Lautstärke im Unterricht
Lärmpegel im Klassenzimmer meist deutlich zu hoch 02.02.2019, 07:21
In Klassenzimmern ist es permanent zu laut - so Lärmforscher P. Becker. Das stresst Schüler/innen und Lehrer/innen und führt zu Konzentrationsschwächen. Lehrer/innen sollten dem durch pädagogische Interventionen oder Tools wie Lärmampeln entgegenwirken.
Im Klassenzimmer ist es laut.
Im Jahr 2005 nannte Lärmforscher Dr.-Ing. Peter Becker von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin diese Zahlen für die Lautstärkeentwicklung in Unterrichtsituationen:
- In Stillarbeitsphasen werden im Klassenzimmer mindestens 50dB gemessen.
- In typischen Unterrichtssituationen (Unterrichtsgespräch, Gruppenarbeit) werden 70-75dB gemessen.
- In Extremsituationen kann der Lärmpegel 80dB übersteigen.
Wie fühlen sich 70-75db an?
75 Dezibel sind eine Menge Holz. Ein fahrender Pkw hat - aus einigen Metern Abstand wahrgenommen - etwa diese Lautstärke. Ein Staubsauger, der in Ihrem Arbeitszimmer saugt, hat etwas weniger. Stellen Sie sich also vor, Sie sitzen vier, fünf Stunden täglich an Ihrem Schreibtisch und direkt neben Ihnen läuft ein Staubsauger.
Verständlich, dass LehrerInnen die Lärmbelastung im Unterricht häufig an erster Stelle auf ihrer Negativliste nennen (die dadurch entstehende stimmliche Belastung kommt entsprechend dazu).
Um zu verstehen, in welchem Ausmaß die Lärmbelastung Stress erzeugt, muss man wissen, dass Schall logarithmisch empfunden und gemessen wird. 10 dB weniger bedeuten eine Halbierung der subjektiv empfundenen Lautstärke. Einige Beispiele (weitere bei Wikipedia - Schalldruckpegel):
10 Dezibel - Blätterrauschen (am Ohr)
40 Dezibel - Flüstern (am Ohr)
60 Dezibel - Fernseher Zimmerlautstärke (1m Abstand)
70 Dezibel - Staubsauger (im Zimmer)
80 Dezibel - Türknallen; PKW (5-10m Entfernung)
110 Dezibel - Rockkonzert
140 Dezibel - Gewehrschusss (1m Abstand)
150 Dezibel - Düsenflugzeug (30m Abstand)
Ab 85dB am Ohr können bei langfristiger Einwirkung Gehörschäden auftreten (sic), ab 120dB können Gehörschäden schon bei kurzfristiger Einwirkung am Ohr auftreten. Ab 150dB drohen sofortige Gehörschäden.
Lösungsmöglichkeiten
Pädagogische Intervention
In Phasen, in denen die Schüler/innen diskutieren (bspw. Gruppenarbeitsphasen), lässt sich schwerlich Stille einfordern. Doch in Plenumsphasen kann man dafür sorgen, dass die Lärmverursachung auf ein Minimum beschränkt wird. Das betrifft unterrichtsfremde Aktionen wie Hineinrufen, Privatgespräche unter Schüler/innen und Manipulationen am Mobiliar (Stühleknallen nach Ende des Kippelvorgangs, Tischerücken).
Am besten konzentrieren Sie sich darauf, solche Verhaltensweisen einzeln auszutreiben. Alles auf einmal …
»Ich möchte, dass ihr euch nicht mehr unterhaltet, dass ihr aufhört zu kippeln und wer reinruft, bekommt ab sofort eine Strafarbeit.«
… ist zu viel. Nehmen Sie bspw. das Problem mit dem Mobiliar in den Fokus. Erklären Sie den Schüler/innen das Problem und treffen Sie eine entsprechende Vereinbarung.
