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Zeitverschwendung

»Die meisten von uns schummeln beim Korrigieren« 25.08.2009, 00:41

Die Korrektur von Studenten- und Schülerarbeiten zählt zu den zentralen Methoden der Leistungsfeststellung. Dabei gestaltet sich der Vorgang des Korrigierens als äußerst unerfreulich und verlogen. Denn allen geht es nur um eines: die Note.

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  • (geändert: )

In der “Professoren-Kolumne” der ZEIT schreibt Professor Fritz Breithaupt über das Leben der Professoren. Neulich war im Beitrag Die Qual mit dem Rotstift das Korrigieren dran. Hier erklärt der Germanist Breithaupt, warum Korrigieren von Seminararbeiten so unerträglich ist:

Es verändert uns. Um das endlose Korrigieren zu ertragen, müssen wir in Rollen schlüpfen, die wir nicht wollen. Diese Metamorphose spiegelt sich in den Randbemerkungen wieder.

ZEIT Online, Professoren-Kolumne 12.08.2009: Die Qual mit dem Rotstift

Breithaupt nennt drei Typen von Korrektor/innen:

  1. Der “Bestrafer” sucht nur Fehler.
  2. Der “Schöngeist” bleibt in seiner Korrektur stets unkonkret.
  3. Der “Pädagoge” lobt mit pauschalen Floskeln.

“Die meisten von uns schummeln beim Korrigieren”, hält Breithaupt fest. Schummeln bedeutet hier: So tun, als diene die Korrektur vornehmlich pädagogischen Absichten. Dabei will man in Wirklichkeit nur die Note rechtfertigen. Einer solchen Korrektur fehlt jeglicher konstruktiver pädagogischer Aspekt. Da Schüler/innen und Student/innen das längst gewohnt sind, lesen sie die Kommentare neben und unter der Arbeit nicht, sondern interessieren sich lediglich für die Note. Damit schließt sich der Teufelskreis.

Eigentlich sollen Noten ein Abfallprodukt des Korrigierens sein, eine sozial sinnvolle Nebenwirkung. Schulisches Lernen wird jedoch häufig als Durchgangsstadium gesehen, an dessen Ende eine Qualifikation steht. Der Lernprozess selbst ist unwichtig. Diese unsinnige Geisteshaltung wird durch das Korrektursystem gestützt. Denn wie viele Schüler/innen lesen die Kommentare, die während des Korrekturvorgangs von der Lehrer/in vorgenommen werden? Die wenigsten. Professor Breithaupt gibt als Zahl für Studierende in den USA 90 Prozent an (die die Korrekturkommentare NICHT lesen). Sein Vorschlag:

Besser wären weniger und kürzere Seminararbeiten, die von den Studenten mehrmals überarbeitet werden. Vier oder fünf Versionen desselben Textes lesen Professoren lieber als eine Langfassung – vor allem, wenn der Text mit jeder Version besser wird.

ZEIT Online, Professoren-Kolumne 12.08.2009: Die Qual mit dem Rotstift

Allerdings stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen nicht erst recht unsere Persönlichkeit verändern würde. Bei der Korrektur von 30 Inhaltsangaben wurden schon die Haare gestandener Mannsbilder schlohweiß - was beim dritten oder vierten Durchgang geschehen würde, wagt man sich nicht auszumalen.

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Kommentare

15

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  • #1

    “kommt um Selbstausbeutung nicht drumrum und ist perse burnout gefährdet.”

