Standardisierung durch Bildungsstandards
Bundeseinheitliches Abitur ab 2016/17? 10.03.2012, 10:01
Die Kultusministerkonferenz plant einen Aufgabenpool, der ab dem Abitur 2016/17 eine bundesweit "vergleichbare" Abiturprüfung gewährleisten soll. "Vergleichbar" ist ein recht weit interpretierbares Wort, vor allem wenn die Grundlage Bildungsstandards sind.
Die KMK hat am 08./09. März in Berlin ihre 337. Plenarsitzung abgehalten und dort "Grundlagen für vergleichbare Abiturprüfungen in Deutschland gelegt". Zentraler Orientierungspunkt sind Bildungsstandards:
In einem ersten Schritt sollen im Herbst 2012 die Standards in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch vorgelegt und verabschiedet werden. Mit der Entwicklung der Bildungsstandards für das Abitur in den naturwissenschaftlichen Fächern Biologie, Physik und Chemie wird im Jahr 2013 begonnen.
In weiteren Schritten soll das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) Beispielaufgaben für die Abiturprüfung mit einem Erwartungshorizont sowie Bewertungshinweisen entwickeln. Die Länder unterstützen diesen Prozess, indem sie der Aufgabenentwicklungskommission weitere schriftliche Abiturprüfungsaufgaben sowie entsprechende Bewertungsvorgaben übermitteln. Die vom IQB als geeignet befundenen Abituraufgaben werden dann in einen Aufgabenpool eingestellt. Dieser Aufgabenpool soll ab 2013 kontinuierlich aufwachsen und den Ländern als Angebot für den möglichen Einsatz im Abitur 2016/17 zur Verfügung gestellt werden, wenn der erste Schülerjahrgang auf Grundlage der Bildungsstandards das Abitur macht. [...]
Bereits im Schuljahr 2012/2013 wird mit der Umsetzung begonnen. „Ab 2013 wird ein Aufgabenpool entstehen, der bundesweit gleiche Anforderungen in den Abiturprüfungen ermöglicht. Dies ist ein wichtiger und zugleich vertrauensbildender Beitrag, um die hohe Qualität, die Anerkennung und die Vergleichbarkeit der Allgemeinen Hochschulreife zu sichern“, kommentierte der Präsident der Kultusministerkonferenz, Senator Ties Rabe, die Entscheidung.
Das klingt ja ganz erfreulich. Der Flaschenhals sind nach wie vor die "Bildungsstandards" (alle Bildungsstandards der KMK). Für das Fach Deutsch ist bspw. das Dokument Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) (PDF) maßgeblich. Dort lesen wir unter "literarische Texte verstehen und nutzen" Formulierungen wie
"Zusammenhänge zwischen Text, Entstehungszeit und Leben des Autors/der Autorin bei der Arbeit an Texten aus Gegenwart und Vergangenheit herstellen,"
"wesentliche Elemente eines Textes erfassen: z.B. Figuren, Raum- und Zeitdarstellung, Konfliktverlauf,"
"wesentliche Fachbegriffe zur Erschließung von Literatur kennen und anwenden, insbesondere Erzähler, Erzählperspektive, Monolog, Dialog, sprachliche Bilder, Metapher, Reim, lyrisches Ich,"
Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) (PDF)
Das haben Bildungsstandards so an sich: Sie vermeiden inhaltsbezogene Formulierungen. Ob das gut oder schlecht ist, weiß man nicht so genau. Immerhin ist es relativ neu.
Alles steht und fällt letztlich damit, wie viele Bundesländer sich bei den Abituraufgaben tatsächlich aus dem Aufgabenpool bedienen. Wesentlich sinnvoller klang die kürzliche Ansage einiger Bundesländer, ab 2014 einfach die gleichen Aufgaben in einigen Abiturfächern stellen zu wollen. Diese Ankündigung wurde von Ties Rabe, Präsident der KMK, harsch kritisiert:
Frühere Absprachen der KMK für eine Standardisierung des Abiturs gingen sechs Ländern nicht weit genug. Sie haben in einer Arbeitsgruppe über einen zügigeren Weg nachgedacht. Aber heute verspüren wir Bewegung bei allen Ländern, da halte ich es nicht für hilfreich, wenn unmittelbar vor der großen Einigung in der Öffentlichkeit die Überholspur der kleinen Gruppe laut diskutiert wird. Unser Ziel sollte sein, bundesweit zu einer Angleichung der Standards kommen, nicht nur in sechs Ländern.
Die "Angleichung der Standards" ist Politikergewäsch. "Gleiche Aufgaben" ist das, was dem Staat einen Haufen Geld spart und Vergleichbarkeit gewährleistet. Deshalb ist die Aktion der sechs Länder unbedingt zu begrüßen.