Professionelle Notenschlüsselkonzepte
Notenschlüssel: harter vs. weicher Sockel 26.01.2022, 09:41
Viele Lehrer/innen verwenden bei der Benotung Notenschlüssel mit Sockel. Wir erklären den Unterschied zwischen harten und weichen Sockeln - und in welchen Fällen Sie Sockel verwenden sollten.
Zum Aufwärmen: Was ist ein linearer Notenschlüssel?
Üblicherweise werden Notenschlüssel linear gestaltet. Das bedeutet, alle verfügbaren Noten verteilen sich gleichmäßig über die Spanne möglicher Verrechnungspunkte.
Wir brauchen dazu das mögliche Maximum an Verrechnungspunkten (VP) und (für den deutschen Notenschlüssel 1 bis 6) die Formel
note = 6 - 5 * erreichteVP / maximaleVP
Wenn also 100 VP zu erzielen sind, bekommt man mit 50 VP die Note 6-5 * 50/100 = 3,5 (ist ja auch klar: 3,5 liegt genau in der Mitte: 1-2-3-4-5-6). Genau bei 30 Prozent (oder 30 von 100 Verrechnungspunkten) bekommt man die 4,5, also je nach Interpretations-/Rundungsweise gerade noch bestanden bzw. gerade schon durchgefallen.
Übrigens: Bei einem linearen Notenschlüssel kommen nicht alle Noten gleich häufig vor, da die beste und schlechteste Note nur halb so oft vergeben werden wie die anderen Noten (!). Mehr zu diesem weit gehend unbekannten Sachverhalt: Linearer Notenschlüssel mit ganzen, halben, Viertelnoten: verteilen oder runden?
Notenschlüssel mit Sockel
»Sockel« in der Notenschlüsselberechnung bedeutet: Wir bauen vor der besten Note und/oder nach der schlechtesten Note eine Pufferzone ein.
Sockel unten - wir manipulieren das schlechtere Ende der Skala (oder: Wir verschieben die Punktzahl, ab der die schlechteste Note vergeben wird).
Sockel unten - wir manipulieren das bessere Ende der Skala (oder: Wir verschieben die Punktzahl, ab der die beste Note vergeben wird).
Im folgenden Bild vergeben wir für 4 Verrechnungspunkte noch eine 6 - das heißt, die Bewertung wird strenger. Außerdem vergeben wir erstmalig die 1 bei 27 Verrechnungspunkten, das entspricht dem normalen linearen Notenschlüssel.
Es ist eine Fehlannahme zu glauben, dass ein Sockel unten einen Notenschlüssel grundsätzlich schülerunfreundlich macht, während ein Sockel oben grundsätzlich gut für Schüler/innen ist. Diese Aussage trifft nur auf weiche Sockel zu, bei harten Sockeln haben Sie andere Gestaltungsspielräume.
Ausführliche Erläuterungen zur grundsätzlichen Funktionsweise von Notensockeln finden Sie hier:
- Lineare Notenschlüsselrechner jetzt mit zwei nützlichen Berechnungsvarianten
- Praxistipp: Notenschlüssel anpassen mit Sockel und/oder Knick
Wir unterscheiden folgende zwei Formen des Notensockels:
Harter Sockel vs. weicher Sockel
Ein harter Sockel ist genau definiert. "Bei 4 Verrechnungspunkten (und weniger) gibt es eine 6.", oder: "Die 1 vergebe ich bei 27 Verrechnungspunkten (und mehr)." Das bedeutet, dass der auf den Sockel folgenden Punktzahl zwingend der nächste Notenschritt zugeordnet ist. Wenn Sie also nur ganze Noten vergeben und ab 4 Punkten die 6 (schlechteste Note) vergeben, dann folgt bei 5 Punkten zwingend die Note 5.
Ein harter Sockel ist dadurch definiert, dass zwischen der zweitbesten und der zweitschlechtesten Verrechnungspunktzahl ein »normaler« linearer Notenschlüssel zwischen der zweitbesten und der zweitschlechtesten Note erstellt wird.
Mit den Lehrerfreund-Notenschlüsselrechnern Punkte-Noten-Rechner (linear) und Punkte-Noten-Rechner (mit Knick) können Sie bei Bedarf harte Sockel definieren.
Weiche Sockel dagegen treffen keine Aussage darüber, ab wann die beste oder schlechteste Note vergeben wird, sondern erstellen einen linearen Notenschlüssel von der angegebenen schlechtesten bis zur angegebenen besten Punktzahl. Je nach Einstellungen (Anzahl der zu vergebenden Verrechnungspunkte, Ausgabeschritte der Note wie Ganze, Halbe, Viertel, Zehntel …) werden auch noch innerhalb der verfügbaren Spanne an Verrechnungspunkten die schlechteste und beste Note mehrfach vergeben.
