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Schulschließungen

Moodle als Medizin gegen die Schweinegrippe 10.08.2009, 15:08

Das Schulwesen bereitet sich auf eine Infektionswelle durch die Schweinegrippe vor. Besonders fürchtet man massenhaften Unterrichtsausfall. Die Moodle-Lobby weist darauf hin, dass man in diesem Falle den Unterricht einfach über Moodle betreiben könne. Im Zentrum steht allerdings wieder mal das Medium, nicht das Lernen.

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  • (geändert: )

Schweinegrippe schürt Panik vor Unterrichtsausfall

Die Schweinegrippe ist im Anmarsch, und keiner weiß, ob es sich lohnt, schon im Vorfeld panisch zu werden. In fast allen Bundesländern wurden Merkblätter und Richtlinien an Behörden und Schulen verteilt, um Infektionswellen durch die Schweinegrippe vorzubeugen. Als repräsentatives Beispiel kann man sich das GEW-Maßnahmenbündel gegen die Schweinegrippe ansehen. Denn Im Falle einer Infektionswelle müssten ganze Schulen geschlossen werden, wie an einigen Standorten schon geschehen. Die Schließungsdauer dürfte zwischen ein und drei Wochen betragen, was einen entsprechenden Unterrichtsausfall mit sich bringen würde - und dem versucht man vorzubeugen.

Kann Moodle den Unterrichtsausfall sinnvoll reduzieren?

Einen anderen Ansatz wählt der authorisierte deutsche Moodle-Partner eledia, der Kurse, Support und Hosting für Moodle anbietet. Im Firmenblog (“Moodle-Blog”) weist der Geschäftsführer Ralf Hilgenstock darauf hin, dass im Falle von Schulschließungen sich gerade Moodle als alternative Infrastruktur bewähren könnte, was zu einer Reduktion des Unterrichtsausfalls beitragen würde. Diese Möglichkeit haben natürlich nur die Schulen, an denen Moodle verfügbar ist - nach Angaben von eLeDia deutschlandweit fast 5.000.

“Diese Schulen können nun kurzfristig einen Teil des Unterrichts online abwickeln und Unterrichtsausfall reduzieren” erklärt Ralf Hilgenstock [...], der Moodle in Deutschland eingeführt hat.

“Lehrer finden in der Lernplattform online Unterrichtsräume für ihre Klassen und können darin Lernmaterial, Hausaufgaben, Übungen und Gruppenarbeiten hinterlegen. Schüler und Lehrer können ohne Infektionsgefahr miteinander kommunizieren. Schulen aller Schulformen arbeiten zum Teil bereits seit Jahren mit der lizenzkostenfreien Software und sind daher bestens auf die neue Situation vorbereitet. Andere Schulen können kurzfristig eine Lernplattform über uns nutzen” erläutert Ralf Hilgenstock.

Moodle-Blog 10.08.2009: Schulen: Wenig Unterrichtsausfall bei Neuer Grippe durch Lernplattform Moodle

Die Idee des Fernunterrichts (“Distance Learning”) ist nicht neu, aber gerade angesichts der Schweinegrippe apart. Allerdings wird sie sich bei einem plötzlichen Ausbruch der Schweinegrippe nicht umsetzen lassen, denn:

