Wordle
Textarbeit im Deutschunterricht mit Wortwolken 06.03.2015, 00:17
Mit Wordle erstellen Sie online sehr einfach Wortwolken. Diese eignen sich hervorragend für simple, sinnvolle Einstiege, wenn im Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht ein neuer Text eingeführt wird (Lektüre, Sachtext …). Zahlreiche Beispiele für den Deutschunterricht (Homo Faber, Werther, Das Urteil, Die Verwandlung, Bettelweib von Locarno, Effi Briest, Schimmelreiter, Nathan der Weise und Kants »Was ist Aufklärung?«)
Das ist die Wortwolke für den Artikel, den Sie jetzt gleich lesen werden:
Ein Blick - und der Plan wird klar: Wir diskutieren "Wortwolken", es geht um "Texte" und "Lektüren" und - wahrscheinlich - deren "Themen", alles wohl für den "Deutschunterricht" mit "Schüler/innen". Über die Wortwolke haben Sie wesentliche Inhalte dieses Textes intuitiv, schnell und unangestrengt erfasst. Diese Methode wenden wir nun auf Texte im Deutschunterricht an.
Was Wordle alles kann und wie Sie mit Wordle-Wortwolken einen interpretativen Zugang zu literarischen und Sachtexten finden können, wurde für den Deutschunterricht hier schon an zwei Beispielen beschrieben: Wordle: Wortwolken als Interpretationsmaschine - methodische Möglichkeiten
Kurze didaktische Überlegungen: Wortwolken im Deutschunterricht
Wordle-Wortwolken eignen sich ganz hervorragend zum Einstieg in eine neue Lektüre: Auf Grundlage der Worthäufigkeiten stellen die Schüler/innen Vermutungen an bspw. über Inhalt, Plot und Charaktere. Ab diesem Moment ist eine erste Orientierung gegeben, da Erwartungshaltungen und Bezugspunkte bestehen, an die dann beim Lesen angeknüpft werden kann. Ebenso können schon vorhandene Lektürekenntnisse anhand einer Wortwolke überprüft und diskutiert werden.
Dieses Vorgehen ist auch bei Texten zu empfehlen, die die Schüler/innen an ihre Grenzen treiben (z.B. Franz Kafka). Rein rezeptive Zugangsweisen ("Lest die Lektüre bis übernächste Woche.") scheitern bei vielen Schüler/innen an mangelndem Verständnis und fehlender Motivation; eine alternative, evtl. handlungsorientierte Phase im Vorfeld kann den Leseprozess maßgeblich befeuern.
Die folgenden methodischen Möglichkeiten können auf beliebige literarische Texte übertragen werden, leicht abgewandelt auch auf Sachtexte. Ebenfalls können diese Herangehensweisen auch im Fremdsprachenunterricht angewendet werden.
Im Deutschunterricht kann es ganz unzweifelhaft nicht darum gehen, den Interpretationsprozess durch eine technische Häufigkeitsanalyse zu ersetzen. Man erhält jedoch sehr ungewöhnliche Zugänge zur Lektüre, was neue Fragehaltungen erzeugt. Assoziieren, spinnen, freies Gedankenspiel sind erlaubt und erwünscht (siehe z.B. unten bei Kafka: Verwandlung, "konnte"/"mußte").
1) Erste Eindrücke vom Inhalt der Lektüre bekommen: Personen, Themen, Orte
Über eine Wortwolke können wir uns in vielen Fällen einen groben Überblick über die wichtigsten Personen und Orte verschaffen und uns vielleicht mit zentralen Themen vertraut machen. Die Schüler/innen könnten eine Wortwolke für den Gesamttext bekommen und die wichtigsten Figuren und Themen markieren (z.B. Protagonist/innen rot, Themen blau, Orte grün).
Dabei gilt die Faustregel: Je genauer man sich im Deutschunterricht mit einem Text beschäftigen möchte, desto kürzer sollte der verwendete Abschnitt sein. Für den Einstieg in eine neue Lektüre kann man es dagegen durchaus mal mit einem ganzen Romantext versuchen.
Wortwolke zu Goethes "Werther" - Personen, Themen
Wir finden die wichtigsten Protagonist/innen (Lotte/Lotten, Albert, Werther, Wilhelm), daneben auch zahlreiche Begriffe, die die zentralen Themen des Sturm und Drang darstellen: Mensch/Menschen, Herz/Herzen, Seele, Tränen usw. Wir könnten uns fragen, welche Bedeutung diese Begriffe für die Geisteshaltung des Sturm und Drang haben. Und natürlich könnten wir uns auch fragen, warum das Wort "wohl" derartig häufig vorkommt.
