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Eigenartige Studie

Interaktive Whiteboards - Technikfetisch oder Unterrichtserleichterung? 23.11.2009, 14:38

Personen an interaktivem Whiteboard
Bild: Shutterstock

SMART Technologies, Marktführer im Bereich "Interaktive Whiteboards", verkündet, dass der Einsatz Interaktiver Whiteboards Lehrer/innen massiv entlasten würde - was Unterrichtsvorbereitung, Unterrichtsdurchführung und Leistungsbeurteilung betrifft. Damit würde durch den Einsatz interaktiver Whiteboards die Burnout-Quote bei Lehrer/innen gesenkt und der Staat könnte Millionenbeträge einsparen. Das stimmt so natürlich nicht.

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  • (geändert: )

Interaktive Whiteboards sind umstritten: Einerseits können sie eine wirkliche Bereicherung des Unterrichts darstellen - andererseits gibt es genug Schulen, bei denen das unter großen Tönen angeschaffte interaktive Whiteboard in einer Abstellkammer verrottet (mehr: Lehrerfreund 08.10.2008: Vom Sinn und Unsinn interaktiver Whiteboards im Unterricht).

Marktführer SMART Technologies (“SMART Board”) hat bei seinen White papers ein Dokument veröffentlicht, in dem auf empirischer Basis dargelegt wird, wie der Einsatz interaktiver Whiteboards die Arbeitsbelastung von Lehrer/innen verringern und damit - so die unübersehbare Implikation - die Burnout-Quote senken kann.

(Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf das Dokument “SMART Technologies - White Paper: Reducing stress in the classroom (pdf)”.)

Belastung von Lehrer/innen ist hoch und kostet Millionen

Die Argumentation ist einleuchtend: Weltweit sind Lehrer/innen psychisch stark belastet und fühlen sich gestresst:

In Kanada fühlen sich zwischen 15 und 45% der Lehrer/innen gestresst und ausgebrannt. 30% der Lehrer/innen in Großbritannien sagen, dass sie wegen der Arbeitsbelastung keine Zeit für soziale Aktivitäten haben; 85% sagen, dass die übermäßige Arbeitsbelastung ihre familiäre Situation negativ beeinflusst. In Schottland glauben 71% der Lehrer/innen, dass ihre Arbeit ihre Gesundheit ruiniert und zu starken Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen führt.

SMART Technologies - White Paper: Reducing stress in the classroom (pdf), S. 2 (freie und gekürzte Übersetzung: Lehrerfreund)

Die daraus resultierenden Behandlungskosten und Fehlzeiten verursachen in jedem Land jährliche Kosten in zweistelliger Euro-Millionenhöhe.

Das SMART-Dokument fokussiert bei der Nennung von Gründen vor allem auf Überforderung im Klassenzimmer: Im Unterricht müssen Schüler/innen mit unterschiedlichem Background und unterschiedlichen Leistungsniveaus gleichermaßen bedient werden. Einen entsprechenden Unterricht zu entwickeln und abzuhalten erfordert viel Zeit für die Unterrichtsvorbereitung (S. 3). In der konkreten Umsetzung werden dann doch viele Schüler/innen nicht erreicht bzw. arbeiten nicht mit.

SMART: “Interaktive Whiteboards verringern die Arbeitsbelastung von Lehrer/innen”

Und jetzt kommt das, was man schon geahnt hat, nämlich das Kapitel “Wie interaktive Whiteboards dabei helfen, die Arbeitsbelastung von Lehrer/innen zu senken” (S. 3). Dort liest man, dass Interaktive Whiteboards zu
- effizienterer (und kürzerer) Unterrichtsvorbereitung (S. 3),
- gemeinsamer Nutzung von Inhalten (S. 4),
- schülergemäßerem Unterricht (S. 5),
- besserem und flexiblerem Unterricht (S. 5f) und
- mehr Disziplin im Klassenzimmer (“Reduced anxiety”) (S. 6) führen (können).

Alle Punkte klingen höchst erfreulich. Ob sie in der Praxis zutreffen, ist zu bezweifeln (s. Whiteboard-Lügen, Beispiel-Unterrichtseinheit). Besonders deutlich zeigt sich das am letzten Punkt “Reduced anxiety”):

Gerade Berufseinsteiger haben bisweilen Probleme mit der Disziplin im Klassenzimmer. Viele Lehrer/innen fühlen sich unsicher, wenn die Schüler/innen nicht permanent auf das aktuelle Unterrichtsthema konzentriert sind. Es gibt Forschungsergebnisse, die zeigen, dass die Verwendung eines Interaktiven Whiteboards hier Abhilfe schaffen kann und die Unsicherheit der Lehrer/innen vor der Klasse mindern kann.

