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G8

Umfrage: Eltern lehnen G8 ab 20.01.2008, 03:19

Die aktuelle Umfrage des Bildungsbarometers zeigt ebenso wie zahlreiche Proteste vor der Wahl in Hessen: Das deutsche Volk ist nicht zufrieden mit der Verkürzung der neunjährigen gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre (G8). Hat die Politik unsere Jugend wirklich auf dem Altar der Geldsparerei geopfert?

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G8 - für Eltern ein rotes Tuch

Eine Umfrage des ‘Bildungsbarometer’ (pdf) zur Akzeptanz des achtjährigen Gymnasiums (G8) zeigt, dass die (nicht besonders deutliche) Mehrheit der Bevölkerung mit der Verkürzung der Schulzeit unzufrieden ist; vor allem Eltern mit schulpflichtigen Kindern lehnen das G8-Konzept ab.

Auch im Vorfeld zu den Wahlen in Hessen regt sich Protest: In Fulda beschweren sich Eltern mit mehr als 1000 Unterschriften beim Kultusministerium gegen die Art und Weise, wie das G8 durchgedrückt wurde; in Wiesbaden marschieren Elfjährige “mit ihren Augenringen, mit ihren bleischweren Schulranzen und ihren frustrierten Eltern in der Landeshauptstatdt auf, schwenken Transparente mit der Aufschrift ‘Hessens Schulpolitik fällt durch den Eltern-TÜV’” - und die SPD verspricht, bei einem Wahlsieg das achtjährige Gymnasium sofort wieder abzuschaffen.

Warum das G8 eingeführt wurde

Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht (statt vorher neun) Jahre ist aus finanzieller Sicht erfreulich: Bundesweit werden zig Millionen Euro jährlich gespart, mit denen man viele sinnvolle Dinge tun könnte. Und natürlich zahlen die G8-AbsolventInnen theoretisch ein Jahr früher in die Renten- und Sozialkassen ein.
Dagegen wirken die öffentlich vorgebrachten Argumente für das G8 erhebend: Von internationaler Wettbewerbsfähigkeite ist die Rede und von einer umfassenden Reform der Schul- und Unterrichtskultur.

Warum Eltern das G8 ablehnen

Ausgangspunk aller Kritik ist die zeitliche und inhaltliche Überforderung der SchülerInnen durch unpädagogisch geraffte Lehrpläne. Kinder in der Sekundarstufe I haben bis zu 36 Stunden Unterricht in der Woche zzgl. Hausaufgaben und Vorbereitung auf Klassenarbeiten. Das sind doch durchaus mal 50 Stunden die Woche - für einen Zehnjährigen ganz schön harter Tobak.

Google-Suche, Stichwort 'Nachhilfe' (Vorschau - Klick aufs Bild zum Vergroessern

Familienleben und Freizeit bleiben auf der Strecke
Die FAZ wettert von der “gestohlene[n] Kindheit” - alles drehe sich seit G8 nur noch um die Schule, es bleibt keine Zeit für Freizeitaktivitäten (Sportverein, Musikinstrument, Kultur ...)
Bürokraten stehlen den Kindern ihre Kindheit. Sperren sie im Alter von elf, zwölf Jahren in ein Trainingscamp für Manager. Gegen alle pädagogische Einsicht. Gegen alle Erfahrungen, die Eltern für ein halbwegs gelingendes Familienleben geltend machen.

FAZ.net 19.01.2008: Roland Koch als Schulversager: Kinder an die Macht!

G8 ist sozial ungerecht

SchülerInnen und Eltern kommen alleine mit den rasant vermittelten Fachinhalten nicht mehr klar. Der Nachhilfemarkt explodiert - die Google-Suche nach “Nachhilfe” erinnert inzwischen an Suchanfragen wie “Preisvergleich DVD-Player” oder “Kontaktanzeigen Singles”: tonnenweise Anzeigen, die ersten Suchergebnisseiten sind ein Eldorado hoch kommerzialisierter, massenorientierter und meist auch unprofessioneller Nachhilfeinstitute.
Im G8 kann nur bestehen, wer sich Nachhilfe finanziell leisten kann. Damit verstärkt sich ein in der BRD sowieso schon vorhandener unguter Trend: Angehörige sozial schwacher Schichten haben im deutschen Bildungssystem weniger Chancen. Jetzt erst recht.

