Mehr Vorarbeit - weniger Korrekturzeit
Wie man eine GUTE Klassenarbeit konzipiert 16.12.2010, 02:09
Wer Klassenarbeiten sinnvoll konzipiert, spart sich eine Menge Korrekturaufwand - und führt eine konstruktive, angemessene und transparente Leistungsbeurteilung durch. Der Mehraufwand für die Konzeption der Klassenarbeit lohnt sich in jedem Fall. Sie finden hier einen Vorschlag für das korrekte Vorgehen: zu prüfende Themenbereiche auflisten, Aufgaben formulieren und bepunkten, Punkte-Notenschlüssel festlegen. Diese Anleitung betrifft alle Fächer und Schulstufen.
Eine gute Klassenarbeit bzw. Klausur hat folgende pädagogischen und organisatorischen Anforderungen zu erfüllen:
- Es dürfen ausschließlich Inhalte geprüft werden, die im Unterricht gelernt/ geübt wurden oder die definitiv vorausgesetzt werden können (z.B. Inhalte früherer Klassenstufen).
- Die Klassenarbeit muss unterschiedliche Schwierigkeits-/ Anforderungsniveaus bedienen. Entsprechend muss die Notengebung / Punkteverteilung schon im Vorfeld transparent sein.
- Die Klassenarbeit muss in jeder Hinsicht ökonomisch durchzuführen sein. Das heißt auch: Der Korrekturaufwand muss so niedrig wie möglich sein - bei höchstmöglicher Objektivität.
Um diesen Anforderungen zu genügen muss ein gewisser konzeptioneller Aufwand getrieben werden, der sich jedoch rechnet: Der Korrekturprozess wird wesentlich einfacher, Missverständnisse in der Kommunikation mit Schüler/innen können minimiert werden. Damit lässt sich sagen: Je mehr Zeit Sie in die Entwicklung einer Klassenarbeit investieren, desto angenehmer wird der Rest (durchführen, korrigieren / bewerten, besprechen) für alle Beteiligten.
Es empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
1. Anforderungskatalog formulieren
Überlegen Sie zu Beginn detailliert, welche Themen in der Klassenarbeit geprüft werden sollen. Fertigen Sie eine möglichst differenzierte Liste an. Zeigen Sie diese Liste im Vorfeld den Schüler/innen: “Diese Kenntnisse/ Fähigkeiten erwarte ich von euch.” Alle in der Liste auftauchenden Punkte sollten eindeutig mindestens einer gehaltenen Unterrichtsstunde zugewiesen werden können (oder einem Lehrplaninhalt früherer Klassenstufen). Auf der Liste darf nichts stehen, was die Schüler/innen nicht bei Ihnen oder in einer früheren Klasse gelernt haben.
Betrachten Sie die Liste genau und machen Sie sich noch einmal klar, dass Sie nichts bewerten dürfen, was nicht auf der Liste steht!
2. Aufgaben formulieren
Formulieren Sie Aufgaben, die einzelnen Punkten Ihrer Liste eindeutig zuzuordnen sind. Die Aufgaben sollen dabei unterschiedliche Leistungsniveaus abdecken. Als Hilfestellung können Sie dabei an besonders gute und schlechte Schüler/innen denken: Würde er/sie diese Aufgabe bewältigen?
Richten Sie die Aufgaben auf bestimmte (Unter-)Themenbereiche aus. Je begrenzter diese Themenbereiche sind, desto klarer ist die Erwartung an die Antwort. Viele Aufgaben können so in korrigierfreundlichen (halb-)geschlossenen Formaten (z.B. Multiple-Choice, Lückentext) gestellt werden.
Als Faustregel gilt: Je mehr die Aufgaben auf bestimmte (Unter-)Themen fokussieren, desto besser ist die Arbeit zu korrigieren.
3. Punkte den Aufgaben zuweisen
Bepunkten Sie die einzelnen Aufgaben gemessen am Schwierigkeitsgrad und Bearbeitungsaufwand. Dabei gilt:
Je weniger Punkte zu vergeben sind, desto weniger Korrekturaufwand ist zu erwarten. Warum sollten Sie bei einer Aufgabe, bei der Sie drei Nennungen erwarten, 15 Punkte vergeben und dann darüber brüten, ob Sie für einen halbrichtige Nennung 2 oder 3 Punkte vergeben? 6 Punkte für die drei Nennungen genügen völlig: pro korrekter Nennung 2 Punkte.
Verteilen Sie die Punkte so differenziert wie möglich. Niemand hält Sie davon ab, für die Stringenz der Darstellung (sofern geübt) ebenfalls Punkte zu vergeben - das machen Sie bei Fließtexten unterbewusst sowieso. Dann geben Sie für die drei korrekten Nennungen 6 Punkte und für die Stringenz der Darstellung nochmals 3 Punkte.
Wichtig: Weisen Sie die Punkte getrennt aus (maximal differenzierte Punktevergabe)! Vergeben Sie im genannten Beispiel für die Aufgabe nicht “8 Punkte” oder “3 Punkte”, sondern “Korrekte Inhalte (Ereignisse, Fakten, Kriterien ...): max. 6; Stringenz der Darstellung: max. 3”
Durch diese Technik minimiert sich der Korrekturaufwand enorm: Die Kalkulation “2 richtige und eine halbrichtige Nennung, aber schlechte Darstellung” ist wesentlich komplexer und unsicherer (und damit: anstrengender) als die Kalkulation “2 richtige = 4 Punkte, 1 halbrichtige = 1 Punkt, schlechte Darstellung = 1 Punkt” (vgl. auch Korrektur von Deutscharbeiten wird mit Excel leichter).