Die Universität Virginia berichtet aus einer Studie, dass kleinschrittig ausgearbeitete Unterrichtseinheiten (“detailed lessons”) auf dem Interaktiven Whiteboard der Konzentration der Schüler/innen aufs Unterrichtsthema zuträglich waren. Allein die Tatsache, einen genauen Unterrichtsplan zu haben, reduzierte den Stress der Lehrer/innen. Wenn Diskussionen oder Unterrichtsstörungen den geplanten Unterrichtsgang unterbrachen, konnte die Konzentration aufs Thema wieder hergestellt werden, indem die Lehrer/in durch Antippen des interaktiven Whiteboards im Unterrichtsgang fortfuhr.

SMART Technologies - White Paper: Reducing stress in the classroom (pdf), S. 6 (Hervorhebungen, freie und gekürzte Übersetzung: Lehrerfreund)

Diesen Ausführungen liegt folgendes Verständnis von effizienter Unterrichtsvorbereitung und gutem Unterricht zugrunde:

1. Powerpoint-Syndrom: Verkürzung der Zeit für Unterrichtsvorbereitung führt zu schlechterem Unterricht

Das Argument “kürzere Zeit für Unterrichtsvorbereitung” wird von der Whiteboard-Lobby gerne vorgebracht. Wer schon einmal eine Powerpoint-Präsentation gehalten hat, der/die weiß, wie es am schnellsten geht: Digitale Inhalte auftreiben (Web, DVDs ...), in Listenform in eine Folie kopieren, vorlesen. Kein Wunder, dass sich auf diese Art und Weise auch die Unterrichtsvorbereitung mit dem Interaktiven Whiteboard verkürzt. Dabei wird der Unterricht allerdings so mies, dass hier ein neuer Stressfaktor aufkommt: Schlafende oder undisziplinierte Schüler/innen.

Genau dieses Konzept ist gemeint. Das zeigt sich in der Aussage, dass Lehrer/innen sich vor der Klasse sicherer fühlen, wenn sie einen detaillierten Plan haben. Dies impliziert eine Vorstellung von Unterricht, in der ein Plan als unumstößlicher Rahmen für den Unterricht dient. Offene Unterrichtsformen sind nach dieser Darstellung die Saat der Disziplinlosigkeit.

2. Vertreter Interaktiver Whiteboards promoten frontale Konzepte

Wie schon hier gezeigt, überwiegt bei Unterrichtseinheiten mit Interaktiven Whiteboards häufig die frontale Dimension. Die Vorstellung, die Klasse wieder auf Linie zu bringen, indem man eine Folie weiterschaltet, ist didaktischer Frevel - wird aber im vorgestellten Dokument als Gewinn verkauft.

Didaktischer Schrott

Und wieder zeigt sich, dass das Problem nicht das Interaktive Whiteboard an sich ist, sondern das didaktische Konzept. Man könnte genau den gleichen Schrott über den Overhead-Projektor schreiben: Wer mit 45 Folien in den Unterricht geht, hat keine Minute der Unsicherheit. Die Folien lassen sich mit Wikipedia innerhalb von 10 Minuten generieren. Wenn die Klasse spinnt, kann man einfach eine Folie auflegen und zum Thema zurückkehren.

Die Gemeinde der Anhänger Interaktiver Whiteboards ist riesig, täglich werden es mehr. Kaum eine Schule, in der nicht irgendwo ein Interaktives Whiteboard steht. SMART und Promethean brüsten sich mit Communities, wo Lehrer/innen Inhalte austauschen. Warum aber gelangen kaum taugliche Konzepte an die Öffentlichkeit? Warum tauschen die Lehrer/innen in den Communities nur ausgefeilte Applikationen aus, deren frontaler Charakter geradezu abstoßend ist?

Die Antwort liegt auf der Hand: Kaum eine/r ist im Stande, dem Technologie-Fetisch zu widerstehen und das Interaktive Whiteboard als einen Bestandteil seines Unterrichts zu sehen - zumal es auch einfacher ist, den Schüler/innen statt konventionellen Unterrichts eine Art interaktive Sesamstraße zu bieten.

