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Spickzettel bei Klassenarbeiten erlauben - und bewerten! 10.12.2015, 18:53

Spickzettel auf einer Hand
Bild: Shutterstock

Ein überaus sinnvoller Trick für fast alle Schulfächer, Schulstufen und Schulformen: Motivieren Sie die Schüler/innen, einen Spickzettel zu verfassen, der dann auch bei der Klassenarbeit verwendet werden darf. Der Lerneffekt ist enorm.

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  • (geändert: )

Die Grundidee: Wer einen guten Spickzettel anfertigt, der muss den Stoff reduzieren - und das geht nur dann, wenn man sich mit dem Stoff beschäftigt. Und die Tätigkeit "Spickzettel anfertigen" wird von den Schüler/innen nicht einmal negativ besetzt.

Die folgenden Ausführungen sind mit freundlicher Genehmigung entnommen dem Buch "Reduziert gewinnt! Didaktische Reduktion für Trainer, Ausbildende und Lehrpersonen" von Yvo Wüest (aktuell nur als Kindle-Version für 23,99 Euro erhältlich), S. 133-134. Der Autor befasst sich mit der Frage, wie (und warum) man die Komplexität von Unterrichtsstoff auf lernbare Kernbotschaften reduzieren kann und welche Methoden dabei hilfreich sind. Er ist als Trainer in der Schweiz und international unterwegs. Auf seinem Blog www.education-minds.com schreibt er über didaktische Reduktion. Im Februar 2022 erschien sein neues Fachbuch »Mini Handbuch Didaktische Reduktion« im Beltz Verlag.

Methode: Spickzettel als Mittel zur didaktischen Reduktion

Arbeitsauftrag

»Bei der folgenden Prüfung ist ein Spickzettel ausdrücklich erlaubt. Sie erhalten den Zettel von mir, und alle Studierenden arbeiten mit exakt dem gleichen Format. Vorder- und Rückseite dürfen benutzt werden.«

Didaktische Überlegungen

An der Berufsfachschule für Verkehrswegbauer unterrichten wir Lernende im Alter von 15 bis 20 Jahren. Die meisten kommen direkt aus der Volksschule und verfügen in der Regel über einen Realschul- bzw. Sek-B-Abschluss. Von ihrem Beruf her sind sie es sich gewohnt, körperlich zu arbeiten, und langes Sitzen liegt ihnen nicht.

Die Unternehmen trimmen die Lernenden auf körperliche Leistungen. Wer diesen Beruf erlernen will, muss sich im harten Baugewerbe durch seine körperliche Leistungsbereitschaft beweisen. Die Unternehmungen setzen hier die Priorität. Schulische Leistungen rücken in den Hintergrund. Trotzdem wird von den Lernenden erwartet, dass sie genügende Noten zurück in den Betrieb bringen. Oft werden Lernende mit ungenügenden Noten in den Stützunterricht geschickt, wo sie ihre Noten verbessern sollen.

Viele Lernende verfolgen das Ziel, mit so wenig Aufwand wie möglich einen guten Abschluss der Berufslehre zu erreichen. Darum eignet sich der Spick- oder Schummelzettel, um dieser Gruppe von Lernenden den Prüfungsstoff nachhaltig in die Köpfe zu bringen.

Schon früh in meiner Tätigkeit als Lehrer, aber natürlich auch aus meiner Zeit als Schüler wusste ich, dass die Lernenden an den Prüfungen spicken. Beim Korrigieren der Prüfungen stellte ich mir die Frage, wie ich damit umgehen soll. Soll ich die Lernenden konfrontieren oder den Polizisten spielen? Ich erachte beides nicht als konstruktiv.

Nach langem Hin und Her entschied ich mich, gegen den Rat von anderen Lehrpersonen, den Spickzettel während meiner Prüfung zu erlauben.

Erfahrung mit der Methode

Die Lernenden staunten zuerst über meine Ankündigung, dass ein Spick jetzt neuerdings an der Prüfung erlaubt sei. Noch überraschter waren sie, als ich ihnen mitteilte, dass ich auch den Spick bewerten werde.

Vermutlich dachten sie zuerst, dass dies eine geschenkte Note sei. Doch die Erfahrung lehrte sie etwas anderes.

Folgende Erkenntnis zog ich aus meinem Spickzettelexperiment

1. Alle Lernenden nutzten die Gelegenheit und schrieben einen Spickzettel. Damit erreichte ich, dass die Lernenden sich anstrengten, was viele davor nicht gemacht hatten.
2. Da ich ihnen das Format des Spicks vorgab, bemühten sie sich, den wichtigsten Inhalt des Lernstoffs auf den Spickzettel zu schreiben.
3. Aufgrund des Platzmangels mussten sie ihren Spickzettel mehrmals schreiben, bis es ihnen gelang, alles optimal zu platzieren.
4. Dank der intensiven Beschäftigung mit dem Lernstoff nahm ihr Gehirn mehr Stoff auf als gewöhnlich, und die Lernenden empfanden diese Aufgabe gar nicht als Lernen.
5. Obwohl ich den Schwierigkeitsgrad der Prüfung erhöhte, war die Mehrheit der Klasse besser. Daraus schliesse ich, dass diese Methode Erfolg verspricht, und ich werde sie wieder einsetzen.