Wortwolke zu Franz Kafkas "Das Urteil" - Fragen an den Text stellen
Wenn wir beginnen, Kafkas 'Urteil' zu lesen, können wir uns eine Wortwolke anschauen und uns Fragen stellen wie diese (ob die Schüler/innen den Text vorher gelesen haben oder nicht, ist Frage des didaktischen Geschmacks):
- Welche Rolle spielt der Vater (der offensichtlich wichtiger ist als der Protagonist Georg)?
- Geht es in dem Text um Freundschaft ("Freund", "Freunde", "Freunden")?
- Das "Bett" scheint von Wichtigkeit zu sein (13 Vorkommnisse).
Wortwolke zu Fontanes "Effi Briest" - Personen, aber keine Orte und Themen
Bei längeren Romanen wird man zentrale Themen nicht immer identifizieren können, da sie nicht durch häufige Verwendung einzelner Wörter übermittelt werden sondern durch komplexere Beschreibungsformen. So erkennen wir in der folgenden Wortwolke von Fontanes "Effi Briest" natürlich schön die wichtigsten Personen (Effi, Innstetten, Roswitha, Crampas, Johanna, Mama, Gieshübler), die zentralen Themen (z.B. "Ehebruch") tauchen so natürlich nicht auf.
"Augen" und "sehen" in Theodor Storms "Schimmelreiter" - Neue Motive diskutieren
Manchmal eröffnet die Betrachtung einer Wortwolke einen neuen Zugang zum Text. Bei Theodor Storms Schimmelreiter drängt sich sofort die Frage auf, warum die "Augen" und das Sehen ("sah") eine offensichtlich dominierende Rolle spielen. Das Dingsymbol "Deich" (inkl. Deiche, Deiches), das "Wasser" oder der "Schimmel" spielen dagegen von ihrer schieren Vorkommenshäufigkeit her eine zweitrangige Rolle. Aus dieser durch eine tumbe Häufigkeitsanalyse gewonnenen Erkenntnis kann man in keiner Weise den Schluss ziehen, dass der Deich, das Wasser oder der Schimmel nicht wichtig seien; man erhält aber eine neue Interpretationsperspektive.
Wortwolke für Lessings "Nathan der Weise" - Figuren des Dramas
Besonders beim Drama eignet sich die Häufigkeitsanalyse in einer Wortwolke, um sich einen raschen Überblick über den Redeanteil der einzelnen Figuren zu verschaffen:
Ganz klar spielen Nathan, der Tempelherr und Saladin eine wichtige Rolle, weiterhin Daja, Sittah, Recha, der Klosterbruder, Al-Hafi. Diese Erkenntnisse sind für eine Wichtigkeitsanalyse nicht ganz zuverlässig und müssen anschließend am Text überprüft werden (es könnte ja sein, dass jemand selten redet, dafür aber jeweils ununterbrochen lang und viel).
2) Bei mehreren Kapiteln/Abschnitten: Entwicklungen erkennen
Wenn Sie für mehrere Kapitel einer Lektüre jeweils eine Wortwolke anfertigen, lassen sich oft Entwicklungen auf den ersten Blick erkennen. Betrachten Sie im Beitrag Wordle: Wortwolken als Interpretationsmaschine - methodische Möglichkeiten das überaus anschauliche Beispiel der Entwicklungen in Winnetou I, wo sich das "Greenhorn" während der Romanhandlung offensichtlich von der Welt der Weißen wegentwickelt und schließlich zum in die Indianerwelt integrierten "Old Shatterhand" wird.
Etwas weniger trivial:
Wortwolke zu Franz Kafka: Die Verwandlung - Entwicklung über die einzelnen Abschnitte analysieren
Farbig markiert sind nur einige Motive:
Offensichtlich gewinnt das "Zimmer" (blau) im Verlauf der Handlung immer mehr an Bedeutung - kein Wunder, wo das Zimmer doch zum Universum des Käfers Gregor wird. Ergänzend könnte man das restliche Inventar betrachten ("Bett", "Möbel", "Tisch", "Kanapee").
Die Wörter "Vater", "Mutter" und "Schwester" kommen ebenfalls zunehmend häufig vor (während die Häufigkeit von "Gregor" leicht abnimmt). In gleichem Maße nimmt offensichtlich die "Familie" gegen Ende einen größeren Raum ein als zu Beginn, während die "Eltern" mit Gregors Tod ganz verschwinden.
Auffällig ist die Verwendung von "konnte" und "mußte". Im dritten Abschnitt wird kaum mehr gekonnt und gemusst, im zweiten am meisten. Ist das ein Zufall? Bilden sich vielleicht Zwänge, Möglichkeiten, Hoffnungen in dieser Auffälligkeit ab?