Glauben wir also nicht allen Nachrichten, die die Lobby der Whiteboard-Branche verstreut, sondern hoffen wir lieber darauf, dass Interaktive Whiteboards im Schulbetrieb möglichst bald zur Normalität werden. Dann wird auch diese Frontalspinnerei aufhören.

gefunden bei TeachersNews 23.11.2009: Elektronische Wandtafel reduziert Lehrer-Stress

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Kommentare

10

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  • #1

    Hallöchen
    Ich habe von 2007 bis 2009 in Düsseldorf ein Gymnasium gebaut, welches ohne Kreidetafel auskommt. In jedem der 36 Klassenräume hängt ein Smartboard. Sowohl die Lehrer als auch die Schüler sind drahtlos vernetzt, wenn sie möchten und können damit wunderbaren Unterricht machen. Warum? Sie haben es von mir gelernt! Ein Tafelbild wird nie wieder abgewischt. Es wird abgespeichert und kann jederzeit auf die Wand geladen werden. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Einen kurzen Bericht was ich da gemacht habe, gibt es hier zum Download http://www.videotrainingsworkshop.de/neuesamfcg.zip

    schrieb Dirk Küpper am

  • #2

    Liebe Leser ...

    seit ein paar Wochen hat unsere Schule, im Rahmen des Projektes “Medienkompetenz macht Schule” des Landes Rheinland-Pfalz, ein Interatkvie Whiteboard bekommen ... allerdings von Promethean ;-).

    Ich bin zwar kein Computernerd aber zumindest ein sehr aktiver Computernutzer und so habe ich mir relativ bald die Tafelsoftware auf meinen Laptop installiert und in Chemie (Klasse 10) und Mathe (Klasse 12) über zwei Wochen hinweg Unterricht mit der Tafel abgehalten.

    Da auf dem ZUM-Wiki (siehe Link unter meinem Namen) bereits das Thema IAW angesprochen wurde habe ich mich entschlossen, meine Erfahrungen und gesammelte Tipps nicht nur schulintern festzuhalten sondern für alle zu präsentieren. Damit eben auch andere Kollegen ihre Erfahrungen und Ideen ergänzen können.

    Was das Thema Stress betrifft:
    Wenn ich mich natürlich intensiv vorbereite, so habe ich im Unterricht nicht mehr viel zu tun ... aber so ist es eigentlich auch bei “normalem” Unterricht.
    Meine Flipcharts für Chemie haben mir allerdings ziemlich viel Zeit zu Hause abverlangt. Doch da ich diese Flipchart sicher noch einige Male verwenden werde und hat sich der Aufwand sicher gelohnt.

    Ein Austausch von guten Tafelbildern wäre sicher auch sinnvoll, aber die Seiten von Promethean und SmartTech sind mit eher weniger guten Beispielen gefüllt.

    Also ... wer gute Ideen hat, kann sie auf dem ZUM-Wiki (nach Anmeldung ergänzen). Ebenso sind Informationen, Quellen uvm. zum Thema erwünscht.

    Grüße, Birgit Lachner

    schrieb Birgit Lachner am

  • #3

    Hallo Lisa Rosa,

    ich stimme Ihrem Kommentar vollkommen zu. Die Einführung von neuen Technologien sollte mit entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen und Zeit zum Experimentieren und Reflektieren begleitet werden. Das gilt sowohl für interaktive Whiteboards wie auch für Netbook-Klassen oder den Einsatz von Web 2.0 in der Schule. Übrigens vielen Dank für Ihren tollen Blog und die darin zu lesenden Reflektionen. :)

    Beste Grüße,
    Christian Kohls

    schrieb Christian Kohls am

  • #4

    Sehr geehrte Frau Lüttgen,

    die Arbeit sowohl mit der Kreidetafel als auch mit dem interaktiven Whiteboard ist ein ganz typisches Szenario. In anderen Szenarien wird nur noch mit den interaktiven Whiteboards gearbeitet. Die Literatur gibt hier unterschiedliche Empfehlungen. Ich denke, es kommt immer auf den Anwendungskontext und die jeweiligen Präferenzen und Methoden an.

    Zu ihrem Problem: Da die Schüler sehr gerne mit der interaktiven Tafel arbeiten, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie diese beschädigen. Gegen mutwillige Zerstörung ist natürlich kein Kraut gewachsen – aber auch jede Kreidetafel lässt sich mutwillig zerstören. Bei SMART gibt es für den Fall der Fälle eine Vandalismusgarantie.