Nicht an jeder Schule, an der Moodle installiert ist, wird es auch verwendet.
In Deutschland gibt es rund 40.000 Schulen (ohne Berufsschulen, mit Privatschulen). Wo immer die Zahl 5.000 herkommt: Damit wäre jede achte Schule des allgemeinbildenden Bereichs vermoodlet. Allerdings wird Moodle an den meisten Schulen im Unterrichtsalltag kaum oder nicht genutzt. Die Ursachen sind vor allem in der mangelnden Hardware-Infrastruktur und den fehlenden didaktischen/technischen Kompetenzen vieler Lehrpersonen zu suchen. Damit sinkt die Zahl der Schulen, an denen wirklich eine kollegiumsweite Moodle-Kultur herrscht, von 5.000 in den dreistelligen Bereich.
Fernunterricht funktioniert nur, wenn man ihn vorher geübt hat.
Die E-Learning-Bewegung Ende der Neunziger ist vor allem daran gescheitert, dass Fernunterricht als vollwertiger Ersatz für herkömmliche Vermittlungsmethoden betrachtet wurde. Relativ schnell hat sich gezeigt, dass vollständig virtualisierte Bildungsprozesse nur in eng umgrenzten Kontexten funktionieren (z.B. betriebsinterne Weiterbildung). Daraus entstand die Popularität des “Blended Learning” - die Verschränkung von Fern- und Präsenzunterricht in beliebigen Anteilen und Abfolgen. Was Hilgenstock vorschlägt, ist ein reines Fernunterricht-Szenario. Hierfür brauchen die Lernenden eine Menge Disziplin und Kompetenzen im Bereich der Lernorganisation. Die Lehrenden müssen sich mit didaktischen und methodischen Vorstellungen vertraut gemacht haben, die stark vom normalen (face-to-face-)Unterrichtsalltag abweichen. Es reicht nicht, ein Arbeitsblatt einzustellen und dazuzuschreiben: “Macht mal.”

Zusammengefasst: Rund 1% aller Schulen werden auf eine Methode verwiesen, die definitiv nicht funktionieren wird. Damit kommt der Verdacht auf, dass Hilgenstock und eLeDia die Welt nicht besser machen wollen, sondern einfach nur Lobby-Arbeit für Moodle leisten (was durchaus in Ordnung ist, für die Bildungsqualität aber nicht viel bringt).

Wie es funktionieren könnte

Das Muster ist alt und fast schon langweilig: Neue Medien werden gepusht mit dem Ziel, sie zu pushen - gleich ob von Bildungspolitik oder externen Dienstleistern. Dabei sollte das Ziel sein, Unterricht und Bildung zu verbessern (vgl. auch: Lehrerfreund 06.07.2009: Beispiel: Unterrichtseinheit mit interaktivem Whiteboard). Und genau dafür sind Tools wie Moodle ja konzipiert.

Der korrekte Plan wäre dieser:

  1. Landesregierungen, Schulbehörden und Schulleitungen koordinieren sich und entwickeln ein Fortbildungskonzept.
  2. Jede Schule bekommt eine Moodle-Installation (oder sonstige beliebige Lehr-Lernplattform).
  3. Für jede Klasse wird von einem Administrator ein Kurs angelegt.
  4. Jede Schule bekommt eine basale vierstündige Moodle-Fortbildung. Dort wird erklärt, wie man Arbeitsblätter und Arbeitsaufträge hochladen kann und wie die Schüler/innen ihre Arbeitsergebnisse hochladen können. Es wird besprochen, wie Lehrer/innen Arbeitsmaterialien einfach untereinander tauschen können (nämlich als Worddokument oder Bild per E-Mail). Es wird nicht besprochen, wie man zusätzliche Module oder Plugins nutzt, wie man Videodateien hochlädt, wie man Dokumente passwortschützt, wie man Evaluationen und Tests durchführt und auswertet, wie man Dateien dupliziert und verschiebt usw. Sonst steigen die meisten Teilnehmer/innen nach 30 Minuten Fortbildung aus, weil sie nichts kapieren. Zielgruppe der Fortbildung sind normale Lehrer/innen - nicht die Freaks, die mit ihren Schüler/innen Tweets syndizieren wollen.
  5. In der Fortbildung werden didaktisch-methodische Aspekte zentral berücksichtigt: Lernziele, Motivation, Disziplin, Anforderungsniveau usw. Die Lehrer/innen bekommen ein Handout mit genau drei methodischen Vorschlägen, die sie realisieren können (1. Arbeitsauftrag + Text-/Bildquelle einstellen, 2. Thema diskutieren lassen, 3. Arbeitsergebnisse kontrollieren und evtl. Feedback geben).
  6. Die Lehrer/innen probieren das mit ihren Schüler/innen zwei Mal aus - und zwar bevor die Schweinegrippe alles lahm gelegt hat.


Damit könnte man es versuchen. Doch leider überlässt die Bildungsbürokratie die Entwicklung und Durchführung solcher Fortbildungskonzepte gerne Leuten, die medieninkompetent sind oder kaum Unterrichtserfahrung haben. Aus diesem Grund sehen die meisten Lehrer/innen in Moodle immer noch ein abartiges Spielzeug für Nerds - statt eine sinnvolle Ergänzung des eigenen Unterrichts.