    Ähm - das ist mir ein wenig zu generalisierend. Wenn es mir mit meinen Korrekturen gut geht und ich darin einen Sinn sehe, dann bin ich nicht burnout-gefährdet und ich beute mich auch nicht selbst aus, sondern ich tue das, womit ich ganz persönlich gut leben kann. Davon sind Burnout-Patienten aber sowas von weit entfernt…

    Das empfinde ich eher als einen Schutz vor dem Burnout, weil eine kontinuierliche, gute Korrektur sehr wohl in vielen Fällen langfristige Erfolge bringt, die man sehen wollen muss. Und man muss sich darüber freuen können. Mir geht es entschieden schlechter, wenn ich mieser korrigiere. Es wäre schön, wenn das berücksichtigt werden würde - aber dafür müssen noch weitaus mehr Lehrer krank werden oder tragisch enden, damit das politisch erkannt wird. Solange das aber nicht eintritt, können wir nur das ändern, was durch unsere Persönlichkeit bedingt ist, um dem Burnout vorzubeugen.

    Nicht nur wir Lehrer arbeiten viel und nicht nur wir Lehrer arbeiten immer mehr und mehr. Ich kenne magersüchtige Ärzte, 36-jährige Arbeiter mit Herzkasper, wenig beneidenswerte Autoverkäufer und Bänker usw. - das Problem ist ein gesamtgesellschaftliches und gerade Lehrerinnen und Lehrer sind in diesem Kontext für ihre außerordentliche Solidarität miteinander und anderen bekannt - nahezu.

    schrieb mccab99 am

  • #2

    Genau! Ein engagierter und pädagogisch verantwortungsvoller Lehrer, der seinen Hauptlebenssinn in seiner Arbeit sieht, kommt um Selbstausbeutung nicht drumrum und ist per se burnout gefährdet. Die 17 min. fürs Korrigieren gelten übrigens für das Lehrerarbeitszeitmodell in Hamburg! (Über die Arbeitszeit-Bedingungen in anderen Bundesländern weiß ich nichts.) Es ist drum hier - und ganz besonders unter der laufenden Schulreform - immer wieder nötig, klar zu machen, dass pädagogisch wertvolle Arbeit viel mehr Zeit kostet, als anrechenbar ist. Die L. müssen also, um ihren Sinn und ihr Engagement aufrechterhalten zu können, immer auch an dieser “Front” kämpfen.

    schrieb Lisa Rosa am

  • #3

    Selbst mit einem gedruckten Evaluation-Sheet kostet die Korrektur eines LK viel Zeit, wenn man als LehrerIn einen gewissen Anspruch hat. Und da liegt der Hase im Pfeffer: KorrekturfachlehrerInnnen werden für gute Arbeit nicht bezahlt bzw. diese notwendige Tätigkeit wird - wenn sie gut gemacht werden soll - in den Bereich des Privatvergnügens verwiesen. Der Korrekturfachlehrer sitzt zwischen vielen Stühlen und man lässt ihn dort allein, weil er zahlenmäßig unterrepräsentiert ist und keine starke Lobby hat. Er hat alle NurnebenfachlehrerInnen und NureinKorrekturfachlehrerInnen gegen sich. Insgesamt ein Skandal!

    schrieb tintenklecks am

  • #4

    “Lehrer ohne Burnoutgefährdung entscheiden sich für letzteres Vorgehen und denken nicht weiter drüber nach, inwieweit es pädagogischen Sinn macht oder wirklich gerechte Beurteilung möglich ist”

    Dann bin ich ja hochgradig burnoutgefährdet, weil ich gerade allen meinen P1-Schülern ein einseitiges Gutachten (DINA4, 11pt.) zu ihrer Vorabiturklausur schreibe und so an jeder Klausur mindestens 60 Minuten sitze.

    Mein persönlicher Burnout finge damit an, wenn ich immerfort so einen 17-Minutenmist abliefern müsste und ob ich damit alleine bin, wage ich entschieden zu bezweifeln.