    Beste Grüße,
    Christian Kohls

    schrieb Christian Kohls am

  • #5

    Ehrlich wäre zu sagen: Die interaktive Tafel KANN zu einer Arbeitserleichterung und Stress-Entlastung führen/beitragen/anregen. Aber erst dann, wenn eine neue Art von Lernprozessgestaltung gelernt wurde. Dafür, um eben diese zu lernen, brauchen die Lehrer Zeit, und das ganz unabhängig davon, ob es ein Smartboard gibt oder nicht.
    Es ist also ganz klar so: Wer IN ZUKUNFT gelassen und streßfrei (und dabei guten!) Unterricht machen möchte, muss HEUTE eine Menge Zeit investieren, um das zu lernen. Die Lehrer, deren Ausbildung schon lange zurückliegt, müssen das neu lernen. Ihr einiziger Vorteil gegenüber den jetzigen Referendaren ist ihre Routine, denn nur mit ihr können sie das Geschäft überhaupt wuppen. Diese Stärke ist zugleich jedoch auch ihre Schwäche, denn Routinen sind Hindernisse für Innovationen. Erst dann, wenn genügend ZEIT gegeben wird, für Experimente, Neulernen von Lehren, für Innovationen, erst dann können die Lehrer ihre alten Routinen loslassen. Denn wenn sie es täten ohne diese LERNZEIT bekommen zu haben, würden sie sich sehr gefährden.
    ZEIT, verringerte Arbeitszeit mit der Auflage, alte Routinen infrage zu stellen und Neues zu lernen und zu experimentieren (im Feld der Nichtplanbarkeit von Lernen z.B.), ist der Schlüssel. In Finnland hat man ihn seinerzeit genutzt und für die große Schulreform vor jetzt schon über 15 Jahren, den Lehrern auf Jahre hinaus 1. Entlastung von Unterrichtsstunden gegeben (und zwar erheblich), und 2. Die Klassengrößen reduziert (und zwar erheblich). Es gibt keinen anderen Weg. Weder Neue Medien alleine, noch Ansage von oben alleine, noch guter Wille und Engagement von unten alleine bringts.

    schrieb Lisa Rosa am

  • #6

    Sehr geehrter Herr Kohls,
    bei uns taucht nun noch ein ganz neues Problem auf.
    Einige Klassen dürfen aus Brandschutzgründen nicht mehr abgeschlossen werden. Somit ist nicht auszuschließen, dass Schüler sich unbeaufsichtigt im Klassenraum aufhalten und somit auch ein teures Whiteboard beschädigt wird. Wir werden uns weitere Anschaffungen für Whiteboards gut überlegen müssen.
    Im übrigen arbeite ich lieber sowohl mit Tafel als auch mit Whiteboards.
    Freundliche Grüße
    I.Lüttgen

    schrieb Lüttgen,Irene am

  • #7

    Hallo Herr Metz,

    vielen Dank für Ihre Antwort. Ich denke, unsere Ansichten liegen da gar nicht so weit auseinander. In jeden Fall sind wir uns darüber einig, dass interaktive Whiteboards im Unterricht nur Sinn machen, wenn sie eine Verbesserung des Unterrichts bedeuten. Sonst wäre die Investition gar nicht zu rechtfertigen.

    Eine Tafel ist selbstverständlich auch immer ein frontales Medium. Ich denke nur, dass frontale Medien nicht automatisch zu Frontalunterricht führen. Ein Beispiel (ganz ähnlich den von Ihnen genannten Tipps): Zur Aktivierung der Schüler kann ein Video eingesetzt werden, um Betroffenheit zu erzeugen. Anschließend wird ein Arbeitsauftrag auf der nächsten Tafelseite dargestellt. Die eigentliche Arbeit erfolgt dann in der Gruppe, in Partnerarbeit, Stationenarbeit (die interaktive Tafel könnte hier eine Station sein) oder in Einzelarbeit. Am Ende präsentieren die Schüler ihre Arbeitsergebnisse an der interaktiven Tafel. Aktivierung und Ergebnissicherung sind dann sinnvoller Weise frontal, da diese Aktivitäten alle Schüler in gleicher Weise betreffen. Das eigentliche Erarbeiten oder Anwenden von Wissen erfolgt nicht frontal.