Verdichten statt reformieren
Statt die Chance zu einer umfassenden - und längst überfälligen - Reformierung des Schulwesens zu nutzen, wurde lediglich der Stoff der bislang neun Jahre auf acht Jahre verdichtet. Eine strukturelle und inhaltliche Überarbeitung der Lehrpläne hat nur unzureichend stattgefunden. Weiterhin erfreuen wir uns also an viel zu großen Klassengrößen und “miserable[n] Arbeitsbedingungen mit Pflichtstundenzahlen wie nach dem zweiten Weltkrieg”.
G8 trägt nicht zum Wohlergehen der Kinder bei

Der Stress des G8 wirkt sich nach Prof. Klaus Hurrelmann auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen aus:

Große Teile der Schülerschaft – wahrscheinlich größere als zuvor - geraten durch diese schulischen Anforderungen unter einen Bewährungsdruck. Hier kommt es dann zu Ausweichbewegungen, die Gesundheitsprobleme mit sich bringen können. [...]
Wir können – vor allem bei den Mädchen, die eher diese Variante wählen – mehr psychosomatische Störungen verzeichnen. Bei den Jungen sehen wir eine Zunahme von aggressiven Varianten bis hin zu sehr spektakulären Ereignissen. [...] Und es gibt eine dritte Variante, die zugenommen hat, das ist die Flucht in Medikamente, aber auch in legale und illegale Drogen. Diese Gewaltphänomene an Schulen – gerade auch an Gymnasien – halte ich nicht für zufällig. Die Zunahme von Alkoholexzessen – auch gerade bei Gymnasiastinnen und Gymnasiasten – sind die Spitzen, die zeigen, dass sich da ein Druck zusammenbraut. Um nicht missverstanden zu werden: Das hängt nicht ganz ursächlich mit G8 zusammen, aber die Schulzeitverkürzung hat diese Atmosphäre des Bewährungsdrucks an Schulen noch einmal hochgeschaukelt.

bildungsklick 11.12.2007: Macht das G8 die Kinder krank?

Kommentar

Der Protest am G8-Konzept ist zahnlos - denn wie bei Genfood und Markenschuhen aus Kinderarbeit bedient das G8 unsere Billiger! Schneller! Mehr!-Mentalität. Das ist das Erfreuliche an der ganzen Angelegenheit: So lange wir noch fett und billig konsumieren können, muss die Welt doch in Ordnung sein.

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Kommentare

10

Zum Artikel "Umfrage: Eltern lehnen G8 ab".

  • #1

    Ich glaube, daß die Verkürzung von Schulzeiten generell unbefriedigend sind für beide Seiten, sowohl für Schüler, als auch für Lehrer ist.

    Von außen betrachtet, ist das sogar sehr gefährlich für den Lernerfolg.
    Warum ? Dann schauen folgendes Video an, was das erschöpfend begründet.

    https://vimeo.com/67004416

    Grüsse aus der Ferne

    schrieb Franz Baldas am

  • #2

    Wegen G8 muss und will ich jetzt meine Schule mit meinen geliebten Freunden verlassen ! Ich halte den Druck auf dieser Schule nicht mehr aus und wechsel auf ein Berufskolleg OHNE G8. Ich hoffe, dass mich die Lehrer dort auch wie einen Menschen behandeln und nicht wie ein Objekt ;-) !

    schrieb Luisa am

  • #3

    Wir sind auch entschieden gegen G8. Deshalb haben wir eine Unterschriften Aktion gegen G8 ins Leben gerufen.
    Bitte helft mit und unterschreibt auf:
    http://www.az6-1.de/gegen-g8/

    schrieb AZ6-1 Team am

  • #4

    Ich finde, da ich ja schüler bin, das man wirklich keine Freizeit mehr hat.

    schrieb Julian Pilger am

  • #5

    In welche Berufe treten die G8-AbsolventInnen denn ein?!