    schrieb Maik Riecken am

  • #5

    In 17 Min. ist natürlich keine sinnvolle Korrektur einer LK-Klausur in Deutsch/Englisch/Geschichte oa. möglich. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder, der L. entschließt sich zur unbezahlten Selbstausbeutung zwecks Erhaltung des pädagogischen Sinns der Korrektur - oder er/sie korrigiert z.B. nur die erste Seite Rechtschreibung und rechnet den Fehlerquotienten dann auf die ca. 10-12 Klausurseiten hoch (für den Notenabzug). Die inhaltliche Bewertung der Arbeit erfolgt nach einem flüchtigen Querlesen. (Das geht in ca. 17 Min. zu schaffen). Lehrer ohne Burnoutgefährdung entscheiden sich für letzteres Vorgehen und denken nicht weiter drüber nach, inwieweit es pädagogischen Sinn macht oder wirklich gerechte Beurteilung möglich ist.

    schrieb Lisa Rosa am

  • #6

    Ich bin mittlerweile bei Englisch-Klausuren (primär Oberstufe, in reduzierter Form auch in der Sek I) dazu übergegangen, ein vorgedrucktes Evaluation Sheet beizulegen: Dort erhalten die Schüler von mir eine Einschätzung in verschiedenen Bereichen durch Kreuze/Markierungen (z.B. angemessener Gebrauch des aktuellen Fachvokabulars, Inhalte des Unterrichts eingebracht, Akkuratheit etc.). Dadurch bekommen die Schülerinnen und Schüler auf einen Blick zu sehen, in welchen Bereichen sie gut sind und in welchen noch Verbesserungsbedarf besteht. Dies kommt bei den Schülern sehr gut an und ich erspare mir langwierige Bewertungsaufsätze in Rot im Anschluss an die Klausur, die Schüler oft “überlesen” oder dort einzelne Aspekte nicht wahrnehmen.

    schrieb David Gerlach am

  • #7

    Was heißt hier “ich habe mir mal vorgestellt…”? In meiner 7ten sind 30 Leute (Mathe/Physik) und in den anderen Klassen auch >=24. Das ist normaler Alltag.

    Vor der Klasse werden die Arbeiten nur pauschal ausgewertet. Wesentlicher sind die Anmerkungen für jeden einzelnen Schüler in dessen Heft. Die sind sinnvoll und notwendig, aber eben auch sehr zeitaufwendig.

    schrieb Ralf Borutta am

  • #8

    Das mit der Faulheit möchte ich auch mal zurücknehmen, hab mir nach dem Kommentar mal vorgestellt, wie es wäre, 30 Klassenarbeiten/-Aufsätze nacheinander korrigieren zu müssen.

    Nur 17 Minuten ... ups. Aber auch verständlich angesichts der Menge der Arbeiten.

    Ein zusätzlicher pädagogischer Effekt entsteht ja auch dadurch, dass die Arbeit dann vor der ganzen Klasse ausgewertet wird, die besten Arbeiten werden vorgestellt usw.

    schrieb Christian am

  • #9

    es “steht” nirgendwo, ist aber üblichliche Praxis, also ungeschriebene Regel. Eine sinnvolle zum Lernen nützliche Korrektur braucht außerdem Zeit. Im Lehrer-Arbeitszeitmodell HH sind für eine LK-Deutsch-Klausurkorrektur genau 17 Minuten vorgesehen. Das braucht wohl nicht weiter kommentiert zu werden.

    schrieb Lisa Rosa am

  • #10

    Was soll denn ein Prof für Verbesserungsvorschläge machen, wenn nicht inhaltlicher oder formaler Art. Das ist doch seine eigentliche Aufgabe. Rechtschreibung, Grammatik, Stil usw. kann er doch meist gar nicht beurteilen.
    Im Deutschunterricht ist das etwas Anderes, da geht es ja auch vor allem darum, Orthografie und Stil zu korrigieren und auch entsprechende Verbesserungsvorschläge zu machen. Das das Lehrer nicht dürften, habe ich auch noch nie gehört. Die meisten sind sicher einfach zu faul dazu, weil das eine Menge Arbeit bedeutet.