    Ich denke, dass sich durch das Sammeln von guten Materialien – Aufgaben, Gedankenanstöße Quellentexte usw. – tatsächlich Zeit einsparen lässt. Man muss nicht ständig das Rad neu erfinden und kann auf Bewährtes zurückgreifen oder bestehendes Material verbessern/anpassen. Dadurch gewinnt man Zeit, um neue Inhalte und Möglichkeiten zu entwickeln und auszuprobieren. Die Zeiteinsparung stellt sich aber erst mittelfristig ein. Zunächst bedeutet das Umstellen der Materialien, das Kennenlernen und Ausprobieren der neuen Technologien eine persönliche (Zeit-)Investition. Ich denke auch, dass der Stress vor allem reduziert wird, wenn man auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Schüler besser eingehen kann.

    Das Hauptziel beim Einsatz interaktiver Whiteboards ist die Verbesserung des Unterrichts, indem Lehrern neue Möglichkeiten gegeben werden. Die Inhalte an der Tafel sind plötzlich nicht mehr statisch sondern können gemeinsam verändert und restrukturiert werden.

    Auch das Zeigen und Erklären wird mit interaktiven Medien meiner Ansicht für den Lehrer erleichtert, weil er/sie auf frühere Tafelseiten zurückspringen kann, die Inhalte der letzten Stunde noch einmal anzeigen kann oder durch Werkzeuge wie das Spotlight die Aufmerksamkeit der Schüler lenken kann, um deren kognitive Aktivität auf die gerade behandelten Inhalte zu konzentrieren. Zeigen und Erklären halte ich für ein notwendiges Element des Unterrichts. Diese Form ist in der Tat frontal und umso mehr muss man sich Gedanken darüber machen, wie man auch in frontalen Settings die Schüler aktivieren und einbeziehen kann. Wenn ich selbst in der Gruppe Ideen entwickle, dann visualisiere ich diese auch an der Tafel, um sie für alle sichtbar zu haben.

    Ich bin aber vollkommen ihrer Meinung, dass es nicht nur darum gehen kann einfach alle Klassenzimmer mit interaktiven Whiteboards auszustatten, sondern dass eine sinnvolle Anwendung bestehender erfolgreicher didaktischer Konzepte und das Entwickeln neuer Ideen nötig sind, um das Potenzial voll auszuschöpfen. Hier möchte ich noch einmal mein Angebot bekräftigen, hier zusammenzuarbeiten. Dabei geht es nicht darum, unser Produkt zu bewerben sondern die installierten Boards noch sinnvoller einzusetzen. Daher noch einmal herzlichen Dank für Ihre Antwort.

    Freundliche Grüße,
    Christian Kohls

    schrieb Christian Kohls am

  • #8

    Hallo Herr Kohls,

    tatsächlich haben wir schon einige, teilweise sehr kritische Beiträge zu Interaktiven Whiteboards veröffentlicht. Dabei behaupten wir nie, dass Interaktive Whiteboards nicht eine höchst erfreuliche Bereicherung des Unterrichts darstellen (können). Unsere Kritik geht dahin, dass von den Missionar/innen dieser Technologie didaktische Konzepte verbreitet werden, die scheinbar “smart” und modern sind, bei näherem Hinsehen aber antiquierte frontale Konzepte abbilden. Das ist ja auch nicht verwunderlich: Das SMART-Board (genau wie andere Interaktive Whiteboards) ist nun mal eine interaktive Tafel und kein Gruppenarbeitstisch - also ein frontales Medium.

    Lehrer/innen benutzen frontale Medien viel häufiger, als die moderne, multikompetenzbezogene Didaktik es vermuten lässt - allein der Overhead-Projektor! Die Lehrer/innen zeigen Folien und Bilder, die Schüler/innen schreiben auf diesen Folien; die Schüler/innen fassen Arbeitsergebnisse auf Folien zusammen oder ordnen Folienschnippsel usw. usf. Endlich gibt es eine Möglichkeit, dazu ein digitales Medium zu benutzen - ein Interaktives Whiteboard. Und man kann gleichzeitig noch Videos abspielen, das Internet bedienen oder perfekte gleichschenklige Dreiecke zeichnen. (Auch) aus diesem Grund steht dem Markt für Interaktive Whiteboards ein permanenter Boom bevor. Es ist eine Frage der Zeit, bis in jedem Klassenzimmer ein Interaktives Whiteboard steht und man dafür die grüne Tafel und den OHP vermisst. Die Hersteller verdienen sich eine goldene Nase, und das zu Recht - sie stellen immerhin neue technische Hilfsmittel her, die die Schule dringend braucht. Zumal eine Schule, die bereits drei ordentlich funktionierende Boards eines Anbieters hat, bei der Anschaffung weiterer Boards möglichst darauf verzichten wird, auf einen anderen Anbieter umsteigen zu müssen.

