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Fragwürdige Interpretation

IGLU-Studie: Klassengröße für Schulleistung irrelevant? 18.04.2010, 19:05

Eine weitere Auswertung der IGLU-Studie (Leseleistung von Grundschüler/innen) hat ergeben, dass die Klassengröße keinen Einfluss auf die "Schülerleistungen" hat. Außerdem habe die Klassengröße keine Auswirkung auf das Stressempfinden der Lehrer/innen.

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  • (geändert: )

Dies berichtet Spiegel Online:

Indes haben Wissenschaftler nach SPIEGEL-Informationen keinen Beweis dafür gefunden, dass kleine Klassen zu besseren Schülerleistungen führen. Das ergab eine Analyse von Daten, die für die jüngste Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) erhoben worden sind. [...] Auch spiele die Schülerzahl beim Stressempfinden der Lehrerinnen und Lehrer eine untergeordnete Rolle.

Spiegel Online 17.04.2010: Iglu-Studie - Lernleistungen hängen nicht von Klassengröße ab

Gerade der zweite Punkt führt zu großem Erstaunen. Denn jede/r Lehrer/in weiß, in welchem Maße der Lehrerstress mit jeder zusätzlichen Schüler/in in der Klasse ansteigt. Der Stresspegel steigt im Verhältnis zur Klassengröße exponentiell - 13 und 16 ist ein kleinerer Unterschied als 29 und 31.

Die Klassengröße hat nach den erneuten statistischen Auswertungen keinen Einfluss auf die “Schülerleistungen”, das heißt: In größeren Klassen sind die Schüler/innen nicht besser. Das ist nicht unbedingt verwunderlich, da gerade die IGLU-Studie einen starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Leseverständnis gezeigt hat. Interessanter ist die Kehrseite der Erkenntnis: Offensichtlich können im deutschen Schulsystem auch durch kleinere Klassen schichtspezifische Unterschiede nicht ausgeglichen werden.

Die Macht der Zahlen

Schulvergleichsstudien wie IGLU oder PISA transformieren durch aufwändige statistische Konstruktionen die Schülerleistung in Zahlen. Am Schluss redet man dann nicht mehr über die Situation, sondern über die Zahlen. Ob ein Unterschied statistisch signifikant ist oder nicht, kann von einer Stelle weit hinter dem Komma abhängen. Bei der PISA-Studie 2006 wurde für den Schwerpunkt Naturwissenschaften die Aussage getroffen: “Irland liegt signifikant über dem OECD-Durchschnitt”. Die Ir/innen freuten sich, die PISA-Verlierer schauten neidisch auf das Inselvolk. Dabei lag Irland mit 508 Punkten gerade mal 8 Punkte über dem OECD-Durschnitt von 500 Punkten (PISA 2006 - Zusammenfassung (PDF), S. 6). Sicherlich ist die Aussage, dass “diese Abweichung auf dem .05-Niveau statistisch signifikant” ist, inhaltlich richtig. Aber können sich die Iren deswegen die nächsten Jahre zurücklehnen, während die Isländer/innen mit 491 Punkten (und damit: signifikant unter dem OECD-Schnitt) fortan als Parias der Lesekompetenz gehandelt werden?

Auch wenn die Zahlen in vielen Fällen zuverlässige Aussagen über Trends und Unterschiede geben, gilt es weiterhin, die Auswertungen empirischer Studien mit gesund misstrauischem Auge zu betrachten - ohne dabei der Verlockung zu verfallen, sich die Realität nach eigenem Geschmack hinzubiegen. Denn genau um das zu verhindern, haben sich die empirische Vorgehensweisen im letzten Jahrzehnt im Schulbetrieb etabliert. Aber das funktioniert leider nicht: Die Medien werden titeln “Klassengröße hat keinen Einfluss auf Schulleistung”, die Lehrer/innen werden diese Aussage als völliges Versagen empirischer Methoden interpretieren - und Politiker/innen werden erfreut darauf verweisen, dass es ja gar nicht nötig sei, die Klassen zu verkleinern.