    Mit dem Betreuungsschlüssel hat das sicher auch zu tun, aber viel Profs geben die Korrekturen auch einfach an ihre Mitarbeiter ab und verspüren eine grundsätzliche Unlust, weil den Studis einfach nicht beigebracht wurde, wie man eine ordentliche Arbeit schreibt. Woran das liegt? Bestimmt auch daran, dass die meisten Profs keine ordentlichen Arbeiten schreiben können.

    schrieb Christian am

  • #11

    Wo steht denn, dass Lehrer in den Korrekturen keine Verbesserungsvorschläge machen dürfen?

    schrieb D. E. Satinoscri am

  • #12

    Die Unlust zu korrigieren. Sie hat in D vielleicht auch damit zu tun, dass bei uns universitär und schulisch der Betreuungsschlüssel Prof.-Student bzw. Lehrer-Schüler OECD-vergleichsweise unglaublich hoch ist. Und das oben angesprochene Systemproblem (Klausuren und Hausarbeiten sind keine Lerngelegenheit, sondern bloß eine Notenrekrutierungsmethode) ist individuell gar nicht zu beheben, weil es eben wirklich ein Systemproblem ist und keines, das bloß am guten Willen des einzelnen Lehrers bzw. Schülers liegt. Sinnvolle Korrektur als pädagogische Förderung würde sonst nämlich selbstverständlich längst digital funktionieren: mit der Wordfunktion “Änderungen nachverfolgen”. So korrigieren sich befreundete Wissenschaftler gegenseitig ihre Texte zur Verbesserung - und das mehrfach bis zur Veröffentlichung. Und davon lernt man am meisten. In den Schulkorrekturen DARF man demgegenüber jedoch gerade nicht einen Vorschlag zur besseren Formulierung, zur Systematik der Darstellung oder zur Klarheit des Gedankens machen, sondern nur anstreichen, dass und welcher Art ein Fehler ist. Wie soll der Schüler denn daraus lernen???

    schrieb Lisa Rosa am

  • #13

    Da stimme ich ja zu, nur müssen die Profs und Dozenten dann trotzdem die Arbeiten lesen. Und wenn sie so viele schlechte Arbeiten vor sich haben, ist das eine Suppe, die auch sie sich eingebrockt haben, denn es ist deren Aufgabe, den Studis beizubringen, wie man ordentliche wissenschaftliche Arbeiten schreiben, die nich einfach nur Kollektionen bereits vorhandener Arbeiten sind.
    Und in der Kolumne geht es ja auch nicht um die Benotung, die noch einmal ein Thema für sich ist, sondern um die Menge an zu korrigierenden Arbeiten und die Unlust von Prof. Breithaupt, diese zu korrigieren.

    schrieb Christian, Fernstudium Blog am

  • #14

    Die Alternative wäre, über Ausdünnung oder Abschaffung der Ziffernnoten nachzudenken und statt dessen verbale Beurteilungen zu schreiben, die den Lernerfolg beschreiben und Strategien zur weiteren Entwicklung aufzeigen. Damit einher gehen muss natürlich unbedingt eine deutliche Verkleinerung der Lerngruppen und die Zahl der Schüler/innen pro Lehrer/in. So weit ich weiß, ist man in anderen Ländern damit ziemlich erfolgreich gefahren.

    schrieb Keybert am

  • #15

    Was wäre denn die Alternative? Durch meine Arbeit als Korrektor/Lektor für wissenschaftliche Abschlussarbeiten weiß ich, dass es wirklich anstrengend sein kann, immer wieder die gleichen Fehler zu korrigieren (wobei ich mich ja fast nur um Formalia kümmere). Aber ich denke schon, dass die Studis immer etwas von meiner Kritik für die nächsten Arbeiten mitnehmen. Und dass die meisten Studenten die Kommentare nicht lesen, das kann ich wirklich nicht glauben.
    Die Typisierung im Zeit-Artikel halte ich für Unsinn. Ein guter Prof/Korrektor ist eine Mischung aus allen. Klar kostet die Kritik Zeit, aber warum ist man denn sonst Lehrer geworden?

    schrieb Christian, Fernstudium Blog am

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