    Nun ist klar, dass man - gerade angesichts der schon jetzt gigantischen Umsätze - eine moderne, hippe, teure Tafel nicht einfach als Ersatz für Schultafel und Beamerwagen vermarkten kann. Durch die Flexibilität Interaktiver Whiteboards fällt es natürlich leicht(er), den Unterricht durch einfache (!) Mittel interessanter und vielfältiger zu gestalten (der Beitrag Unterricht mit interaktivem Whiteboard - 3 Tipps zum Einstieg fasst wesentliche Aspekte zusammen). Aber auf diese Ebene zielt das Marketing der Herstellerfirmen nicht ab. Statt dessen vermarktete man das eigentlich doch so attraktiv einfache Medium als Wundermittel der Schüleraktivierung, der Lehrergesundung und der Unterrichtsverbesserung. 

    Genau das ist es, was zwar die Absatzzahlen steigert, jedoch die didaktische Innovation hemmt. Ich kenne buchstäblich zig Lehrerkollegien, in denen das schuleigene Interaktive Whiteboard von den zwei Computernerds benutzt wird (und das sogar richtig gut). Für die restlichen 40 Lehrer/innen ist das Board nichts weiter als eine riesige Enttäuschung. Denn man hat es ihnen verkauft mit dem Versprechen, dass es die Zeit für die Unterrichtsvorbereitung minimieren würde, dass die Schüler/innen begeistert sein würden, dass die Disziplin im Klassenzimmer zunehmen würde - all das ist nicht eingetreten. Die meisten waren ja eh schon abgeschreckt, als sie in den ersten 30 Minuten Dinge wie “Handschrifterkennung”, “in Moodle zur Verfügung stellen” oder “den Schülern mailen” zu Ohr bekamen. Hätte man den Leuten das Ding als “Schultafel, die auch Videos abspielen kann” verkauft und erklärt, wäre das vielleicht anders gelaufen.

    Die Geschichte des Interaktiven Whiteboards verläuft ganz analog zu der der Lernplattform. Ende der 90er Jahre wurden im Kielwasser des technologischen Fortschritts Lehr-Lernplattformen populär und flächendeckend interessant für Bildungseinrichtungen. Vor allem in den Hochschulen tobte der Kampf um die Rosinen - kommerzielle Anbieter konkurrierten mit freien Produkten. Die Lernplattform wurde zum “Learning-Management-System” - und aus einer schönen Möglichkeit, endlich mal unkompliziert die notwendigen Dokumente für alle ablegen zu können und evtl. ein bisschen Kollaboration betreiben zu können, wurde ein riesiger Irrsinn aus virtuellen Klausuren, Evaluationen und kafkaesker Nutzerverwaltung. In Hochschulen werden Learning-Management-Systeme in erster Linie dazu benutzt, Files abzulegen und ein wenig virtuelle Kommunikation zu betreiben. Aber davon hört man natürlich weniger, als von den Instituten, die ganze Veranstaltungen inklusive Klausur auf einem LMS durchführen. Im Regelschulbetrieb werden Lehr-Lernplattformen quasi nicht benutzt. Ein Kommentar von Martin Ragg (reticon.de fasst es so schön zusammen:

    Dabei betrifft das aber glaube ich weniger Moodle als ganz allgemein das Thema “E-Learning”. Häufig wird eben nicht mehr als Dokumentenaustausch und Diskussionsmöglichkeit gefragt. Das ist nur zu einem Bruchteil E-Learning und die ganzen E-Learningplattformen sind da einfach eine Nummer zu groß.
    (Kommentar #1 zu Alle reden über Moodle - und keiner benutzt es)

    Ähnlich sehe ich die mittelfristige Entwicklung im Bereich der Interaktiven Whiteboards. Die Welt muss erfahren, dass Interaktive Whiteboards die geniale Weiterentwicklung der Tafel, des OHPs und des Beamerwagens sind, und alle Schulen sollten schleunigst auf solche Boards umsteigen - allerdings erst wenn sie wissen, was sie damit tun wollen. Das Burnout-Risiko zu vermindern oder die Zeit zur Unterrichtsvorbereitung zu minimieren wird definitiv nicht dazu gehören - das kann man auch durch den geschickten Einsatz eines Kugelschreibers erreichen.

