wie ist das eigentlich im Kolloquium? weichen die fragen stark vom eigentlichen Thema ab? Also sollte ich zu anderen themen auch was wissen? oder reicht es wenn ich mich in meinem eigenen Thema perfekt auskenne?

Vielen, vielen Dank schon mal im vorraus,

lg Tara

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Kommentare

3

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  • #1

    In Ba-Wü haben die Schüler eine Woche Zeit, das gestellte Thema zu bearbeiten. Dieses Thema sucht nicht der Fachlehrer aus, sondern der Prüfungsvorsitzende, der von einer anderen Schule kommt. Er hat die Wahl aus 4 verschiedenen Themen, die der Schüler vorher in Absprache mit dem Lehrer formuliert hat. Der Schüler kann dabei auf seiner eigenen, möglicherweise schlecht formulierten Themenstellung bestehen. Es wird ihm aber dann meist nicht gelingen, sein Thema in 10 Minuten präsentieren zu können. Ich habe als Prüfungsvorsitzender schon Themen erlebt wie: “Der italienische Faschismus”. Das der Schüler an dieser Aufgabe in 10 Minuten scheitern musste, versteht sich von selbst. Deshalb sind alle Themen sind i.d.R. problemorientiert zu stellen. Für die Benotung gilt eine einfache Grundregel: Ist das Kolloqium nicht ausreichend, ist die gesamte Präsentationsprüfung mit nicht ausreichend zu bewerten. Eine 50:50 Regel verbietet sich also: Sehr gut präsentiert plus im Kolloqium nichts gewusst = befriedigend, gibt es laut den Bewertungskriterien nicht. Sehr zur Nachahmung empfohlen!

    schrieb rerhel am

  • #2

    Ich sehe das genauso: Die meisten Schüler wählen das schriftliche Abitur in Mathematik, weil es so viele Aufgabenbücher zur Vorbereitung gibt, dass nur noch sehr wenig schief laufen kann. Präsentationsprüfungen waren an meiner Schule sehr selten (1 von 150 Prüfungen) und gingen sehr oft “in die Hose”, weil die zu Prüfenden nicht auf Zwischenfragen vorbereitet waren.

    schrieb Reiner Wadel am

  • #3

    In der Regel ist der Lehrer schuld. Bin Lehrer an einem Gym. in Hessen (PoWi/Ge/EDV). An unserer Schule gilt der Grundsatz: “Unsinn gut präsentiert bleibt Unsinn”. Ob der Schüler im Thema ist finde ich im Kolloquium heraus. Die Aufgabenstellung im obigen Beispiel ist zudem unangemessen für eine Präsentation. Das ist eine Aufgabenstellung für eine mdl. Prüfung, für eine Präsentation ist die Aufgabenstellung viel zu kleinschrittig. Aufgabe einer Präsentation ist ein Thema zu gestalten, für schlechte Schüler denkbar ungeeignet- Wenn mich ein Schüler fragt ob mdl. oder schriftlich sage ich in der Regel,schriftlich in dem Fach in dem du unsicherer bist, da kann dich keiner durch dumme Fragen aus dem Konzept bringen.

    schrieb Horst Lehnert am

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