Hausaufgaben
Hausaufgaben sind nützlich. 01.02.2008, 00:05
Heute ist eine Studie im Internet aufgetaucht, derzufolge Hausaufgaben "überflüssig sind". Diese Erkenntnis klingt unglaublich, und tatsächlich: Sie ist es auch.
Die Meldung: “Hausaufgaben sind überflüssig!”
Am 31. Januar 2008 verbreitete sich im Internet wie ein Lauffeuer die Meldung: “Hausaufgaben sind überflüssig! [sic, mit Ausrufezeichen!]”. Zitiert wurde in der Regel eine über das idw verbreitete Pressemitteilung, die die Erkenntnisse von Prof. Hans Gängler zitiert:
Unglaublich!
Wir alle waren entsetzt. Generationen von SchülerInnen haben Tausende und Abertausende Stunden mittags am Schreibtisch verschwendet - alles umsonst? Am Morgen eine Formel lernen, sie mittags in einer Übung anwenden - bringt nichts? Vokabeln lernen - pure Zeitverschwendung? Einen Aufsatz schreiben, Verben konjugieren, die Innereien des Frosches auswendiglernen?! Es klingt wirklich unglaublich.
Wir unterstellen nicht, dass gepfuscht wurde - obwohl das in besten Kreisen nicht selten vorkommt (dradio.de: Mogelnde Forscher und ihre Motive; telepolis: Schlampen, Manipulieren, Fälschen). Besonders überraschend ist im aktuellen Fall jedoch das Untersuchungsdesign (zumindest das in der Presse kommunizierte): Bei der Studie handelt es sich um eine “Umfrage” unter Lehrern und Schülern und Eltern:
Hans Gänglers Umfragen unter Lehrern in Ganztagsschulen haben erbracht, dass etwa ein Drittel der Befragten zugab, gar nicht einschätzen zu können, ob Hausaufgaben überhaupt irgendeinen Effekt auf die Schüler hätten [...] 70 Prozent aller sächsischen Ganztagsschüler nehmen mehrmals in der Woche an Hausaufgabenbetreuungen teil. Professor Gängler hat die Wirkung solcher Angebote untersucht, die Aussagen von Lehrern, Schülern und Eltern gesammelt.
Lehrer, Eltern und Schüler können intuitiv wahrscheinlich keine wissenschaftlich sinnvolle Aussage darüber treffen, ob Hausaufgaben tatsächlich sinnvoll sind; die Information wird jedoch so verkauft (“Da ist es nach Ansicht der Wissenschaftler schon fast ‘empörend’ dass Lehrer überhaupt Hausaufgaben aufgeben” - Spiegel Online). Und damit bleibt von der wissenschaftlichen Untersuchung, die die Welt erschüttert, erst mal nichts als die Interpretationen von Prof. Hans Gängler.
Warum findet Prof. Gängler Hausaufgaben überflüssig?
Prof. Hans Gängler leitet seit mehreren Jahren Projekte rund um die Ganztagsschule (Übersicht bei der Forschungsgruppe Ganztagsschule (TU Dresden)). Das (wirklich unterstützenswerte) Bestreben, das Konzept “Ganztagsschule” zu pushen, hat offensichtlich dazu geführt, dass Äpfel mit Birnen verglichen wurden:
Die Erziehungswissenschaftler der TU testen zurzeit an zehn sächsischen Ganztagsschulen unterschiedliche Nachmittagsangebote. In zwei Schulen verzichten die Lehrer ganz auf Hausaufgaben in Deutsch, Englisch und Mathe und richten stattdessen Trainingsstunden ein, die sich an dem Leistungsniveau der Schüler orientieren. “Die Schüler erledigen hier keine Aufgaben - sondern sie arbeiten an ihren Defiziten und bekommen zusätzliche Lernmotivation,” sagt Andreas Wiere. Für die Forscher aus Dresden ein Modell mit Zukunft.
Spiegel Online 31.01.2008: Studie der Universität Dresden - Hausaufgaben bringen nichts
Dem klassischen Konzept “Hausaufgaben” wird von (bezahlten) Profis betreutes, individuelles Lernen gegenüber gestellt. Die Erkenntnis, dass hierbei mehr oder besser gelernt wird, ist trivial.
Fazit: Sind Hausaufgaben also überflüssig?
Auf der Basis von Vermutungen von Lehrern/Eltern/Schülern und auf Grund des Vergleichs “Hausaufgaben” - “betreutes Lernen” ist die Erkenntnis, dass Hausaufgaben überflüssig sind, keine wissenschaftliche Erkenntnis, sondern populistisches Gegröle, das von den publikumsgeilen Medien dankbar und unreflektiert aufgegriffen und verbreitet wird. Dabei würde ein sinnvolles Ganztagsschulkonzept Hausaufgaben tatsächlich überflüssig machen.