Gerade dieses Beispiel zeigt, dass es sich bei der Wortwolkenarbeit nicht um eine statische, operationalisierbare Interpretationstechnik handelt. Schließlich ist bei Betrachtung dieser Wolke gar nicht klar, welche Bedeutung diese Wörter haben (Wer "konnte" oder "mußte" überhaupt? "Konnte" Gregor oder (und das ist meistens der Fall) "konnte" er "nicht"?). Doch wir haben durch unsere Beobachtung einen neuen diskursiven Raum erschlossen. Und wenn Ihnen ein/e Schüler/in sagen und belegen kann, dass die Häufigkeit von "konnte" und "mußte" keinerlei interpretatorische Bedeutung hat, dann Hut ab - der/die hat den Text aber wirklich genau gelesen.
Max Frisch: Homo Faber - Die zwei Stationen
Auch wenn Abschnitt-/Kapitelvergleiche nicht besonders viel hergeben, wie in diesem Beispiel, so lassen sich doch immer einige diskutierenswerte Beobachtungen machen.
Auf den ersten Blick sehen wir nur, dass offensichtlich Hanna eine bedeutende Rolle spielt - wenn es nach der Häufigkeitsanalyse geht, sogar eine wesentlich bedeutendere als Sabeth. Hanna und Sabeth verändern sich in der Häufigkeit ihres Auftretens nicht von der ersten zur zweiten Station, Ivy dagegen schon - in der zweiten Station kommt die Sexualgespielin von Walter Faber fast nicht mehr vor.
Es scheint so, dass in der zweiten Station weniger gesagt und geredet wird: In der ersten Station finden wir einen "sagte"-/"sagt"-Anteil, der Sabeth deutlich übertrifft, in der zweiten Station geht dieser Anteil merklich zurück.
Man könnte sich die Frage stellen, ob die häufigere Verwendung von "Kind" in der zweiten Station einen tieferen Gehalt hat (oder handelt es sich nur um Zufall?).
Weiterhin ist zu diskutieren, warum "Joachim" und "Herbert" gleichermaßen in der ersten und zweiten Station auftreten, obwohl sich doch die ganze Situation massiv geändert hat (siehe auch Homo Faber: Chronologie in Karten (Reisen, Orte) + Arbeitsblätter). Damit verbunden ist die Überlegung, welche Bedeutung diese beiden Männer für Walter Faber haben.
3) Handlungsorientierte Herangehensweise: Handlung antizipieren durch Kreatives Schreiben
Bevor eine Lektüre gelesen wird, könnten die Schüler/innen sich doch selbst einmal an einem Text versuchen. Im Stile einer aufgebohrten Reizwortgeschichte sollen die Schüler/innen im Deutschunterricht eine Erzählung (Drama, Briefroman, Kurzgeschichte …) zu den vorgegebenen Wörtern verfassen. Wir verwenden dazu eine Wordle-Wortwolke mit etwa 20 Wörtern. Die Schüler/innen sind gehalten, sich an der Häufigkeit zu orientieren (häufiger = wichtiger).
Heinrich v. Kleist: Das Bettelweib von Locarno
Hier gilt es den Begriff "Marchese" zu klären, anschließend kann es losgehen. Durch die Wortwolke sind viele W-Fragen schon geklärt (Wo: Schloss, Zimmer; Wann: Nacht; Wer: Marchese, Ritter, Marquise, Frau, Hund). Der "Ofen" muss im Rahmen der Handung eine Funktion bekommen, ebenso muss das "Geräusch" eingebaut werden.
Jedes dieser Themen wurde nun von den Schüler/innen intensiv beackert. Sobald sie anschließend den Text lesen, finden zahlreiche Anknüpfungen und damit ein weit gehendes Verständnis des Textes und einiger seiner Motive statt.
4) Sachtexte einführen mit Wortwolken
Nicht literarische Texte eignen sich meist sehr gut für eine Häufigkeitsanalyse. Schnell erfasst man zentrale Inhalte und Themen.
Immanuel Kant: Was ist Aufklärung?
Auf einen Blick wird klar, welche Themen in diesem Text angesprochen werden: "Aufklärung", "Freiheit", "Vernunft", "Unmündigkeit" - die hier vermittelten Gedanken widersprechen der Idee des Absolutismus deutlich. Im Zentrum stehen wohl die "Menschen".
Schon durch diese wenigen Beobachtungen haben wir einen Rahmen geschaffen, der die Lektüre des Textes erleichtert.
Wortwolken - Ein zusätzlicher Zugang zu Texten
Die Arbeit mit Häufigkeiten kann niemals andere Interpretationstechniken ersetzen. Sie kann aber die Textarbeit auf einfache und sinnvolle Weise unterstützen. Mit wenig Aufwand erstellt man Wortwolken bei Wordle.net, packt sie auf ein Arbeitsblatt und schwupp.