Der zentrale Unterschied
Bei harten Sockeln wissen Sie genau, bei welcher Punktzahl die beste und/oder schlechteste Note vergeben wird. Sie können den Notenschlüssel an beiden Enden jeweils anspruchsvoller oder leichter machen.
Beispiel
Wenn Sie im Beispiel oben einen harten Sockel oben bei 29 Punkten einziehen, gibt es bei 28 Punkten die Note 2. Damit ist Ihr Notenschlüssel am besseren Ende anspruchsvoller als ein standardisierter Linearschlüssel, obwohl es ein Sockel oben ist.
Ziehen Sie jedoch einen harten Sockel oben bei 24 Punkten ein, gibt es erst bei 25 Punkten die Note 2. Damit ist dieser Notenschlüssel am besseren Ende deutlich leichter als ein standardisierter Linearschlüssel.
Das ist der entscheidende Vorteil von harten Sockeln - Sie haben volle Kontrolle und Flexibilität. Und Sie haben wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten als mit einem weichen Sockel.
Bei weichen Sockeln dagegen verändert sich die Punktzahl, ab der die zweitschlechteste oder zweitbeste Note vergeben wird, je nach Einstellungen (bspw.: Ausgabe der Noten als Ganze, Zehntel …). Hier sehen wir den Nachteil eines weichen Notensockels: Sie haben nur eine schemenhafte Vorstellung davon, welche Auswirkungen Ihre Konfiguration haben wird. Im Beispiel oben haben Sie "Sockel bei 4 Punkten" eingegeben, was dazu führt, dass bei 6 Punkten (also 20 Prozent der VP-Spanne) noch die schlechteste Note vergeben wird - ganz schön heftig.
Das bedeutet nicht, dass weiche Sockel »falsch« oder »verboten« wären. Sie sind einfach nur schwieriger zu benutzen, da sich oft ungewollte Effekte ergeben. Ein Vorteil des weichen Sockels: Man weiß immer, dass der Notenschlüssel anspruchsvoller oder leichter wird:
- Bei Verwendung eines weichen Sockels unten wird der Notenschlüssel ausnahmslos immer anspruchsvoller - soll heißen, es wird schwieriger, eine gute Note zu bekommen.
- Bei Verwendung eines weichen Sockels oben wird der Notenschlüssel ausnahmslos immer leichter - soll heißen, es wird einfacher, eine gute Note zu bekommen.
Anwendungsszenarien
Folgende Anwendungsbereiche für die Sockelung von Notenschlüsseln kommen besonders häufig vor:
[1] Zusatzaufgabe: Schülerfreundlicher Sockel oben
Wir vergeben Verrechnungspunkte, die für das Erreichen der besten Note nicht erforderlich sind - Positivsockel (Sockel vor der besten Note).
Beispiel: In Ihrer Klassenarbeit können 30 Verrechnungspunkte erzielt werden, Sie wollen nur ganze Noten verteilen. Ein linearer, ungesockelter Notenschlüssel würde ab 27 Punkten (und weniger) die Note 2 vergeben. Sie haben aber eine Zusatzaufgabe vergeben, die 2 Punkte einbringt. Also legen Sie einen harten Sockel bei 25 Punkten fest.
[2] Anspruchsniveau der Klassenarbeit heben: Sockel unten
Wir haben viele sehr einfache oder schon im Unterricht geübte Aufgaben. Im linearen, ungesockelten Notenschlüssel würden wir bei 3 Punkten bereits die Note 5 vergeben. Wir sind aber der Meinung, dass es mit weniger als 5 Punkten noch die 6 (schlechteste Note) geben muss. Also ziehen wir einen Sockel bei 4 Punkten (wie in der Grafik oben).
Eine ähnliche Herangehensweise:
Ihre Klassenarbeit besteht aus 10 Aufgaben. Zwei Aufgaben sind wirklich unglaublich einfach - schon viele Male bearbeitet, besprochen, gelernt. Wer die nicht korrekt bearbeitet, muss die schlechteste Note bekommen.
Sie rechnen also die Verrechnungspunkte dieser drei Aufgaben zusammen (z.B.: 6 Punkte) und legen fest: Die schlechteste Note wird ab 6 Punkten (und weniger) vergeben.
[3] Anspruchsniveau der Klassenarbeit justieren: Sockel oben und/oder unten
Wir wollen grundsätzlich unsere Klassenarbeit etwas freundlicher oder unfreundlicher bewerten, aber trotzdem noch im linearen Paradigma bleiben. Dann bauen wir einen oder zwei Sockel ein.
