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Schulessen: Höher besteuert als Fast-Food 15.03.2010, 15:03

Hamburger mit der Aufschrift '7 Prozent'
Bild: flickr-User 10 Ninjas Steve, CC BY-NC-SA 2.0 / Montage

In einem offenen Brief beschwert sich Tübingens grüner OB Boris Palmer heftig bei Bundesfinanzminister Schäuble darüber, dass Schulessen mit dem vollen Satz von 19% besteuert wird - während das Fast-Food-Restaurant neben der Schule nur 7% aufzuschlagen hat.

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  • (geändert: )

Schulen bedienen sich häufig externer Dienstleister, um die mittägliche Verpflegung ihrer Schüler/innen zu gewährleisten. Durch einen (schon unter Rot-Grün geplanten) Erlass des Finanziministeriums wird seit 2009 auf Schulverpflegung in den meisten Fällen der volle Mehrwertsteuersatz von aktuell 19% aufgeschlagen, während bei Mitnahmerestaurants wie BurgerKing oder McDonalds nur 7% fällig werden.

Der grüne Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer, beschwert sich in fast schon drastischen Worten über diesen Zustand:

Herrn Bundesfinanzminister
Dr. Wolfgang Schäuble MdB
Bundesministerium der Finanzen
11016 Berlin

Sehr geehrter Herr Minister,
manchmal muss man sich Luft verschaffen, indem man zur Feder greift. Als ich dieser Tage über die Auswirkungen eines Erlasses des Bundesfinanzministeriums auf die Kosten für das Schulessen erfuhr, ging mir wirklich “der Gaul durch”.
[...]
Über 330.000 Mittagessen werden mittlerweile pro Jahr an den Tübinger Schulen ausgegeben. Dabei haben wir auf Bioprodukte geachtet und leisten einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nach Millioneninvestitionen in Küchen und Speisesäle bezuschusst die Stadt das Schulessen derzeit mit rund 300.000 Euro jährlich.
[...]
Im Jahr 2008 wurde vielen Kochelternvereinen die Mehrwertsteuerbefreiung durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes entzogen. Das war schon ärgerlich, ließ sich aber vielfach noch regeln. Nun ereilt uns eine weitaus dramatischere Verschlechterung aufgrund eines Erlasses des Bundesfinanzministeriums (IV B 8 - S 7100/07/10050). Mit diesem sieben- seitigen(!) Rundschreiben vom 16. Oktober 2008 legt das Bundesfinanzministerium haarklein dar, worin der Unterschied zwischen einer Lieferung (7 % MwSt) und einer sonstigen Leistung (19 % MwSt) besteht. Es wird ausführlich erläutert, dass die Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmuss zusätzlich zur Speise noch mit 7 % möglich ist, während das Reinigen von Geschirr vor Ort schon zu 19 % Steuerbelastung führt.

Man fragt sich bei der Lektüre, mit welch bedeutenden Definitionsproblemen sich Deutschlands Finanzverwaltung allen Ernstes beschäftigt. Doch das Lachen vergeht, wenn man die Konsequenz sieht. Dank der scharfsinnigen Abgrenzung der Lieferung von der sonstigen Leistung fällt künftig für ein Schulessen der volle Mehrwertsteuersatz von 19 % an. Bisher war es üblich, dass ein Caterer das Essen selbst mit 7 % versteuert und nur auf die Kosten der Ausgabe 19 % Mehrwertsteuer auswies. Für Schulessen in Tübingen bedeutet die neue Auslegung der Gesetze eine faktische Steuererhöhung von etwas mehr als 30 Cent oder 10 % des Abgabepreises.
Wir sind uns alle einig, dass es eine große gesellschaftliche Aufgabe ist, Schülerinnen und Schülern wieder eine gesunde Ernährung zu ermöglichen. Mama wartet heute meistens nicht mit einem warmen Essen, wenn die Kinder heimkommen. Unbestritten ist auch, dass Familien zu hohe finanzielle Lasten tragen. Folglich engagieren sich die Kommunen für günstiges und gesundes Mittagessen.
Wenn man es geschickt anstellt, kann man ein Schulkind durchaus noch immer zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz verpflegen. Zum Beispiel bei McDonalds.
[...]
Ich hoffe auf eine rasche Lösung im Sinne der Schülerinnen und Schüler, des Bürokratieabbaus und der Steuergerechtigkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Boris Palmer Oberbürgermeister

OB Palmer: Brief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, 09.03.2010 (pdf bei tuebingen.de)

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), bei Organisationen wie foodwatch.de nicht besonders beliebt, wäre das so nicht aufgefallen, aber sie springt sofort und vehemt auf den Zug auf. Abgeordnete der FDP (die den umstrittenen Erlass mitträgt) hingegen warnen davor, dass die Grünen “bestimmte Lebensmittel in die ‘Schmuddelecke’ rücken” wollten (tagesschau.de 11.03.2010: Steuer stellt Schulessen schlechter als Fastfood).

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Kommentare

2

Zum Artikel "Schulessen: Höher besteuert als Fast-Food".

  • #1

    Das ist das gleiche Problem wie bei der Besteuerung von Windeln (19%) und Tierfutter (7%). Das kann man nicht logisch erklären, aber es zeigt, wo die Interessen unserer sogenannten Volksvertreter liegen.

    schrieb Andreas Tillmann am

  • #2

    Ja, so läuft das eben in einer lobbykratischen Fiskal- und Parteibüchlein-Bananenrepublik!

    schrieb lehrer am

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