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Deutschunterricht

Kochrezepte als Lyrik 14.04.2017, 15:25

Kochrezept
Bild: Pixabay/RitaE [CC0 (Public Domain)]

Lyrikunterricht muss nicht nerven. Eine unkonventionelle und didaktisch doch sinnvolle Idee: Kochrezepte als Lyrik vortragen. Erfunden und in der Praxis ausprobiert von Frank McCourt (»Die Asche meiner Mutter«).

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  • (geändert: )
Originalbeitrag vom 06.01.2007, leichte Überarbeitung 14.04.2017

Frank McCourt (weltbekannt durch »Die Asche meiner Mutter«) berichtet in seinem Buch “Tag und Nacht und auch im Sommer. Erinnerungen” von seiner - oft anstrengenden und frustrierenden - Lehrertätigkeit an amerikanischen Berufs- und Highschools. Im Lyrikunterricht kommt ihm eine Idee, die alles, was es über handlungsorientierten Unterricht zu sagen gibt, zusammenfasst:

McCourt unternimmt mit seinen SchülerInnen aus dem Kurs “Kreatives Schreiben” ein Picknick; einer plötzlichen Eingebung folgend fordert er die Schüler/innen auf, zur nächsten Stunde Kochbücher mitzubringen. In dieser Stunde lässt er die Kochrezepte vorlesen. Die Schüler/innen sind verwirrt. Doch eine Schülerin kapiert ganz schnell, warum sie die Rezepte vorlesen sollen: Sie sehen gedruckt wie Lyrik aus, »und manche lesen sich auch wie Lyrik« Und eine andere Schülerin gräbt noch tiefer: Man könne Kochrezepte lesen, ohne dass »irgendwelche Scheiß-Englischlehrer ständig auf dem tieferen Sinn rumreiten«.

Möglicherweise ist das ein wirklich zentraler Punkt: Wer kann Lyrik genießen, wenn er dauernd an seine Gefühle denken muss und an das Versmaß und die Epoche und die anderen Dinge, die irgendwie dranhängen? Kochrezepte sind perfekte assoziationsfreie Lyrik.

Frank McCourt kriegt sie damit alle. Ein Schüler spielt Flöte und Susan trägt dazu ein Lasagnerezept vor. Nach einigem Gekicher hören alle ernsthaft zu und applaudieren am Schluss. Naja ... Alle außer Brian:

Brian setzt der allgemeinen Begeisterung einen Dämpfer auf. Er fragt, ob er [... ins Sekretariat gehen könne und sich] erkundigen, ob er die Klasse wechseln kann, weil er hier nichts lernt.

Frank McCourt: “Tag und Nacht und auch im Sommer. Erinnerungen”, S. 269f

Kurz: eine brillante Idee, die man im Lyrikunterricht z.B. als Einstieg durchaus nachmachen kann. Motivation und Spaß stehen hier im Vordergrund, und wenn die Schüler/innen sich fragen, warum das Lasagne-Rezept besser klingt als der Grünkohl-Auflauf, hat man vielleicht schon einen Ansatzpunkt, über Jamben und Trochäen nachzudenken.

Ähnlich originell ist übrigens das Konzept, nicht literarische Texte (wie Gebrauchsanleitungen oder Politikerreden) durch das Einfügen von Zeilenumbrüchen (Enjambements) in Lyrik zu verwandeln: Gedichte von Donald Rumsfeld: Der Meister des Enjambements

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Kommentare

4

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  • #1

    ok. mea culpa.

    schrieb Gerhard Wellmann am

  • #2

    Deshalb steht über dem Text ja auch
    “... berichtet in seinem Buch ‘Tag und Nacht und auch im Sommer. Erinnerungen’ von seiner Lehrertätigkeit ...” ;-)

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #3

    Trotzdem stammen die herrlichen Stellen nicht aus der “Asche meiner Mutter”, sondern aus dem neuen Buch “Tag und Nacht und auch im Sommer”!

    schrieb Gerhard Wellmann am

  • #4

    Ich lese das Buch auch gerade und finde die Sache mit den Satzgliedern und dem Kuli sehr schön. Überhaupt scheint es einer der wenigen grundehrlichen Selbstzeugnisse von Lehrerseite zu sein.

    schrieb Gerhard Wellmann am

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