Klassenarbeiten
Warum verwenden wir in der Schule so wenig Multiple-Choice-Tests? 07.01.2008, 12:24
Geschlossene Fragen (vulgo: Multiple-Choice-Tests) werden unter Didaktiker/innen mit Misstrauen beäugt. Dabei sind sie vielleicht besser als ihr Ruf.
Geschlossene Fragen minimieren nicht nur den Korrekturaufwand von Klassenarbeiten immens, sie haben auch eine Eigenschaft, die einer ureigenen Dimension unseres (Lehr-)Berufs entspricht: Sie sind - sofern korrekt konstruiert - objektiv und vergleichbar. Im Regelschulbetrieb werden sie allerdings kaum verwendet. Wieso nicht?
Multiple-Choice-Tests: Kritik
Viele Lernzieltypen oder Fachinhalte eignen sich nicht für die Überprüfung durch Multiple-Choice-Tests. Denn die Antworten bei diesen Fragetypen sind immer kompromisslos nur richtig oder falsch. Individuellen Lernprozessen, Zugängen oder Ausdrucksformen wird damit ganz und gar die Gurgel abgedreht. Diese Kritik an Multiple-Choice-Formaten gilt besonders für Fächer, in denen die hermeneutische Tradition eine Rolle spielt (z.B. Deutsch: Literaturinterpretation).
Freitextaufgaben haben zudem den Vorteil, dass die SchülerInnen in einer Prüfungssituation Texte/Bilder/Vokabeln… generieren müssen, was einen nicht zu vernachlässigenden Lerneffekt hat (Rekonstruktion und Anwendung von Gelerntem, Förderung der schriftlichen Äußerungsfähigkeit, Strukturierungsübung etc.).
Multiple-Choice-Tests eignen sich (bedingt) zur Leistungsüberprüfung
In letzter Zeit habe ich in Schulen einige Lesekompetenztests durchgeführt und dazu Auszüge aus den bayerischen Vergleichsarbeiten im Fach Deutsch (Realschule) verwendet. Das sind in erster Linie geschlossene Fragen, die nach Lektüre eines Vorlagentextes beantwortet werden müssen. Es handelt sich dabei nicht nur um Wissensfragen (die die Informationsentnahme aus dem Text abprüfen), sondern auch um Fragen, die weiter gehendes Verständnis und das Begreifen logischer Zusammenhänge testen.
Die DeutschlehrerInnen aller Klassen waren - mit mir - erstaunt darüber, dass die Ergebnisse der Tests fast ausnahmslos dem traditionell durch Aufsätze, mündliche Noten usw. erhobenen Leistungsstand der SchülerInnen entsprachen. Das war um so überraschender, als dass insgesamt durchschnittlich nur sechs Aufgaben (mit jeweils 1-4 richtig zu setzenden Kreuzen) zu lösen waren.
Warum also so wenig Multiple-Choice-Tests in der Schule?
Wie oben beschrieben, haben Freitextaufgaben in Examenssituationen auch eine über das Diagnostische hinausgehende Funktionen. Das erklärt aber nicht, wieso so wenig gemultiplechoict wird. Die Zahl möglicher Anwendungsbereiche ist Legion. Allein im Bereich Deutsch sind Klassenarbeiten/Tests aus fast sämtlichen Lernbereichen denkbar (Grammatik, Rechtschreibung, Kommasetzung; Literaturgeschichte, Lektürehandlung, Personenkonstellationen; Lesekompetenz/Leseverstehen ...), ebenso in allen anderen Fächern.