Mediendidaktische Pleite in Schulen
‘Opfer’ einer Laptopklasse 10.03.2013, 17:54
Ein kurzes Interview mit einem ehemaligen Schüler einer Laptopklasse zeigt, dass der Erfolg von Medieneinsatz im Schulunterricht mit der mediendidaktischen Kompetenz der Lehrenden steht und fällt. Leider steht meistens der Fetisch der Technik und Methoden im Vordergrund.
Das Interview mit einem ehemaligen Schüler einer Laptopklasse ist erschienen im Halbtagsblog unter dem aussagefreudigen Titel Gespräch mit einem “Opfer” digitalen Unterrichts. Da ist u.a. zu lesen:
Robert: [...] Das Projekt wurde als zweijähriger Modellversuch präsentiert – die Notebooks sollten eigentlich in jedem Kurs ganz intensiv genutzt werden. Es waren haufenweise Lernprogramme vorinstalliert und wurde ganz groß angekündigt.
[...]
Jan: In welchen Fächern habt ihr letztlich mit den Rechnern gearbeitet?
Robert: Am Ende haben wir sie eigentlich nur in Englisch und Informatik gebraucht – ansonsten gar nicht. Von den installierten 20 Programmen haben wir vielleicht 4 genutzt.
Jan: Also nur während der zwei Jahre und nur in zwei Kursen. Wie war das da?
Robert: Also, in Informatik ist es natürlich sinnvoll, dass jeder seinen eigenen Rechner hat, aber das hätte man in einem Computerraum auch machen können. Und in Englisch… (zögert) Wenn wir zwischendurch mal ernsthaft dabei waren, haben wir schon was gelernt, aber… eigentlich haben wir nur hinten gesessen und CounterStrike gezockt.
Halbtagsblog 06.03.2013: Gespräch mit einem “Opfer” digitalen Unterrichts
Im Interview geht es außerdem um technische und organisatorische Probleme. Was aber in dem zitierten Ausschnitt interessant ist: Offensichtlich fehlte den Lehrer/innen vollständig die didaktische Fähigkeit, mit der Situation umzugehen. Wenn die Schüler/innen "hinten" sitzen und Spielchen machen, dann ist die Sitzordnung völlig verfehlt - und darüber hinaus hat die Lehrkraft die Situation nicht im Geringsten unter Kontrolle. In dem Moment, wo die Schüler/innen Counter-Strike spielen, ist die Nutzung der Technik für die Lernabsichten destruktiv.
Obwohl das Projekt 'Laptopklasse' groß angekündigt war und die technische Infrastruktur einigermaßen stimmte (alle Schüler/innen hatten ein Laptop, es waren "haufenweise Lernprogramme" installiert), hat kaum ein/e Lehrer/in die Laptops genutzt. Entweder hatten sie Angst vor den neuen Technologien oder sie sahen keinen Sinn darin, mit den Laptops zu arbeiten - beides deutet ebenfalls auf mediendidaktische Defizite hin.
Besonders deutlich war das Problem bei den interaktiven Whiteboards zu sehen. Auch hier stand fast immer die Technik im Vordergrund - weswegen die meisten interaktiven Whiteboards jetzt in irgendwelchen Abstellkammern neben dem Schulskelett Heini verrotten (siehe auch: Unterricht mit interaktivem Whiteboard - 3 Tipps zum Einstieg). Das drückt niemanden, denn der neue Hype in den Schulen lautet "Lernen mit Tablets".
Mediendidaktische Aspekte haben absolute Priorität
Bis heute haben die meisten Entscheidungsträger/innen und Planer/innen nicht verstanden, dass bei der Verwendung neuer Medientechnologien im Schulunterricht die mediendidaktische Dimension absolute Priorität hat. Man schmeißt die Kohle für Hardware raus, in Schulungen zählt die Beherrschung der Technik.
Ebenso ist - auch unter Expert/innen - die Ansicht verbreitet, dass der Einsatz der neuen Technologie zwangsläufig zu besseren Lernergebnissen führt. Konsequent plant man in die falsche Richtung: Statt von der Frage nach den angestrebten Lernergebnissen auszugehen, bastelt man den Lernerfolg um die technische Ausstattung herum, oft auch unbewusst: Wie oft reden Lehrer/innen bei der Beschreibung ihres Unterrichts von Kreide, dem Overheadprojektor und den Heften? Nie. Wie oft reden Lehrer/innen von Laptop- oder Tabletklassen von Laptops oder Tablets? Die ganze Zeit.
Das Medium muss sich dem Lernzweck bedingungslos unterordnen. Das müssen Organisator/innen und Entscheidungsträger/innen (bis in die unteren Reihen) verstehen.