Umsetzungstipps

Einzige Regel: das Format des Spickzettels. Dabei bemerkte ich: je kleiner, desto besser.

Idee

Tino Wattinger, Berufskundelehrer an der Berufsfachschule für Verkehrswegbauer, Sursee, und Dozent und Fachgruppenleiter an der IBZ Höhere Fachschule für Technik Informatik und Wirtschaft, Aarau.

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Kommentare

18

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  • #1

    Hast du ein Beispiel wie du den Spicker bewertest? Also z.B. ein Raster mit Prozentwerten oder Punkten oder Kreuzen ...?
    Magst du uns das zeigen?

    schrieb M.W. am

  • #2

    Im Nachhilfeunterricht dürfen meine Schüler manchmal auch einen Spickzettel anfertigen. Von der Verwendung muss ich ihnen natürlich immer abraten.

    schrieb Die Lernpartner - Nachhilfe in Freiburg am

  • #3

    Wahrscheinlich geht es bei einer juristischen Einschätzung der Spickzettel-Methode vorrangig um die Frage, wo die eigene Leistung erbracht wurde - während der Klassenarbeit (unter gleichen Bedingungen für alle Schüler/innen) oder schon im Vorfeld. Wenn jemand in der Klassenarbeit von seinem Spickzettel abschreiben kann und eine sehr gute Note dafür bekommt, dass sein großer Bruder ihm zuhause den Spickzettel vorgeschrieben hat, dann könnte das schulrechtlich wohl problematisch werden.

    Andererseits würde eine wie eben beschriebene Realisierung des Konzepts auch nicht zu Motivation und Lernzuwachs führen, sondern zu einer inhaltsentleerten Wer-hat-den-besten-Spicker-Technik, und darum geht es ja nicht. Deshalb könnte man bspw. bei der Klassenarbeit keine Fakten abfragen, sondern Transferaufgaben stellen, die dem Spicker nicht 1:1 zu entnehmen sind.

    Wahrscheinlich kommt es bei einer juristischen Einschätzung auch auf Schulform, -stufe und -fach an. Wenn die Verkehrswegbauer, die der Autor des Artikels unterrichtet, durch die Methode auf ihre Prüfung ordentlich vorbereitet werden und dann in der Abschlussprüfung (ohne Spickzettel natürlich) eine gute Note schreiben, ist das doch prima. Wenn in der gymnasialen Oberstufe jedoch jemand während der Kurshalbjahre mithilfe eines Spickers gute Noten einfährt, die die Abiturnote mitbestimmen, ist das wahrscheinlich juristisch nicht tragbar.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #4

    Wie ist die rechtliche Situation? Ist es konform mit den Schulgesetzen aller Länder, einen solchen Spickzettel zuzulassen?
    Es ist wichtig, hier Rechtssicherheit zu haben, um sich nicht aufgrund eines formalen Fehlers juristisch angreifbar zu machen.
    Prinzipiell bin ich aber ebenfalls davon überzeugt, dass es einen enormen Motivationsschub bei den Schülern auslösen kann, einen Spickzettel in der Klassenarbeit benutzen zu dürfen.
    Über eine Stellungnahme hierzu würde ich mich sehr freuen!
    Beste Grüße
    C. Maier

    schrieb C. Maier am

  • #5

    ” (Das Ergebnis zählt, nicht der Weg dorthin.) ;-)”
    Wenn das Ihr Fazit ist, dann haben Sie den Artikel nicht verstanden. Es mag abgedroschen klingen, aber in diesem Fall ist der Weg (das Beschäftigen mit dem Lerngegenstand, dessen Durchdringung und Zusammenfassung) das Ziel.

    schrieb Markloh am

  • #6

    - Darf der Spickzettel auch mit dem PC gemacht werden (Schriftgröße 4 ...)?

    Wenn ich Spickzettel zulasse, dann nur handgeschriebene. Nach meiner Erfahrung wird sonst nur ein Klassenspicker vom Klassenprimus gemacht, den alle einmal ausdrucken.

    schrieb Marco Bakera am

  • #7

    “...Am Nachmittag zeige ich Ihnen eine weitere Methode, mit der Sie Ihre 10 wichtigsten Erkenntnisse festhalten können…”

    Klingt spannend. Was ist Methode 2?

    schrieb Marco Bakera am

  • #8

    Ich habe bei Yvo Wüest ein Tagesseminar zu “Reduziert gewinnt! Didaktische Reduktion für Trainer, Ausbildende und Lehrpersonen” absolviert. Sein Stil ist sehr ansprechend und professionell und wir hatten in unserer Gruppe viel Spass. Sein Buch bietet über das Training hinaus viele nützliche Tipps & Tricks, wie Lehrende der Stofffülle begegnen können.

    schrieb Sandra Bühlmann am

  • #9

    Hallo,
    Bei der Bewertung des Spickzettels bewertete ich:
    - Der Grad der Verdichtung, wie gut wurde zusammengefasst?
    - Wurde der Spick in eigenen Worten verfasst oder nur Text aus dem Lehrbuch abgeschrieben?
    - Auf die Anwendbarkeit, wurde der relevante Inhalt erkannt ?
    - Teilweise als Ergänzung, die Darstellung und das Layout.
    Die Kriterien gab ich immer im Voraus bekannt.