Tipps für effektives pädagogisches Handeln finden Sie z.B. hier:
- Strafe als pädagogisches Mittel
- Was Lehrer/innen von Schiedsrichtern lernen können
- »Nicht persönlich nehmen« - Konflikte mit Schüler/innen entschärfen
- Bruce Lee als Vorbild für Lehrer - Das Konzept “Classroom Discipline 101”
Lärmampel
Ein Gerät, das je nach Lautstärke grünes, gelbes oder rotes Licht zeigt.
Lärmampeln dienen nicht nur dazu, den Schüler/innen zu signalisieren, wann sie die Lautstärke abdrehen müssen, sondern sollten in erster Linie zur Etablierung eines Belohnungssystems verwendet werden. Wenn bspw. eine ganze Stunde kein rot zu sehen ist, erhält die Klasse eine Belohnung.
Klassische Lärmampel
Verbreitet sind Standalone-Geräte in der Form einer Ampel, eine Lärmampel eben:
Bild: Wikimedia Commons - Lärmampel (CC0)
Bei Erstveröffentlichung dieses Beitrags (2006) kostete eine Lärmampel noch zwischen 300 und 400 Euro zzgl. MwSt., heute sind Lärmarmpeln ab 70 Euro zu haben. Suchen Sie über eine Internet-Suchmaschine "Lärmampel". Eine Preisübersicht findet sich bei einer Google-Shopping-Suche 'Lärmampel'.
Vorteil gegenüber der App: Eine "echte" Lärmampel ist mit etwa 50cm Höhe doppelt so groß wie ein Tablet und wird deshalb wesentlich besser aus den Augenwinkeln oder auch während konzentrierter Arbeitsphasen wahrgenommen. Als fest im Klassenzimmer aufgestelltes Gerät bildet sie Teil des pädagogischen Inventars, während ein Tablet nur sporadisch auftaucht und dadurch weniger onthologische Konstanz vermittelt.
Nachteilig ist ganz klar der Preis und die Sperrigkeit des Geräts, das einen eigenen Stromanschluss/Verkabelung braucht und irgendwo einen sicheren Platz finden muss.
Lärmampel als App
Lärmampeln gibt es auch als App für iOS/Apple und Android, aktuell (02/2019) ist die Merlin-Lärmampel-App wohl das konkurrenzlose Produkt (um 4 Euro).
Bild: my-merlin.com (Großbild)
Vorteil gegenüber den meisten klassischen Geräten sind die zahlreichen sinnvollen Einstellungsmöglichkeiten. So kann die Dauer der Ruhephase eingestellt werden (nach wie vielen Minuten Ruhe erhält die Klasse einen Bonus = grüner Balken wird größer) oder es wird eine E-Mail verschickt bei zu viel Lärm, wenn die Klasse ohne Aufsicht ist. Nachteil der Lärmampel-Apps ist ihre Größe. Auf dem Smartphone können Sie das vergessen, mit einem gut sichtbar aufgestellten Tablet jedoch haben viele Lehrer/innen gute Erfahrungen gemacht, sieh z.B. die Kommentare im Google-Play-Store, wie z.B.
Allein die Ankündigung, ich hätte die Lärmampel APP installiert, hat für Ruhe und eine prima Unterrichtsatmosphäre gesorgt. Konnte den Fake nicht länger aufrechterhalten, daher ist Merlin jetzt tatsächlich in Benutzung. ... und es wirkt. Noch drei Doppelstunden und ich muß der Bande eine Runde Muffins ausgeben.
Weiche Filzlatschen für SchülerInnen
Auch marginale Bereiche können als Stellschrauben benutzt werden - bspw. der Lärm der Füße auf dem Schulhausboden:
“Einen anderen Weg gehe eine Schule in den Niederlanden. Dort würden die Schüler beim Betreten des Schulgebäudes Hausschuhe anziehen. Auch dieses Ritual habe lärmmindernde Wirkung.