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #6

    Wie töricht alle Argumente für und wider G8 aufgezeigt werden, wird durch Ihren Artikel überaus deutlich:
    “Bundesweit werden zig Millionen jährlich gespart” - Tatsächlich wird deutlich, dass die Kommunen sowie die Länder das Geld gar nicht haben, das für die “Mehr-Stunden”  des Unterrichts und für die Mittags- und Nachmittagsbetreuung notwendig werden.
    “Und natürlich zahlen die g8-AbsolventInnen theoretisch ein Jahr früher in die Renten- und Sozialkassen ein” - Diese Aussage ist purer Unfug. Denn tatsächlich zahlen diese Absolventen überhaupt nicht in die Rentenkassen ein, da sie in Berufe eintreten, in denen sie von solchen Zahlungen befreit sind.

    schrieb József Bogár am

  • #7

    “ohne hausaufgaben nach hause”- ministerpräsident oettinger (bawü) kündigt eine bildungsreform am achtjährigen gymnasium an, um die schüler zu entlasten”- so geschrieben in der heutigen badischen zeitung. lehrpläne sollen entrümpelt werden und die hausaufgaben komplett in die schule verlagert werden. so werden reformen beschlossen… ja, und baden-württembergs bildungsreformverve inform von hier und dort bisschen nachbessern, ist ja weitreichend bekannt…deshalb an dieser stelle allzu gutes zu erwarten, scheint fruchtlos. der notorischen unkerei anheim zu fallen, deprimiert… also stattdessen sei an dieser stelle auf die bundesweite initiative der schulerneuerer/-innen “treibhäuser der zukunft” aufmerksam gemacht, die im programm ihres fulminanten auftaktkongresses in hamburg verg. herbst formuliert:
    Erneuern können sich Schulen nur selbst. Aber sie können das nicht allein. Sie brauchen Gesellschaft. Sie brauchen Ideen und Unter-stützung, sie brauchen Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. Vor allem aber brauchen sie den Austausch untereinander. Damit können sie nur selbst anfangen. Es wird Zeit, dass sich die Intelligenz der Praxis selbstbewusst und in Würde zu Wort meldet. Sollen Schulen gelingen, dürfen sie keine geklonten Exemplare eines „richtigen“
    Modells sein. Jede lebendige Schule ist anders und doch sind sie alle verwandt. Man erkennt sie an „der Schönheit der individuellen Gestalt“, die Hartmut von Hentig „dem Ideal derEinheitlichkeit“ entgegen setzt. Werden sie institutionelle
    Individuen, gelingt ihnen etwas, das nur Individuen können: sie lernen. Das stärkste Gegengift zu Freudlosigkeit und Lernschwäche vieler Schulen sind Geschichten vom Gelingen. Sie werden jetzt vom Archiv der Zukunft – Netzwerk
    gesammelt http://www.adz-netzwerk.de
    was gibts da noch anzumerken…? ansehen !

    schrieb katharina walter am

  • #8

    Hier in Nordrhein-Westfalen genau derselbe Mist: überforderte Kinder, panische Eltern, frustrierte Lehrer. G8 ist eine einzighe Katastrophe.

    schrieb Jossi am

  • #9

    Dass es vor allem ums Sparen geht, sieht man bei uns in Schleswig-Holstein, wo G8 ab dem nächsten Schuljahr eingeführt wird: Die Schulen selbst sollen die Lehrpläne dafür zusammenkochen (“schulinternes Fachcurriculum”). Offensichtlich hat man keine Resourcen im Ministerium, um landesweite Lehrplankommissionen einzusetzen. Natürlich wird das alles damit verbrämt, dass jede Schule so viel individueller auf die Bedürfnisse ihrer Klientel eingehen und den Schülern so am ehesten gerecht werden könne. Individualisierung klingt doch toll!

    schrieb laempel am

  • #10

    Danke schön für die Zusammenstellung. Das ist alles so absurd, wenn man auf der Uni die eine Seite gelehrt bekommt und im Alltag das Gegenteil verlangt wird. Da kommt man sich reichlich schizophren vor.

    schrieb Hokey am

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