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Kommentare

9

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  • #1

    Hallo, kurze Info: Wir haben ein kostenloses E-Learning erstellt, das in 15 Minuten spielerisch über die Schweinegrippe informiert: http://www.keine-schweinegrippe.de

    Viele Grüße

    Michael Ihne

    schrieb Michael Ihne am

  • #2

    Das mag ja alles halbwegs richtig sein. Aber wozu braucht man dazu moodle. Reicht da nicht ein einfacher geschützter E-Mail Verteiler und ggf. ein ebenfalls geschützter Blog bei beepworld.de oder anderswo? Ich kenne mich zwar nur an der Hochschule aus, aber da klappt das hervorragend. Stelle bei Bedarf gerne meine Vorlesung zur Verfügung.
    Gruß
    Heinz Gralki

    schrieb Gralki am

  • #3

    Wir wollten davor warnen, in kurzer Zeit sehr viele fortgeschrittene Inhalte zu vermitteln, da dies viele Lehrpersonen überfordern kann. Sie haben ganz Recht: Grundsätzlich sind alle Lehrer/innen in der Lage, Moodle zu verstehen. Es ist eine Frage der Vorkenntnisse, in welchem Zeitraum diese Kenntnisse zu vermitteln sind. Wahrscheinlich haben Sie in Ihren Fortbildungen genau das richtige Tempo für Ihre Fortbildungsgruppen gewählt.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #4

    “... Sonst steigen die meisten Teilnehmer/innen nach 30 Minuten Fortbildung aus, weil sie nichts kapieren. Zielgruppe der Fortbildung sind normale Lehrer/innen - nicht die Freaks, die mit ihren Schüler/innen Tweets syndizieren wollen.”

    Wir haben mehrere tausend Lehrer/innen (keine Freaks) in Grossbritannien in Moodle geschult und diese waren sehr wohl in der Lage die erwähnten Tools zu verstehen und auch im Unterricht sinnvoll einzusetzen. Da ich davon ausgehe, dass Lehrer/innen in Deutschland so lernfähig sind wie alle Anderen auch, halte ich diesen Kommentar für fragwürdig.

    schrieb Alex Büchner am

  • #5

    Und hier gehts weiter mit einem fertigen Kurs.

    Der deutsche Moodle-Partner eLeDia stellt kostenfrei allen Nutzern von Moodle einen Kursraum zur Verfügung mit dem Lehrer schnell Unterrichtsmaterial und Aufgaben für erkrankte und abwesende Schüler zur Verfügung stellen können.

    Der Kursraum ermöglicht es, ein halbes Jahr lang Materialien und für jede Woche zwei Aufgaben zu hinterlegen. Zusätzlich können Ordner mit Musterlösungen der Woche freigeschaltet werden.

    Der Kursraum kann in jedes aktuelles Moodle-System als Kursraumimport integriert werden.

    Registrierte Nutzer auf http://moodle.de können im Kursraum “Kursvorlagen” über eine Datenbank auf eine Kursraumsicherung (http://moodle.de/mod/data/view.php?d=6&rid=9) zugreifen.

    schrieb Ralf Hilgenstock am

  • #6

    Gerade der letzte Punkt ist eine sehr spannende Frage. Ich habe wiederholt beobachtet, dass Schüler mehrheitlich nach Klasse 4 gerade dies sehr gut beherrschen. Wochenplanarbeit als Paar- und Kleingruppenarbeit, gegenseitige Korrektur etc. sind hier selbstverständliches Unterrichtselement.

    In der Sekundarstufe werden häufig diese Fähigkeiten nicht mehr abgefragt und es findet ein sehr erfolgreicher Entlernprozess statt. In Klasse 7 wenn es formal im Lernplan erscheint sind die Fähigkeiten verschüttet und es erscheint Lehrern nur ser schwer möglich mit 30er Klassen pubertierender Jgdl. Gruppenarbeit umzusetzen.