    @Read
    Zu deiner Frage, ob man das auch per PC machen kann.
    Das habe ich immer abgelehnt, da auf dem PC alles verkleinert werden kann.

    LG Tino

    schrieb Tino Wattinger am

  • #10

    Vielen lieben Dank für die Antwort. Ich finde die Idee jedenfalls toll und weiß aus eigener Erfahrung, dass das auch funktioniert. Vielleicht sollte ich mich einfach mal trauen, dass auch legal im Unterricht zu zulassen.
    Liebe Grüße

    schrieb Julia am

  • #11

    Wie wird der Spicker bewertet?

    schrieb Marco Bakera am

  • #12

    Die Bewertung oder genauer die angewandten Parameter sollten zu Beginn bekannt gemacht werden. Schreiben mit der Hand könnte lehrreicher sein, als das Schreiben am PC. Allerdings hat nur schon die Verdichtung selber ihren pädagogischen Wert. Und die eigene Erfahrung lehrte ja oft: Am Schluss, an der Prüfung, braucht es den Zettel oft gar nicht mehr. Durch die Reduktion und das Verdichten ist das Wissen bereits im Kopf gelandet!

    Zuerst überrascht die Methode oft. Eine Abnutzung kann verhindert werden, in dem die Erlaubnis zu “spicken” nicht zur Norm wird.

    schrieb Yvo Wüest am

  • #13

    Das Format DIN A5 hat sich bewährt.

    In meinen Trainings zu “Reduziert gewinnt!” setze ich die Spickzettelmethode gerne schon zu Beginn des Tagesseminars ein. Dazu lege ich auf jedem Arbeitsplatz einen Zettel im Format DIN A6 und einen roten Bleistift bereit.

    Ich eröffne oft das Seminar mit den Worten: “Wer von Ihnen kennt das nicht: der Spickzettel als praktisches Instrument zur Reduktion von umfangreichem Stoff? Sie werden in der Hälfte des heutigen Seminartages Zeit erhalten, die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Vormittagsprogramm auf exakt diesem Zettel für sich festzuhalten. Am Nachmittag zeige ich Ihnen eine weitere Methode, mit der Sie Ihre 10 wichtigsten Erkenntnisse festhalten können und zusätzlich definieren, was sie in den nächsten 72h anpacken werden.”

    Yvo Wüest, Autor von “Reduziert gewinnt!”

    schrieb Yvo Wüest am

  • #14

    Im genannten Buch auf S. 123 wird DIN A5 vorgeschlagen. Möglicherweise sind DIN A4-Größen bereits zu üppig - es passt zu viel drauf und die Idee des “Lernen durch Reduzieren” verliert an Knackigkeit. Außerdem muss der Arbeitsaufwand für Schüler/innen überschaubar sein, damit sie die Motivation haben, das Ding auch voll zu machen.

    Nach unten hängt die Größe vom Umfang und der Komplexität des Stoffes ab. Es sind sicher kleinere Themengebiete vorstellbar, wo man eine Briefumschlaggröße oder kleiner verwenden kann.

    In jedem Fall sollte man die Größe des Spickzettels einheitlich vorgeben.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #15

    Tolle Idee!
    Ich werde das an unserer Hochschule auch mal ausprobieren.
    (Das Ergebnis zählt, nicht der Weg dorthin.) ;-)

    schrieb Mr. Markenlexikon am

  • #16

    Hallo,

    gibt es einen Richtwert oder eine Empfehlung, wie groß der Spickzettel sein sollte?

    LG Julia

    schrieb Julia am

  • #17

    Klingt echt spannend. Bevor ich so etwas umsetzen würde, hätte ich noch ein paar Fragen:
    - Wie sieht die Bewertung eines solchen Spickzettels aus? (Muss der mit abgegeben werden?)
    - Darf der Spickzettel auch mit dem PC gemacht werden (Schriftgröße 4 ...)?
    - Nutzt sich die Methode nicht (zu) schnell ab?

    schrieb Read! am

  • #18

    Ich bin seit über 15 Jahren im Bildungsbereich tätig und unterrichte direkt aus der Praxis. Den Spickzettel verwende ich schon länger als Methode, da ich selber auch zu meiner Schulzeit so gelernt habe.
    Dies als offizielles Hilfsmittel zuzulassen, ist jedoch auf gewissen Schulstufen eher schwieriger. Deswegen setze ich es ein für themenspezfisches Lernen.

    schrieb Dominique Häring am

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