Ablenkungsmanöver?
Später Unterrichtsbeginn: Langschläferei jetzt auch in NRW 27.03.2009, 11:46
In NRW können die Schulen ab sofort selbst entscheiden, ob der Unterricht später als bisher beginnen soll, das hat die Landesregierung entschieden. Da eigentlich niemand das wirklich will, drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei der Diskussion einfach nur um eine schöne Ablenkung von den tatsächlichen Missständen im deutschen Schulsystem handelt.
Die Schüler-Abstimmung in Berlin über einen späteren Schulbeginn hat für Aufsehen gesorgt, und prompt zieht die Landesregierung Nordrhein-Westfalen nach: Bisher musste der Schulunterricht morgens zwischen 7.30 und 8.30 beginnen, ab sofort dürfen Schulen selbst entscheiden, ob der Unterricht später beginnt.
Es ist nicht verwunderlich, wie bereitwillig Politiker/innen diesen Strohhalm aufgreifen und befördern. Denn durch die Argumentation “früherer Schulbeginn = schlechtere Leistung” ein Teil der Verantwortung für die Bildungsmisere abwälzen.
Auch wenn die Wissenschaft nachgewiesen hat, dass Schüler/innen leistungsfähiger sind, wenn sie länger schlafen: In Baden-Württemberg hat 2008 jede/r dritte Abiturient/in mit einer 1 vor dem Komma abgeschlossen. Ist es wirklich erforderlich, die Schüler/innen noch leistungsfähiger zu machen? Natürlich nicht. Die Argumente für einen späteren Schulbeginn sind rein emotionaler Natur: Jede/r möchte morgens einfach gerne länger schlafen. Dabei wiegen die Argumente gegen einen früheren Schulbeginn weitaus schwerer (Abstimmung in Berlin).
- Die Lehrergewerkschaften lehnen die Idee aus ganz pragmatischen Gründen ab - Arbeits- und Schulbeginn laufen seit Jahren synchron, Eltern bringen ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit in die Schule. Die Umstellungen wären immens:“Es müssten viele Änderungen im Tagesablauf von Eltern und Kindern vorgenommen werden, um eine Betreuung der Schüler am Morgen zu gewährleisten”, erklärt Berthold Paschert, Pressesprecher der GEW in NRW.
“Schlafforscher/innen” fordern lauthals eine Verschiebung des Unterrichtsbeginns nach hinten - das zumindest liest man in Zeitungen und im Internet. Die tatsächliche Forderung der “Schlafforscher/innen” sieht jedoch etwas anders aus:
Allerdings halten sie einen späteren Schulstart nur an Ganztagsschulen für sinnvoll, da ansonsten der Unterricht in das Konzentrationsloch in der Mittagszeit verschoben werde.
AFP 26.03.2009: NRW erlaubt Unterrichtsbeginn auch nach 8.30 Uhr
Auch Schulleiter/innen haben keinerlei Interesse an einer entsprechenden Neuregelung. Ein Schulleiter:
Wenn der Unterricht jetzt auch noch später beginnt, bleibt nachmittags und abends noch weniger Zeit für Sportvereine, Jugendgruppen, Treffen mit Freunden und Hausaufgaben”, argumentiert er. Wenn der Unterricht später beginne, müsse das ganze Konzept Schule neu überdacht werden.Vielleicht hat er auch einfach keine Lust, über ein neues Konzept Schule nachzudenken?
- Auch Lehrer/innen sind für die Idee nicht zu begeistern. Wer erst um 16 Uhr aus der Schule kommt, der ist zwar ausgeschlafen, verbringt aber den gesamten Resttag mit Korrekturen und Unterrichtsvorbereitung.
Fazit
Es wäre schön, wenn die Unausgeschlafenheit der Schüler/innen tatsächlich für die Mängel im deutschen Bildungssystem verantwortlich wäre. Das ist sie aber nicht, und das ist allen Beteiligten irgendwie klar. Da die Idee des langen Schlafens natürlich höchst attraktiv ist, diskutieren alle erhitzt mit. Dabei wäre es doch viel sinnvoller, wenn man diese Energien für die wirklich kritischen Themen einsetzen würde.