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Kommentare

11

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  • #1

    Spiegel Online hat ja nicht zitiert, sondern die Vorabergebnisse wiedergegeben. Die entsprechen ja ungefähr den Studienergebnissen, wie sie veröffentlicht wurden. Konkrete Beispiele für Ihre Aussage wären interessant.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #2

    Wer die Studie tatsächlich liest stellt schnell fest, dass sehr wohl Unterschiede zwischen kleinen und großen Klassen gefunden wurden. Es wurde hier klar falsch zitiert. Politisch gewollt?

    schrieb Joecool63 am

  • #3

    Hallo,

    unterrichte Deu in einer 10. Klasse (RS) mit nur 14 Schülern. Hat uns gemeinsam meist Spaß gemacht und wie die Prüfungen (letzten Freitag geschrieben) zeigen, haben die Schüler auch ganz ordentlich was gelernt dabei. Bin schon ganz wehmütig, dass die Truppe jetzt die Schule verlässt. Das waren tolle Arbeitsbedingungen, würde ich mir generell wünschen.

    schrieb laventre am

  • #4

    Danke.
    Es muss nicht, aber es dürfte ruhig…
    Ich habe den Vorzug einer kleinen Klasse (jetzt 21), da wir auch nur einen kleine Raum (momentan 27°C, auch ein Einflussfaktor…Im Winter konstant 25°C einer nicht zu regulierenden Heizung zu verdanken) haben (nicht dass jemand auf die Idee käme, eine kleine Lerngruppe aus pädagogischen Gründen zu bilden).
    Darunter sind (Gesamtschule) erhebliche Differenzierungen zu beachten und Lernschwierigkeiten, die auch in frisch geschiedenen oder “bildungsfernen” oder “migrantennahen” Familien ihre Ursachen haben könnten (außer der Wellness-Atmosphäre einer Sauna in diesem Raum).
    Platz haben wir keinen, 6 SuS bräuchten eine permanente Betreuung und kleinschrittige individuelle Anleitung, 2 sind schwach, aber unheimlich bemüht, 2-3 sehen ihren Energieeinsatz in weniger schulischen Bereichen, 2-3 wirklich gute “Überflieger”, der Rest normal oder mit der Pubertät beschäftigt.
    45 Minuten, und faktisch jeweils 5 Minuten jede Stunde, um kleinere Gruppen zu fördern, zu fordern, zu zwingen, aufzufangen, zu erheitern, zu kontrollieren, zu motivieren, zu loben, zu kritisieren, alternative Lösungswege zu prüfen und allgemein Lernprozesse individuell zu initiieren, wenn es an Eigenmotivation und Lesekompetenz fehlt….
    UND: Info- und Orga-Blätter zu verteilen und Klassengeschäfte zu betätigen… und nebenher (Störung hat Vorrang…)das Gefühl der Hilfestellung auch in persönlicher Angelegenheit zu geben und Konflikte zu bewältigen.

    12 finde ich nicht zu wenig. Vielleicht ist man nur so weit weg von Idealvorstellungen durch Gewöhnung an die Ist-Zustände, dass einem das als viel zu utopisch vorkommt.

    schrieb Kaminkehrer am

  • #5

    @Kaminkehrer

    genialer Beitrag, meine volle Zustimmung :-)

    Übrigens: In meiner Klasse sind 19 Schüler (10.Klasse Hauptschule) Diese Klassengröße empfinde ich als optimal. 12 müssen es nicht sein :-)

    schrieb Schülerfreund am

  • #6

    @Thomas:

    Die DESI-Studie widerspricht den oben genannten Ergebnissen auch - zumindest für den Bereich Englisch.

    schrieb Monika am

  • #7

    Hallo,
    ich bin Englischlehrer, meine Stunden bestehen auch aus Übungsphasen im Mündlichen - Lesen, Aussprache usw.
    Mir kann keiner sagen, es sei dabei egal, ob ich 15 oder 30 Schüler habe, im ersten Fall kommen die Schüler doppelt so oft dran.
    Also: wenn es um reine Wissensvermittlung geht, mag die Aussage stimmen, wenn es um Übung geht (welcher Unterricht kommt da ohne aus?), liefert die Untersuchung Müll.
    Ciao

    schrieb Thomas am

  • #8

    Das kann sein ;-)
    Wenn das die Ausgangsbasis der Studie ist, treffen meine Vermutungen oben ja gut zu: Ab einer gewissen Anzahl ist sowieso kein Unterschied mehr auszumachen, also pfercht man noch mehr in die Klassenräume.
    Wenn 33 gehen, dann doch auch 36, wenn 36 gehen, dann machen doch die beiden mehr auch keinen wirklichen Unterschied in der Geräuschkulisse…äh… im Lärmfortschritt…Lernfortschritt aus. Und 40 ist doch eine nette runde Zahl….etc.

    Sollte nun bloß eine(r) kommen und vielleicht vermuten (noch nicht vorschlagen), dass 26 einfach auch schon zu viel sei, dass relevante Unterschiede bei kleineren Lerngruppen selbst unter schwierigen Bedingungen (sozialer Hintergrund, Bildungsferne, ADHS (die bekämen dann ja auch mal mehr Aufmerksamkeit…)) so unter 22, unter 20, unter… “statistisch signifikant” und persönlich (von SuS, Eltern und Lehrenden) als Erleichterung gesehen werden könnten.

