Lehrer-Image
Das neue Lehrerbild: Vom faulen Sack zum armen Schwein 12.03.2009, 23:22
Lehrer/innen waren jahrzehntelang die Buhmänner der Nation; fast muss man Gerhard Schröder dankbar sein, der dieses Phänomen prägnant in zwei Wörter presste: "faule Säcke". Seit nun klar ist, dass Deutschland vor einer Zeit gravierenden Lehrermangels steht, ändert sich das Bild schlagartig. In den Medien erfahren Lehrer/innen auf einmal erstaunliche Wertschätzung.
In die Berichterstattung über Lehrer/innen und den Lehrberuf mischen sich seit dem Lehrermangelwinter 2008/09 neue Töne: Waren die Lehrer/innen bisher unqualifiziert, zu alt oder unmotivierte Faulenzer, spürt man jetzt Mitgefühl, Achtung und Solidarität. Kein Wunder - Lehrer/innen sind eine “hart umkämpfte Mangelware”, wie der Stern es formuliert. Die Verantwortung für schlechtes Abschneiden in Vergleichsstudien (wie PISA etc. ...) wird Politiker/innen und Elternhäusern zugeschrieben, während Lehrer/innen zunehmend als engagierte, unterbezahlte Opfer wahrgenommen werden (vgl. Lehrerfreund 25.09.2008: Lehrer-Image wird immer besser). Aus den faulen Säcken sind über Nacht arme Schweine geworden.
Dass Lehrer/innen arme Schweine sind, erfahren wir in Berichten mit Titeln wie Knochenjob Lehrer. Dort ist die Rede von durchkorrigierten Nächten, 60-Stunden-Wochen und psychischer Erschöpfung.
Sie [Katrin K., Lehrerin] wirkt müde, ihre Augen sind rot. Bis drei Uhr morgens hat sie an Aufsätzen gesessen. „Länger konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. [...”]
Katrin K. sagt wie viele ihrer Kollegen, dass sie etwas müde ist: „Der Druck ist in den letzten Jahren gestiegen, und die Schüler sind nicht gerade einfacher geworden.“ Sie meint Verhaltensauffälligkeiten, soziale und familiäre Probleme.
Keine Spur der Häme oder der Ironie ist in diesem Bericht zu finden. Lediglich die Darstellung einer fertigen, überforderten Frau. Lehrer/innen schuften richtig viel.
Die Bezahlung ist offensichtlich nicht in allen Fällen so gut, wie man allgemein annimmt. So lesen wir bei Spiegel Online den Artikel ‘Notfalls gehe ich putzen’, wo die Rede von einem Leipziger Lehrer ist (angestellt, nicht verbeamtet), der gezwungenermaßen Teilzeit arbeitet und abends für 4 Euro pro Stunde Pizza ausfährt, um seine Familie ernähren zu können.
Das Ausliefern bringe ihm monatlich gut 200 Euro ein, plus 50 Euro Trinkgeld. [...] Von seinem Lehrergehalt könne er die Raten für sein Haus nicht stemmen, geschweige denn die vierköpfige Familie ernähren.
Spiegel Online 28.02.2009: Arme Lehrer - ‘Notfalls gehe ich putzen
Lehrer, so die Message, sind wie du und ich - ausgebeutete Malocher, die sich auch vor niederen Arbeiten nicht scheuen. Es gibt keinen Grund zum Neid auf die Lehrerschaft.
Auch Aufrufe zur Solidarität mit den Lehrer/innen wurden schon gesehen. Im Artikel “Warum die Dauer-Kritik an Lehrern falsch ist” bei Welt Online wird die Öffentlichkeit beschworen, doch endlich aufzuhören, die Lehrer/innen zu kritisieren:
Angriffe auf Lehrer haben bei uns Tradition. Mal werden sie als dumm und faul beschimpft, dann wieder als schlecht ausgebildet und pädagogisch unfähig. Dabei ist an den Vorwürfen nicht viel Wahres dran.
Welt Online 06.03.2009: Vorurteile - Warum die Dauer-Kritik an Lehrern falsch ist
Akribisch werden im Beitrag einzelne Vorurteile widerlegt (“Unsere Lehrer sind zu schlecht”, “Unsere Lehrer sind viel zu alt”, “Unsere Lehrer hatten selbst schlechte Abi-Noten”). Ein bedingungsloses Plädoyer für die Integrität und Fähigkeit von Lehrer/innen. Lehrer/innen sind eigentlich in Ordnung.
Natürlich sind sie das - wie andere Menschen auch. Schade ist nur, dass man ihnen das erst dann sagt, wenn man sie dringend braucht.