    Vielen Dank für Ihren Diskussionsanstoß,
    Berthold Metz

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #9

    Lieber Lehrerfreund,

    zunächst freuen wir uns darüber, dass eine Publikation von SMART soviel Aufmerksamkeit erhält und so kritisch kommentiert wird. Wir möchten diese Gelegenheit sehr gerne aufgreifen und in einen Dialog treten.

    Niemand bei SMART vertritt die Meinung, dass eine PowerPoint-Didaktik angestrebt werden sollte, auch promoten wir keine frontalen Konzepte. Frontale Unterrichtskonzepte sind weder per se gut oder schlecht, es kommt stets auf die didaktische Situation und die angestrebten Ziele an. Es gibt viele didaktische Szenarien – sowohl lehrer- wie auch schülerzentriert-, in denen interaktive Whiteboards einen Mehrwert schaffen. Wer uns auf Messen oder in Trainings erlebt hat, wird dies sicherlich bestätigen.

    Der Autor des Beitrags bezweifelt, dass die hervorgehobenen Vorteile tatsächlich in der Praxis gegeben sind. Hier würden wir gerne wissen aus welcher Erfahrung heraus dieses Urteil gefällt wird. Hat der Autor bereits mit einem interaktiven Whiteboard gearbeitet oder kommt diese Einschätzung aus einer Vermutung heraus? Wenn bereits mit einem interaktiven Whiteboard gearbeitet wurde: in welcher Form?

    Denn auf die Einsatzform kommt es ja gerade an: Ganz richtig hebt der Kommentar hervor, dass nicht das interaktive Whiteboard sondern die didaktischen Konzepte das „Problem“ sind – also die Frage, die sich stellt. Man kann mit interaktiven Whiteboards hervorragenden Unterricht gestalten, aber eben auch sehr schlechten – wie mit jedem anderen Medium auch. Schlecht ist sicherlich, wenn das Board nur in der Ecke steht oder unpassend eingesetzt wird. Es ist eben nur ein Werkzeug, das neue Wege (d.h. Methoden) ermöglicht und richtig eingesetzt werden will. Die Technik ersetzt nicht die didaktisch-methodische und sachlich-inhaltliche Kompetenz der Lehrerperson sondern stellt ihr nur weitere Möglichkeiten zur Verfügung, um Unterrichtsvorstellungen zu entfalten und Inhalte zu vermitteln. Wir haben beobachtet, dass sehr viele Lehrer das interaktive Whiteboard kreativ und erfolgreich zur Aktivierung der Schüler einsetzen. Sowohl in frontalen Settings (zu denen ja nicht nur der Lehrervortrag sondern z.B. auch das moderierte Erstellen einer Concept Map gehört), aber auch in Gruppen- oder Einzelarbeit. Wir arbeiten gerade mit Lehrern und Wissenschaftlern gemeinsam daran, die Best Practices zu sammeln und als praktische Ratgeber in unserer Community zur Verfügung zu stellen.

    Dazu gehört freilich auch zu erkennen, wann das interaktive Whiteboard nicht zweckmäßig ist. Wenn hier gesagt wird, dass der Einsatz der Tafel als reine Projektionsfläche für PowerPoint/statische Folien der falsche Weg ist, dann sind wir dafür dankbar, denn dies ist sicherlich nicht zweckmäßig.  Wenn jedoch behauptet wird, wir würden diese Art von Frontalunterricht fördern, dann ist dies einfach nicht richtig – auch das Whitepaper legt dies nicht nahe.

    Am meisten würden wir uns aber freuen, wenn wir den Fokus auf die Dinge legen, die besser funktionieren oder überhaupt erst durch die interaktive Tafel möglich werden. Wir sind hier offen für Feedback und möchten gerne den Erfahrungsaustausch unterstützen. Gerne schreiben wir in Zukunft an dieser oder anderer Stelle über die didaktischen Potenziale des interaktiven Whiteboards. Schade wäre wenn dies dann auch wieder als Lobbyarbeit interpretiert würde.