    Nehmen wir mal die nahezu göttliche Zahl “12”, nicht umsonst hat ja unser Heiland nur so viele als Auszubildende um sich geschart…Wie man vielleicht noch weiß, war der 13. irgendwie zu viel (bildungsresistent).
    12 ist super für Arbeitsgruppen, hat eine Menge Teiler: 2er, 3er, 4er, 6er. Selbst ein Plenum könnte 12 Präsentationen vertragen, nicht gemachte HA fallen auf, sie können sogar nach Qualität statt nach Quantität und Form kontrolliert und rückgemeldet werden. Zeit zur wiederholten Kontrolle, damit der Lernprozess auch ein wirklicher ist, der mit Rückmeldungen, Überarbeitungen, Verbesserungen, Anleitungen begleitet werden kann….

    Ja, auch 26 könnte zu viel sein.
    Durch meine Erfahrung mit einer 8köpfigen Lerngruppe Deutsch “Abdeckerkurs”: Weniger als 12 darf es nicht werden.

    schrieb Kaminkehrer am

  • #9

    Untersucht wurde hauptsächlich die (nicht vorhandenen)Unterschiede zwischen Lerngruppen mit 33 Schülern und mit 25/26 Schülern.
    Kann es nicht einfach sein, dass 26 Schüler immer noch zu viel sind?

    schrieb Monika am

  • #10

    Traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast…..
    Kaminkehrer, ich wünsche Dir,dass Deine Träume mal in Erfüllung gehen. Meine erste Klasse 1967, 9.Schulj.) hatte damals 40 Schüler , meine letzte im Jahre 2008 nur noch 33 (10. Schuljahr).
    Übrigens gab es an der Uni St.Gallen(Schweiz) vor Jahre eine Untersuchung, die zum Entsetzen aller Kultus- und Finanzminister genau das Gegenteil der o.a. Iglu-Untersuchung erbracht hat.
    Vielleicht sollten sich auch nur die Leute äußern, die selbst mal 1 oder 2 Jahre vor einer Klasse gestanden sind…

    schrieb Tennissandmann am

  • #11

    Wichtig: Größere Klassen verbessert auch nichts, bestenfalls verschlimmert es…was? die Leseleistung in der Grundschule nicht.

    Das steckt eigentlich in der Studie oder?
    1. so genannte sozial Schwache können erheblich schlechter lesen und verbessern sich auch nicht durch große oder kleine Lerngruppen in der Grundschule:
    Dies verwundert mich nicht, ist die soziale Herkunft erheblich wirksamer als die Klassengröße.
    Dass diese dennoch einen Einfluss haben kann, der nur nicht gegen die größere Gewichtung ankommt, steht für mich nicht in Frage. Dass noch andere Faktoren hinzukommen wie die Lehrerrolle, steht für mich ebenfalls nicht in Frage.
    Fazit: Viele Faktoren bilden einen Prozess, besonders einen Lernprozess. Die wenigsten sind durch die Schule zu beeinflussen.
    Viele Faktoren lassen aber signifikante statistische Aussagen nicht mehr zu (das ist Mathematik).
    Also sucht man sich eine provokante heraus, die ein Unding implizit zu legitimieren vermag: Größere Klassen schaden ja gar nicht… vielleicht doch: in höheren Klassen, bei anderen Kompetenzen, den Lehrenden.
    Auf jeden kann man dann ja ruhig noch ein paar mehr hineingeben. Und toll: Beim Lesen muss ja auch keine Korrektur stattfinden, und jeder kann für sich selbst lesen…selbstgesteuertes Lernen…

    Meine Erfahrung:
    Ich bin erheblich genervter, wenn die Gruppe groß ist. Ich bin erheblich genervter, wenn die Gruppe zu klein wird. Ich freue mich erheblich mehr und habe mehr Zeit für einzelne, wenn die Gruppe klein ist, auch für extra Kontrollen und Rückmeldungen. Die SuS freuen sich erheblich mehr, wenn es ruhiger ist und sie öfter sich einbringen können, sprich: Arbeiten vortragen und präsentieren. Jeder möchte sich gern wahrgenommen wissen.
    Unterricht in Räumen mit Platz kann offener sein, Freiräume schaffen (steckt ja schon im Wort), flexibler…
    Ich träume halt gern mal.

    schrieb Kaminkehrer am

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