    Die Berufsschulen klagen dann, dass gerade dieses Potenzial erst wieder aufgebaut werden muß.

    schrieb Ralf Hilgenstock am

  • #7

    Ihre konkreten Vorschläge im moodle-Forum gehen genau in die richtige Richtung, z.B.

    Hier einige schnelle Vorschläge wenn Schüler erkranken:

      * Lernstoff wird im Online Kursraum hinterlegt
      * Hausaufgaben werden online veröffentlicht
      * Hausaufgaben werden online eingereicht und vom Lehrer korrigiert
      * Gruppenarbeit wird online mit Hilfe von Foren abgewickelt

    Ob der letzte Punkt realisierbar ist, darf bezweifelt werden; ohne Übung fällt virtuelle Selbstorganisation bei Gruppenarbeiten sogar Studierenden schwer. Aber die ersten drei Punkte wären doch schon einmal ein sinnvoller Ansatz, der auch von vielen Lehrpersonen nach kurzer Einführung realisiert werden könnte.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #8

    Moodle ist keine Medizin gegen Schweinegrippe. Das sollte klar sein. Aber vielleicht ist es ein denkbares Szenario zur Reduzierung von Unterrichtsausfall.

    Ich gehe gar nicht so weit, einen völligen Ersatz des Präsenzunterrichts anzustreben. Das halte ich schlicht für unsinnig. Es geht um die Überlegung, ob es bei Abwesenheit von Schülern oder Lehrern (auch Schulschließungen hatte ich nicht im Blick), Möglichkeiten gibt, den Unterrichtsausfall zu reduzieren. Diese Frage wird aktuell nicht/kaum
    diskutiert.

    Wir brauchen diese Diskussion, um etwas anzustossen und die Nutzung von Lernplatformen, wo sie sinnvoll sind, zu verbreitern.

    Auch mir ist klar, dass längst nicht jede Schule umfassend mit einer Lernplattfom arbeitet, so sie eine zur Verfügung hat. Das gilt jedoch genauso für jedes Medium angefangen vom Lehrbuch bis hin zum Overheadprojektor. 

    Aber es wäre möglich. Und genau das sollte gesagt werden.

    Ich habe in einem Moodle Forum angefangen Beispiele (bewusst ganz einfache) aufzulisten, wie es gemacht werden könnte. Ergänzungen erwünscht. http://moodle.de/mod/forum/discuss.php?d=1174

    Es ist auch richtig, dass längst nicht alle Lehrer qualifiziert sind, eine Plattform zu nutzen. Nur, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
    Gerade zu Moodle gibt es viele Optionen von online verfügbaren Handbüchern, gedrucktem Material bis hin zu unseren Lernvideos, die in für jeden verkraftbaren kleinen Einheiten (2-4 Minuten) einzelne Funktionen erklären. Damit kann jeder sich das aneignen, was gerade gebraucht wird. Wenn wir warten würden, dass ein Ministerium die Initiative ergreift, können wir vielerorts lange warten.  (Bzw. dazu hat es bereits vor Jahren Kopfgeburten gegeben, die massiv gefördert, aber fast nirgends genutzt wurden.)

    Der konkrete Plan ist gut. Aber wer ergreift die Initiative?

    Wir bieten inzwischen Simple-Moodle-Systeme an. Diese sind so vorkonfiguriert, dass nur wenige Funktionen basal verfügbar sind. Das greift die Sorge um Funktionsvielfalt der Plattform auf. Andererseits besteht die Gefahr, dass eine Reduzierung auch didaktisch zu einer Reduzierung auf eine Materialverteilfunktion zur Folge hat. Damit wäre für die Unterrichtsentwicklung nichts gewonnen.

    schrieb Ralf Hilgenstock am

  • #9

    Die Idee des “blended learning” ist nicht schlecht und für den einen oder andere Oberstufenkurs durchaus denkbar: z.B. 2 Unterrichtsstunden/Woche Präsenz an der Schule und das Äquivalent von 2 Unterrichtsstunden/Woche am privaten Rechner via Moodle. Das würde sicherlich das selbstständige Arbeiten bei dem einen oder der anderen fördern. Aber bei unserer misstrauischen Bildungsbürokratie wohl eher eine Wunschvorstellung… oder gibt’s das schon irgendwo?

    schrieb Mister M. am

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