    Freundliche Grüße,
    Christian Kohls
    Ecosystem Specialist
    SMART Technologies (Germany) GmbH

    schrieb Christian Kohls am

  • #10

    Wie immer kann man auch andere Aspekte aus den Texten entnehmen und diese diskutieren!
    Das will ich gar nicht machen und verweise enfach auf das Bild hier oben rechts (“un"frontaler geht es nicht!)und andere Passagen aus dem Whitepaper!
    >>>>
    Kaum jemand würde bezweifeln, dass Lehren ein anstrengender Beruf ist, doch die meisten wären überrascht zu hören, welchem enormen Stress die Lehrer von heute tatsächlich ausgesetzt sind. Aktuelle Umfragen zeichnen ein recht düsteres Bild von den Arbeitsbedingungen, denen sie sich gegenübersehen, trotz der vielschichtigen Bemühungen zur Bewältigung der Arbeitsbelastung und zum Umgang mit Leistungsdruck. Doch es gibt viele verschiedene Stressursachen. In der Summe lasten diese verschiedenen Faktoren schwer auf den Schultern heutiger Lehrer.
    Zu viel Arbeit und fehlende Zeit, den Anforderungen aller Schüler gerecht zu werden – dies sind zwei konstante Muster bei jeder Untersuchung von Stress bei Lehrern.
    Die meisten Lehrer sind, was die Erfüllung der Lernbedürfnisse ihrer Schüler anbelangt, äußerst gewissenhaft und pflichtbewusst Das ist die Eigenschaften, durch die sie stärker zur Arbeit motiviert werden als durch jeden anderen äußeren Druck (Forlin, 1998).
    Die fünf Hauptursachen für Stress bei Lehrern:  „unerfüllte Erwartungen der Schüler, Klassenzusammensetzung, Ausmaß der Arbeitsbelastung,
    Haltung der lokalen Schulbehörden, die Integration von Schülern mit speziellen Betreuungsbedarf” (Naylor, 2001, S. 3).
    Gleichermaßen ergab eine Studie mit 900 Lehrern der weiterführenden Schulen in Irland, dass die am hüufigsten genannten Ursachen für Stress: Arbeitsbelastung, das Lehren in Klassen mit stark variierenden Leistungsniveaus, nicht genügend Zeit für das Eingehen auf die einzelnen Schüler.
    Die National Union of Teachers in Großbritannien nannte als die drei Hauptursachen für Stress bei Lehrern:  die langen Arbeitszeiten,  die übermäßige Arbeitsbelastung, immer größere Klassen.
    Nicht jeden Schüler erreichen können!
    Die gefühlte Unfähigkeit, den Erwartungen aller Schüler gerecht zu werden, ist ein typischer Stressfaktor für Lehrer. Daher wird sich jede Bemühung zur Individualisierung oder Differenzierung von Lehrmethoden bei gleichzeitiger Verringerung der Vorbereitungszeit positiv in Bezug auf die Verminderung von Stress bei Lehrern auswirken.

    Da die Stressfaktoren aus unterschiedlichsten Richtungen kommen, kann es kein Allheilmittel zur Bewältigung dieser Last geben. Aktuelle Umfragen zeigen jedoch, dass die effektive Integration von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) helfen kann, den durch Arbeitsbelastung entstehenden Druck zu mindern. Insbesondere hat sich gezeigt, dass die Nutzung interaktiver Whiteboards positive Auswirkungen auf Planung, Vermittlung und Überprüfung von Unterrichtsstoff hat, und so zu geringeren Arbeitszeiten und einer verminderten Arbeitslast führt. Lehrern wird damit die Möglichkeit gegeben, knappe Ressourcen zu bündeln.
    Ein umfassender lösungsorientierter Ansatz zur Einbindung interaktiver Whiteboards ist notwendig, um die erfolgreiche Akzeptanz zu gewährleisten und die Vorteile für Lehrer und Schüler zu maximieren. Häufig verstärkt die unangemessene Einbindung genau die Probleme, die das interaktive Whiteboard eigentlich lösen sollte, indem der Druck auf die einzelnen Lehrer noch verstärkt wird, neue Werkzeuge ohne weitere Hilfe selbst zu erlernen und sinnvoll einzusetzen. Wie bei jeder IKT-Investition sind bedarfsgerechte Schulungen, genügend Ressourcen
    und guter Support erforderlich, um von den inhärenten Vorteilen interaktiver Whiteboards vollständig zu profitieren.
    <<<<
    Also führt auch die bloße Normalität von Whiteboards nicht zum Ende des Frontalunterrichtes sonder ein generelle Umdenken das schon mit der grünen Tafel machbar ist!

    Effektiv heißt - die richtigen Dinge zu tun!
    Effizient heißt - die Dinge richtig zu tun!

    schrieb OKys am

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