Düstere Perspektive
Lehrermangel in Niedersachsen: Nur die Hälfte der Pensionäre kann ersetzt werden 09.06.2009, 20:55
Düstere Lehrermangel-Prognose ab 2010: In Niedersachsen kann ab 2010 nur noch die Hälfte der ausscheidenden Lehrer/innen durch Neulinge ersetzt werden. Damit ist ein Lehrermangel absehbar, der mit legalen Methoden kaum zu decken ist.
Prof. Klaus Klemm, Triebkraft von Bündis länger gemeinsam lernen, hat im Auftrag des GEW-Landesverbandes Niedersachsen ein Gutachten zum niedersächsischen Lehrerbedarf 2010 bis 2020 erstellt (”Zur Entwicklung des Lehrerinnen- und Lehrerbedarfs in Niedersachsen (pdf)”). Als Grundlage dienen Daten des Statistischen Bundesamtes über Anzahl der Lehramt-Studierenden, Referendar/innen und Abbrecherquoten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur die Hälfte aller der durch Pensionierung ausscheidenden Lehrpersonen von 2010 bis 2015 durch junge Nachrücker/innen ersetzt werden kann.
Die folgenden Seitenzahlen beziehen sich auf die PDF-Version des Gutachtens: Zur Entwicklung des Lehrerinnen- und Lehrerbedarfs in Niedersachsen (pdf bei GEW Niedersachsen)
1. Altersstruktur
Tabelle 2 des Gutachtens bildet die Altersstruktur der Lehrer/innen im Schuljahr 2007/2008 ab, getrennt nach allgemein bildenden Schulen und berufsbildenden Schulen. In beiden Schultypen ist mehr als die Hälfte der Lehrer/innen älter als 50 Jahre und wird bis zum Jahr 2025 ausgeschieden sein. Ersetzen wird man sie nicht alle können. Der erwartete Schülerrückgang wird diese Entwicklung zwar dämpfen, es bleiben nach der Prognose jedoch Tausende von Lehrerstellen unbesetzt.
2. Einstellungsbedarf 2015 / 2020
Der Bedarf an Lehrer/innen wird im Jahr 2015 bei rund 64.000 (Vollzeitstellen) liegen, ohne Neueinstellungen wären Lehrer/innen für 43.000 Stellen vorhanden. Bis 2020 wird sich die Situation etwas entspannen, es würden (ohne Neueinstellungen) aber immer noch knapp 11.000 Vollzeitstellen fehlen. Diese Prognose setzt ein konstantes Schüler-Lehrer-Verhältnis voraus (Tab. 6).
Allerdings wird Niedersachsen nicht in der Lage sein, dem Einstellungsbedarf gerecht zu werden. Die GEW Niedersachsen formuliert entsprechend in ihrer Pressemitteilung:
Das „Neuangebot“, das um 2013/14 kaum über 2.100 Personen liegen wird, fällt in den Jahren zwischen 2010 und 2015 deutlich hinter den dann jährlich benötigten etwa 4.200 Personen (konstanter Stellenbestand) zurück. Selbst wenn die gegenwärtige schlechte Personalversorgung mit einer konstanten Schüler/Lehrer-Relation aufrechterhalten wird, würde die erforderliche Anzahl von 2.900 junge Lehrerinnen und Lehrer nicht erreicht. Verschärft wird diese Perspektive noch dadurch, dass die zur Verfügung stehenden Absolventen mit ihren studierten Lehrämtern und Fächern erfahrungsgemäß die Schulformen und die Fachnachfrage nicht abbilden werden.
GEW Niedersachsen, Pressemitteilung 09.06.2009: Ab 2010 fehlt die Hälfte des Nachwuchses
Wie die Politik reagieren wird
Wie das Gutachten bemängelt, ist Niedersachsen schon “in der Vergangenheit mit seiner Ausbildungsleistung in Hochschulen und in Seminaren hinter dem eigenen Einstellungsbedarf zurück[geblieben], war also auf ‘Importe’ angewiesen.” (S. 7) Um die Stellensituation zeitnah zu entspannen, bietet es sich an, die Lehrer/innen-Ausbildung zu verkürzen (und damit zu verschlechtern). Eine weitere Maßnahme ist die Anhebung der Deputate, bei der man allerdings Gefahr läuft, die eigenen Lehrkräfte zu vergraulen und sie in die südlichen Bundesländer abwandern zu sehen.
Das eigentliche Problem ist jedoch die mittel- und langfristige Entwicklung. Neben der grundsätzlichen Tendenz zur Bagatellisierung der Situation (und der Betonung der sinkenden Schülerzahlen) wird die heimliche Rechnung der Regierenden diese sein: Wenn man den bis 2015 notwendigen Bedarf von 21.000 Stellen decken würde, hätte man 2020 eine Überbesetzung von rund 10.000 Stellen. Deshalb wird man versuchen, die Zeit bis 2020 mit einem Defizit von 10.000 Stellen zu überbrücken. Dies kann so nur geschehen, wenn die Deputate zünftig angehoben werden - oder wenn man sich kurzfristige Maßnahmen einfallen lässt, durch die Stellen eingespart werden. Vielleicht sollte Niedersachsen einfach den bundesweit erfolgreichen G8-Trick noch einmal anwenden und das siebenjährige Gymnasium einführen (G7).