Veränderung des Notenschlüssels während des Korrigierens: Beispiel
Es ist durchaus vorstellbar, dass Sie auch während des Korrigierens am Notenschlüssel drehen müssen (Darf man während des Korrigierens am Notenschlüssel drehen?). Sie haben bspw. eine Arbeit mit folgender vorgegebener Bepunktung geschrieben:
Aufgabe 1: 4 Punkte
Aufgabe 2: 3 Punkte
Aufgabe 3: 6 Punkte
Aufgabe 4: 3 Punkte
Aufgabe 5: 3 Punkte
Aufgabe 6: 5 Punkte
Gesamt-/Maximalpunktzahl: 24 Punkte
Beim Korrigieren stellen Sie fest, dass Aufgabe 3 von fast niemandem gelöst wurde, und Sie kommen zum Schluss, dass Sie das Thema nicht ausführlich genug behandelt haben. Sie haben folgende Möglichkeiten:
- Sie korrigieren bei Aufgabe 3 soft - soll heißen, Sie vergeben unverhältnismäßig gute Punktzahlen.
Eine nicht optimale Lösung, denn der bildungsferne Jakob bekommt für unverständliches Blabla 3 von 6 Verrechnungspunkten. Dafür entziehen Sie sich jeglicher Kritik am Schwierigkeitsgrad und der Bepunktung von Aufgabe 3. - Sie ändern die Punktzahl für Aufgabe 3.
Statt 6 VP vergeben Sie nur 2 VP. Damit ändert sich auch die Maximalpunktzahl, Sie müssen die gesamte Bepunktung im Nachhinein ändern, was ärgerliche Nebeneffekte haben kann. So könnte ein/e Schülerin sagen: »Ich habe mich vor allem auf diese Aufgabe konzentriert, weil sie die meisten Punkte gab. Das ist die Einzige, die ich ganz richtig habe, und jetzt gibt es plötzlich weniger Punkte dafür.« Und tatsächlich hat er/sie damit Recht. (Das ist übrigens der Grund, warum einige Lehrer/innen auf dem Arbeitsblatt/Aufgabenblatt keine Angaben zu Verrechnungspunkten machen.) - Sie bauen einen Sockel ein - Aufgabe 3 wird zur »Zusatzaufgabe«
Damit manipulieren Sie de facto die Gesamtpunktzahl der Arbeit, wobei die Punkteverhältnisse der einzelnen Aufgaben jedoch gleich bleiben. Die mögliche Kritik »Aufgabe 3 gibt die meisten Punkte und wurde von niemandem korrekt gelöst« lässt sich durch dieses Vorgehen jedoch nicht wirklich entkräften. Allerdings können Sie den Sockel so gestalten, dass die Aufgabe 3 als »Zusatzaufgabe« deklariert wird - damit ist das Kind aus dem Brunnen gefischt. - Sie ändern die Punktzahl für Aufgabe 3 (oder werten sie gar nicht).
Statt 6 VP vergeben Sie nur 2 VP. Damit ändert sich auch die Maximalpunktzahl, Sie müssen die gesamte Bepunktung im Nachhinein ändern, was nicht nur aufwändig ist, sondern auch Erklärungsbedarf erzeugt und ärgerliche Nebeneffekte haben kann. So könnte ein/e Schülerin sagen: »Ich habe mich vor allem auf diese Aufgabe konzentriert, weil sie die meisten Punkte gab. Das ist die Einzige, die ich ganz richtig habe, und jetzt gibt es plötzlich weniger Punkte dafür.« Und tatsächlich hat er/sie damit Recht. (Das ist übrigens der Grund, warum einige Lehrer/innen auf dem Arbeitsblatt/Aufgabenblatt keine Angaben zu Verrechnungspunkten machen.) Also ebenfalls eine suboptimale Lösung.
Im beschriebenen Szenario gibt es keine perfekte Lösung, denn die Datenlage ist schlecht - SIE haben bei der Erstellung der Arbeit gepfuscht. Immerhin können Sie durch Einziehen eines Sockels die bestmöglichste Lösung schaffen (indem Sie Aufgabe 3 als Zusatzaufgabe umdeklarieren, die über die 1 (beste Note) hinaus zusätzliche Punkte abwirft).
Fazit
Letztlich geht es bei der Verwendung von Notenschlüsseln nicht darum, ob der Notenschlüssel »richtig« oder »falsch« ist - es gibt bei Notenschlüsseln kein »richtig« oder »falsch« (Ausnahme: Prüfungssituationen mit offiziellen Vorgaben). Es geht darum, dass Sie als Lehrer/in die Notenvergabe pädagogisch sinnvoll und fair gestalten.
Verwenden Sie weiche Notenschlüssel, haben Sie keine genaue Kontrolle darüber, was genau passiert. Und wenn Sie Ihre Einstellungen ändern (bspw. von ganzen auf Viertelnoten), ändert sich plötzlich der ganze Notenschlüssel.
Bei den Lehrerfreund-Notenschlüsselrechnern können Sie harte Sockel oben und unten definieren.