Stralsunder Erklärung
Lehrerabwerbung: Baden-Württemberg weiterhin auf der Ego-Schiene 07.03.2009, 21:05
In der Stralsunder Erklärung hat die Kultusministerkonferenz im Jahr 2009 beschlossen, dass die Länder kooperativ und fair miteinander umgehen sollten, was die Abwerbung von Lehrer/innen aus anderen Bundesländern betrifft - ein erster Schritt hin zu einer gemeinsamen Lösungssuche. Dass die Vereinbarung keinerlei Relevanz für das politische Alltagsgeschäft hat, zeigt als Erster Helmut Rau (Baden-Württemberg, CDU), der ankündigt, weiterhin offensiv Lehrer/innen abwerben zu wollen.
Ausgangssituation: Bundesländer konkurrieren, statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen
Angesichts des drohenden Lehrermangels wurden viele Kultusminister/innen nervös und haben in den letzten Monaten entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet (bessere Bezahlung, Einstellung pädagogisch nicht qualifizierten Personals etc.). Besonders umstritten war die “Lehrerabwerbung”: Reiche Bundesländer wie Hessen oder Baden-Württemberg versuchten über aggressive Werbekampagnen Lehrer/innen aus anderen Bundesländern abzuwerben. Die Sinnlosigkeit ist offensichtlich: Für die Unterrichtsversorgung in der BRD ist die Zahl der insgesamt fehlenden Lehrer/innen relevant; ob in Hessen einer unterrichtet, der in Thüringen fehlt, ist marginal. Das Problem ist ein strukturelles. Doch statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, nehmen sich die Kultusminister/innen gegenseitig ihre Lehrer/innen weg, um am Ende selbst gut dazustehen.
KMK - Stralsunder Erklärung
Die Kultusminister/innen aller Bundesländer haben sich Anfang März 2009 in Stralsund getroffen und vereinbart, dass die Bundesländer für die Ausbildung ihrer eigenen Lehrer/innen zuständig seien und sich auch nicht auf “Quer- und Seiteneinsteigerprogramme” stützen sollten. Es solle außerdem ein “fairer Wettbewerb” zwischen den Ländern herrschen:
KMK - Kultusministerkonferenz: Stralsunder Erklärung im Wortlaut
Die GEW kritisierte an dem Papier umgehend das kleingeistige Verharren in föderalem Egoismus:
Die Kritik der GEW ist harsch und doch gerecht. Immerhin jedoch versucht man durch die Stralsunder Erklärung, den Konkurrenzkampf zwischen den Bundesländern zu entzerren, auch wenn die (in jeder Hinsicht kontraproduktiven) förderalen Grundlagen des Bildungssystems bestätigt werden.
Baden-Württembergs Interpretation: Abwerben erlaubt
Die Beschlüsse der KMK haben traditionell kein Gewicht. Und tatsächlich äußert auch gleich im Anschluss an die Verkündung der Erklärung der Kultusminister Baden-Württembergs, Helmut Rau (CDU), dass ihn die Absprachen einen feuchten Dreck scheren werden:
Ob die Stralsunder Erklärung diese Interpretation zulässt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall zeigt Helmut Rau (CDU) damit ganz deutlich, dass er kein Interesse daran hat, gemeinsam mit anderen Bundesländern die strukturellen Probleme der BRD (Lehrermangel) anzugehen. Ihn interessiert eher die Unterrichtsversorgung im eigenen Land, gerne auch auf Kosten der anderen Bundesländer. Damit startet er den Konkurrenzkampf unmittelbar nach den Friedensverhandlungen neu. Welche/r der Kultusminister/innen an einer kooperativen, strukturellen Lösung interessiert gewesen sein mag - jetzt gibt es keine Chance mehr auf ein gemeinsames Vorgehen.
Kultusministerkonferenz abschaffen?
Ein weiteres Mal hat sich gezeigt: Die Sitzungen und Beschlüsse der Kultusministerkonferenz sind in jeder Hinsicht überflüssig. Noch nie wurde so deutlich, wie wenig Einfluss die KMK auf die Kultusminister/innen hat. Der Protagonist Helmut Rau (CDU) zeigt nicht nur massives Desinteresse an einer gemeinsamen, bundesweiten Lösung der Probleme, sondern interpretiert die aussagelose Stralsunder Erklärung als Freibrief zum Wildern in anderen Bundesländern. Der moralische und politische Einfluss der KMK ist zu gering, um einen solchen Egomanen zu stoppen.
Damit ist die Kultusministerkonferenz endgültig nicht in der Lage, ihre Aufgaben zufriedenstellend zu erfüllen. Die logische Konsequenz daraus ist ihre Abschaffung.