Die maximal differenzierte Punktevergabe hat einen weiteren Vorteil: Schwächen der Schüler/innen können viel gezielter erkannt und gefördert werden. Was bringt einer Schüler/in schon die Aussage: “Aufgabe 1: 6 von 9 Punkten”? Wesentlich konstruktiver ist die Feststellung, dass die Inhalte zwar gewusst/gelernt sind, die Darstellung jedoch unstrukturiert und abscheulich ist.
4. Noten-/Punkteschlüssel im Vorfeld festlegen
In vielen Fällen empfiehlt es sich, eine Punkteverteilung zu wählen, die direkt auf die Notenskala umgelegt werden kann (z.B. 12 Punkte, 60 Punkte). Ansonsten verwenden Sie zum Umrechnen den Notenschlüsselrechner online.
Legen Sie den Punkte-/Notenschlüssel im Vorfeld fest und ändern Sie ihn auch während des Korrigierens nicht mehr! Sie haben eine Liste erstellt (s.o. Punkt 1), in der Sie festgehalten haben, was genau Sie an Kenntnissen und Fähigkeiten erwarten. Sie haben den Aufgaben Punkte zugewiesen, die dem Schwierigkeitsgrad entsprechen.
Wenn Ihnen beim Korrigieren auffällt ...
- ... dass der Durchschnitt der Klassenarbeit bei 2.0 liegen wird (“Viel zu gut!!!”, werden manche sagen), dann freuen Sie sich darüber, dass Sie gemeinsam mit der Klasse die
LernzieleBildungsstandards realisiert haben. - ... dass der Durchschnitt der Klassenarbeit bei 4.75 liegen wird, dann überlegen Sie, ob Ihre Klassenarbeit/Punkteverteilung nicht realistisch war und die Schüler/innen überfordert hat. Ist dies der Fall, drehen Sie am Notenschlüssel und geben das der Klasse auch bekannt (“Sorry, die Arbeit war wohl etwas zu schwer.”). Sind Sie aber überzeugt davon, dass Ihre Klassenarbeit und die Bepunktung angemessen war, dann haben Sie ein Problem (denn entweder ist Ihre Klasse außergewöhnlich faul und unbegabt - oder Sie haben ein außergewöhnlich schlechtes Einschätzungsvermögen).
Es herrscht eine allgemeine Tendenz zur Mitte - 90% aller Klassenarbeiten und Klausuren haben einen Notendurchschnitt zwischen 2.5 und 4.0. Das liegt - entgegen dem landläufigen Glauben - nicht daran, dass die Leistungen der Schüler/innen eben grundsätzlich normalverteilt sind, sondern dass viele Lehrer/innen aus unterschiedlichsten Gründen davor zurückschrecken, Einsen und Sechser zu verteilen. Doch: Wenn Ihr Unterricht gut war und die meisten Schüler/innen der Klasse gut mitgearbeitet und gelernt haben - warum sollte eine Klassenarbeit dann nicht mal einen Schnitt von 1.3 haben?
Geben Sie die Punkteverteilung und den Punkteschlüssel auf dem Klassenarbeitsbogen schon beim Schreiben der Arbeit bekannt. Zum Lehrerfreund-Notenschlüsselrechner werden Kommentare gepostet wie dieser:
Hallo, wir haben 8.Klasse Gym. in Bayern. Fach Französisch als 2. Fremdsprache. In der ersten Schulaufgabe kamen jetzt 45 von 90 möglichen Punkte eine 5 (!) heraus. Kann das sein?
Das ist nur eines von vielen Beispielen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Schüler/innen schon während des Schreibens wissen, welche Aufgabe wie viel wert ist und wie die Leistung gemessen wird. Viele Lehrer/innen halten sich ein Hintertürchen offen, indem sie den Punkteschlüssel erst bei Rückgabe der Arbeit veröffentlichen und so während der Korrektur am Ergebnis drehen können. Dieses Verhalten ist in Einzelfällen absolut legitim - in den meisten Situationen jedoch hochgradig unprofessionell (da intransparent).
5. Lösen sie die Klassenarbeit selbst
Nur wenn Sie die Klassenarbeit selbst bearbeiten, werden Sie Stolpersteine erkennen und angemessen Punkte verteilen können. Außerdem haben Sie dadurch einen perfekten Lösungshorizont, den Sie bei der Korrektur inständig zu Rate ziehen können.
Natürlich hat niemand Lust und Zeit, zu Hause drei Erörterungen zum Thema “Soll auf unserem Schulhof das Rauchen verboten werden?” zu schreiben oder zu erklären, wie ein Osmosekraftwerk funktioniert. Tun Sie es deshalb einfach während der Klassenarbeit. Sie sollten für die korrekte Bearbeitung der Aufgaben maximal 30% der Zeit benötigen, die Sie den Schüler/innen zugestehen. Also setzen Sie sich bei einer zweistündigen Klausur (90min) hin und bearbeiten Sie sie (max. 30min). Das spart Ihnen bei der Korrektur der Arbeit eine Menge Nerven.
Lohnt es sich, einen hohen Aufwand beim Erstellen von Klassenarbeiten zu treiben?
Der Mensch strebt nicht immer nach Arbeit. Kann man sich spontane Faulheit gönnen, resultiert daraus oft ein übermäßiger Arbeits- oder Energieaufwand. Das zeigt sich bei der Betrachtung der Frage, ob sich die Zeit für die Unterrichtsvorbereitung “lohnt” (Was ist anstrengender: Unterricht vorbereiten oder Tennis spielen?).
Es lohnt sich immer, in die Konzeption einer Klassenarbeit ein wenig Zeit zu investieren; die Leistungsprüfung wird so gerechter und transparenter. Als sehr, sehr angenehmer Nebeneffekt nimmt der Korrekturaufwand bei gut konzipierten Klassenarbeiten deutlich ab, wie das folgende Diagramm zeigt: